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Wissenschaftliche Arbeiten & Artikel zu Training und Physiologie etc.

Dann nehmen wir es doch hier wieder auf, @pjotr ?
Also: es gibt eine Studie, nach der Core-Training nicht für Verbesserungen in der Rad-Performance sorgt. Dann gab es Einwände. Mein Stand war, dass Coretraining dabei hilft, lange Zeit in einer bestimmten Haltung zu fahren, also gerade für TT oder allgemein gestreckt. Andere haben Rückenschmerzen als Grund angeführt. Spielt das alles keine Rolle?
Vllt nochmal sachlich drüber austauschen?
Es gibt mittlerweile eine Studie, vor 5 Tagen veröffentlicht, mit schlechten Nachrichten für die Core-Training-Fans.



https://www.cureus.com/articles/241264#!/metrics

Ich freue mich natürlich schon auf die Anekdoten, mit denen versucht werden wird, die Befunde zu widerlegen ... :D
 

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Re: Wissenschaftliche Arbeiten & Artikel zu Training und Physiologie etc.
https://www.cureus.com/articles/241264#!/
Dieser Artikel kommt zu dem Schluss, das Krafttraining zu besserer VO2max führt als kein Krafttraining oder Coretraining. Ich finde das interessant.
" The present study suggests that 12 weeks of conventional strength training added to cycling during the preparatory phase of the season results in increased POs over the entire power curve and improves the VO2 max. These results were superior to those obtained from core training, which only increased PO during sprints. Given the notable performance gains and great adherence observed in the current study, it is recommended that cyclists include bi-weekly strength training sessions in their preseason. The exercises should target the main muscles activated during the pedal stroke (half squat, leg press with one leg at a time, one-legged hip flexion, and ankle plantar flexion) with intensities of six RM and three sets per exercise."
 
Die fragliche Studie zeigt nicht nur keine Effekte von Core-Training auf die Leistung auf dem Rad, sie führt auch aus, dass es bis dato keine anderen Studien gibt, die dazu Belege liefern. Angesichts der immer wiederkehrenden Behauptungen über den angeblichen Nutzen von Core-Training auf dem Rad ist das eine durchaus interessante Feststellung. Die Studie führt überdies aus, dass auch hinsichtlich des Nutzens von konventionellem Krafttraining für die Radleistung durchaus Unsicherheiten bestehen.

Dass sogn. Core-Training keinen Benefit auf dem Rad zeigt, hängt mEn vor allem damit zusammen, dass Radfahren eben keine Sportart ist, die sehr spezielle Anforderungen an die Haltemuskulatur des Oberkörpers stellt, denn für deren Entlastung hat man ja das Fahrrad! Zudem wird die benötigte Haltemuskulatur auch auf dem Rad schon effektiv trainiert, ist also nicht so, dass am Oberkörper alles nur "schlapp runterhängt". Wer sich mal sehr gute Radfahrer, wie z.B. Profis, ansieht, wird leicht erkennen, dass die ganz offensichtlich in der Lage sind, größere Anteil ihrer unteren Rückenmuskulatur bei der Trittbewegung zu aktivieren. Das hat aber nichts mit Core-Training zu tun, sondern ist zweifelsohne das Produkt vieler Jahre spezifischen Radtrainings. Schließlich ist auch bekannt, dass Radfahren einen therapeutischen Nutzen bei bestimmten Formen von Rückenproblemen hat. Es gibt Studien, die zeigen, dass lockere Radeinheiten zu Verbesserung von unspezifischen Schmerzen des unteren Rückens beitragen kann.

In der Summe zeigen die verfügbaren Befunde (einmal mehr), dass der Nutzen von Trainingsmaßnahmen je kleiner wird, je mehr man sich von den spezifischen muskulären und motorischen Anforderungen der Sportart entfernt - und wenn man sich zu weit entfernt, wird der Nutzen eben 0.
 
