RN: Hallo Jens, schön, dass Du dir Zeit genommen hast. Du hast ein Canyon Ultimate CF SL aus Lego gebaut, Hut ab dafür, erste Frage natürlich: Kann es fahren?
Jens: Ja, aber nur einmal. Das sage ich natürlich nicht zum ersten Mal. Die Frage war auch immer eine der ersten auf der Ausstellung, wo ich mit dem Rad schon war. Tatsächlich gibt es einige Funktionen wie bei einem echten Rennrad. Der Lenker ist beweglich. Im Prinzip funktioniert auch der ganze Antriebsstrang. Wenn man die Kurbeln dreht, kann man das Hinterrad antreiben und in einen eiernden Zustand versetzen. Der Umwerfer vorne lässt sich über die Kettenblätter stellen. Hinten hat das Rad auch eine Ritzelkassette, und das Schaltwerk lässt sich ebenfalls bewegen. Aber in den Sattel darf man sich nicht setzen, dann bricht es zusammen.
Wie kamst du dazu, ausgerechnet ein Canyon zu bauen, fährst du selbst?
Ja, ich hatte vorher so ein paar andere Räder. Aber dann kam das Canyon mit Disc. Ich glaube, ich habe das Rad, als es erschien, sogar auf Rennrad-News zum ersten Mal gesehen. Ganz ehrlich, ich fand die Formensprache so wunderschön, dieses Design, so schlicht und ohne Schnörkel. Dann habe ich noch ein bisschen gewartet und es mir im Sale besorgt, ein Canyon Ultimate CF SL Disc mit Ultegra in Blau.
Man guckt halt so mit einem Steinchenblick da drauf.
Als Legobauer ist es so, ich geh halt durch die Welt und guck mir Sachen an und denk mir, wie man das wohl mit Lego machen könnte – bisschen sehr nerdig, aber man guckt halt so mit einem Steinchenblick da drauf. Und da führt halt eins zum anderen, ‚hey, das Oberrohr kann man so machen, hey, die Sattelstütze kann man so machen, da kann man den Stein einsetzten‘. Ja, und dann war es auch schon zu spät, da war ich auch schon dran. Das ging dann am Computer auch relativ schnell.
…am Computer?
Ja, es gibt dafür Computerprogramme, ähnlich CAD-Programmen, es gibt auch eins von Lego direkt. Ich nehme nicht einfach ein paar Steine und setze sie zusammen und gucke, was dabei heraus kommt, das mache ich nicht, das verschlingt zu viel Zeit. In den Programmen gibt es jeden Stein in jeder Farbe und man kann sich das zusammenmixen, was passt, und zusammensetzen.
Wie lange dauert so eine Lego-Rennrad-Entwicklung?
Das hat für das Rennrad ungefähr 100 Stunden gedauert.
Und der Bau?
Als das digitale Modell irgendwann fertig war, dann habe ich gedacht, jetzt musst du auch mal gucken, ob das in echt funktioniert. Dann ging das ganze Drama los, weil es eben nicht funktioniert hat, wie man sich das vorstellt. Gerade die Räder, die waren viel zu fragil gebaut. Da musste ich immer wieder Änderungen machen.
Wie muss man sich das vorstellen, stürzen die dann einfach zusammen?
Was ich gar nicht bedacht habe ist, dass es so etwas gibt wie Schwerkraft. Die Stabilität im Rad wird im Computer mit den Programmen natürlich nicht berechnet. Und ein Laufrad wiegt ungefähr 2 kg. Entsprechend hielten die Räder nicht, gerade an den Speichen nicht, die haben halt gar keine Festigkeit. Und dann kam es natürlich schon immer wieder zu Zusammenstürzen.
Und: Jeder ‚Fail‘ ist natürlich mit neuen Kosten verbunden. Wenn eine Konstruktion mit bestimmten Steinen nicht funktioniert, muss man neue Steine bestellen. Das dauert dann wieder ein paar Wochen, bis man die hat…
…und wo gibt es die Steine?
Es gibt eine Art Ebay für Legoteile. Teilweise auch direkt über die Lego-Stores.
Was kostet so ein Rad eigentlich?
Also, ich hab das vor dem Interview nochmal ausgerechnet, ich wusste es zuerst gar nicht, oder wollte es zuerst gar nicht wissen. Das Rad ist in grauen Steinen gebaut – Grau ist eine relativ günstige Farbe. Ich hab es jetzt mal in meinem Programm in Blau eingefärbt wie mein eigenes Rennrad, dann kostet es auch ungefähr so viel wie ein echtes Rennrad: ganz grob 2.000 Euro.
Nur der Bau dauert länger.
Ja, das Ganze hat angefangen vor ungefähr 2 Jahren, insgesamt ungefähr 200 Stunden.
Was wiegt das ganze Rad?
Wesentlich mehr als das Echte. Ich hab’s nie hochheben können, das geht halt nicht. Ich schätze 12 bis 15 kg. Man kann es auch nicht wiegen, denn derzeit hält der Montageständer das ganze Gewicht. Die Speichen halten das Gewicht nicht. Die Räder halten sich selber. Aber auch nur deshalb, weil ich irgendwann eingesehen habe, dass es ohne Fremdmittel nicht geht und dann Metallringe in die Räder eingebaut habe.
