Die Fan-Zonen an den mythischen Hellingen der Flandernrundfahrt – vergleichbar mit Fußball-WM Public Viewing in Deutschland – leerten sich dieses Jahr schneller als sonst. Für die Kommentatoren von Sporza, dem belgischen Sportsender, stand schon rund 15 km vor dem Ziel fest, dass der Gewinner der Flandernrundfahrt in diesem Jahr nicht aus den starken Reihen der heimischen Fahrer kommen würde. Und auch die Fans verloren früher die Hoffnung auf einen Heimsieg.
Es war nicht das Blau von Deceuninck-Quick-Step, das dieses Jahr auf fast jedem Podium des Frühjahrs oben zu sehen war, das am Ende das erste Zielfoto zierte. Auch nicht das Orange des hoch gehandelten Greg van Avermaet von Team CCC, nicht die Farben des Weltmeisters Alejandro Valverde und nicht die des Ex-Weltmeisters Peter Sagan (11.) im Dienste des deutschen Bora-Hansgrohe Teams. Pink mischte das Peloton im Gelb-Schwarzen-Fahnenmeer von Flandern auf. Alberto Bettiol von EF-Drapac düpierte alle Favoriten mit einer Soloflucht nach einer Attacke am Oude Kwaremont.
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„Wer ist Bettiol?“
„Wer ist Bettiol, mag sich mancher fragen“, kommentierten Sportreporter im belgischen Radio später den Sieg: „Wie schön, wenn man erzählen kann, das erste Profirennen, das ich gewonnen habe, war die Flandernrundfahrt“. Der Belgier und Teamkollege von Bettiol, Sepp Vanmarcke, belehrte seine Landsleute dann, das Bettiol keineswegs ein unbeschriebenes Blatt sei und etwa bei Bergetappen der Tour de France schon 15köpfige Spitzengruppen am letzten Berg angeführt habe. Außerdem war der Italiener 2011 Weltmeister der Junioren im Einzelzeitfahren. Vanmarcke, der selbst zum Favoritenkreis für Klassiker zählt, kuriert eine Verletzung aus und hatte sich konsequent in den Dienst der Mannschaft gestellt. Auch Sebastian Langeveld leistete viel Arbeit für den Sieg Bettiols durch Tempoverschleppung in der Verfolgergruppe. So ist der Sieg auch als starke Mannschaftsleistung zu verbuchen. Bettiol gab sich im Ziel-Interview sicher, dass mit EF Drapac noch bei weiteren Klassikern zu rechnen sei.
Auf dem Radar zu haben ist für die Zukunft sicher auch Kasper Asgreen von Quick-Step, der die Fahne der Blauen am Ende doch noch hoch hielt. Er fuhr auf Platz zwei, nachdem er sich trotz Fahrt in einer Fluchtgruppe vom Mini-Feld der Favoriten auf der Zielgeraden absetzen konnte.
MvdP mit furioser Aufholjagd
Eine Fortsetzung gab es für die „Mathieu van der Poel Show“ beim ersten großen Kopfstein-Monument der Saison. Das niederländische Radsporttalent, das die CX-Saison dominierte, bewies Fahrkünste und Kondition. MvdP, wie er abgekürzt wird, stürzte in der Abfahrt vom Oude Kwaremont. Dabei musste er zunächst sein Rad bei einem Tempo von 70 km/h mit einem Reifendefekt am Vorderrad stoppen, musste bei dem Versuch über eine Verkehrsinsel hüpfen und brach dabei das Vorderrad, wie er später dem belgischen Sender „Een“ erzählte. Trotz des Sturzes schaffte er wieder den Anschluss an das Peloton, fuhr am Koppenberg an die Spitze und übersprintete am Ende noch Nils Politt beim Kampf ums Podium, musste sich aber Alexander Kristoff geschlagen geben. Obwohl Vater und Sohn van der Poel vor der Flandernrundfahrt alle großen Hoffnungen immer kleingekocht hatten, klang doch einige Enttäuschung aus MvdPs Stimme, als er wiederholt bedauerte, nicht aufs Podium gefahren zu sein.
