Aero-Rennrad Test 2022: Aero-Rennräder machen schneller. Aber sie kosten auch mehr. An aktuellen Tempo-Boliden markiert die SRAM Rival eTap AXS 2×12 Funkschaltung häufig die günstigste Ausstattungsoption – bei Preisen um 5.000 € bis fast 7.000 €. Wir haben 4 Aero-Rennräder der Rival-Klasse getestet und klären, wer mit welchen Modellen besonders gut bedient wird. Im Test: die BMC Timemachine Road, das Cervélo S5, das taufrische Stevens Arcalis und das Wilier Cento10 SL. Hier die Test-Ergebnisse im Überblick.
Warum ein Aero-Rennrad kaufen?
Einfach schneller Rennrad fahren!
Ein Aero-Rennrad macht schneller. Auf unseren Test- und Trainingsfahrten im Bergischen Land machten wir auch vor diesem Vergleichstest schon die Erfahrung, dass die durchschnittliche Geschwindigkeit je nach Streckenprofil, Länge oder Wetter um 1 km/h bis 2 km/h steigt, bei vergleichbarer Leistung und Sitzposition. Damit jeder weiß, wovon wir sprechen: Zugrunde liegt keine wissenschaftliche Untersuchung, sondern ein einfacher Vergleich verschiedener normaler Rennräder ohne Aero-Laufräder mit verschiedenen Aero-Rennrädern mit Aero-Laufrädern (ab 40 mm Höhe) auf verschiedenen, aber grundsätzlich immer hügeligen Strecken mit ca. 100 Höhenmetern pro 10 km. Außerdem lag die Schnitt-Leistung bei moderaten 170 Watt.
Klingt langweilig, ist es aber ganz und gar nicht. Wer einmal erlebt hat, wie sich auch für mäßig trainierte Rennradfahrer*innen mit einem Aero-Rennrad die magische 30 auf dem Radcomputer leichter halten lässt, der kann schnell Gefallen an dieser Rennrad-Gattung finden. Voraussetzung: Man hat Spaß an der Geschwindigkeit. Damit sind wir schon bei der nächsten Frage.
Tipps zum Thema und Aero-Rennrad Neuheiten gibt es hier
Wann kein Aero-Rennrad kaufen?
Die Frage muss gestattet sein, denn nicht für jeden macht ein Aero-Rennrad Sinn. Wann ist ein Aero-Rennrad keine gute Wahl?
- Angesichts der aufgerufenen Preise liegt die erste Antwort auf der Hand: Wenn der Preis eine wichtige Rolle spielt. Denn ohne Aero gibt es ähnlich ausgestattete Rennräder für rund 1.000 € bis 1.500 € weniger, bei den teuren Modellen sind es sogar eher 2.000 € bis 2.500 €.
- Wer nicht gerne mit stark gebeugtem Oberkörper sitzt, greift ebenfalls besser nicht zum Aero-Rennrad.
- Wenn Vielseitigkeit gefragt ist. Zwar bieten aktuelle Aero-Rennräder recht viel Reifenfreiheit – zwischen 28 mm und 32 mm sind die Regel. Man kann auch mal einen gut befestigten Kiesweg damit fahren. Aber mehr Spaß macht das mit Allroad-Bikes oder Endurance-Rennrädern. Auch Schutzbleche und Co. kann man am Aero-Renner nicht montieren.
Worauf haben wir im Aero-Rennrad Test Wert gelegt?
Die Wahrheit über Aero-Rennräder liegt nicht nur im Windkanal. Für unseren Aero Rennrad-Test zählt die Fahrpraxis. Die erste Testfahrt mit jedem Bike führte auf die immer gleiche, gerade, flache und verkehrsfreie Strecke unter Kontrolle der Leistungswerte und mit gleicher Rennrad-Bekleidung. Ein Gefühl für die Effizienz des Tempomachens ließ sich damit gut erreichen. Ein direkter, an absoluten Werten orientierter Vergleich stand aber nicht auf dem Plan.
