Korsika mit dem Tandem
Hier nun der lange angekündigte Tourenbericht. D.h. zunächst der erste Teil (Korsika); der "Rest" braucht noch etwas Zeit:
Vorgeschichte
Die Eindrücke auf der Strecke zwischen Sperlonka (auf halber Strecke zwischen Rom und Neapel gelegen) und Palermo (Sizilien) priorisierte Italien auch für 2008er als Wunschland Nr. 1.
Die konsequente Fortsetzung der Rundreise aus dem letzten Herbst wäre nun Ost- und Westküste Siziliens gewesen.
Jedoch schreckte die Logistik der weiten Anreise ab, sodass Sardinien seine Chance bekam. Da die Inselumrundung mit knapp 900km für 2 Wochen recht gemütlich zu werden versprach, nahmen wir zum "Einrollen" Korsika mit ins Programm.
Radtechnik
Gewiss erwartet man im RR-Forum, dass wir selbige Technik verwenden würden. Jedoch hat sich in den vergangenen Jahren für uns das Tandem als ideales Reisegefährt bewährt. Leistungsunterschiede spielen keine Rolle mehr und positives Aufsehen ist garantiert.
Die Technik: Tandem Cannondale MT800 mit MotoFR (fette Federgabel), HS33, SON-Nabendynamo und Specialized FatBoy-Bereifung (Slick: 26 x 1.25). Die Zeltausrüstung nahm im Weber Monoporter Platz. Je eine Ortlieb-Packtasche stand für Bekleidung und Sonstiges zur Verfügung (bei mir SLR-Fotoausrüstung; meine Stokerin schöpfte den kompletten Stauraum für ihre Garderobe aus).
Lehrgeld
Die erste Hürde stellte die sichere Verwahrung des Fahrzeugs dar. Nach der nächtlichen Anreise steuerten
wir südlich von Livorno einen ganzjährig geöffneten Zeltplatz an. 10€ Parkgebühr für den Tag sind zwar happig, aber
die bestärkte Hoffnung, das Auto nach absolvierter Tour wieder unversehrt vorzufinden, ließ den finanziellen
Verlust verschmerzen. Erst später erfuhren wir, dass das Parken im gesicherten Hafenbereich von Livorno nur 7€pro Tag
verschlungen hätte.
Lehrgeld halt.
Ein Rad = zwei Räder?
Am Fährkartenschalter gab es dann die übliche Verwirrung ums Rad (ein Tandem == zwei Räder?). Bei 3€ Kosten pro Rad nahmen
wir die Mehrkosten für den imaginären zweiten Drahtesel gelassen hin (Überfahrt brutto: 78€). Für die Rückfahrt berechnete dieselbe
Fährgesellschaft nur ein Rad [meines Wissens nach besteht keine Geschäftsbeziehung zur Deutschen Bahn].
Ankunft
Bastia erreichten wir in der Abenddämmerung und fuhren schnellstens gen Norden, da laut Recherchen im Internet in
Pietracarbora ein Zeltplatz bis Ende Oktober geöffnet haben sollte. Allerdings entdeckten wir bereits 10km zuvor, in
Marina de Sisco, einen kleinen Campingplatz, der nicht nur eine der komfortabelsten sondern auch die preiswerteste (10€)
Übernachtungsmöglichkeit der gesamten Tour sein sollte.
Die folgenden Etappen waren durch die zu dieser Jahreszeit nur spärlich vorhandenen Zeltplätze in etwa vorgegeben.
Tag 1
Entlang der Ostküste Korsikas ließen perfekter Asphalt, unwesentliche Steigungen, warme Temperaturen und ein leichte
Brise im Rücken die Kilometer verrinnen, ohne spürbare Anstrengung hervorzurufen. Die Parameter änderten sich am nördlichsten
Punkt. Der Straßenbelag wurde holprig, der erste Pass (300Hm) anstrengend, der unterstützende Wind blieb aus und die
Temperatur stieg auf (zu warme) 28°C.
Auf der Westseite des Cap Corse folgte ein die Kräfte verschleißendes Auf und Ab. Die Landschaft war grandios. Die Landschaft
war abwechslungsreich. Nur eines fehlte aus Sicht des Pedaleurs: die Ebene. Sant Florent (km95) bot die Chance des Tagesziels
(Zeltplatz), aber bei noch verbleibenden 3 Stunden Tageslicht und geschätzten 40km bis L'lle Rousse war die Frage der Weiterfahrt
bereits beantwortet. Schier endlos war der folgende Anstieg, nicht minder ermüdend das wellige Profil der Hochebene. Der Tag neigte
sich dem Ende entgegen, nicht so die Fahrt. Es zooooog sich. In L'lle Rousse ein weiterer elender Anstieg, danach Ratlosigkeit, wo
sich denn nun der Campingplatz befand. Noch 10km, die Sonne war längst untergegangen, und ein Schild wies in Richtung Prärie. Der
Platz
http://www.camping-cantarettu.com/
ward erreicht, der Platz war leer. "Ganzjährig geöffnet" hat hier offensichtlich nichts zu bedeuten. Wir schlichen uns dennoch
auf den geschlossenen Platz.