Starkes Rennen von Politt und Sütterlin
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Nils Politt (Katusha-Alpecin) fuhr ebenfalls ein sehr starkes Rennen. Er animierte auf den letzten 30 km immer wieder das Renngeschehen, attackierte aber letztlich erfolglos, weil die Favoriten und ihre Mannschaften nachsetzten. Auch Jasha Sütterlin war ganz lange vorne in den wechselnden Gruppen vertreten. Der Movistar-Fahrer kam am Ende als 22. ins Ziel. Damit lag er sieben Plätze vor John Degenkolb, der als 29. über die Ziellinie fuhr.
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Stimmen der Fahrer
Alles über den Rennverlauf im Finale sagt ein Zitat von Alejandro Valverde: „Beim Finale am Kwaremont verlor ein Fahrer vor mir den Kontakt zur Hauptgruppe, und ich musste bis zum Ende des Anstiegs warten, um die Lücke zuzufahren. Es ist wahr, dass Bettiol seinen Angriff wirklich gut getimed hat, und es war so schwierig, zurückzukommen. Es gab viele schnelle Fahrer, was zu einem Mangel an Kooperation in unserer Gruppe führte – obwohl wir nach dem Paterberg einen Gegenangriff durchführen konnten, wurden wir vier von den anderen erwischt und es war unmöglich zu kooperieren. Und ich war nicht bereit, mehr Energie aufzuwenden als die anderen“.
Peter Sagan: „Es war eine harte und aufregende Flandernrundfahrt, und es ist immer ein Vergnügen, hier zu fahren, da die erstaunlichen Menschenmassen eine unglaubliche Atmosphäre schaffen. Ich möchte meinen Teamkollegen für ihre heutige Arbeit danken. Sie alle opferten sich zu 100%, um das Rennen zu kontrollieren, mich zu schützen, mich von Ärger fernzuhalten und mir zu helfen, so viel Energie wie möglich zu sparen. Ich konnte in den letzten Kilometern an der Spitze sein, wann immer es nötig war, aber ich hatte nicht die Beine, um dem Angriff von Bettiol und die anderen im Sprint der kleinen Gruppe zu fordern“.
Ergebnisse Flandernrundfahrt 2019 Männer Elite
Flandernrundfahrt 2019 Frauen
Das Rennen der Frauen zeichnete sich durch eine schnelle und hektische Eröffnung mit mehreren Stürzen aus, denen einige namhafte Fahrer zum Opfer fielen, bis das Peloton eine Gruppe gehen ließ. Mit Erreichen der berühmten Muur van Geraardsbergen nahm dann der Abstand wieder ab.
Auch im Frauenrennen gingen die entscheidenden Attacken am Oude Kwaremont. Eine kleine Gruppe um Annemiek Van Vleuten (Mitchelton-Scott) und Europameisterin Marta Bastianelli (Team Virtu Cycling) schaffte es zuerst über die Kuppe der Helling.
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Bastianelli, die der Papierform nach die beste Sprinterin war, konnte sich auch einer Attacke von Van Vleuten 3 km vor dem Ziel widersetzen und entschied das Rennen im Sprint einer nur noch drei Fahrerinnen umfassenden Gruppe für sich.
2 Kommentare
» Alle Kommentare im ForumMit Martia Bastianelli und Alberto Bettiol holten sich zwei itialienische Radprofis überraschend die Siege bei der Flandernrundfahrt 2019. Nils Politt zeigte sich stark und fuhr auf den 5. Platz. Auch Jasha Sütterlin war lange vorne mit dabei, John Degenkolb musste am Ende reißen lassen. Hier die Zusammenfassung mit Eindrücken aus dem belgischen Radio und den Fotos der Teams.
→ Den vollständigen Artikel „Flandernrundfahrt 2019: Viele Überraschungen in "italienischer Ronde"“ im Newsbereich lesen
Wir sind Samstag mit 10 Leuten die 172 km Cyclo gefahren und wir waren Sonntag in Gerhardsbergen zum zuschauen, es war spitze. Erst die Junioren, dann die Damen, dann die grossen Jungs.. was da organisiert war, war wie immer Weltklasse, mehr Werbung für den Radsport geht nicht. Immer wieder gerne.
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