Viel Wert liegt auf dem Fahrgefühl, das sich tatsächlich von Aero-Rennrad zu Aero-Rennrad stark unterscheiden kann. Da die individuell passende Sitzposition stark zur Leistungsentfaltung beiträgt, haben wir hier ebenfalls einen Fokus gesetzt und geben die Anpassbarkeit immer separat an – auch die verfügbaren Größen spielen hier eine Rolle. Außerdem bewerteten wir natürlich das gewogene Gewicht. Und beurteilt haben wir auch, wie gut der gewählte Antrieb zum Tempomachen passt. Bei der Ausstattung zählt – angesichts der stets identischen Schaltgruppe – stark, wie wertig und konsequent am Speed-Ziel orientiert die Aero-Rennräder im Test komplettiert sind. Klar, dass hier den (Aero-)Laufrädern und den Reifen große Bedeutung zukommt. Nicht zuletzt können Aero-Rennräder mit guter Verarbeitung punkten. Wie der Testablauf im Einzelnen war, ist noch einmal bei den Einzeltests vermerkt, die wir in den kommen Tagen aufeinanderfolgend veröffentlichen.
Überblick: Aero-Rennräder im Test mit SRAM Rival
Modell | Preis | Gewicht (gewogen ohne Pedale) | Übersetzung | Laufradsatz | Reifenfreiheit | Gewichtszulassung |
---|---|---|---|---|---|---|
Cervélo S5 | 6.399 € | 8,45 kg | 48-35 / 10-30 | DT Swiss P1800, Alu, 32 mm Felgenhöhe, 18 mm Maulweite | 30 mm | 110 kg (Fahrer*in 100 kg) |
Wilier Cento10 SL | 5.700 € | 8,82 kg | 46-33 / 10-36 | Wilier Carbon, 38 mm Felgenhöhe, 17 mm Maulweite | 28 mm | 110 kg |
Stevens Arcalis | 5.770 € | 8,15 kg | 48-35 / 10-36 | DT Swiss ARC 1400 Dicut CL Carbon, 50 mm Felgenhöhe, 20 mm Maulweite | 30 mm | 115 kg |
BMC Timemachine Road | 6.499 € | 8,7 kg (inkl. 2 Flaschenhaltern und Box) | 48-35 / 10-30 | BMC Carbon, 50 mm Felgenhöhe, 17 mm Maulweite | 28 mm | 110 kg |
Aero Rennrad-Test: Ergebnisse
BMC Timemachine Road 01 Three
- Preis: 6.499 €
- Rahmen/Gabel: Carbon
- Antrieb/Schaltung: SRAM Rival eTap AXS 2×12
- Laufräder: BMC Aero Carbon
- Gewicht: 8,7 kg (inkl. 2 Flaschenhaltern und Box)
- https://www.bmc-switzerland.com/
Wer Schnellfahren will, muss gut sitzen. Und kein Aero-Rennrad im Test zeigt sich so flexibel bei der Sitzpositionswahl wie die BMC Timemachine Road. Dazu kommen eine gut gewählte Geometrie, die mehr Sicherheit bei hohem Tempo bietet und praktische Features, wie die Staubox. Zwar ist das Schweizer Aero-Rennrad in Sachen Komfort am Sattel etwas in die Jahre gekommen und auch nicht das leichteste Bike im Test. Unterm Strich ist es aber nach unserer Bewertung am konsequentesten auf das Erzeugen des Temporausches ausgerichtet und hat dem sonst mindestens ebenbürtigen Cervélo S5 die Aero-Laufräder voraus. Dafür erntet die BMC Timemachine Road den Testsieg.
Pro / Contra
zum TestPro
- Flexible Einstellung
- Hervorragender Geradeauslauf
- Clevere Integration
- Konsequent auf Highspeed abgestimmt
Contra
- Etwas schwerer
- Geringer Komfort
Cervélo S5 SRAM Rival AXS
- Preis: 6.399 €
- Rahmen/Gabel: Carbon
- Antrieb/Schaltung: SRAM Rival eTap AXS 2×12
- Laufräder: DT Swiss P1800, Aluminium
- Gewicht: 8,4 kg
- https://www.cervelo.com
Das Cervélo S5 ist ein Aero-Bolide für Fortgeschrittene. Es stellt erhöhte Anforderungen an die Vertrautheit mit der Sitzposition und die äußerst agilen Fahreigenschaften kommen Kundigen entgegen. Dass es auch ohne Aero-Laufräder derart schnell unterwegs war, spricht für das Rahmenset. Volle Tempo-Entfaltung benötigt noch ein teures Laufrad-Upgrade zum ohnehin schon höheren Preis. Kein Schnäppchen, aber mit anderen Laufrädern wäre ihm der Testsieg sicher gewesen.
