Mit seinem neuen „Aeropod“ will SwissSide realitätsnahe Luftwiderstandsmessung auf die Straße bringen. Ist Aerodynamik-Optimierung bald so weit verbreitet wie Leistungsmessung? Wo macht sie für Hobbyfahrer überhaupt Sinn? Wir haben mit Jean-Paul Ballard, Technischer Direktor bei SwissSide, über Aerodynamik am Rennrad gesprochen.
Rennrad-News.de: SwissSide forscht intensiv am Thema Aerodynamik, unter anderem schenkte man schon früh der Schnittstelle Reifen-Felge besondere Beachtung. Seit wann erforscht SwissSide überhaupt die Aerodynamik am Rennrad?
Jean-Paul Ballard: Seit 2013.
Was war der Grund, in die Forschung einzusteigen?
Unser Ziel war es, mit unserem Know-how aus der Formel 1 die schnellsten Aeroräder zu entwickeln. Um jedoch zu verstehen, was wir von den Rädern brauchten, und wie man sie entwirft, mussten wir zuerst das komplette Bike-Rider-System verstehen. So begannen wir mit einigen Windkanaltests auf Rädern, kompletten Bikes, mit und ohne Fahrer, und dann folgten Computer-Fluid-Dynamics-Untersuchungen (Strömungssimulationen am Rechner, Anm. der Redaktion). Das gewonnene Verständnis bildete die Grundlage für die Entwicklung der heute schnellsten Aeroräder der Welt sowie für die Aerodynamikberatung anderer Marken und Sportler.
Welche Arten von Aero-Tests führt SwissSide am Rennrad durch? Nur Laufrad-Reifen-Kombinationen oder auch generelle?
Wir führen alle denkbaren Tests durch: Nur die Räder. Das komplettes Fahrrad allein. Das Komplettrad mit Dummy, statisch oder dynamisch. Das komplette Fahrrad mit Fahrer. Radrennbahn-Tests und Real World Tests mit SwissSide AeroPod und Instrumented Bike (einem mit Sensoren voll gepackten Aerorad, Anm. der Redaktion).
Neuste Entwicklung ist der AeroPod. Was verbirgt sich dahinter?
Es ist unser Windkanal für die Straße. Es ist ein Echtzeit- & Real-World-Widerstandsmessgerät. Es ermöglicht dem Fahrer, seinen Widerstand auf dem Fahrrad unter realen Bedingungen zu messen und zu überwachen. Der Vorteil ist, dass jeder seinen Luftwiderstand messen, verstehen und optimieren kann, sei es bei der Auswahl der Ausrüstung oder bei der Optimierung der Position.
Wird er für jeden erhältlich sein? Wenn ja, was wird er ungefähr kosten?
Ja, er wird für jeden erhältlich sein. Unser Plan ist es, das Gerät für jedermann zugänglich zu machen. Wir bringen es so schnell wie möglich! Sie werden es in dieser Saison mit Profi-Athleten und Teams unterwegs sehen. Wir wollen den AeroPod für alle so zugänglich wie möglich machen, also sollten die Geräte deutlich unter 1000 Euro liegen.
Wie werden die AeroPod-Daten ausgewertet? Ist er auch z.B. mit Garmin kompatibel?
Auf jedem kompatiblen Hauptgerät wie Garmin oder auf unserer eigenen App.
Kann man sagen, an welchen Stellen des Rennrades – außer dem Fahrer – das größte Aero-Optimierungspotential liegt?
Die vordere Hälfte des Fahrrads, die mehr in der freien Luft liegt, hat viel Potenzial. Das Vorderrad, der Lenker, der Cockpit-Bereich sind sehr wichtig.
Auf der SwissSide Webseite gibt es eine Simulationsrechnung für eine Fahrt mit 180 Watt mit einem Aero-Rad. Das entspricht ungefähr der Dauerleistung eines durchschnittlich trainierten Hobbyfahrers. Allerdings bezieht sich die Rechnung auf ein Aero-Rad. An welchen Stellen können „normale“ Rennradfahrer am meisten Aerodynamik herausholen?
Mit einem anliegenden Anzug, beziehungsweise wenigstens keinem flatternden Trikot. Dann ein aerodynamischer Helm und dann gute Aeroräder.
Ab welcher Durchschnitts-Geschwindigkeit lohnt sich etwa die aerodynamische Optimierung des Materials?
Ab ca. 15 km/h verbraucht der Luftwiderstand den Großteil der Kraft, die Sie in die Pedale stecken. Ab 20 km/h und höher wollen Sie sich unbedingt auf Ihr aerodynamisches Setup konzentrieren.
Ihr habt auch eine Simulations-Software entwickelt. Ist diese auch Hobbyfahrern zugänglich – z.B. auch über Lizenznehmer?
Unsere eigene Simulationssoftware steht der Öffentlichkeit nicht zur Verfügung. Wir nutzen sie als Werkzeug für unsere Partner und Pro-Tour-Teams.
Wieviel Watt kann die falsche Kombination Reifen/Felge maximal kosten? Kann ich mit mit dem falschen Reifen/Reifengröße auf meinem Aero-Laufradsatz den Aero-Effekt zerstören? Bzw. wieviel Watt kann eine optimale Kombination gegenüber einer sehr schlechten sparen?
Eine gute Aerorad-Reifen-Kombination kann bis zu 20W bei 45 km/h beziehungsweise circa 9,5W bei 35 km/h einsparen. Die falschen Reifen können die Aero-Effekte vollständig abtöten und zu etwa gleich hohen Verlusten führen. Die größeren Reifen wirken sich nur am Vorderrad auf die Aerodynamik aus. Normalerweise führen sie nur zu einem geringen Anstieg des Luftwiderstandes auf die vergrößerte Stirnfläche, aber der Aero-Segeleffekt bleibt erhalten.
Danke für das Interview!
Wie wichtig ist euch die Aerodynamik am Rennrad oder am Fahrer?
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