Renner der Woche
Diamant-Fake-Renner aus der DDR von SirPolston
Wie bist Du zu dem Rad gekommen, das wir heute als Renner der Woche vorstellen? Warum hast Du Dich für genau diesen Aufbau entschieden?
Ich besitze dieses Rad seit etwa 10 Jahren. Er stammt aus dem Nachlass eines Chemnitzer / Karl-Marx-Städter Amateurfahrers. Ich habe es damals über Kleinanzeigen gekauft. Das Rad war auf Anhieb interessant, da es auf den ersten Blick ein umgearbeitetes Bahnrad und auf den zweiten Blick definitiv kein Diamant war. Es wurde auch vom Verkäufer als „kein Diamant“ angeboten. Mehr war nicht bekannt. Der Verkäufer war oben an der Nordsee, ich in Dresden. Nach kurzem Austausch und Kaufinteresse meinerseits meinte der Herr zu mir, er fährt in zwei Monaten nach Prag und könnte das Rad mit runterbringen. Und so geschah es und wir hatten eine nette Übergabe. Er erzählte mir noch, er hätte es von einem Campingfreund aus Chemnitz (besagter Amateurfahrer im Rentenalter), zusammen mit einem echten Diamant (daher kannte er schon den Unterschied).
Es ist noch fast komplett im Fundzustand. Es handelt sich um ein klassisches Trainingsrad (ohne Schaltung!) aus DDR Zeiten. Fast alle Teile bis auf den Hauptrahmen sowie die Sattelkerze und die Pedale aus der CSSR, stammen aus der DDR, 1970er Jahre (Rasant, Renak, Grünert, Elsner, Möve, Diamant). Der Rahmen selbst ist wahrscheinlich ein Bahnrahmen aus der Zeit zwischen 1930er und 50er. Genaueres habe ich nicht herausbekommen. „Wir hatten ja nüscht“, wurde der Rahmen (wahrscheinlich) in den 1970ern als Trainingsrad reaktiviert und genutzt. Wahrscheinlich kannte der Herr jemanden, der jemanden kannte. Den alten ZEG Sticker habe ich, weil er eben zur Geschichte gehört, dran gelassen.
Was zeichnet das Rad für Dich besonders aus? Wenn es ein Selbstaufbau oder Tuning ist: Worauf hast Du besonders geachtet?
Es ist erst einmal ein sehr schöner alter Bahnrahmen der 1950er oder älter. Ich habe mich immer für alte DDR Rennmaschinen interessiert und hier hat man zudem ein tolles Beispiel, wie in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg und in einem Land, in dem es angeblich nix gab, aus „alt“ mit Lack und aktuellen Teilen „neu“ gemacht wurde und Sportgeräte nachhaltig genutzt wurden. Es war gang und gäbe, ältere Räder nach einigen Jahren neu zu lackieren und manche Radgeschäfte machten das „professionell“ wie etwa Preisser in Leipzig (davon hab ich auch eines). Andere bauten bereits genutzte Räder nach ein paar Jahren wieder neu auf und bearbeiteten die Rahmen nach „neuen Standards“ wie beispielsweise Elsner in Zeuthen (davon hab ich auch eins) oder Niemann in Zerbst (davon hab ich auch eins). Basis war bei allen meist das (einzige) verfügbare Material, das Diamant aus KMS. Da kamen dann teils auch ordentliche Komponenten dran und vor allem ein anderer Name auf das Rohr. Witzigerweise ist es bei diesem Rad genau umgekehrt. Ein anderer Hersteller wurde durch und durch auf Diamant umgearbeitet. Da mag ich gar nicht an heute und die Ressourcenverschwendung denken. Pfui!
Ich habe nur wenige Dinge vom Fundzustand geändert. Ich habe „nur“ den Grünert Aluminium Vorbau gegen einen Elsner aus Stahl getauscht und die Stahlkurbel gegen eine aus Aluminium. Das originale, heftpflasterartige Lenkerband musste leider auch erneuert werden (war auch grün), da ich den schmalen 38er-Lenker, gegen einen 42er getauscht habe.
Bleibt jetzt alles so oder wird es weitere Ausbaustufen geben?
Das Rad bleibt jetzt so – neue Reifen bestimmt mal und Schellack auf das Lenkerband. 🙂
Wo fährst Du mit diesem Rennrad? Welche Rennen, RTF oder andere Veranstaltungen hat es schon bestritten?
Ich fahre mit dem Rad bedauerlicherweise nur 2-3 Mal im Jahr.
Wie würdest Du das Fahrverhalten des Rades charakterisieren?
Etwas schwammig und klapprig – aber schnell. 🙂
Wie und wann bist Du zum Rennradfahren gekommen?
