Wer mit dem Fahrrad und Zelt von Köln nach Paris fährt, durchquert unberührte Natur und wird Stück für Stück mit Frankreich akklimatisiert. David Fleschen berichtet von seiner Rennradtour von Köln nach Paris mit Infos zum Nachfahren und GPS-Daten.
Die Tour
Auch per Internet lässt sich nicht alles planen. „Ich habe keine Ahnung, ob es im Dorf noch etwas zu essen gibt“, sagt der Besitzer des Campingplatzes. 140 Kilometer auf dem Rennrad liegen hinter uns, und der Mann möchte uns jetzt nicht gleich frustrieren. Ist ja auch wirklich alles ganz wunderbar hier im Süden des deutschsprachigen Belgiens: Ein idyllisches Sträßchen entlang des Flusses Our hat uns hergeführt. Immer leicht bergab mit sanften Anstiegen. Schmucke Weiler tauchten ab und an am Wegesrand auf. Der Fluss gurgelte wild durch unberührte Natur. Kein Auto weit und breit. Und dazu neu asphaltierte Straßen, die auf ganze Scharen von Radtouristen zu warten schienen.
Begegnet ist uns aber, außerhalb der Saison, niemand. Das hätte uns stutzig machen sollen. Jedenfalls gibt es in dem 100-Einwohnerörtchen, das Schlussort unserer ersten Tagesetappe von Köln Richtung Paris sein sollte, entgegen unserer Internetrecherche, kein geöffnetes Restaurant mehr. Der Campingplatzbesitzer wusste das natürlich auch. Also müssen wir noch mal rauf aufs Rad. „Die Mauer von Ouren“ haben Hobbyradler die nun folgende Strecke getauft.
Ob wir lieber Englisch oder Französisch reden, fragt die chinesische Bedienung. Am Ende redet sie Luxemburger Platt.
Mit über 15 Prozent Steigung geht es bergauf. 200 Höhenmeter die uns vorkommen wie ein Alpenpass. Eine Kapelle markiert die Grenze nach Luxemburg. Endlich: Höher geht es wohl nicht mehr. Mittelgebirgshöhen glänzen wunderbar in der Abendsonne. Und tatsächlich: Mitten im luxemburgischen Weiswampach wartet ein Straßencafé mit guter Küche aus Fernost. Ob wir lieber Englisch oder Französisch reden, fragt die chinesische Bedienung. Am Ende redet sie Luxemburger Platt.
Auf Zeitreise ins deutschsprachige Belgien
Eine Reise von Köln nach Paris mit Fahrrad und Zelt ist eine Reise voller Überraschungen, die immer auch ein wenig vom Übergang der Kulturen erzählt. Hier im Grenzland erst recht: Kurz hinter der deutschen Grenze wartet das deutschsprachige Belgien, das ein wenig wie eine Zeitreise um ein paar Jahrzehnte zurück ins ländliche Deutschland wirkt. Es riecht nach Dünger und Sägespänen. Dann Luxemburg, irgendwie noch deutsch, aber andererseits auch schon sehr Französisch. Dann nochmal Belgien, diesmal immer französischer, je weiter man Richtung Südwesten fährt. Und schließlich Frankreich. Zunächst die Ardennen, danach die Champagne und schließlich die Hauptstadtregion. Man kann sagen: Vom Rhein bis zur Seine wird man Stück um Stück mit unserem Nachbarland akklimatisiert.
Unzählige Kriege zwischen Deutschland und Frankreich hat diese Gegend im Lauf der Jahrhunderte gesehen. Heute ist die Landschaft dagegen so friedlich, wie eine Landschaft nur sein kann. Nur an den Kriegerdenkmäler, die man hier und da passiert, wehen ab und zu noch Fahnen unspektakulär im Wind: Französische, amerikanische, britische, belgische. Einmal sehen wir auch eine deutsche Fahne: Deutsche und französische Kriegsveteranen haben hier in den 1960er Jahren gemeinsam zwei Birkenbäume gepflanzt.
Viel Zeit für große Pausen bleibt allerdings kaum, wenn man wie wir die Strecke in vier Tagen bewältigen will. Dafür ist es einfach zu hügelig: Gleich in Hürth geht es über den Höhenzug des sogenannte Vorgebirges hinweg. Eine sanfte Einleitung für die nächsten Gipfel der ersten Tagesetappe:. „Nationalpark Eifel“ und „Weißer Stein“. Noch anspruchsvoller wird es am Tag darauf. In aussichtreichen Serpentinen geht es aus dem tief in die Landschaft eingeschlossenen Ourtal heraus.