Alles andere ist aus Lego?
Ja, sonst sind keine anderen Teile verbaut. Derzeit ist auch bis auf zwei ganz keine Teile nichts verklebt. Das möchte ich auch nicht, weil sonst die Legobauer-Ethik bei mir Alarm schlägt. Für die Zukunft will ich das aber machen, weil sonst der Aufbau jedesmal eine Stunde dauert.
Apropos Aufbau, wie transportierst Du das Rad?
Ja, das war abenteuerlich. Im Prinzip (denkt nach), ja, letztlich mit ganz viel, wie nennt man sowas, ‚Noppenfolie‘. Und in Einzelteilen. Man kann alles abmontieren, die Pedale, die Bremsen, den Lenker, die Flasche, den Flaschenhalter, die Gabel, selbst die Kettenstrebe und die Kette einzeln. Tatsächlich so fest, dass man es werfen kann, ist nur das Rahmendreieck. Der Wiederaufbau dauert mit 2 Leuten so ungefähr 1 Stunde. An dieser Stelle geht auch ein dickes Danke an meine Schwester Kati – selber mittlerweile vom Rennradfieber infiziert –, ohne ihre Hilfe hätte ich die Ausstellung nicht geschafft.
Verrätst du uns auch deine eigene Rennradgeschichte?
Klar, ich fahre so seit fünf Jahren Rennrad. Ich komme eigentlich eher vom Laufen. Irgendwann hat mich dann mal jemand zum Rennradfahren bekehrt.
Wo fährst Du?
Ich komme aus Heidelberg und das ist eine ziemlich intensiv rennradgenutzte Gegend, es gibt viele Chaoten, die sowas machen. Man kann sich quasi aussuchen, was man macht: flache Strecken am Neckar, in die Berge des Odenwaldes oder in den Pfälzer Wald. Wir haben einen Hausberg, Königstuhl (568m ü.NHN), der liegt knapp 455m ‚über‘ der Stadt und ist relativ gut besucht.
Hast du Feedback von Canyon bekommen?
Ich wusste erst gar nicht, dass es auf der Canyon-Facebook-Seite ist. Aber sie haben mich angeschrieben und wollten mir ein paar Merchandise-Artikel als Anerkennung senden.
Der nächste Schritt ist ein Legozimmer.
Ich nehme an, das ist nicht Dein einziges Lego-Objekt, das du gebaut hast. Wie müssen wir uns deine Wohnung vorstellen. Stehen überall Lego-Bauten?
Nein, das Canyon ist zum Beispiel gerade zerlegt, der Rahmen hängt am Montageständer, hier liegt ein Rad, da ein Lenker. Ich will mich professionalisieren, arbeite auch schon teils für einen Teileverkäufer, der nächste Schritt ist ein Legozimmer. Sonst sieht es marginale chaotisch aus hier. Man kann kaum Treten. Aber das ist die Übergangsphase zum Legozimmer. Das Meiste lagert schon als Einzelteile sortiert in Regalen. Das Meiste sind Computerdateien. Wenn ich die Konstruktion bestätigt habe, dann ist bei mir der Reiz erschöpft.
Ich baue eigentlich viele Segelschiffe, das ist so mein Metier, weil ich aus der Lego-Piratenwelt komme, damit bin ich aufgewachsen. Nächstes Jahr will ich auch noch mal ein etwas Größeres Schiff bauen.
Baust Du noch ein Rad?
Ich habe jetzt tatsächlich überlegt, nochmal einen zweiten Rahmen in Blau zu bauen. Der Farbton kommt ziemlich genau hin. Lego bringt ja immer wieder neue Teile, jetzt sind gerade viele Teile auf dem Markt in dem Blau, das ich brauche, so dass es kostentechnisch hinkommt. Also, wenn ich es mache, dann jetzt. Oder sonst, das Aeroad, ich stand schon ein paar Mal davor.
Danke für das Gespräch!
Wir sagen Chapeau, was sagt ihr zum Canyon Ultimate aus Lego?
Über den Renner der Woche
Die letzten Renner der Woche findet ihr hier:
18 Kommentare
» Alle Kommentare im ForumÜber Canyon kann man streiten, über das Lego-Bike nicht!
Respekt!
Voll geil ?
Auf den ersten, schnellen Blick hab ich nicht gesehen, dass das Lego ist ?
HUNDERTE von Stunden! 😳
Und ich hab mich daran erfreut in diesem Jahr seit langem mal wieder richtig viel Zeit fahrend auf dem Bike verbringen zu können – aber so hat jeder seine Präverenzen.
Nette Bastelei, aber mir erschließt sich nicht der Sinn eines 15kg schweren Rennradmodells, das nicht einmal sein eigenes Gewicht trägt.
Damit wird nur der Beweis erbracht, dass man aus Lego kein funktionstüchtiges Rennrad bauen kann. Wer hätte das gedacht?
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