Als „Altes Rennrad“ annonciert, fand der heutige Renner der Woche einen neuen Besitzer. Dabei ist das Scott Scandium Team Issue mit einem Alu-Rahmengewicht unter einem Kilo noch immer ein Leichtgewicht – und war bei seinem Debut 2001 der erste Serienrahmen unter dieser magischen Marke. Damals entwickelte Peter Denk das Rahmenset für Scott, aus dessen Büro zuletzt das ultraleichte Specialized Crux Gravel Bike kam. Das Team Issue von 2001 ist aber mit seiner Shimano 3-fach-Gruppe auch schaltungstechnisch ein Vertreter seiner Zeit und erinnert daran, wie gut man mit der heute geschmähten Übersetzung unterwegs sein kann. Insofern war die Präsentation des heutigen Renners der Woche auch eine besondere Herzensangelegenheit der Redaktion – viel Spaß damit!
Renner der Woche
Scott USA Team Issue Scandium XL, Dan70
Rennrad-News.de: Hallo Dan70. Wie bist Du zu dem Rad gekommen, das wir heute als Renner der Woche vorstellen? Warum hast Du Dich für genau diesen Aufbau entschieden?
Als absoluter Provence Liebhaber wollte ich 2018 mit dem Rennrad den Mont Ventoux in Angriff nehmen, war aber aufgrund einer eher dürftigen Formkurve im Vorfeld auf der Suche nach einer gebrauchten bergtauglichen Kompaktkurbel. Dabei bin ich über eine Internet-Kleinanzeige gestolpert – Anzeigenüberschrift: „Altes Rennrad“. Ich hatte trotz unscharfer Beispielfotos das Gefühl, dass es sich um etwas Besonderes handeln könnte. Als der absolut zeitlose und toll erhaltene Renner in einer für meine 1,90 m passenden Rahmengröße vor mir stand, war die Entscheidung sofort gefallen. Für den Preis einer gebrauchten Campagnolo Kompaktkurbel hatte ich am Ende des Tages eine bergtaugliche Shimano Dreifachkurbel mit dazugehörigem Rad. Zu diesem Zeitpunkt waren mir der radsporthistorische Hintergrund (baugleicher Tour de France-Team-Rahmen mit Etappensiegen 2003/„Jean Delatour“) und die technologiegeschichtliche Besonderheit (Höhe- und im gewissen Sinne auch Endpunkt der Alurahmen-Entwicklung vor der Carbonära) noch überhaupt nicht bewusst.
Was zeichnet das Rad für Dich besonders aus? Wenn es ein Selbstaufbau oder Tuning ist: Worauf hast Du besonders geachtet?
Auch wenn die Ausstattung des Scott (Ultegra, Ksyrium) natürlich kein Profiniveau hat, nimmt man dem Rad haptisch, optisch und funktional sofort seine Profi-Gene ab. Der Coladosen-Sound beim Klopfen am immer noch Beulen freien Unterrohr wirkt bei über 80 kg Fahrergewicht im ersten Moment leicht irritierend, in der Fahrpraxis ist man über Stabilität und Laufruhe sehr positiv überrascht. Ich hatte mir schon überlegt, das Rad neu aufzubauen. Nachdem die STIs durchgespült und wieder zusammengepuzzelt, die Griffkörper neu lackiert, die Bremshebel entlackt und poliert waren, habe ich mich entschieden, das Rad in seiner zeitgenössischen und funktionalen Ausstattung – mit Ausnahme von Vorbau und Lenker – zu belassen. Ich finde, dass die polierten Teile der alten Ultegra Gruppe, besonders die Kurbel, wirklich gut zu dem teilpolierten Rahmen passen. Mein Sohn hat in Anlehnung an ein silber-gelb verpacktes Sportlernahrungsprodukt das Rad „Fitnessriegel“ getauft. Im gewissen Sinne auch passend…
Bleibt jetzt alles so oder wird es weitere Ausbaustufen geben?
Im Moment bildet das Rad für mich eine stimmige Einheit – auch mit den „Wäscheleinen“.
Was wiegt Dein Renner der Woche?
Das Rad wiegt mit Pedalen und Flaschenhalter ca. 8,3 kg. Der Rahmen allein ca. 1000 g. Da wäre also mit einer optimierten Ausstattung noch sehr viel möglich.
Wo fährst Du mit diesem Rennrad? Welche Rennen, RTF oder andere Veranstaltungen hat es schon bestritten?
Ich lebe in Grenznähe zu Frankreich bei Saarbrücken. Deshalb sind fast alle meine Standardtouren in doppelter Hinsicht oft grenzüberschreitend. Das Saarland ist ein insgesamt recht hügeliges Bundesland ohne wirklich lange Steigungen, aber mit häufigen, teilweise bissigen Anstiegen und vielen Wellen. Mein vorrangiges Trainingsziel besteht darin, so fit zu werden, dass ich im Sommer oder Herbst mein Rad mit in den Familienurlaub nehmen und dann Pässetouren und lange Strecken halbwegs souverän überleben kann. Rennen und RTF interessieren mich eher weniger. 2003 habe ich mich mal anlässlich der in Saarbrücken endenden Deutschlandtour Etappe ohne offizielle Startnummer und Startgeld in das vor der Etappe stattfindende Jedermannrennen „zufällig“ hineingeschmuggelt. Ich nehme an, das ist jetzt verjährt.
