• Hallo Gast, wir suchen den Renner der Woche 🚴 - vielleicht hast du ein passendes Rennrad in deiner Garage? Alle Infos

Sachmängelhaftung - zum Sinn und Unsinn häufig verwendeter Klauseln

ad-mh

Am Ausbauende des RS1 - Mülheim Speldorf
Registriert
9 Juni 2017
Beiträge
16.964
Reaktionspunkte
24.731
Man liest sowas oft in den Kleinanzeigen und gelegentlich auch hier im Forum im "Biete".

"Wegen der neuen Gesetzesbestimmungen erfolgt der Verkauf unter Ausschluß jeglicher Gewährleistung, Garantie und Rücknahme. Da es sich um einen Privatverkauf handelt, kann Ich keine Garantie nach neuem EU-Recht übernehmen. Der Käufer erklärt sich damit einverstanden auf Garantie, Rücknahme, Minderungen sowie Nachverhandlungen ausdrücklich zu verzichten. (§ 312 d. Abs. 4 Nr. 5 BGB) und erkennt dies mit seinem Kauf an!
Laut dem neuen EU-Recht muss dieser Zusatz unter jeder Online-Verkaufsaktion stehen, ansonsten haftet der Verkäufer auch als Privatperson ein ganzes Jahr für die verkaufte Ware."



Dass viele Leute sowas verwenden und durch Kopie des Textes immer weiter verbreiten, macht den Inhalt auch nicht richtiger.

Nehmen wir das mal auseinander:

1. Wegen der neuen Gesetzesbestimmungen... Laut dem neuen EU-Recht...

Na ja, die Schuldrechtsreform, in der die Sachmängelhaftung grundlegend neu geregelt wurde, war 2002. Das ist immerhin 22 Jahre her.


2. Da es sich um einen Privatverkauf handelt, kann ich keine Garantie nach neuem EU-Recht übernehmen.

Wenn man das auslegt, ist wohl nicht Garantie, sondern Sachmängelhaftung (ugs. "Gewährleistung") gemeint.
(Def.: Eine Garantie ist ein schuldrechtlicher Vertrag, mit dem sich der Garant dazu verpflichtet, die Haftung für den Schaden an einem Gegenstand zu übernehmen.)


3. Der Käufer erklärt sich damit einverstanden auf Garantie, Rücknahme, Minderungen sowie Nachverhandlungen ausdrücklich zu verzichten. (§ 312 d. Abs. 4 Nr. 5 BGB) und erkennt dies mit seinem Kauf an!

§ 312d BGB, aha...
Lesen wir doch mal den Abschnitt und dann die Einzelnorm nach. Aha, hier geht es um Informationspflichten aber...
§ 312d hat nur Absatz 1 und Absatz 2. Einen Absatz 4 gibt es nicht.
Ach, es handelt sich um die alte Fassung bis 13.06.2014. So lange wird der Mist also schon verbreitet, ohne dass jemand sowas bemerkt.

https://www.buzer.de/gesetz/6597/al43921-0.htm

Da stand also in der alten Fassung mal: "Das Widerrufsrecht besteht... nicht bei Fernabsatzverträgen... die in der Form von Versteigerungen (§ 156 BGB) geschlossen werden.
Früher™ regelte das also, dass bei Fernabsatzverträgen in Form von Versteigerungen kein Widerrufsrecht besteht.
Sehr schön. Nun hat man auch noch das Widerufsrecht aus den Regeln über den Fernabsatz in die Formulierung mit reingebastelt.
Dummerweise sind Ebay, Kleinanzeigen sowie auch der "Biete" hier keine (echte) Versteigerung nach § 156 BGB. In allen Varianten kommt der Vertrag durch Angebot und Annahme, nicht aber durch Zuschlag (so verlangt es § 156 BGB) zustande.

Darüber hinaus sind die Regeln über den Fernabsatz nur anwendbar bei VK = Unternehmer und K = Verbraucher (§ 312 I BGB).
Es ist daher schon falsch, §§ 312 ff BGB überhaupt bei privat/privat anzuwenden. Das Lesen der Neufassung der Fernabsatzregeln ab 14.06.2014 kann man sich also sparen.
Es gibt bei Verträgen, wie hier üblich kein Widerrufsrecht.