Aufgrund der immer wieder aufkeimenden Diskussionen und Berichte zu Infektion der Atemwege hier im Forum habe ich nochmal die wissenschaftliche Literatur gescannt im Hinblick auf die Frage, was man eigentlich über den Zusammenhang von (Ausdauer-)Sport und Atemwegs-Infektionen weiß. Die meisten von euch haben in dem Zusammenhang schon einmal etwa vom sogenannten "Open Window"-Phänomen gehört. Dahinter steht die Hypothese, harte bzw. lange Wettkämpfe und Trainingseinheiten führen zu einer vorübergehenden Schwächung des Immunsystems („Immunsupression“), die in der Folge zu einer erhöhten Anfälligkeit für Infektionen führe.

Eine Review aus dem Jahr 2019 zeigt allerdings, dass gegen die „Open Window“-Hypothese einige beachtenswerte Argumente ins Feld geführt werden können:

  • Studien, die ein erhöhtes Krankheitsrisiko von Ausdauersportlern nach großen Belastungen zeigen, etwa nach Laufmarathons, basieren häufig auf von den Teilnehmern selbst berichteten Krankheitsepisoden, nicht aber auf labordiagnostisch bestätigten Infektionen.
Das spielt eigentlich keine Rolle. Wenn die Leute sich krank fühlten, mithin Symptome aufwiesen, die sie subjektiv störten, dann waren sie krank. Das reicht eigentlich.

  • Studienergebnisse deuten darauf hin, dass bei diesen berichteten Krankheitsepisoden ein Teil nicht etwa auf tatsächliche Infektionen zurückzuführen ist. In vielen Fällen handelt es sich vermutlich um nicht-infektiöse Krankheitsepisoden, zum Beispiel durch Allergien oder Asthma.
Wenn diese Symptome jedoch, wie von den Leuten berichtet, gehäuft im Zusammenhang mit harten Trainingseinheiten und Wettkämpfen auftreten, dann sind auch das Indikatoren für das "Offene Fenster". Es ist ja erstmal egal, ob mein Krankheitsgefühl, das mich am Training oder an der Arbeit oder der Teilnahme von sozialen Veranstaltungen hindert, von einem Infekt oder einem Allergie- oder Asthmaschub ausgelöst wird.

