Im Juni 2018 flatterte mir zufällig die Werbung für den 45. Bodenseeradmarathon 2018 auf den Tisch. Dort las ich, dass der Radclub RV Altenrhein (CH) die 45. Auflage des Internationalen Radmarathons „rund um den Bodensee“ mit 3 Strecken von 5 Startorten (Altrhein, Tägerwillen, Stein am Rhein, Meersburg, Kressbronn) rund um den Bodensee ausrichtet. Drei ausgeschilderte Strecken die durch Deutschland, Österreich und die Schweiz führen. Dazu eine top Betreuung, Beschilderung und Verpflegung. Jetzt war ich doch neugierig auf das „Rendezvous der Radtouristen im Herzen Europas“.
Rennrad statt Inlineskates
Gereizt hat mich allem voran die tolle Landschaft am Bodensee. Vor etwa 10 Jahren war ich auf Inlineskates mit „Tuesday Night Skating“ aus Frankfurt zur Umrundung des Bodensees dort und fasziniert von der Kombination von Wasser und Bergen sowie dem gut ausgebauten Radwegesystem. Darüber hinaus hat mich das Ausrichtungsformat RTF gereizt. Radfahren ohne Zeitmessung und Mindestschnitt hörte sich verlockend an.
Zur Wahl standen die Gold-Tour 220 km, die Silber-Tour 159 km und die Bronze-Tour mit 80 km. Gewählt habe ich kurzerhand die Silber-Strecke. Die ist für ambitionierte Hobbysportler ausgeschrieben und führt um den oberen Teil des Bodensees (Meersburg/ Kressbronn/ Altrhein/ Tägerwillen/ Meersburg). Die 220 km waren mir mit Blick meine geplante Teilnahme am Sparkassen Münsterland-Giro am 3. Oktober 2018 zu lang, um mich wieder zur regenerieren.
Eingeschüchtert von Orientierungszeiten
Einen Startplatz zu bekommen war nicht schwer. Der Veranstalter stellt ein hervorragendes übersichtliches Onlineanmeldeportal zur Verfügung. Bei der Wahl der Strecke helfen die Richtzeiten, von denen man sich aber auch nicht abschrecken lassen darf. Ich gebe zu, dass mich die Orientierungzeiten doch zunächst eingeschüchtert haben. Aber faktisch ist das kein Problem. Wir Starter hatten ein Zeitfenster von 7:00 – 19:00 Uhr zur Verfügung. Die Nachmeldung ist auch möglich, aber dann entgeht einem die begehrte Bodensee-Trinkflasche für Voranmelder und die Startnummer mit Namen.
Vor Ort wurden meine Erwartungen zu meiner vollsten Zufriedenheit erfüllt. Als Startort hatte ich mich für Meersburg entschieden, eine kleine, aber wunderschöne Stadt. Sie liegt direkt am Bodensee und teilt sich in eine Unter- und Oberstadt auf. Meersburg lädt ins Mittelalter ein und atmet Barock. Wer eine Fahrt über den See plant, hat hier verschiedene See-Linien zur Verfügung. Die Insel Reichenau ist nicht weit. Obwohl Meersburg klein ist, findet man unzählige spannende Museen und trifft hier und dort auf Spuren von Annette von Droste Hülshoff. Für ganz große Mittelalter-Fans gibt es sogar ein mittelalterlich gestaltetes Hotel, das Gästehaus Rauchfang. Aber Achtung, an Licht wird gespart. Viele Restaurants laden zum Verweilen ein und die Meersburg-Therme zum Entspannen.
Am Vortag regnet es Bindfäden
Aufgrund des frühen Startfensters bin ich am Abend zuvor angereist. Zur Einstimmung auf den Bodensee und sein Wetter war das eine sehr gute Entscheidung. Wenn ich als Rennradfahrerin etwas nicht mag, dann ist das Regen. Dieses Jahr regnete es am Freitag Bindfäden. Gewundert habe ich mich darüber nicht. Die Inlineskating-Tour am Bodensee war auch eher eine Aqua-Inlineskating-Tour. Gelernt habe ich dabei, dass man auf regennassen Straßen relativ rutschfrei skaten kann. Für meine erste lange Bodenseetour mit dem Rennrad habe ich mich also damit getröstet, dass es am nächsten Tag ja ausgeregnet haben könnte und wenn nicht, zumindest die Straßen schon „saubergeregnet“ sind.