Problem:
Das Kopieren und Nutzen eines solchen Textes stellt eine AGB dar. Hier reicht auch ein erstmaliges Verwenden. Es ist unschädlich, dass eine Privatperson AGB verwendet (OLG Hamm, Beschluss v. 27.11.2019, I-30 U 128/19).
Kann die Formulierung wie "Der Käufer erklärt sich damit einverstanden auf Garantie, Rücknahme, Minderungen sowie Nachverhandlungen ausdrücklich zu verzichten. (§ 312 d. Abs. 4 Nr. 5 BGB) und erkennt dies mit seinem Kauf an!" die Garantie = Sachmängelhaftung wirksam ausschließen?
Nun kommt die Inhaltskontrolle der AGB, konkret § 309 Nr. 7a BGB zur Anwendung:

§ 309 Nr. 7a BGB
"Schadensersatzansprüche des Käufers für Körper- und Gesundheitsschäden durch allgemeine Geschäftsbedingungen können nicht ausgeschlossen oder begrenzt werden, soweit dem Verkäufer dabei ein Verschulden zu Last gelegt werden kann."

Gerade so etwas ist aber nicht formuliert, mit der Folge, dass der Ausschluss der Sachmängelhaftung durch die verwendeten AGB unwirksam ist.

Die Formulierung "Der Käufer erklärt sich damit einverstanden... zu verzichten und erkennt dies... an!" ist für die Tonne. Da hilft auch kein Ausrufezeichen am Ende.
Ein vereinbarter Verzicht auf gesetzliche Rechte ist unwirksam.

Welche Folge hat nun das Verwenden der o.g. Formulierung?
Ganz einfach gar keine. Es wird also mit Sachmängelhaftung verkauft und zwar für volle zwei Jahre.
Warum nicht ein Jahr?
Na, bei gebrauchten Sachen kann man (sowohl Unternehmer als auch Verbraucher) die Sachmängelhaftung von zwei auf 1 Jahr verkürzen. Das wurde wegen der unwirksamen Klausel aber nicht gemacht.
Damit wäre auch der letzte Satz der Formulierung, dass Privatpersonen ein ganzes Jahr haften, falsch.
Der Zusatz muss nicht unter jeder Online-Verkaufsaktion stehen.
Man kann als Privatperson (=Verbraucher) bei gebrauchten Sachen von 2 auf 1 Jahr verkürzen oder aber mit einer wirksamen Klausel auch völlig ausschließen.
Der Unternehmer hingegen kann bei gebrauchten Sachen auf 1 Jahr verkürzen, jedoch nicht ausschließen.


________________________
So ist es nach aktueller Rechtsprechung richtig:

„Der Kaufgegenstand wird unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung/Sachmängelhaftung verkauft. Der Ausschluss gilt nicht für Schadensersatzansprüche aus grob fahrlässiger bzw. vorsätzlicher Verletzung von Pflichten des Verkäufers sowie für jede Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit.“

Wenn man so etwas möchte, dann bitte in den PN/(PM) mit dem Verkäufer vereinbaren und nicht im "Biete".
Das reicht vollkommen aus und muss nicht unbedingt im "Biete" erfolgen. Im "Biete" macht es den Text unnötig lang.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hilfreichster Beitrag geschrieben von ad-mh

Hilfreich
Zum Beitrag springen →
(...)
Man kann als Privatperson (=Verbraucher) bei gebrauchten Sachen von 2 auf 1 Jahr verkürzen oder aber mit einer wirksamen Klausel auch völlig ausschließen. (...)

Als ebenfalls gelernter Rechthaber, Besserwisser & Korinthenkacker merke ich noch an: Diese Formulierung wird wohl auch missverstanden werden. Der Ausschluss der Sachmangelhaftung ist nichts einseitiges, sondern Vertragsbestandteil. Er wird nicht dadurch wirksam, dass der Anbieter ihn ins Angebot schreibt, sondern dadurch, der Käufer das Angebot samt Ausschluss der Sachmangelhaftung annimmt. Meine Lieblingsformulierung:

Ich schließe jegliche Sachmangelhaftung aus. Die Haftung auf Schadenersatz wegen Verletzungen von Gesundheit, Körper oder Leben und grob fahrlässiger und/oder vorsätzlicher Verletzungen meiner Pflichten als Verkäufer bleibt uneingeschränkt.

Bei Verkauf von Neuware ist der Ausschluss der Sachmangelhaftung per allgemeiner Geschäftsbedingung von vornerehin unwirksam. Dort ist für Privatverkäufer, also ohne Gewinnerzielungsabsicht, maximal möglich:

Ich beschränke die Mangelhaftung auf ein Jahr ab Lieferung der Sache.

Wieder gleichzeitig nötig:

Die Haftung auf Schadenersatz wegen Verletzungen von Gesundheit, Körper oder Leben und grob fahrlässiger und/oder vorsätzlicher Verletzungen meiner Pflichten als Verkäufer bleibt uneingeschränkt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Darf man jetzt eure Formulierungen frei verwenden oder erhebt ihr ein Urheberrecht darauf?