  • Analysen zum Infektionsrisiko bei sportlichen Großevents ignorierten in der Vergangenheit die Tatsache, dass die Teilnahme mit einer hohen Zahl von Kontakten einhergeht und schrieben das erhöhte Infektionsgeschehen der sportlichen Aktivität zu. Dabei fiel auf, dass das Infektionsrisiko je höher war je länger die sportliche Aktivität dauerte. Das lässt sich allerdings auch so interpretieren, dass Infektionen nach solchen Großevents von vielen engen Kontakten herrühren. Ein Laufmarathon bedeutet eben (zumindest für diejenigen, die nicht in der Spitze laufen) stundenlang mit sehr wenig Abstand mit anderen Sportlern zu sein. Ähnliches lässt sich unzweifelhaft auch für Rad-Großveranstaltungen sagen, wo man oft schon vor dem Start eine erhebliche Zeit im Startblock in engem Kontakt mit anderen verbracht hat.
Das ist alles gut und recht. Die Effekte des offenen Fensters lassen sich aber genau so gut nach harten Trainingsphasen in heimischer Umgebung beobachten, auf die obiges nicht zutrifft.
  • Die traditionellen Analysen zum Infektionsrisiko beim Sport ignorieren oft die Frage, welche für das Infektionsgeschehen relevante Faktoren vor der eigentlichen Sportausübung lagen. Dazu gehören z.B. psychischer Stress, Ängste, aber auch Ernährungsdefizite, die Auswirkungen auf die Immunfunktion haben können. Letzteres könnten insbesondere vor Wettkämpfen, bei denen Gewicht eine Rolle fürs Ergebnis spielt, ein Faktor sein, etwa bei Bergmarathons. Wer versucht, vor dem Saisonhöhepunkt in den Alpen noch ein paar Kilo zu verlieren macht sich ggf. anfälliger für Infektionen.
Das ist eben auch Teil des offenen Fensters: zu harte Trainingsphasen für die aktuelle Diät.
  • Auch das Infektionsrisiko auf der Anreise zu Sportevents wurde bei Betrachtungen der „Open Window“-Hypothese kaum beachtet. Es gibt indes Analysen, die zeigen, dass speziell bei Flugreisen ein erhebliches Infektionsrisiko besteht. Das kann auch nicht verwundern, denn nur selten kommt man so lange so nahe in Kontakt mit anderen Menschen, wie beim Warten am Gate und dem stundenlangen Sitzen im Flieger. Viele, die regelmäßig ins Frühjahrs-TL nach Mallorca (oder woandershin) reisen, werden vermutlich auch schon Krankheitsepisoden während oder kurz nach dem TL erlebt haben. Man war in der Vergangenheit leicht versucht, diese dem „Open Window“-Phänomen zuzuschreiben. Mit Blick auf die Erörterungen in dem Paper drängt sich allerdings die Frage auf, ob diese Krankheitsepisoden nicht auch ganz ohne Sport durch die vielen Kontakte auf der Anreise im Flieger, Bus oder im Hotel (z.B. am Buffet) verursacht worden wären.
Und schon wieder wird die ganz normale Trainingssituation zuhause ausgeblendet. Auch zuhause kann man sich mit zu anspruchsvollen Trainings, primär bezüglich Umfang, im kalten Wetter wunderbar erkälten.
  • Sportler erkranken nach den verfügbaren Daten ohnehin nicht signifikant häufiger an Infektionen der Atemwege, als der Durchschnitt der Bevölkerung. Einige Studien deuten sogar eher auf einen gegenteiligen Effekt. Besonders ins Auge fällt dabei eine Studie zu Ultra-Marathon-Läufern, also einer Gruppe, die typischerweise sehr große Trainingsumfänge absolviert. Diese wiesen weniger krankheitsbedingte Fehltage auf, als der Durchschnitt der Bevölkerung. Bei der Interpretation solcher Beobachtungen sollte man allerdings sehr vorsichtig sein, denn wie wir aus der Analyse von AU-Daten wissen, hängen Krankheitstage im starken Maße von Beruf, Bildung, Status und Einkommen ab. Daher sind belastbare Vergleiche zwischen zwei Gruppen ohne Standardisierung um diese Faktoren nur schwer möglich. Ob das in der angesprochenen Studie berücksichtigt wurde ist unklar.
Dass Sportler gesünder sind als Unsportliche, mag ich gerne glauben. Aber dennoch erkranken Sportler eben gehäuft im Kontext von Trainingsbelastung, resp. -überlastung an den Atemwegen. Das wird ja indirekt oben sogar zugegeben, auch wenn man dafür andere Begründungen sucht (Allergien, Asthma).