Eine Veranstaltung steht und fällt mit ihrer Organisation. Die Organisation vor Ort war top. Es gab eine ausreichende Anzahl Parkplätze am Startplatz. Die Tagesparkgebühr war mit 3 € auch fair. Die ehrenamtlichen Helfer vor Ort waren gut gelaunt und sehr hilfsbereit. Der Regen hat sich am Morgen ein wenig zurückgehalten und machte – Gott sei dank – wenigstens zum Start eine Pause.
Der Start verlief reibungslos. Keine Wartezeiten an der Startunterlagen-Ausgabe. Startnummer befestigt, Nummernfahne an die Sattelstange, Nummern an den Helm, Stempel in den Startpass, den Startpass regendicht verpackt (hab immer vorsorglich Frühstücksbeutel dabei) und los.
80 bis 90 hügelige Kilometer ab Start
Achtung, wer in Meersburg startet, fährt erstmal bergauf. Eine gute Einstimmung auf die nächsten ca. 80-90 km. Bis zum nächsten Start-/Durchfahrtsort Kressbronn ist die Strecke hügelig. Mitradelnde Allgäuer sagten mir, das sei ja schön flach, ich fühlte mich landschaftlich ein wenig an die „Weinbergrunde“ beim Jedermannrennen in Stuttgart zur Deutschlandtour erinnert. Die Tour ist aber wunderschön und ein wenig Bergchallenge schadet ja nicht, zumal schöne Abfahrten folgen.
Meine Runde des Bodensee-Radmarathons führt durch gemütliche Ortschaften, in denen Bäckereien und Cafés die Disziplin des Radfahrers testen. Frischer Brötchen- und Kaffeeduft weht einem überall um die Nase. Obstplantagen und weite Felder sowie Weiden bieten immer wieder neue Impressionen fürs Auge. Gerade im September hängen die Bäume voller frischer rotglänzender Äpfel. Nach einer Pause im Durchfahrtsort Kressbronn geht es erstmal hügelig weiter. Flacher wird es erst beim Übergang von Deutschland nach Österreich in Richtung Schweiz. Hier ist dafür die Streckenführung teilweise nicht mehr so attraktiv. Nach Althrein führt die Strecke überwiegend an der Hauptstrasse auf einem Radweg entlang. Die Autos stauen sich hier bisweilen und überholen zudem knapp.
Nach dem Durchfahrtsort und Depot Tägerwillen wird es nochmal richtig schön. Auf der Silberstrecke führt die Tour bei Konstanz kurz direkt am See entlang. Hier überquert die Route dann den Seerhein über die fast 164 m lange Fahrradbrücke mit spektakulärem Blick auf den linksrheinischen Pulverturm und den Bodensee. Der Weg zur Fähre führt durch verschiedene schöne Winkel von Konstanz.
Querung des Sees mit der Fähre
Das Highlight der Silber-Tour ist dann aber die Querung des Bodensees mit der Fähre von Konstanz nach Meersburg. Man bekommt einen wunderbaren Blick auf das von Weinbergen umgebene Meersburg, die mittelalterliche Burg Meersburg und das barocke Schloss. Aber Achtung, in Meersburg selbst wird es dann noch einmal kurz sehr steil. Um auf die Höhe zu kommen, ist ein steiler kurzer geteerter Weg im Wald zu absolvieren. Hier ist es keine Schande, ein Stück zu schieben, man findet Mitstreiter.
Insgesamt fand ich die Strecke angenehm und abwechslungsreich. Dazu hat die Landschaft beigetragen. Sie ist es wert, auch mal den Kopf zu heben und die Beine hängen zu lassen. Zwar ist es schade, dass auf der 150 km-Strecke nur wenige Teilstücke direkt am See liegen. In der Sonne dürfte die Strecke landschaftlich aber dennoch außerordentlich schön sein, da die Ortschaften mit den tollen alten Höfen, Häusern und die Felder viel fürs Auge bieten. Außerdem sind bei gutem Wetter tolle Blicke auf die Alpen garantiert. Aber keine Angst, auch im Regen hat die Landschaft noch mehr als genug zu bieten.
Radsportgerechte Versorgung
Die kulinarische Versorgung auf der Veranstaltung selber ist radsportgerecht und sehr gut. In den Meersburg, Kressbronn, Altrhein, Tägerwilen wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer super verpflegt. Gegen Vorzeigen des blauen Teilnehmerarmbandes gab es abwechslungsreiche Speisen. Getränke für die Trinkflasche, unter anderem Wasser für die Selbstversorger. Dazu gab es eine große Auswahl an hochwertigen Trockenfrüchten, Schweizer Gebäck wie zum Beispiel Leckerli und Bärli-Biber, Brühe, frisches Obst und vieles mehr. Da es an den Start- und Durchfahrtposten auch Festwirtschaft gab, konnte man gegen Entgelt zudem Pasta, Bratwurst sowie Kaffee und Kuchen erwerben. Wer morgens kein Frühstück im Hotel bekommen hat, hatte an den Startorten außerdem die Möglichkeit ab 6:00 Uhr zu frühstücken.
