Wie auch in Teil 1 unserer Rennrad-Kaufberatung für Einsteiger angekündigt, geht es in diesem zweiten Teil um die Ausstattung und den Preis eures ersten Rennrads. Egal, für welche Art von Rennrad und welche Rahmenhöhe ihr euch schließlich entscheidet, gibt es einige Details, auf die ihr nicht verzichten solltet, andere wiederum sind „nur“ spannende Aufwertungen, sollte es der Geldbeutel zulassen.
Must-have oder nice-to-have?
Welche Rennrad-Schaltgruppe?
Inzwischen kann man getrost sagen, dass fast alle Rennradschaltungen genau das tun, was sie tun sollen. Mit einer Shimano 105 seid ihr aber absolut auf der sicheren Seite. Sowohl in Sachen Gangzahl (2×11) als auch in Sachen Funktionalität und Bedienkomfort muss man hier keine spürbaren Abstriche gegenüber höherwertigen Schaltgruppen hinnehmen. Sogar die 10-fach Gruppe Shimano Tiagra fühlt sich nicht wesentlich anders beim Schalten an. Das Gleiche gilt für eine SRAM Rival (1×11) oder SRAM Apex (2×10 für Felgenbremse) sowie eine Campagnolo Centaur (2×11) im Vergleich mit ihren jeweils teureren „Geschwistern“. Ausnahme: Den Schritt zur elektronischen Schaltung oder gar funkgesteuerten Gruppe á la SRAM AXS merkt man deutlich in Form einfachster Bedienung.
Große Unterschiede gibt es bei der Ergonomie und Schaltlogik zwischen den Herstellern, also, mit welchem Hebel man in welchen Gang wechselt. Während Campagnolo auf strikte Trennung von „Hochschalten“ und „Runterschalten“ von „Bremsen“ Wert legt, vereint Shimano beide Funktionen in einem Hebel und SRAM hat „Hochschalten“ und „Runterschalten“ bei seinen mechanischen Gruppen in einem Hebel zusammengepackt. Da hilft nur persönliches Ausprobieren, wenn ihr die Wahl habt. Lasst euch im Laden einmal die unterschiedlichen Modelle zeigen und erspürt sie. Ob jetzt SRAM, Shimano oder Campagnolo am Ende die beste Schaltung ist, ist fast schon eine Glaubensfrage und für Einsteiger*innen nicht unbedingt entscheidend. Und: Beim häufigen Fahren gewöhnt man sich an jede Schaltlogik.
Wenn etwas beim Rennradfahren darüber hinaus „nice-to-have“ ist, dann sind es feinere Abstufungen zwischen den Gängen und trotzdem schön leichte Berggänge und richtig schnelle Gänge. Das gibt es in der Kombination eher mit steigender Gangzahl, also beim Schritt von 10 zu 11 Ritzeln oder sogar zu 12-fach. Letztere Gruppen von SRAM (Force eTap AXS und Red eTap AXS) sowie Campagnolo (Super Record, Record, Chorus) sind meist an Rennrädern montiert, die nicht mehr im Preisbereich von Einsteigern liegen.
Wer sich ein Gravel Bike anschaut, der wird mit „one by“ oder „1x“ oder „1-fach“ Antrieben konfrontiert. Das sind Gangschaltungen, bei denen ihr nur am Hinterrad die Gänge wechseln könnt. An der Tretkurbel gibt es nur ein einziges Kettenblatt („Zahnrad“). Das macht das Schalten intuitiver – ihr müsst nämlich nicht mehr überlegen, ob ihr jetzt Umwerfer (vorne, links) oder Schaltwerk (hinten, rechts) bedient. Aber ihr habt in der Regel nicht ganz so viele Gänge zur Auswahl, müsst also entweder bergauf kräftiger oder bergab schneller treten oder auf feine Abstufungen verzichten. Für steile und große Berge auf dem Rennrad wollt ihr deshalb wahrscheinlich lieber doch zwei Kettenblätter.
Welche Übersetzung?
