Rückblick: Sky-Kapitän Chris Froome hatte auf der spektakulären Königsetappe über 184 Kilometer nach Bardonecchia etwa 80 Kilometer vor dem Ziel attackiert. Am Gipfel des Colle delle Finestre lag der Vorsprung auf die fünfköpfige Verfolgergruppe um Tom Dumoulin bereits bei knapp 40 Sekunden. Auf der folgenden halsbrecherischen Abfahrt baute Froome den Vorsprung deutlich auf rund zwei Minuten aus. Am Ende verlor der Niederländer vom deutschen Team Sunweb 3:23 Minuten auf den Sky-Kapitän, der ins Maglia Rosa schlüpfte und das Trikot bis zum Schluss in Rom nicht abgab.
Hier geht es zum Bericht über die Finestre-Etappe beim Giro
Nach Froomes Sieg in Bardonecchia wurden unmittelbar Stimmen laut, nach denen solch ein Sieg nicht ohne unerlaubte Methoden zustandekommen könnte – zu den Kritikern gehörte beispielsweise Philippa York (früher: Robert Millar).
Und auch nach dem UCI-Freispruch stehen Froome und sein Team weiter unter Beschuss. So wurde Froome bei der Team-Präsentation in dieser Woche ausgebuht.
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Wohl vor diesem Hintergrund hat Sky dem britischen Sender BBC detailliertes Material vorgelegt, um die Planungen und Leistungsdaten Froomes zur 19. Giro-Etappe zu dokumentieren (hier ist das Dossier der BBC zu finden).
Die BBC wiederum hat das Material mit Hilfe des früheren Profis Rob Hayles sowie des Autors Michael Hutchinson und Journalisten Jeremy Whittle untersucht (hier die Podcast-Folge zum Thema).
Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick:
1. Dave Brailsfords Froome-Diät
Ein handgeschriebener Plan von Sky-Mastermind Dave Brailsford zeigt, dass Froome in den Tagen vor den entscheidenden Bergetappen – also während des Rennens – ein bis zwei Kilogramm Gewicht verlieren sollte, d.h. konkret, dass Froome an den ersten Renntagen weniger Kalorien zu sich nehmen sollte, als er verbraucht. In den Augen der Experten ist dies ein heikles Unterfangen, weil eine falsche Balance zur völligen Entkräftung des Fahrers hätte führen können – was vermutlich dem lange Zeit im Giro-Gesamtklassement führenden Simon Yates passiert sei. Hier allerdings, weil sein Team Mitchelton–Scott vermutlich bei Yates‘ Ernährung versagt habe.
2. Froomes Ernährung
Zu dem Material gehört eine minutiöse Auflistung dessen, was Froome während des gesamten Giros gegessen hat. Durfte Froome während der Diätphase, z.B. bei Etappe elf, etwa nur 445 Kalorien zum Abendessen und am gesamten Tag 2466 Kalorien zu sich nehmen, waren es am Abend seines historischen Etappensiegs fast 1000 Kalorien zum Abendessen und mehr als 6000 Kalorien über den gesamten Tag verteilt. Allein die Menge an Kohlenhydraten an dem Tag erscheint riesig: 1,3 Kilogramm.
3. Der Ernährungsplan von Sky für die 19. Etappe
Sky hat im Vorfeld die 19. Etappe in Sektionen aufgeteilt und jeweils Froomes erwartete Leistung (in Watt) und seinen Energieverbrauch taxiert. Auf dieser Basis wurde dafür gesorgt, dass Froome an vielen Stellen der Strecke von der Sky-Mannschaft Verpflegung erhielt, um bei Kraft zu bleiben. Jede Verpflegungsstelle wurde kartografiert und beschrieben, was dort an Froome übergeben oder in Reserve gehalten werden sollte. Allein am Finestre, so die BBC, seien alle zwei Kilometer Helfer postiert worden. Die BBC hat nach Lektüre der Pläne beim Sky-Ernährungsexperten James Morton nachgefragt, was „Rocket Fuel“ an einer Station bedeutet: laut Sky ein Getränk, das hochkonzentrierte Kohlenhydrate enthält, eine Mischung aus Maltodextrin und Fruktose – eigentlich nichts Neues, werde aber von anderen Teams vermutlich nicht eingesetzt.
4. Froomes Leistungsdaten
Die Daten zur 19. Etappe zeigen für einzelne Sektoren u.a. die durchschnittliche Leistung (Watt), Kadenz und Puls von Froome. Nach Einschätzung der BBC-Experten ist darin nichts Verdächtiges zu erkennen. Die durchschnittlichen 603 Watt während 16 Sekunden bei Froomes Attacke am Finestre seien zwar eine große Leistung, nicht aber außergewöhnlich. Froomes Puls sei zwar vergleichsweise niedrig – Ruhepuls bei 32 Schlägen, maximaler Puls auf der Etappe bei 159 Schlägen –, aber ebenfalls im normalen Rahmen.
Die BBC-Experten ziehen das Fazit, dass die Unterlagen grundsätzlich erkenntnisreich sind, aber teilweise der Kontext, beispielsweise vergleichbare Daten von Tom Dumoulin, fehlen, um das Ganze noch besser einschätzen zu können.
Darüberhinaus schlussfolgert der Journalist Jeremy Whittle: „Ich glaube nicht, dass dies einen Unterschied für die Skeptiker macht. Das Problem besteht darin, dass Sky dies veröffentlichen muss, weil die Anti-Doping-Maßnahmen versagen. Wir, als Publikum, gehen nicht mehr davon aus, dass Anti-Doping-Methoden effektiv genug sind, sodass wir ihnen vertrauen können – und das ist nicht nur im Radsport so.“
Das Interview führte Daniel Lenz. Er ist Gründer der Redaktionsagentur www.ecolot.de. Hier geht es zu seinem Radsportblog: www.cyclin.blog
17 Kommentare
» Alle Kommentare im ForumAber es wäre endlich mal wieder spannend und lohnenswert, sich das Ganze anzuschauen. So ist es was es ist, eine grosse mediale Verarschung.
Die Frage ist doch, nach 10 Jahren Radsport den Profivertrag und die Drogen nehmen (Profivertrag weil lukrativ/ Drogen um überhaupt mitfahren zu können) oder mit 20 ´ne Lehre als Zweiradmechaniker?
.,, dann die Drogen mit dicker Kohle ..,
.. ehm,...😵
"Rough Ride" von Paul Kimmage, les mal, beschreibt die Mechanismen im Peloton ganz gut.
... oder das Büchlein von Taylor Hamilton bzgl. Lance.
Da ist Doping nicht grad das schlimmste sondern die vertauschte Blutpackung von Ulle und Taylor.
Dabei wird man das Gefühl nicht los, das Lance seine Finger im Spiel hatte; bei dem versehentlichen Tausch...
Nun ja... gutes Buch
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