Pro / Contra
zum TestPro
- Agilstes und direktestes Fahrverhalten
- Schnell
- Gute Ergonomie
Contra
- Geringer Komfort
- Kein Aero-Laufradsatz
- Viele proprietäre Teile
Stevens Arcalis
- Preis: 5.770 € (Testkonfiguration)
- Rahmen/Gabel: Carbon
- Antrieb/Schaltung: SRAM Rival eTap AXS 2×12
- Laufräder: DT Swiss ARC1400 Dicut, Carbon
- Gewicht: 8,15 kg
- https://www.stevensbikes.de
So leicht, so konsequent aerodynamisch mit hohen Laufrädern aufgewertet und so fahrdynamisch wie das Stevens Arcalis präsentiert sich kein anderes Aero-Rennrad in unserem Test. Dazu kommen die individuellen Wahlmöglichkeiten und das alles zu einem deutlich günstigeren Preis – ein glasklarer Preis-Leistungstipp. Kleine Unstimmigkeiten in der Ausstattung an unserem Testrad lassen sich vor der Bestellung ausgleichen.
Pro / Contra
zum TestPro
- Speed-Gefühl
- Gewicht
- Aero-Ausstattung
- Fahrdynamik
- Wahlmöglichkeiten
- Preis/Leistung
Contra
- Cockpit Anpassung (Testrad)
- Geräusche
Wilier Cento10 SL
- Preis: 5.700 € (Testkonfiguration)
- Rahmen/Gabel: Carbon
- Antrieb/Schaltung: SRAM Rival eTap AXS 2×12
- Laufräder: Wilier, Carbon
- Gewicht: 8,82 kg
- https://wilier.com
Das Wilier Cento10 SL bringt die Vorzüge eines Aero-Rennrades gut mit den Ansprüchen an tägliches Fahren und einfache Anpassung unter einen Hut, das ist sein großer Verdienst. Dazu gibt es Komfort auf Normalniveau statt übertriebene Härte und eine sehr ansprechende Verarbeitung zu einem fairen Preis. Wer Aerodynamik und Leichtigkeit bestmöglich verbinden will oder maximale Aero-Leistung über alles stellt, findet bessere Alternativen. Als Aero Allrounder-Gesamtpaket ist das Wilier unterm Strich ein sehr überzeugendes Angebot.
Pro / Contra
zum TestPro
- Souveräne Fahreigenschaften
- Komfort
- Einfach anzupassen
- Verarbeitung
- Preis/Leistung
Contra
- Gewicht
- Reifen
Das ist uns aufgefallen
Jedes der getesteten 4 Aero-Rennräder mit SRAM Rival eTap AXS 2×12 hat seine Stärken und Schwächen, die wir zusammengefasst haben. Daneben fielen im Laufe des Tests noch Eigenheiten von Aero-Rennrädern auf, die einige Modelle teilen oder die einen genaueren Blick lohnen, wenn man sich allgemein für den Kauf eines Aero-Rennrades interessiert, auch wenn es sich nicht in der Rival-Ausstattungsklasse befindet.
- Geometrie macht einen Unterschied. Auf dem Papier sind es nur kleine Zahlen, aber in der Fahrpraxis machen sie sich bemerkbar. Der um einen Grad flachere Lenkwinkel hier, die längeren Kettenstreben dazu – und schon fährt das Aero-Rennrad ganz anders. Am deutlichsten war im Test der Unterschied zwischen dem quirligen und wendigen Cervélo S5 und der wie an Schnur gezogen geradeaus laufenden BMC Timemachine Road 01 Three zu spüren. So deutlich, dass es schon ein Kaufkriterium sein kann. Hier findet ihre alle Geometrien in vergleichbarer Rahmenhöhe übersichtlich zum Vergleich.
