Auf ein paar Worte mit Standert
Standert ist selbst in der schnellebigen Fahrradbranche noch eine junge Marke. „Früher sind alle Fixie-Rennen gefahren, Maxe am erfolgreichsten“, sagt Marketingchef Benedict Herzberg auf die Frage nach dem Bike-Hintergrund. Fixie-Rennen, heute bekannt als „Fixed Crits“ mit der „Red Hook Crit-Serie“ als berühmtesten Format, kommen wiederum aus der Kurier-Szene. In die tauchte Standert-Gründer Max von Senger und Etterlin selbst für eine Saison im Nebenjob ein. Für die eigene Kurierarbeit entwarf er auch sein erstes Rad und ließ es bauen: ein Bahnrad mit klassisch-aggressiver Geometrie in minimalistischem Design. Es blieb ein Unikat, aber nicht die letzte Eigenentwicklung.
Und als Kurier-Hangout startete auch das Standert-Café in 2012. Heute hat man zwei Shops in Mitte und in Kreuzberg, die eine feste Größe unter den Berliner Rennradfahrer-Treffs sind. Viel Herzblut steckt in der Marke: „Anfangs gab es noch selbstgemachtes Eis am Stiel im Café“, erinnert sich Max. Daran knüpfen heute offenkundig noch die Designs mancher Limited Edition-Modelle an.
Der eigentliche Radshop und die Marke wuchsen quasi organisch aus dem Spaß am Radfahren. „Wenn man eure Social Media Accounts und eure Webseite sieht, könnte man meinen, dass ihr mindestens genauso viel Zeit auf dem Rad, wie beim Verkauf und Entwicklung verbringt“, sage ich. Keiner widerspricht energisch.
Das erste Rennrad, das für eine Kleinserie gedacht war, kam erst vor 5 Jahren. „2014 entstand der Prototyp des Triebwerk“, sagt Max. Das Modell, ein klar Race orientiertes Rennrad, ist inzwischen in der 4. Generation. Zu den Craft Bike Days brachte Standert das Triebwerk Disc mit, die gerade vorgestellte erste Variante mit Scheibenbremsen. Das Felgenbremsmodell bleibt im Programm.
Wir sehen Rennradfahren als Sport
„Wir sehen Rennradfahren als Sport. Jedes Rad, das wir bauen, würden wir auch selber fahren“, sagt Max zur Philosphie. Das erklärt die sportlichen Geometrien. Die meisten Räder haben die Macher auch tatsächlich für sich gebaut. Die Kreissäge etwa, ein Rennrad, dass sich das Team speziell für Kriterien schuf – und damit eines der wenigen Rennräder überhaupt, die noch mit Sprints und Kurven, Kurven, Kurven im Sinn gebaut werden. Auch dieses Rad gibt es weiterhin mit Felgenbremse. Und es wird laut Max auch zu 50 Prozent noch in dieser Bauweise geordert – wobei es auch ein Grund sein dürfte, den Gewichtsvorteil des 1.370 g leichten Alurahmens aus italienischer Fertigung (Dedacciai-Rohre) nicht zu schmälern.
Ansonsten steht Standert für Stahl. „Moderner Stahl ist performant. Für viele Leute ist das Stahl-Rennrad eigentlich besser, und sie empfinden es auch so, wenn sie es erfahren“, sagt Max, „aber man muss es eben erfahren“. Auch das Rohr für die Stahlrahmen kommt aus Italien, die Produktion findet in Taiwan statt, und die Montage erfolgt in Berlin. Standert hat enge Beziehungen zu Columbus, wo Firmenchef Colombo mit der Marke Cinelli ebenfalls eine Sympathie für die Fixed-Crit-Szene hegt. Columbus fertigt sogar Custom-Kettenstreben für die Berliner. Der Triebwerk-Rahmen aus einem Mix von Zona, Life und Spirit-Rohren muss mit 1.750 g auf der Waage nicht viele Federn lassen.
Aber Standert geht es nicht ums Gramm, sondern ums Fahrgefühl. Wie bei der Kreissäge sind Geometrien keine „Stangenware“, sondern wohlüberlegt. Zusammen mit dem Kölner Ergonomie-Experten Bastian Marks – auch bekannt vom Besenwagen-Podcast – schuf das Team die Project Compact-Geometrie für kleine Rahmengrößen. Ziel: Kleinere Fahrer besser, sprich effizienter auf dem Rad zu positionieren. Ungewöhnlich: Ein steilerer Sitzwinkel ist gepaart mit einem längeren Reach. Effekt: Der Schwerpunkt rotiert um die Tretachse nach vorne, das Becken öffnet sich, auch kleinere Fahrer können damit eine größere Überhöhung fahren. Sportlich eben.