Erinnerung an LBL
Wenig später erinnert in Bastogne ein Denkmal an den Radklassiker Lüttich-Bastogne-Lüttich – kurz: LBL. Warum der Parcours als einer der anspruchsvollsten im Radsportkalender geht, versteht man sofort. Spätestens ab hier ist die Route ein einziges Auf und Ab. Mal geht es dabei durch eindrucksvoll dichte Eichenwälder an der französisch-belgischen Grenze. Dann durch menschenleere Gegenden zwischen dem Maasstädtchen Mouzon und der Anhöhe Stonne, von wo der Blick sich soweit gen Westen weitet, dass man glaubt, am Horizont schon den Eiffelturm erkennen zu können.
Die Ardennen liegen nun hinter uns. Doch davon sollte man sich nicht täuschen lassen: Auch nach unserer nächsten Zeltübernachtung am idyllischen Stausee von Bairon bleibt es hügelig. Das Land ist nach wie vor weit und einsam, die Straßen menschenleer. Irgendwann ziehen kräftige Regenschauer auf. Irgendwie passend: Wir passieren das im ersten Weltkrieg zerstörte Dorf Nauroy. Auch hier wieder Verwunderung: Wie kann es sein, dass genau an dieser Stelle über Jahre hinweg die Soldaten in den Schützengräben der Wesftront eingebuddelt waren? Viel zu sorglos liegt die Landschaft heute da. Allenfalls der Weizen scheint hier bis heute etwas niedriger zu stehen als auf den Nachbarfeldern.
Aus dem Nichts tauchen die Weinberge der Champagne auf
Ebenfalls verwunderlich: Wenige Kilometer später tauchen scheinbar aus dem Nichts plötzlich die Weinberge der Champagne auf. Sofort werden die Häuser großzügiger. In den besten Lagen erinnern die Weinresidenzen fast an kleine Schlösser. Fein säuberlich sind neben den Reben die Namen der Sektkellereien aufgelistet. „Moet & Chandon“, „Veuve Clicqot“, einige der teuersten Getränkemarken der Welt. Ein steiler Anstieg führt durch das Weindörfchen Verzy und dann durch dichten Buchenwald zum Mont Sinai, der höchsten Erhebung der Montagne de Reims, hinauf. Von nun an bleiben Weinberge der Champagne ständiger Begleiter. Der Fluss Marne gräbt sich sanfte Schleifen zwischen den Weinbergen hindurch. Die Regionalstraße D1 führt daneben durch immer wieder neue Champagner-Dörfer hoch und herunter. Fast 50 Kilometer geht das so, bis in Château Thierry der Charme einer typisch französischen Kleinstadt wartet.
Jetzt ist es nur noch eine knappe Tagesreise bis in die französische Hauptstadt. Zeitgleich mit den Grenzen der Hauptstadtregion Ile de France verschwinden die Weinberge. Das Höhenprofil fordert uns dagegen bis zum Schluss: Noch einmal wird es hügelig, bis wir in einem der Vororte von Paris ein letztes radfahrerisches Highlight erreichen. Längs des Canal d`Ourq reicht ein Fahrradschnellweg von der Peripherie mitten ins Herz von Paris hinein. Keine einzige Kreuzung auf über 20 Kilometern Strecke. Man wähnt sich fast in Kopenhagen, Amsterdam oder einer anderen Fahrradmetropole, während man durch beschauliche Vororte und ausgedehnte Waldstücke Richtung Zentrum rollt. „Paris, right this way!“, lotsen uns ein paar junge Radfahrer. Selbst das Klischee, wonach Franzosen kein Englisch sprechen, scheint hier nicht mehr zu passen.
Ankunft im 19. Arrondissement
Und dann ist es wirklich so weit: Am rechten Kanalufer taucht die gläserne Glaskugel „La Géode“ auf. Wahrzeichen des Wissenschaftsparks La Vilette im 19. Arrondissements von Paris. Wenig später endet unser Radweg an einem Bassin mitten in der Stadt. Immer dichter werden die Menschenmengen auf den letzten Kilometern. Die Metropole zelebriert ihre Lebensfreude: Sehen und gesehen werden gepaart mit ungezwungenem französisches Savoir Vivre. Geschäftsleute schwatzen in Cafes. Studenten liegen mit Wein und Käse zum Picknick am Kanal. Und unter den Bäumen wird jeder Platz zum Boule spielen genutzt. Paris ist hier ganz Paris, auch ohne die gängigen Postkartenmotive. Es ist ein würdiger Schlusspunkt einer Radtour, die neben den hohen sportlichen Ansprüchen, viel Abwechslung und Authentizität bietet. Gerade weil man sich durch die hügeligen Ardennen durch viel Natur und jenseits ausgetretener Touristenpfade bewegt.