Wie würdest Du das Fahrverhalten des Rades charakterisieren?
Das „Team Issue“ ist ein 20 Jahre alter „Oldtimer“. Das Erstaunliche ist, dass sich das Rad sehr modern fährt: agil, fahrstabil, dynamisch, gut beschleunigend. Wie die Rohrumfänge schon optisch andeuten, ist der Hinterbau relativ steif, ohne aber brutal hart zu sein. Solange ich lange Distanzen schmerzfrei überstehe, macht ja gerade das direkte Gefühl zur Straße und zum Untergrund einen großen Reiz des Rennradfahrens aus.
Wie und wann bist Du zum Rennradfahren gekommen?
Ich habe mein erstes Rennrad mit meinem Vater in Frankreich gekauft und anschließend über die deutsch-französische Grenze „geschmuggelt“, als es noch echte Schlagbäume und Grenzkontrollen gab (1983). Ich bin dem Rennradfahren mit kleineren Unterbrechungen seither treu geblieben.
Wie würdest Du Dich jetzt selbst als Rennradfahrer charakterisieren?
Ich bin so etwas wie ein „visueller Radfahrer“ und kein Wettbewerbstyp. Das Landschaftserlebnis, die Bilder und das Kino im Kopf in Verbindung mit einer fast lautlos rollenden Rennmaschine sind für mich absolut faszinierend. Überdies geht es mir auch ums Abschalten vom beruflichen Stress.
Was ist deine persönliche Lieblings-Trainingsrunde?
Ich lebe in Saarbrücken, ganz in der Nähe von Frankreich. Während der Coronakrise ist mir an den geschlossenen Grenzübergängen bewusst geworden, dass mehr als die Hälfte meiner üblichen Trainingsstrecken auch durch Frankreich führen. So auch eine meiner Lieblingsrunden durch den Bliesgau und das angrenzende Lothringen.
Wie bist Du zum Forum von Rennrad-News gekommen?
Über eine Internet-Bildsuchmaschine.
Was macht für Dich den Reiz des Rennradfahrens aus?
Rennradfahren ist die ideale Mischung von Geschwindigkeit, Technik, Ästhetik, Natur, frischer Luft, Ruhe, Selbstwahrnehmung, Grenzerfahrung, Abschalten…
Dein Verhältnis zur Radbranche – immer das neuste oder am liebsten noch mit Rahmenschalthebel?
Ich muss definitiv nicht immer das Neuste haben, sonst hätte ich vermutlich ein anderes Rad hier geteilt. Ich finde, dass bei modernen Rahmenformen leider häufiger die optische Leichtigkeit und die Rennradästhetik hinter den „Carbontragflächen“ verloren geht. Die Elektrifizierung hat es auch noch nicht bis zu meinem Radkeller geschafft. Ich benutze aber meinen Stahlrahmenoldie mit Rahmenschaltung auch definitiv nur zum Brötchenholen.
Technische Daten: Scott USA Team Issue Scandium XL
Rahmen: Scott USA Team Issue Scandium XL
Gabel: Time Millenium, Carbon
Schalthebel: Shimano Ultegra 6500 3*9
Umwerfer: Shimano Ultegra
Ritzelkassette / Abstufung: 12-26
Tretkurbel / Abstufung / Innenlager: Shimano Ultegra 3-fach, Vielzahn
Pedale: Look Keo Carbon
Kette: Shimano HG 93 9fach
Bremsen: Shimano Ultegra
Laufräder: Mavic Ksyrium Equipe
Reifen: Continental Grand Prix 4000/5000
Sattel / Sattelstütze: Selle San Marco SKN Titan, Scott Components
Vorbau / Lenker: BMC, Ritchey Streem
Lenkerband: Ritchey WCS Race Gel
Sonstiges (Licht, Gepäckträger, Dynamo, integrierte Funktionen): k.A.
Über den Renner der Woche
Ihr habt auch ein Rad, dass sich in dieser ehrenhaften Galerie der schönsten Rennräder aus dem Forum sehen lassen könnte? Dann macht doch einfach mit. Wir zeigen nicht nur edle, sondern auch einfach spannende Bikes und es geht immer auch um ihre Geschichte und Besitzerinnen und Besitzer. Lust bekommen? Lest euch die Regeln für folgendes Album durch und ladet ein Bild in selbiges hoch. Viel Erfolg! Hier zu den Regeln: fotos.rennrad-news.de/p/455915 / Das Album findet ihr hier: Renner der Woche Fotoalbum.
Die letzten Renner der Woche findet ihr hier:
Wie gefällt euch der Renner der Woche?
20 Kommentare