Ein Ruf für „Rennradfahren als Sport“ eilt nicht zuletzt den Ausfahrten von Standert voraus, die zweimal in der Woche ein kleines Feld vor dem Laden versammeln. Donnerstags während der Sommerzeit wird nach Feierabend geballert. Es wird nicht gewartet und es gibt Punkte für Sprints wie bei einem Punktefahren auf der Bahn. „Alle sind willkommen, aber es kann nicht jeder mitkommen“, umreißt Maxe aus dem Team den Charakter der Ausfahrt. Die „gemütliche“ Runde findet Samstags statt. Aber auch hier müsse man vorne eine 35er Pace fahren, heißt es. Standert hat hohe Tempostandards.
Standert Pfadfinder im Portrait
Der Pfadfinder ist der zweite Ausflug von Standert in den Geländesport abseits befestigter Wege. Mit dem Erdgeschoss haben die Berliner schon ein Gravel- und Cyclocrossbike im Programm, dessen universelle Geometrie aber gar nicht so rennmäßig ausfällt, wie der Name nahelegt. Der Pfadfinder schließt sozusagen die Lücke zwischen Rennrad und Erdgeschoss. All-Road könnte man sagen. Aber mit Reifenfreiheit bis 38 mm in 700c ist hier doch etwas mehr geboten, als in dem Bereich üblich. In 650b nehmen Rahmen und Gabel des Pfadfinder Reifen bis 44 mm auf. Gefügt ist der Rahmen aus einem Mix aus Columbus Life und Spirit HSS-Rohren. „Im Vergleich zum Erdgeschoss verschiebt der Pfadfinder den Fokus von Robustheit und Bikepacking zu Sportlichkeit und Leichtgewicht“, beschreibt Max einen Unterschied. An der Rennrad-News Waage vor Ort lag das auf den Bildern gezeigt Showbike (Größe 56) bei 9,3 kg ohne Pedale.
Geometrie
Rahmengröße | 48 PC | 50 PC | 52 PC | 54 | 56 | 58 | 60 |
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Sitzrohrlänge mm | 480 | 495 | 510 | 530 | 550 | 570 | 585 |
Oberrohrlänge mm | 500 | 514 | 526 | 543 | 561 | 575 | 590 |
Lenkwinkel Grad | 71,25 | 71,5 | 71,5 | 72,25 | 73,25 | 73,25 | 73,25 |
Sitzwinkel Grad | 76 | 75 | 74,5 | 74 | 73,5 | 73,5 | 73,5 |
Steuerrohrlänge mm | 98 | 108 | 118 | 131 | 148 | 164 | 177 |
Kettenstreben mm | 415 | 415 | 415 | 415 | 415 | 415 | 415 |
Radstand mm | 979 | 983 | 991 | 997 | 1000 | 1015 | 1030 |
Stack mm | 520 | 530 | 540 | 555 | 575 | 590 | 605 |
Reach | 368 | 370 | 375 | 383 | 390 | 400 | 411 |
STR-Wert | 1,41 | 1,43 | 1,46 | 1,45 | 1,48 | 1,47 | 1,46 |
Die Geometrie des Pfadfinder liefert ein gutes Beispiel für das Selbstverständnis der Marke. Mit 7 Rahmengrößen nutzt man die Kleinserien-Vorteile des Werkstoffes Stahl konsequent aus. Fahrer*innen von 1,5 m bis 1,98 m will man damit kleinschrittig gerecht werden. Ein Blick auf den STR-Wert, das Verhältnis von Stack to Reach, zeigt eine Besonderheit. Große Fahrer finden eine ähnlich sportlich gestreckte Grundauslegung vor wie kleinere. Üblicherweise verschiebt sich das Verhältnis zu verhältnismäßig weniger Reach. Auch vom erwähnten „Project Compact“ profitiert der Pfadfinder. Ein steiler Sitzrohrwinkel von 76 Grad in der kleinsten Rahmenhöhe zeigt, wie ernst es Standert um die sportliche Positionierung kleiner Fahrer*innen ist. Auch der kurze Radstand und der – für ein Geländerennrad – steile Lenkwinkel unterstreichen: Hier geht es nicht um gemütliche Bikepacking-Touren sondern um einen erweiterten Horizont beim sportlichen Rennradfahren.
Ausstattung
„Wir bieten nur Kompletträder an“, nennt Max von Sengern einen Grundsatz der Marke. Es käme aber immer mal wieder vor, dass Kunden sich in den inzwischen zwei Läden in Berlin Räder individuell umbauen lassen. Wer es ganz individuell will, wählt ein Rahmen- und Gabelset, das bei den meisten Modellen auch einzeln zu haben ist.