Fast noch wichtiger als die Schaltgruppe ist die passende Übersetzung. Das bedeutet: Wie viel Zähne die Kettenblätter vorne besitzen und wie viele die Ritzelkränze hinten. Am Einsteiger-Rennrad kommen eigentlich nur 2 aktuelle Kettenblatt-Kombis in Betracht: 52-36 (Semi-Compact) und 50-34 (Compact). Mit 52-36 seid ihr auf jeden Fall gut bedient, wenn ihr im Flachland wohnt und gelegentlich ins Mittelgebirge fahrt. Wer eher oft im Mittelgebirge unterwegs ist und noch nicht so fit, sollte von vorneherein zur 50-34 greifen. Das lässt euch auch noch Spielraum, um auch mal echte Pässe zu bezwingen. Für Letzteres ist eine 11-32 Ritzelkassette eine passende Wahl. Sehr verbreitet und für flachere Anstiege bis 6 % auch locker ausreichend sind jedoch 11-28 Zähne. Aktueller Tipp: Zurzeit gleich beim Kauf auf die passende Übersetzung achten, Ersatz-Ritzelkassetten sind gerade nicht in vielen Abstufungen erhältlich.
Welche Rennrad-Bremse für Einsteiger*innen?
Klar, Bremsen braucht ihr. Inzwischen vermitteln viele Hersteller das Gefühl, dass man auch am Rennrad unbedingt Scheibenbremsen braucht. Tatsächlich wurde auf Felgenbremsen vor wenigen Jahren die Tour de France gewonnen – es geht also ganz eindeutig auch ohne. Aber der Trend geht klar zur Disc-Bremse. Und ein paar Vorteile hat die Scheibenbremse ganz klar: Sie ist bei Nässe weniger nass und schneller trocken, ihr bremst also fast genauso gut, wie bei Trockenheit. Die Beläge stellen sich automatisch nach, ihr müsst also nicht die Bremse selbst neu einstellen. Viele andere Eigenschaften halten sich ungefähr die Waage, die Radmontage ist etwa weder einfacher noch schwieriger und die Ersatz-Bremsbeläge sind nur je nach Hersteller etwas teurer. Dafür sind Rennräder mit Disc-Bremse in der Regel schwerer, gerade im Einstiegsbereich. In unserer Übersicht über die spannendsten Budget-Rennräder bis 1.600 € könnt ihr das gut ablesen – rund 800 g Aufschlag kann man bei ähnlichem Ausstattungsniveau ansetzen.
Aber wie gesagt: Der Trend geht eindeutig zu Scheibenbremsen, und wenn sie bei euch am Rad verbaut sind, ist das gut. Achtet unbedingt darauf, dass es sich um hydraulische Scheibenbremsen handelt, und dass der Bremshebel gut in der Hand liegt.
Welche Rennrad-Reifen?
Wie bereits erwähnt, entscheidet die Reifenbreite mit über den Einsatzbereich. Außerdem gibt es bei Rennrad-Reifen noch das Kriterium „mehr oder weniger Profil“. Einen fundamentalen Unterschied macht aber die Frage, ob ein Schlauch im Reifen verbaut wird, oder nicht? Ohne Schlauch heißt dann „Tubeless“. Bei Tubeless-Reifen halten Felge und Reifen die Luft ohne Schlauch dicht im Innenraum. Zusätzlich kommt meist eine sogenannte Dichtmilch zum Einsatz, also wirklich eine weiße Flüssigkeit in eurem Reifen. Die kann kleine Löcher abdichten. Wenn ihr Tubeless fahrt, rollt es in der Regel etwas leichter und gleichzeitig komfortabler. Dafür braucht ihr aber die richtigen Reifen, Felgen und spezielle Ventile. Ein Tubeless-Aufbau ist also sicher der Kategorie nice-to-have zuzuordnen.
Welches Rahmenmaterial ist besser?
Carbon ist ein besonders steifes, festes und dabei leichtes Material. Deshalb sind Rahmen aus Carbon häufig leichter. Das macht euch als Einsteiger aber sicher nicht schneller oder glücklicher. Eine größere Rolle spielt am Anfang wahrscheinlich das Design, das – subjektiv – bei Carbonrahmen oft noch cooler ist, weil die Rahmen „aus einem Guss“ gefertigt werden. Es gibt aber auch schöne Alurahmen, die häufig günstiger sind. Rahmen aus Stahl sind heute eher selten. Sie punkten mit Umweltfreundlichkeit und klassisch filigranem Design (wieder dieses Aussehen), sind aber meist schwerer, ganz besonders im Einstiegsbereich.
Wie stelle ich das Rennrad ein?