Bei Verkauf von Neuware ist der Ausschluss der Sachmangelhaftung per allgemeiner Geschäftsbedingung von vornerehin unwirksam. Dort ist für Privatverkäufer, also ohne Gewinnerzielungsabsicht, maximal möglich:

Ich beschränke die Mangelhaftung auf ein Jahr ab Lieferung der Sache.
Kann man das mit "Gebraucht, unbenutzt" oder "neuwertig" aushebeln?
 
Zuletzt bearbeitet:
Meine Formulierung darfst Du verwenden.

Beschaffenheitsvereinbarungen sind ohne Einschränkung zulässig, so dass es möglich ist, neue Ware als gebraucht anzubieten. Es sollte dann aber nichts von NOS oder NIB oder sonst was im Angebot stehen, was darauf hinausläuft, dass ich zwar den Preis für neu will, aber sie aus rechtlichen Gründen "...als gebraucht..." verkaufen will. Das würden die meisten Richter als widersprüchlich ansehen & doch von Neuware ausgehen, so dass ein Gebrauchtwaren-Sachmangelausschluss unwirksam ist.
 
Danke an @ad-mh und @vorTrieB.

Nervt mich auch seit Jahren, dieses unreflektierte Pseudojuristendeutschanhängsel, das den Schreiberling wahlweise als informiert oder halbseiden erscheinen lässt.

Möge sich Eure Erkenntnis im Alltag durchsetzen...nach über 20 Jahren.

P.S.: bin heute auch erst drauf gestoßen, dass Deutschland keine Eheschließung von Minderjährigen mehr zulässt (seit 2017)- bin also auch nicht besser...
 
Danke für die fachjuristische (?) Aufklärung ! Dann kann ich den Rotz auch weglassen. Mir hat mal vor Jahren ein Arbeitskollege ( der viel bei ebay bzw. Kleinanzeigen verkauft ) erzählt, dass ihm dieser Passus extra von einem befreundeten Rechtsanwalt empfohlen wurde !!!

Aber dann ist das wohl Mumpitz.
 
Danke an @ad-mh und @vorTrieB.

Nervt mich auch seit Jahren, dieses unreflektierte Pseudojuristendeutschanhängsel, das den Schreiberling wahlweise als informiert oder halbseiden erscheinen lässt.

Möge sich Eure Erkenntnis im Alltag durchsetzen...nach über 20 Jahren.

P.S.: bin heute auch erst drauf gestoßen, dass Deutschland keine Eheschließung von Minderjährigen mehr zulässt (seit 2017)- bin also auch nicht besser...
Du wolltest heute eine Minderjährige heiraten? ;)
 
Nervt mich auch seit Jahren, dieses unreflektierte Pseudojuristendeutschanhängsel, ...
... und ist rein juristisch betrachtet natürlich völliger Mumpitz. Warum machen die Leute das trotzdem? Wahrscheinlich, weil sich so manch ein Käufer davon beeindrucken lässt. Frei nach Hans Kelsen: Pseudojuristendeutschhuberei als "spezifische soziale Technik"... 😉
 
Bei mir ist die Geschichte oft andersherum: Kunden bieten mir an, zu unterschreiben, daß von meiner Seite aus keinerlei Garantie gewährt wird.
Dann muß man erstmal erklären, daß das Problem eben die Sachmängelhaftung ist und diese von keiner Seite aus ausgeschlossen werden kann. Das ist ja vom Gesetz zum Schutz der Kunden so gewollt.
Gerade bei Reparaturen hat es für Verbraucher auch Nachteile, weil niemand bei älteren Teilen das Risiko tragen will. Bei älteren Autos sieht es ähnlich aus, die werden dann nur noch an Gewerbetreibende verkauft.
 
Bei mir ist die Geschichte oft andersherum: Kunden bieten mir an, zu unterschreiben, daß von meiner Seite aus keinerlei Garantie gewährt wird.
Dann muß man erstmal erklären, daß das Problem eben die Sachmängelhaftung ist und diese von keiner Seite aus ausgeschlossen werden kann. Das ist ja vom Gesetz zum Schutz der Kunden so gewollt.
Gerade bei Reparaturen hat es für Verbraucher auch Nachteile, weil niemand bei älteren Teilen das Risiko tragen will. ...
Letzteres stimmt ja so gerade nicht: In Deinem Beispiel erklärt sich der Kunde bereit, dieses Risiko zu tragen, auch wenn das Gesetz etwas anderes vorsieht. In Wirklichkeit ist es ja noch viel schlimmer, wenn wir uns etwa die Regeln zur Beweislastumkehr ansehen (--> § 477 BGB). Der nächste Schritt wäre zu überlegen, ob solche Regelungen, die die Privatautonomie derart beschneiden, Sinn machen bzw. was diese bewirken. Oder wer davon profitiert.
...Das ist ja vom Gesetz zum Schutz der Kunden so gewollt. ...
"Das Gesetz" hat keinen eigenen Willen. Es ist der Gesetzgeber, der mit oft knappen Mehrheiten irgendetwas beschließt. Manchmal entstehen solche Gesetze auch, weil irgendeine "EU-Richtlinie" umgesetzt werden muß. Da muß man dann wirklich sehr kritisch herangehen an die Sache - insbesondere auch die demokratische Legitimation betreffend. Ich wäre inzwischen auch sehr vorsichtig zu behaupten, daß ein Gesetz vorrangig einen wie auch immer gearteten "Schutzzweck" hätte. Da stecken oft handfeste Interessen dahinter. Interessanter ist ohnehin die Frage, was nicht geregelt ist: Warum sind Gewerbemieten nicht gedeckelt ? Warum wurde es nachträglich ermöglicht, sanierte Wohnungen aus dem Mietenspiegel herausfallen zu lassen, ? Ich hätte da noch unzählige Beispiele eines komplett fehlenden wirksamen - aber dringend benötigten ! - Schutzes.