Den Padfinder gibt es in drei Designvarianten, das Showbike ist die Limited Edition. Ein Standard bei Standert ist auch das Bündeln von Ausstattungspaketen auf Preis-Niveaus. So gibt es den Pfadfinder für 3.499 € mit Sram Rival 22-Gruppe aber einem Ausstattungsbündel, das man ansonsten eher nicht mit der Rival bekommt. Leichte DT Swiss ER1400 Laufräder, ein Chris King-Steuersatz, ein Brooks Cambium C13 All Wheather-Sattel und Zipp SL-Komponenten für Stütze und Cockpit gehören dazu. Höherwertige Gruppen bekommt man im gleichen Paket mit der Shimano Ultegra oder der neuen Shimano GRX810 für 300 € Aufpreis. Die nächste Stufe ist dann die 4.399 €-Marke. Hier hat man die Wahl zwischen Sram Force eTap AXS, Ultegra Di2 odr GRX Di2 – alles zum gleichen Preis.
Standert Triebwerk im Portrait
Das zweite Showbike bei den Craft Bike Days war ein Klassiker von Standert. Mit dem Rennrad Triebwerk begann die junge Firmengeschichte. In der felgengebremsten Version war das aufwendig lackierte Modell schon Renner der Woche auf Rennrad-News und lieferte mit einem Gewicht von 8,2 kg ein Beispiel, wie auch mit Stahlrahmen zeitgemäß leicht aufgebaut werden kann, ohne auf ausgewiesene Leichtbau-Teile zurück zu greifen.
=> Hier geht es zum Standert Triebwerk als Renner der Woche
Bei den Craft Bike Days brachte Standert das Triebwerk Disc mit. Die Seele des Rades ist natürlich der Rahmen. Er besteht aus einem Mix aus Columbus Spirit-, Life- und Zona-Rohren und bringt laut Standert 1.750 g auf die Waage. Das Triebwerk Disc mit SRAM Force eTap AXS 2×12-Gruppe im Größe 58 pendelte sich an der Rennrad-News Waage bei 8,68 kg ein (ohne Pedale). Die Ausstattung des Showbikes entspricht – bis auf die testweise montierten DT Swiss PR1400-Laufräder – dem Paket Triebwerk Disc Dark Night für elektronische Gruppen, das 4.299,01 € kostet. Auch hier gilt die Standert Ausstattungspolitik: Alternativ kann es zum gleichen Preis auch mit einer Shimano Ultegra Di2 2×11-Gruppe geordert werden. Und auch hier sind selbstverständlich wertige Anbauteile wie der Chris King-Steuersatz und Zipp-Parts an Bord.
Über die Craft Bike Days
Die MTB-News Craft Bike Days powered by DT Swiss feierten in diesem Jahr im nordrhein-westfälischen Münsterland Premiere. Ziel ist es, kleinen Herstellern ein Forum zu bieten, die dank ihrer Innovationskraft trotz geringer Größe immer wieder auf sich aufmerksam machen und dafür ein hohes Ansehen in der Fahrradbranche genießen. Diskussionen und Workshops zu Themen wie Werkstoffwahl, Vertriebsansätze kleinerer Marken oder Laufradbau stehen während der zweitägigen Veranstaltung im Fokus – und natürlich Bikes, Bikes Bikes! Hier erfahrt ihr mehr über die Craft Bike Days.
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Noch mehr Berichte von den Craft Bike Days 2019 findet ihr auf Rennrad-News hier:
- Craft Bike Days: Kocmo Daytona-X Titan Gravelbike
- Craft Bike Days 2019: „Es ist Fashion!” – Alutech-Chef Jürgen Schlender im Interview
- Craft Bike Days 2019: Veloheld IconX und Icon Disc – Wahl in Stahl
- Craft Bike Days 2019: Falkenjagd Aristos RS Disc Titan-Allroader
- Craft Bike Days 2019: Standert mit Pfadfinder und Triebwerk
- Craft Bike Days 2019: Premiere der Plattform für kleine und feine Bikeschmieden
11 Kommentare
» Alle Kommentare im ForumFalls der Fokus aber wirklich auch maximaler Steifigkeit liegt, dann hat Standert dafür die Kreissäge im Sortiment. Steifigkeit ist aber nicht alles. Warum wurde die Kreissäge nicht vorgestellt?
Weil sie nicht vor Ort war, wie @Altmetal richtig sagt. Was nicht ist...
Nein, war ein Fehler. 🙁
Die Jungs sind top. Durfte schon des öfteren mit Ihnen Rad fahren. Leider hab ich Sie meist nur von hinten gesehen...
Sehr schöne Räder!
Würde ich gerne mal Probe fahren! Fände etwas mehr Komfort am Rahmen gepaart mit Haltbarkeit bei meinen 100kg nicht so schlecht!
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