Für die Begleiter und auch für den Aufenthalt vor und nach dem Event bietet die Gegend um den Bodensee darüber hinaus eine vielseitige Küche. Da ist für jeden Geschmack etwas dabei. Allein in Meersburg kann man zwischen traditioneller heimischer Küche, Winzerstuben und internationaler Küche wählen. Wer Fisch mag, sollte unbedingt einmal das Bodenseefelchen probieren. Und ganz besonders schön ist es, wenn man am Morgen nach dem Bodenseemarathon noch einen Spaziergang über die Meersburger Mole macht und im Anschluss einen zweiten Kaffee oder Cappucino im Eisacafé mit Blick auf den Hafen nimmt. Hier treffen sich morgens einheimische Unternehmer auf einen kurzen Plausch, und der Blick auf den See ist Urlaub für die Augen.
Familien und schnelle Teilnehmer der Strecke
Der Bodenseeradmarathon eröffnet sportlichen Fahrern eine tolle Plattform, um mit Puls 180 zu fahren, aber bietet auch für Hobbyfahrer und Amateure prima Möglichkeiten sich auszuprobieren. Auf der Strecke sind mir viele Familien begegnet und Fahrerinnen und Fahrer jeden Alters. Die Zeitmessung liegt in eigener Verantwortung. Ich hatte mir ein Zeitlimit gesetzt, das ich gut erreicht habe. Bei 150 km durch Regen sind keine Bestzeiten zu fahren.
Insgesamt herrschte eine entspannte Stimmung. Auf der Strecke kam man deshalb auch gut mit Radfahrern und Radfahrerinnen ins Gespräch. Ein Stück bin ich beispielsweise mit Clemens gefahren. Er ist im Ruhestand und berichtete mir, dass er schon seit 17 Jahren mitfahre. Früher sei er die 220 km gefahren, heute fahre er die 150 km. Mit einer 8-Gang-Nabenschaltung am Rad zeigt er so manchem Mitstreiter, dass man nicht immer ein Hightech-Rad braucht. Auch in den Depots kam man schnell mit anderen Mitstreitern ins Gespräch. Es ist eine Tour, die man auch gut allein mitfahren kann. Sollte man mal eine Panne haben, dann lässt man sich auf dieser Tour nicht allein.
Meine menschlichen Highlights der Tour waren zwei Handbiker, die auf der 150 km Strecke am Start waren. Ich habe großen Respekt vor dieser Leistung. Mein sportliches Highlight war für mich die Erfahrung, 150 km im mehr oder minder strömenden Regen zu fahren. Landschaftlich haben mich die leuchtenden Apfelplantagen, der gelegentliche Blick auf die Berge und den See sowie die kleinen gemütlichen Dörfer begeistert.
Ausrüstungstipps: große Satteltasche und Hirschtalg
Ohne meine Ausrüstung hätte der Tag bei dem Wetter auch anders aussehen können. Die wettertechnischen Ausgangsparameter waren nach der warmen Saison herausfordernd: Die Temperatur lag plötzlich nach Wochen von 36 Grad Celsius bei etwa 17 Grad Celsius und es hatte nahezu den ganzen Tag geregnet.
Da abzusehen war, dass es regnen würde, habe ich lange gezögert, welches Rad ich mitnehme. Ich hatte die Wahl zwischen meinem Teamrad vom Leeze-Biehler-Jedermannteam (Sensa Giulia Magic Red Carbon mit Carbonfelgen), einem Bianchi-Rennrad mit Alufelgen und einem auf Touren ausgerichteten Koga-Myata, das aber einen leichten Schlag am Hinterrad hatte. Entschieden habe ich mich für das Sensa. Carbonfelgen fahren sich bei Regen erstaunlich gut. Man muss sie nur vorsichtig trocken bremsen. Froh war ich auch über das Lenkerband, welches etwas dicker ist und dadurch ein gutes Polster für den Handballen bietet.
Kleidungstechnisch habe ich den Tag mit einem kurzen Radtrikot, einer Radhose kurz, mit Armlingen und Beinlingen, einer Radweste, einer leichten, elastischen, leuchtenden und mit Reflektoren versehenen Regenjacke in Neongrün, neongelben Radschuhen, engen elastischen Regenüberziehschuhen, einem Schlauchtuch für den Hals, sowie wadenlangen Radsocken bestritten. Auf die Radhandschuhe habe ich während des Regens verzichtet. Die regenempfindlichen Sachen habe ich in eine 10-Liter-Satteltasche gepackt. Diese lässt sich ohne zusätzliche Halterung prima unterm Rennradsattel befestigen.