Sagen wir es mal gerade raus: Bei den ersten längeren Ausfahrten wird euch der Hintern wehtun. Das war wohl bei jeder und jedem so, lässt sich aber abstellen. Einerseits schlicht durch Gewöhnung, andererseits aber auch durch eine perfekte Einstellung, ein Sitzpolster in der Hose und den passenden Sattel. Auch Knieschmerzen, eingeschlafene Füße und Schulter- und Nackenschmerzen sind für Beginner auf dem Bike ehrlich gesagt eher die Regel als die Ausnahme.
Hast du das Gefühl, dass du trotz richtig ermittelter Rahmengröße gerne etwas aufrechter oder weniger aufrecht sitzen möchtest, so hast du einige einfache Optionen, etwas daran zu ändern.
- Die Lenkerneigung lässt sich sehr einfach individuell anpassen. Dazu löst man die Vorbauschrauben und dreht den Lenker leicht vor oder zurück. So wandern die Bremsgriffe mehr zur Fahrer*in oder mehr Richtung Straße. Mehr zum Thema Rennrad-Lenker.
- Die Position der Brems-Schalthebel auf dem Lenker lässt sich ändern: Verschieben und drehen könnt ihr sie nach dem Lösen der unter der Gummiabdeckung versteckten Schrauben.
- Die Sattelstütze lässt sich rein und rausschieben. Die richtige Höhe ist nicht ganz einfach zu finden. Ein guter Startpunkt findet sich, wenn ihr – im Sattel sitzend – mit der Ferse gerade noch das Pedal erreicht, wenn es am tiefsten Punkt ist.
- Der Sattel lässt sich in der Sattelstütze nicht nur nach vorne und hinten neigen, sondern auch verschieben. Hier hilft leider häufig nur Experimentieren, um euch die beste Druckverteilung und Pedalposition zu geben. Als Startposition klemmt ihr am besten die Schiene mittig und stellt den Rennrad-Sattel waagerecht (eine Wasserwaage hilft hier).
- Die Lenkerhöhe kann durch Spacer, kleine Ringe unter dem Vorbau, verändert werden. Achtung: Nach oben geht nur, wenn beim Kauf noch Spacer unter UND über dem Vorbau vorhanden sind. Mehr als 3,5 cm bis 4 cm sollten die Spacer unter dem Vorbau aus Sicherheitsgründen außerdem nicht hoch sein.
- Außerdem könnt ihr meist den Vorbau um 180° um die eigene Achse drehen und so einen höheren oder tieferen Lenker erreichen.
- Die Vorbaulänge lässt sich nur durch Austauschen ändern, das kostet aber recht wenig – und es gibt Vorbauten von etwa 60 bis 120 mm, also in einem sehr großen Bereich.
Manche Rennräder machen euch die Einstellungen übrigens besonders einfach: Das reicht von einfachen Strichmarkierungen auf Lenker und Sattelstütze bis hin zu raffinierten Rahmendetails. Am Votec VRC sorgt beispielsweise der „VRC Knoten“ dafür, dass ihr die Sattelhöhe exakt wieder findet, wenn ihr die Sattelstütze mal aus dem Rahmen nehmt. Eine D-förmige Sattelstütze sorgt dafür, dass euer Sattel immer gerade nach vorne ausgerichtet ist. Aber: Für runde Sattelstützen gibt es einfacher Ersatz.
Welches Rennrad-Zubehör für den Start?
Bei einem Preis von 1.600 € sollte man erwarten, dass alles dran ist, was man für den Start braucht – oder? Aufgrund persönlicher Vorlieben und sicher auch aus Kostengründen ist das nicht unbedingt der Fall. Nummer eins sind sicher die fehlenden Pedale, die in aller Regel nicht zum Lieferumfang gehören. Das liegt daran, dass es unterschiedliche Systeme gibt, die dann wieder unterschiedliche Schuhe brauchen. Im Zweifel könnt ihr euer neues Baby also nirgendwo hinfahren, ohne erst noch Pedale zu kaufen. Quasi alle Rennradler benutzen Klick-Pedale. Sie geben einen sicheren Halt. Und sie sollen es erlauben, einen Teil der Kraft durch Ziehen am Pedal nach oben aufzubringen – anstatt nur nach unten zu drücken. Allerdings sind sich Experten nicht einig, ob dieser sogenannte „runde Tritt“ wirklich nennenswert zusätzliche Kraft schafft. Ihr könnt also beruhigt auch ohne Klick-Pedale fahren, wenn ihr nicht damit zurecht kommt. Wenn ihr euch mit Klick-Pedalen anfreunden könnt, dann habt ihr verschiedene Optionen. Weit verbreitete sind die Shimano Systeme „SPD“ und „SPD SL“. Schuhe für SPD-Pedale erlauben normales Gehen. Mit dem SPD-SL System steht ihr auf einer größeren Fläche auf dem Pedal, geht aber zu Fuß im typischen Rennradfahrer-Entengang.