Das war die längste Etappe (145km), auch die Härteste, eine der Schönsten, nicht die mit den meisten Höhenmetern (1810Hm).
Tag 2
Der zweite Tagesabschnitt wurde vergleichsweise gemütlich. Zwar mit 105km nicht wirklich kurz. Und mit gut 1000Hm auch nicht flach.
Aber landschaftschaftlich der Höhepunkt (über Calvi immer küstennah nach Porto).
In Porto hatte der Zeltplatz geöffnet (wie regenierend doch eine warme Dusche wirkt!).
Tag 3
Tag 3 startete mit einem langen Anstieg in die Calanques (600Hm am Stück), einem beeindruckenden Ensemble aus rotem Granit.
Es folgte eine fast 20km lange Abfahrt (zwischendrin noch ein Minipass) auf neu gebauter Piste (etwas Schwerlastverkehr zu den Steinbrüchen). Danach
welliges Terrain mit zunehmendem Autoverkehr in Richtung Ajaccio. Die Stadt selbst blieb die einzige Passage auf Korsika, die ich
aufgrund der Verkehrsdichte lieber gemieden hätte.
In Porticcio hatte der Zeltplatz - natürlich - geschlossen. Als ich der Dame an der Rezeption den Ausdruck aus dem Internet mit den
dort kommunizierten Öffnungszeiten unter die Nase hielt, durften wir dennoch drauf. 104km, 1280Hm. 23€ (!) Zeltplatzkosten.
Erstmals bei Tageslicht das Zelt errichtet.
Tag 4
Am kommenden Morgen starteten wir bereits zum Sonnenaufgang und hatten zum Frühstück gut 25km leicht verdiente Kilometer in den
Beinen. Es folgte ein abartiger Anstieg, der uns erstmals auf einer Tour vom Tandem zwang. Anfangs 13%, dann zwischen 14% und 16% pendelnd,
schließlich auf 18% steigend (Länge ca. 350m). Schieben war angesagt. Nach 100m glückte endlich der Aufstieg aufs Tandem, aber mit 13%
war es nicht wirklich flach. Auch auf dem folgenden Kilometer ging die Neigung nie unter 10% zurück, erst dann hatte das Profil ein
Einsehen und spendierte längere Passagen mit 3-7% Steigung, steilere Abschnitte nicht ausgeschlossen. In Propriano steckten 1200Hm in den
Beinen, aber erst knapp 70km lagen hinter uns. Zu allem Überfluss schob sich eine Regenfront heran, die uns vor Sartene in eine Bar zwang
(2h Zwangspause). Zum Glück blieb es bei diesem einen Wolkenbruch und auch der Anstieg nach Sartene erwies sich als relativ harmlos, sodass
wir das Tagesziel Bonifazio nach 137km und 1750Hm kurz nach Einbruch der Nacht erreichten. Ich muss wohl nicht erst erwähnen, dass
der theoretisch geöffnete Zeltplatz... Wir schlichen uns wieder drauf.
Tag 5
Am folgenden Morgen machten wir uns noch vor Sonnenaufgang vom Acker. Selbigen erlebten wir an einem perfekten Aussichtpunkt
über Bonifacio. Viel Zeit blieb nicht, denn die 9.30 Uhr Fähre nach Sardinien musste erreicht werden.
Fazit: Korsika ist mit dem Tandem ein Traum - sofern die Kandidaten eine gewisse Bergfestigkeit mit sich bringen. Denn was anderes
gibt es nicht (die Ostküste soll wohl flach sein, aber landschaftlich nicht so prickelnd und vor allem durch Industrie verschandelt).
Ende Oktober ist wettertechnisch eine ideale Reisezeit (23-28°C, nachts 18°C), aber logistisch problematisch, da außerhalb der größeren
Ortschaften kaum noch geöffnete Kneipen zu finden sind. Allerdings kann ich mir gut vorstellen, dass in der Saison das Radeln auf den
engen Straßen wenig beschaulich, wenn nicht gar gefährlich ist.
Ein paar Worte zu Sardinien hebe ich mir für einen späteren Zeitpunkt auf (noch in diesem Jahr).