  • Neben den zuvor skizzierten empirischen Befunden befasst sich das Paper auch noch mit -im engeren Sinne – medizinischen Mechanismen. So geht man auf die Beobachtung ein, dass nach sportlicher Belastung das Immunglobulin A im Speichel nach verschiedenen Studien vorrübergehend reduziert ist. Immunglobulin A spielt eine Rolle bei der Immunantwort auf den Schleimhäuten. Allerdings ist die These der Reduzierung offenbar umstritten, es wird erörtert, wie die Reduzierung überhaupt gemessen werden sollte und ob eine Reduktion klinisch relevanten Einfluss auf die Infektanfälligkeit habe. Auch spielt für das Immunglobulin offenbar der Gesundheitszustand der Mundhöhle eine Rolle, der von Autoren mit Blick auf die generell in der Bevölkerung sehr häufige Karies und Parodontose als generell problematisch beschrieben wird, wobei das Problem bei Ausdauersportlern – mutmaßlich wegen der Aufnahme größere Mengen von KH – besonders ausgeprägt sein soll. Ich kann diese medizinischen Überlegungen natürlich nicht bewerten, geben sie hier aber der Vollständigkeit halber wieder. Mit Blick auf das Infektionsrisiko scheint aber ein besonderer Fokus auf die Mundhygiene nicht falsch.
Das ist zwar spannend, da es die Frage des "warum" zu klären versucht. Für die Frage des "ob" spielt die Fragestellung jedoch keine Rolle.
  • Weitere Überlegungen befassen sich mit der Verringerung der Häufigkeit und Funktion von Lymphozyten (und anderen Immunzellen) im Blut nach einer intensiven, langanhaltenden körperlichen Belastung. Die Autoren schreiben, diese sei nicht auf eine Immunsuppression zurückzuführen, sie zeige einen erhöhten Zustand der Immunüberwachung und -regulation, der durch eine bevorzugte Mobilisierung von Zellen in das periphere Gewebe verursacht wird. Wie zutreffend das ist, entzieht sich meinem Horizont.
Irrelevant, da Spekulation in alle Richtungen.
  • Im zweiten Teil der Review befassen sich die Autoren mit den positiven Auswirkungen von Sport auf die Funktion des Immunsystems. Interessant dabei ist u.a. der Verweis auf eine Reihe von Studien, die zeigen, dass einzelne Trainingseinheiten geeignet sind, die durch Impfungen ausgelösten Immunantworten zu verbessern. Dabei kann diese Verbesserung allerdings durchaus selektiv sein. Bei einer Studie mit Pneumokokken-Impfungen verbesserte sich die Immunantwort auf einen Teil der durch die Impfungen abgedeckten Stämme, auf andere aber nicht. Außerdem spielen für den Effekt vermutlich weitere Faktoren, wie Alter und Geschlecht, eine Rolle. Es ist also nicht sicher, dass Sport einer Impfung die Immunantwort verbessert - aber nicht unwahrscheinlich. Sport nach der Impfung schadet aber offenbar der Immunantwort eher nicht, kann durchaus sogar einen Nutzen haben - der wäre allerdings abzuwägen gegen andere Risiken. Im Zuge der Covid-Impfkampagnen wurde das Thema auch gelegentlich erörtert und es gab durchaus in den Medien vereinzelt Artikel, die die darauf hinwiesen, dass Sport eventuell auch die Immunreaktion bei Covid-Impfungen verbessern könnte (erinnere mich an einen entsprechenden Artikel im WSJ), viel Beachtung haben diese Stimmen aber nicht gefunden.
Fazit: Auch wenn ich einiges nicht bewerten kann, ist das in der Summe eine spannende Arbeit. Es ist vielleicht zu früh, die „Open-Window"-Hypothese ganz zu begraben, die Review zeigt aber, dass es zahlreiche Einflussfaktoren gibt, die bislang meist ignoriert wurden. Falls es das „Open Window“ überhaupt geben sollte, ist das Fenster vermutlich sehr, sehr viel kleiner als manchmal suggeriert. Zudem sind die positiven Wirkungen von Sport auf das Immunsystem in der öffentlichen Wahrnehmung deutlich "unterbelichtet." Das sagt nicht nur was über den Stand der Forschung, sondern vor allem auch etwas über vorherrschende gesellschaftliche Argumentationsmuster, die sehr dadurch geprägt sind, Gründe zu finden, warum Sport potenziell gefährlich oder schädlich sein könnte.
Leider verpassen die Autoren offenbar die Chance, das Phänomen erstmal rein statistisch zu untersuchen. Beispielsweise hätte man eine grosse Anzahl von Pros, resp. deren medizinischen Helfer ("Sportmediziner") befragen können bezüglich des Auftretens von Infekten im Kontext von Trainings- und Wettkampfbelastungen. Man hätte zusätzlich eine grössere Anzahl von ambitionierten Freizeitsportlern befragen können.

Beispielsweise lässt sich ja über die "akute Traingsbelastung" (ACL) recht schön aufzeigen, ob eine Überlastung im Sinne der Theorie des offenen Fensters vorliegt. Und wenn man die Krankheitstage auf dem gleichen Graphen einzeichnet, kann man vermutlich bereits optisch feststellen, ob ein Zusammenhang besteht oder nicht.
 
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