Infos Köln-Paris
Ausrüstung
Das Wetter in den Ardennen kann recht unbeständig sein, regenfeste Kleidung ist unabdingbar. Fahrradläden sind eher dünn gesät, Ersatzschläuche und Reparaturzeug sollten ebenfalls unbedingt zur Standardausrüstung gehören. Die Campingplätze liegen teilweise recht abgelegen und verfügen nicht unbedingt über einen eigenen Laden zur Selbstverpflegung. Es empfiehlt sich also, genügend Verpflegung mitzunehmen. Größere Orte mit Supermärkten werden allerdings an jedem Tag mehrmals durchfahren. Wer die Tour in drei Tagen schaffen will, dem empfiehlt sich eine Übernachtung in Bastogne und Reims.
Etappe Tag 1 mit GPS-Daten
Köln-Ourtal (ca. 130 Kilometer)
Interessante Punkte:
- Nationalparktor in Gemünd, Kostenlose Ausstellung zum Nationalpark Eifel
- Weisser Stein, „Dach der Tour“ mit Aussichtsturm
Übernachten:
- Camping International (vermieten auch Treckerhütten)
- Hotel Ulftaler Schenke (Bike and Bed)
Weitere Bed&Bike Unterkünfte:
Etappe Tag 2 mit GPS-Daten
Ourtal-Lac de Bairon (ca. 150 Kilometer)
Interessante Punkte:
- Europadenkmal in Ouren: https://www.ostbelgien.eu/de/fiche/memorials/dreilaendereck-ouren
- Mardasson Memorial, Pompöse Gedenkstätte zur Ardennenoffensive: http://www.bastognewarmuseum.be/startseite.html
- Historische Altstadt von Mouzon: https://www.france-voyage.com/frankreich-tourismus/mouzon-1976.htm
Übernachten:
- Camping Lac de Bairon (vermieten auch Blockhütten und Appartements): http://camping-lacdebairon.com
- Hotel du Saumon, Bouzancy: http://www.hotel-buzancy.fr
Etappe Tag 3 mit GPS Daten
Lac de Bairon-Champagne (ca. 140-170 km je nach Etappenziel)
Interessante Punkte:
Nauroy, im 1. Weltkrieg zerstörtes Dorf: www.lamarne14-18.com/de/das-dorf-nauroy
Champagner-Museum: www.lepharedeverzenay.com/traduction/deutsch
Altstadt von Chateau-Thierry www.france-voyage.com/frankreich-tourismus/chateau-thierry-1819.htm
Übernachten:
- Camping Sapin de Vignobles: www.lessapinsdesvignobles.com
- Camping Dormans: www.dormans.fr/camping-municipal
- Hotel Hexagone, Chateau-Thierry: www.hotelhexagone.com/en
Etappe Tag 4 mit GPS-Daten
Champagne-Paris, (85 -120 Kilometer, je nach Etappenstart)
Übernachten:
Diverse Hotels zwischen dem Bassin de la Vilette und dem Gare du Nord.
Zum Beispiel: Ibis Budget La Vilette: www.accorhotels.com/de/hotel-4982-ibis-budget-paris-la-villette/index.shtml
Rückfahrt
Wer sein Fahrrad im internationalen Bahnverkehr (Thalys Paris-Köln, 3h15min, Tickets ab 35 Euro) mitnehmen will, muss das Rad etwas unpraktisch in einer Hülle mit den Abmessungen von max. 135 x 85 x 30 cm zerlegt transportieren.
Eine mögliche (wenn auch zeitaufwändige) Alternative ist es, mit einem französischen Intercity (Tickets ab 15 Euro, Fahrradmitnahme gratis) bis kurz vor die belgische Grenze nach Maubeuge zu reisen, von dort über die Grenze zu radeln (ca. 12 Kilometer) und dann mit Zügen der belgischen Bahn ab Erquelinnes weiter in Richtung Deutschland zu reisen. In Belgien nehmen grundsätzlich alle Züge (außer Thalys und ICE) Fahrräder mit, auch wenn der Stauraum schon mal knapp werden kann.
Beide Bahnvarianten starten am Gare du Nord. Tickets gibt es unter: https://de.oui.sncf/de
Alternativ ist die Rückreise auch per Fernbus oder Flugzeug möglich.
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