Paris-Roubaix 2023 sparte nicht mit Spannung und Superlativen – das Rennen der Männer geht mit einem Schnitt von 46,8 km/h als die bisher schnellste Austragung in die Geschichte ein. Wie die Bikes fit gemacht werden, um mit 50 km/h über die Kopfsteinpflaster zu bügeln, haben wir uns vor dem Start angesehen. Ein ist klar: Schlauchreifen auf Pavé ist passé. Hier die Fotostory der Profi-Rennräder für Paris-Roubaix 2023.
Paris-Roubaix 2023 Rennen
Paris-Roubaix Femmes
So etwas gab es bei einem derart wichtigen Rennen wie Paris-Roubaix, vielleicht dem bekanntesten Eintagesrennen überhaupt, selten. Es geschah im Rennen der Frauen, der dritten Austragung seit der Premiere im Jahr 2021. Bereits kurz nach dem Start löste sich eine große Gruppe mit Ausreißerinnen vom Peloton. Erst 22 km der 145 km langen Strecke waren gefahren, als sich 18 Fahrerinnen zu einer Fluchtgruppe formierten, darunter auch die Deutsche Lisa Klein (Trek-Segafredo). Aber keine der großen Favoritinnen war vertreten. Und die ausgedünnte Gruppe mit den Außenseiterinnen schaffte es tatsächlich, einen kleinen Vorsprung bis ins Ziel im Stadion zu retten.
Das lag nicht nur an einem Sturz im Verfolger-Feld, in den auch Lotte Kopecky verwickelt war – die eigentlich aufgrund ihrer Fahrweise zuvor und mit dem Sieg der Flandernrundfahrt in der Tasche schon die Hauptfavoritin war. Es lag auch daran, dass die Verfolgung zuvor nicht mit letzter Konsequenz aufgenommen wurde. So kam es, dass die Außenseiterin Alison Jackson im Velodrom von Roubaix einen Siegestanz aufführen konnte und den Kopfstein, der hier für den Sieg verliehen wird, mit nach Hause nahm (seht euch den Instagram Account von @aliactionjackson für mehr ihrer berühmten Tanzeinlagen an). Kopecky sprintete mit einem hauchdünnen Rückstand von 12 Sekunden aus der ersten Verfolgergruppe ins Ziel.
Paris-Roubaix Männer
Und das Rennen der Männer verlief bei Paris-Roubaix 2023 nicht viel weniger dramatisch, wobei Dramatik in der Hölle des Nordens aufgrund der Unwägbarkeiten und Gefahren des Kopsteinpflasters immer vorprogrammiert ist. So traf es im berüchtigten Carrefour de l’Arbre ausgerechnet bei der rennentscheidenden Attacke John Degenkolb (Team DSM). Der Klassikerspezialist hatte sich in der Spitzengruppe mit fast allen großen Namen behaupten können, wurde aber bei einem Ausweichmanöver von Van der Poel in den Randstreifen gedrängt und kam zu Fall. Auch Wout van Aert, der die Attacke auf den Kopfsteinen gesetzt hatte, war von Pech verfolgt und musste wegen eines Plattens nach dem Sektor das Hinterrad wechseln. Übrig blieb Mathieu van der Poel, der Van Aert als einziger hatte folgen können. MvdP feierte seinen ersten Sieg bei Paris-Roubaix und damit den zweiten Triumph in diesem Frühjahr nach dem Gewinn von Mailand – San Remo. Und sein Team-Kollege Jasper Philipsen sprintete noch auf den zweiten Platz. John Degenkolb erreichte noch den 7. Platz, direkt gefolgt von Max Walscheid, der sehr stark gefahren war.
Paris-Roubaix 2023 Profi-Rennrad Technik
Über 50 km Kopfsteinpflaster der übelsten Sorte: mit Lücken zwischen den Steinen so groß wie Cyclocross-Reifen, mit Vorsprüngen so hoch wie Spacertürme am Freizeit-Rennrad; in der Mitte fahrbar, aber zu den Seiten schnell abfallend und teils mit glitschigem Grün bewachsen; an der Trampelpfad-Seite Erholung versprechend, aber mit überraschenden Hindernissen in Form von herausragenden Steinen gespickt. Wie bereitet man sich und sein Arbeitsgerät auf so eine Marter vor? Eigentlich ist es unmöglich. Die Rennrad-Technik hat bei Paris-Roubaix die Aufgabe, die Chance zu erhöhen, die unglücklichen Zufälle heil zu überstehen. Aber es bleibt ein Glücksspiel. Welche Karten die Teams ausspielen, haben wir uns schon einmal angeschaut: an den Profi-Rennrädern für Paris-Roubaix 2019 angeschaut. Seitdem hat sich vieles getan, wie sich bei unserem erneuten Rundgang durch die Teambus-Reihen bei Paris-Roubaix 2023 zeigte.