Außerdem empfiehlt sich unbedingt ein kleiner Einkauf von Flaschenhalter, Trinkflasche, Klingel und Licht. Bei der Trinkflasche sei erwähnt, dass Fidlock eine elegante und praktische Kombination aus Trinkflasche und Flaschenhalter anbietet. Bei der Klingel solltet ihr den Lenkerdurchmesser an der Stelle messen, an der ihr sie montieren wollt. Beim Licht gibt es von der absoluten Notbeleuchtung ohne Straßenzulassung bis hin zum echten Strahler für Nachtausfahrten ein riesiges Spektrum.
Hier findet ihr unseren Test von Fahrradlicht mit StVZO-Zulassung fürs Rennrad
Was kostet ein Einsteiger-Rennrad?
Einige von euch werden wahrscheinlich direkt zu dieser Passage hinuntergescrollt haben. Denn gerade als Neuling möchte man vielleicht nicht gleich ein Vermögen für ein Rennrad ausgeben. Was ist also ein adäquater Preis für ein qualitativ hochwertiges, aber nicht zu teures Bike?
Natürlich hat Qualität oft ihren Preis. Ihr werdet aber auch schnell merken: Nach oben sind bei einem Rennrad keine Grenzen gesetzt, wer will, kann leicht einen fünfstelligen Betrag ausgeben! Allerdings gibt es auch sehr gute Räder, die einigermaßen erschwinglich sind. Deshalb würde ich dir raten den Abschnitt oben zu Must-have vs. Nice to-have zu lesen und für dich abzuwägen, welche Features nötig sind und worauf du gegebenenfalls verzichten kannst.
Grundsätzlich könnt ihr für 1.600 € bereits ein schickes und top funktionales Rennrad mit Disc-Bremse erwerben. Solltet ihr allerdings bereit sein etwas mehr Geld zu investieren, könnt ihr noch mal etwas Gewicht sparen und erhaltet schon einen schicken Carbonrahmen. Carbon-Rennräder mit höherwertigen Komponenten und Mittelklasse-Schaltgruppen ab Shimano Ultegra bewegen sich ungefähr in einer Preisspanne von ca. 2.400 – 3.500 €. Hierbei kommt es auch darauf an, ob ihr das Fahrrad beim Händler oder beim Hersteller direkt (online) kauft. Rennräder, die preislich weit über der 3.500 Euro-Marke liegen, sind meist noch leichter – wirklich schneller werdet ihr dadurch aber allein dadurch offen gesagt nicht.
Das einzige, was euch – ohne mehr Krafteinsatz – am Rennrad wirklich noch schneller macht, sind aerodynamische Laufräder, Lenker und Rahmen und natürlich eine tiefe Sitzhaltung. Die Komponenten finden sich aber in der Regel weder an Einsteiger-Rennrädern noch an besonders Allround tauglichen Bike. Sie sind also eher etwas für all jene, die schon genau wissen, was sie wollen. Die Sitzhaltung könnt ihr euch dagegen völlig kostenlos antrainieren. Wenn ihr wollt.
Habt ihr noch allgemeine Tipps für Rennrad-Einsteiger*innen?
Alle Artikel aus unserer Serie Rennrad für Einsteiger:
- Was bietet das Einsteiger-Rennrad 2024?: 11 Rennräder unter 1.400 € im Überblick
- Überblick Einsteiger-Rennräder 2023: Die 12 besten Bikes unter 1.700 Euro
- Die besten Einsteiger Rennräder 2022: 9 Modelle von 1.400 bis 1.600 €
- Einsteiger Kaufberatung Rennrad – Teil 2/2: Preise, Einstellung und Must-Haves
- Einsteiger Kaufberatung Rennrad: Einsatzbereich und Rahmengröße (Teil 1/2)
7 Kommentare