Als Teenager in den 1990ern war ich in einem lokalen Verein (Erzgebirge) für Querfeldein und Straßensport. Im Sommer auch bisschen Bahntraining in Chemnitz. Ich war aber nicht gut – eher schlecht :-). Und als Teenager interessieren einen dann andere Dinge. Als armer Student brauchte ich ein Fahrrad und da gab es in Dresden einen Trödelmarkt und dann war da noch diese Singlespeedsache und durch meine Verbindungen zum Radsportverein in der alten Heimat hatte ich schnell die Bude voll mit alten Diamant Bahnrädern, und dann Rennrädern und mehr. Und gefahren bin ich viel (immer noch nicht gut, aber mit mehr Spaß).
Wie würdest Du Dich jetzt selbst als Rennradfahrer charakterisieren?
Immer noch langsam. Aber lange!
Was macht für Dich den Reiz des Rennradfahrens aus?
Der Fahrtwind und die Erschöpfung. Aus eigener Kraft dorthin zu kommen, wohin man es schafft. Und selbst an Klassikern zu schrauben. „Schraub slow, drive schnell“ ist mein Mantra.
Wie bist Du zum Forum von Rennrad-News gekommen?
Genau wegen der Klassiker. Ich hatte mal wieder ein paar alte Bahnräder aufgetan und wollte herausfinden, was ich da habe. Das war 2015 und ich bin immer noch da. Wer mich nervt, den setzte ich auf ignorieren, die meisten User sind jedoch sehr umgänglich, hilfsbereit und es gefällt mir im Forum.
Dein Verhältnis zur Radbranche – immer das neuste oder am liebsten noch mit Rahmenschalthebel?
Schwierig. Ich gehöre nicht zum Kundenkreis der aktuellen Radbranche, einfach weil ich nicht viel Geld für das neueste und beste ausgeben möchte. Ich kaufe aber nachhaltig und habe auch ein älteres Rad mit einer 2011er Campagnolo Chorus. Sonst auch klassisch mit Rahmenschalthebeln oder eben wie hier ohne Schaltung.
Technische Daten: Diamant-Fake-Renner
- Rahmen
- Unbekannt
- Gabel
- Diamant
- Schalthebel
- keine
- Umwerfer
- keiner
- Ritzelkassette / Abstufung
- Renak 18
- Kurbel / Kettenblätter
- Diamant / 50
- Pedale
- aus CSSR
- Kette
- DDR
- Bremsen
- Rasant Mittelzug
- Laufräder
- Renak Naben mit Grünert Felgen (Keba Speichen)
- Reifen
- Conti Giro (noch 😉 )
- Sattel / Sattelstütze
- Möve
- Vorbau / Lenker
- Elsner
- Lenkerband
- Baumwolle
- Sonstiges
- DDR Schutzbleche und FER Lichtanlage
Über den Renner der Woche
Ihr habt auch ein Rad, dass sich in dieser ehrenhaften Galerie der schönsten Rennräder aus dem Forum sehen lassen könnte? Dann macht doch einfach mit. Wir zeigen nicht nur edle, sondern auch einfach spannende Bikes und es geht immer auch um ihre Geschichte und Besitzerinnen und Besitzer. Lust bekommen? Lest euch die Regeln für folgendes Album durch und ladet ein Bild in selbiges hoch. Viel Erfolg! Hier zu den Regeln: fotos.rennrad-news.de/p/455915 / Das Album findet ihr hier: Renner der Woche Fotoalbum.
Wie gefällt euch der Renner der Woche?
11 Kommentare
» Alle Kommentare im ForumDie Kurbel!!
Das ist doch so ziemlich die einzige dieser Art weit und breit, oder?
Glück auf.
Danke. Möglich, an Favorit habe ich auch schon gedacht. Irgendwas hatte aber dagegen gesprochen. FAVORIT bahnräder sind jedenfalls sehr selten. Auch über Streba kein Erfolg. Ist aber paar Jahre her.Freut mich, wenn ihr etwas mit dem Rad anfangen könnt.
@28er leider hat mir der Verkäufer den Namen des Chemnitzer Sportfreunde nicht genannt, nur das er von ihm noch ein "echtes" Diamant Straßen Rennrad übernommen hat.
Es gab mit Keil und Aluminium auch Weinmann, Stronglight oder TA und dann wars das glaube ich auch schon.
Diamant hat diese Kurbel schon in den 1920er (?) Jahren an seinen top of the line Maschinen (auch die aus voll Aluminium!?)
Diese ist aus der zweiten Hälfte der 1950er.
War damals nur am Luxus Sportrad von Diamant. Verschwand dann (warum auch immer) aus dem sozialistischen Einheitssortiment und war auch mit dem IFA-Schein (@Thomthom 😉) nicht mehr zu bekommen.
@Knobi hier auch der Link zum Fabrikat:
https://ddrfahrradwiki.de/Tretkurbeln
Tolles Rad!
Allerdings tut die Kabellänge schon fast weh, genauso wie die "Faltung" des Reservereifens. 😉
Meinst du die Corsa Record? Ja, sehr ahead of time 🤣
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