Reifen: Tubular ist tot
Eine zentrale Rolle, um auf dem Kopfsteinpflaster den entscheidenden Vorteil zu gewinnen oder keine Pannen zu riskieren, spielen die Rennrad-Reifen. Noch bei unserem letzten Besuch in der Hölle des Nordens waren Schlauchreifen in 25 mm bis 28 mm gesetzt. Jetzt fahren fast alle Teams auf Tubeless-Reifen.
Nie sahen wir außerhalb der Tour de France so viele Prototyp-Reifen im Test wie hier. Schwalbe hatte bei den Frauenteams offenkundig gleich zwei verschiedene Paris-Roubaix-Reifen im Test. Auch Specialized schickte einen Tubeless-Reifen mit einem uns bisher unbekannten Profil ins Rennen. Und von Vittoria gibt es ganz offenkundig einen neuen Corsa Pro-Reifen in den Größen bis 32 mm, über den wenig bekannt ist, außer dass er neu ist.
Reifendruck-Management
Bereits zwei Teams – Jumbo-Visma und DSM – kündigten den Einsatz von Systemen an, mit denen der Reifendruck während der Fahrt gesenkt (für das Pflaster) oder erhöht (für die Straße) werden kann. Eins konnten wir an den Teambikes von DSM vor Ort entdecken. Im TV war außerdem zu sehen, wie Christophe Laporte (Jumbo-Visma) nach einem Hinterradwechsel ein paar Mal am Oberlenker etwas betätigte – was nicht zwingend ein Druckmanagementsystem gewesen sein muss.
Der Vorteil der Systeme, die derzeit von Scope und Grava angeboten werden: Ein geringerer Druck spart auf dem Kopfsteinpflaster Energie, weil das Rad leichter über die vielen kleinen Hindernisse rollt. Auf der Straße kann dann wieder auf den optimalen Druck für Asphalt erhöht werden.
Angaben zum Reifendruck hüteten die Mechaniker der Teams wie ihren Augapfel und deckten die Anzeigen der Kompressoren mit den Händen ab. Aber man darf annehmen, dass zwischen 3,5 bar und 4,5 bar gefahren werden.
Lenkerband und Hände
Die Hände werden oft mit doppelter Lenkerband-Wicklung geschützt, aber nicht immer. Hier und da ist zu sehen, dass an Aero-Cockpits das Lenkerband weiter bis zur Mitte gewickelt wird, als vorgesehen. Auch die Hände selbst tapen manche Fahrer*innen gegen die Blasenbildung durch das Rütteln am festgehaltenen Lenker. Taubeneigroße Blasen in der Handfläche waren auf Instagram nach dem Rennen zu sehen.
Lange Vorbauten und eingedrehte Griffe
Dass Rennrad-Profis gerne länger und flacher sitzen, ist bekannt. Dabei hat es sich eingebürgert, das Rennrad gleich von vorneherein auf die aerodynamischste Position einzustellen – und das ist die sogenannte „Belgische Position“, bei der die Hände auf den Hoods der Bremsgriffe aufliegen und Oberarme und Unterarme einen rechten Winkel bilden. Um die Arme hierbei enger zusammenzubekommen, gibt es verschiedene Möglichkeiten: oben schmalere Lenker oder leicht bis stark nach innen gedrehte Brems-Schalthebel, die aber die Abstützung beim „normalen“ Fahren in Bremsgriff-Haltung verschlechtern. Auch lange Vorbauten bringen den Oberkörper nach unten. Jonas Rutsch von Team Education First fährt beispielsweise einen 170 mm langem Vorbau.
Großes Blatt oder größere Blätter?
Für Paris-Roubaix feiert der 1-fach-Antrieb ein Comeback. Von den Fahrer*innen der SRAM-Teams waren einige mit nur einem Kettenblatt vorn unterwegs. Bei zwei Kettenblättern sind mehr Zähne gefragt: 54 zu 40 ist eine häufige Abstufung.
Mehr Halt und bessere Orientierung
Trinkflaschen, GPS-Geräte – alles, was abfliegen kann, muss besser befestigt werden. Außerdem gibt es natürlich immer noch die klassische Lösung, um den Fahrer*innen die Schlüsselstellen des Rennens rüttelsicher vor Augen zu führen.
Cannondale Supersix Evo Lab71
Canyon Aeroad CFR Movistar
Canyon Aeroad CFR Canyon/Sram Racing
Pinarello Dogma F von Ganna
Trek Domane SLR Trek – Segafredo
Scott Foil von DSM
Dare VSru von Uno-X
Was sagt ihr zu den neuen Teambikes bei Paris-Roubaix 2023?
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