Außerdem hatte ich ein Werkzeugtool, Luftpumpe und Ersatzschläuche mit. Die habe ich aber zum Glück nicht gebraucht. Mein Rad blieb von einem Platten verschont. Auf der Strecke habe ich aber auf den 150 km etwa 17 Plattfüsse gesehen. Das war wohl dem Regen geschuldet. Durch den Regen sammelt sich viel am Straßenrand und es bleib viel am feuchten Radmantel kleben. Daher schadet es übrigens nicht, in einer Pause immer mal wieder den Radmantel durch den Radhandschuh zu ziehen.
Einen Trick für Regenfahrten habe ich von den Triathleten abgeguckt und er hat mir sehr gegen Kälte und Aufweichen der Haut geholfen. Vor dem Start habe ich mich mit einer Hirschtalg-Creme für Sportler eingecremt. Das ist wie eine zweite Haut und schützt diese vor zu viel Wasser und reduziert die Kälteempfindlichkeit.
Kein Besenwagen
Was mir erst im Nachhinein so richtig klar geworden ist, ist die Tatsache, dass man bei dieser Veranstaltung keinen Besenwagen oder Pannenwagen hat. Es gibt technischen Support für die Teilnehmer an den Durchfahrtposten, aber wenn man unterwegs ein Problem bekommt und unter Umständen nicht weiterfahren kann, dann ist man auf sich und sein technisches Geschick angewiesen.Der Veranstalter weist in seiner Ausschreibung ausdrücklich darauf hin. Danach ist man unterwegs selber für das Reparieren verantwortlich sowie für seine eigene Fitness. Es gibt keinen Abholdienst. Wenn man dann kein Back-Up Fahrzeug hat, kann das auf den abseits liegenden Dörfern ungünstig sein. Das muss man mit einplanen und sollte das Rad vor so einer Veranstaltung genau ansehen. Ersatzschläuche und eine kleine effektive Handpumpe oder eine Co2-Patrone sind die halbe Miete.
Fazit Bodenseeradmarathon 2018
Summa summarum ist es eine klasse, internationale Radveranstaltung. Der Bodenseeradmarathon ist durch die Landschaft und die gute Erreichbarkeit gut in ein erholsames Wochenende oder einen Kurzurlaub zu integrieren. Er ermöglicht auch Einsteigern und Hobbysportlern ein sportliches Erlebnis mit viel Freude inmitten der herrlichen Boddenseelandschaft. Ich plane, nächstes Jahr noch einmal an den Start zu gehen und zwar auf die 220 km Gold-Tour.
Der 46. Bodenseemarathon 2019 findet am 7. September 2019 statt. Auf der Homepage des Veranstalters findet man unter www.bodensee-radmarathon.ch weitere nützliche Infos hierzu.
Noch mehr Eventberichte aus unserer Serie „So war’s“
3 Kommentare
» Alle Kommentare im ForumDer Bodenseeradmarathon gehört zu den Klassikern der Marathonszene. 2018 hingen Regenwolken über der Traditionsveranstaltung, aber das hat den Spaß an der landschaftlich betörenden Strecke kaum gemindert, wie Christina Rost berichtet.
→ Den vollständigen Artikel „So war's beim Bodenseeradmarathon 2018: Äpfel, Alpenkulisse und Albtraumwetter - aber alles gut!“ im Newsbereich lesen
Hallo Christina,
ganz herzlichen Dank für diesen wort- und bildreichen Artikel. Den Termin 2019 habe ich mir gleich in den Kalender geschrieben. So etwas habe ich noch nie gemacht, aber es klingt nach Spaß.
Sonnige Grüße
Joe
Hallo Christian,
auch von mir herzlichen Dank für den tollen Artikel. Seit ich deinen Bericht von der Mecklenburger Seenrunde gelesen habe, geht mir das nicht mehr aus dem Kopf, ob ich denn das auch wagen könnte... 300km wäre eine Herausforderung.
Respekt vor deiner Leistung!!!! Leider ist die Anfahrt für mich sehr weit zum MSR
Freue mich auf deinen nächsten Bericht!!!
Wahnsinn!! Dich trifft man auch überall. Nächstes Jahr ist der Bodensee für mich vorgemerkt. Die Leeze Garnitur steht Dir super.
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