.
 
Bei mir ist die Geschichte oft andersherum: Kunden bieten mir an, zu unterschreiben, daß von meiner Seite aus keinerlei Garantie gewährt wird.
Dann muß man erstmal erklären, daß das Problem eben die Sachmängelhaftung ist und diese von keiner Seite aus ausgeschlossen werden kann.

Das halte ich nicht für richtig. Käufer können verbindlich & im Voraus auf die Sachmangelhaftung verzichten, wenn Sie das gern wollen. Sollte das als allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam sein, darf ein solcher Käufer trotzdem keine Sachmangelhaftung mehr fordern, weil er sich dazu in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten setzt. Der Verkäufer muss nur darauf achten, dass er nachweisen kann, dass der Käufer von sich aus auf die Sachmangelhaftung verzichtet hat.
 
Letzteres stimmt ja so gerade nicht: In Deinem Beispiel erklärt sich der Kunde bereit, dieses Risiko zu tragen, auch wenn das Gesetz etwas anderes vorsieht. In Wirklichkeit ist es ja noch viel schlimmer, wenn wir uns etwa die Regeln zur Beweislastumkehr ansehen (--> § 477 BGB). Der nächste Schritt wäre zu überlegen, ob solche Regelungen, die die Privatautonomie derart beschneiden, Sinn machen bzw. was diese bewirken. Oder wer davon profitiert.

"Das Gesetz" hat keinen eigenen Willen. Es ist der Gesetzgeber, der mit oft knappen Mehrheiten irgendetwas beschließt. Manchmal entstehen solche Gesetze auch, weil irgendeine "EU-Richtlinie" umgesetzt werden muß. Da muß man dann wirklich sehr kritisch herangehen an die Sache - insbesondere auch die demokratische Legitimation betreffend. Ich wäre inzwischen auch sehr vorsichtig zu behaupten, daß ein Gesetz vorrangig einen wie auch immer gearteten "Schutzzweck" hätte. Da stecken oft handfeste Interessen dahinter. Interessanter ist ohnehin die Frage, was nicht geregelt ist: Warum sind Gewerbemieten nicht gedeckelt ? Warum wurde es nachträglich ermöglicht, sanierte Wohnungen aus dem Mietenspiegel herausfallen zu lassen, ? Ich hätte da noch unzählige Beispiele eines komplett fehlenden wirksamen - aber dringend benötigten ! - Schutzes.

.
Das ist ein guter Punkt. Natürlich hat "das Gesetz" keinen eigenen Willen. Und als eher rechtsunkundiger Rahmenbauer fällt es mir schwer, gerichtsfest zu formulieren.
Also halte ich mich davon fern und vermeide es, Reparaturen anzunehmen.
 
Das halte ich nicht für richtig. Käufer können verbindlich & im Voraus auf die Sachmangelhaftung verzichten, wenn Sie das gern wollen. Sollte das als allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam sein, darf ein solcher Käufer trotzdem keine Sachmangelhaftung mehr fordern, weil er sich dazu in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten setzt. Der Verkäufer muss nur darauf achten, dass er nachweisen kann, dass der Käufer von sich aus auf die Sachmangelhaftung verzichtet hat.
Das habe ich bisher immer anders erklärt bekommen und bin da skeptisch. Meines Wissens kann ein Käufer darauf nicht verzichten. Gibt es da ein Urteil oder ähnliches, wo ich mal nachlesen könnte?
Meines Wissens ist es ja eher so, daß ein Fachmann zB im Zweifelsfall auch Mängel erkennen muß, die nicht Bestandteil der Reparatur sind. Da entscheidet dann halt ein Gericht...
 
Zurück
Oben Unten