- Die Sitzposition ist tief. Bei allen Aero-Rennrädern im Test lag der Lenker etwa 9 cm unter dem Sattel bei 76 cm Sitzhöhe. Das ist eine deutlich sportliche Sitzposition, und das, obwohl schon 1,5 cm bis 2 cm Spacer verbaut waren, mit Ausnahme des (ohne Spacer aufgebauten) Cervélo S5, wo der Lenker noch tiefer lag. Viel entspannter lässt sich ein Aero-Rennrad also nicht auslegen. Wer nicht lange so gebeugt sitzen kann, schaut besser bei anderen Rennrad-Typen.
- Aero-Sattelstützen wollen Pflege. Ohne gelegentliches Nachsehen und Säubern, Kontrollieren oder Erneuern des Carbon-Montagepaste-Films entwickelten 3 Bikes im Laufe des Tests Geräusche aus dem Bereich der Sattelstützklemmung. Das sollte besser gehen.
- Augen auf bei den Laufradsätzen. Bei den Laufradsätzen in der Werksausstattung sind die Unterschiede erheblich. Ein DT Swiss Allround Trainingslaufradsatz am Cervélo steht einem ausgewachsenen Aero-Carbonlaufradsatz des gleichen Herstellers am Stevens gegenüber, der locker 1.000 € mehr kostet. Zwar kann es wegen der Windanfälligkeit der echten Aero-Laufradsätze nicht schaden, auch einen einfachen, flacheren Radsatz zu haben. Aber richtig schnell wird es erst mit den hohen Felgenprofilen ab 50 mm. Auch die Maulweiten der hauseigenen Laufradsätze am Wilier und BMC – beide 17 mm – schienen uns nicht mehr zeitgemäß. Wenn man den sonst eher harten Aero-Rennrädern mit breiteren Reifen Komfort einhauchen will, ohne mehr Leistungseinbußen, braucht man eher 20 mm bis 22 mm.
- Anpassung der Sitzposition. Wer flexibel bleiben will und/oder die passende Sitzposition Schritt für Schritt herausarbeiten will, sollte auf Möglichkeiten zur nachträglichen Anpassung achten. Den größten Spielraum bieten separate Vorbau- und Lenker-Komponenten, gepaart mit einer Verlegung der Leitungen und Züge unter Abdeckungen. Am schwierigsten wird es mit Lenker-Vorbaueinheiten mit komplett innen verlegten Leitungen. Nicht bei allen Modellen gibt es außerdem Sattelstützen mit mehr oder weniger Versatz (Setback) zur Auswahl.
- Passende Grund-Übersetzung. Wer Aero fährt, will schnell sein, das heißt in der Regel auch flüssig und immer im optimalen Drehzahlbereich treten. Dafür muss die Übersetzung passen, vor allem die Gangsprünge. Wer 5.000 € und mehr für ein Rennrad ausgibt, wird eventuelle Mehrausgaben für das Wechseln der Ritzelkassette nicht scheuen, die eine gewisse Anpassung erlaubt. Aber die Kurbel lohnt Abwägen. 48-35 bei SRAM 12-fach-Road entspricht eher der klassischen 52-39-Kombi und ist optimal, wenn man auch bergab gerne mit verträglicher Kadenz mittritt. Wer viel im Mittelgebirge kurbelt und es bergab auch mal rollen lässt, ist mit der 46-33 Kurbel besser bedient, die bei gleich eng gestufter Kassettenwahl leichtere Berggänge bietet. Keine gute Wahl fürs Aero-Rennrad ist unserer Meinung nach die 10-36 Kassette aus dem SRAM Universum.
Aero-Rennrad Test Fazit
Aero-Rennräder – sie sind teurer, anspruchsvoller in der Handhabung und nicht richtig leicht. Aber es gibt einen sehr gewichtigen Grund, sie zu fahren: Das gute Gefühl, alles herausgeholt zu haben, was das Rennrad für mehr Tempo beitragen kann. Wenn es beim Rennradfahren ums Schnellfahren und nochmal ums Schnellfahren geht, und wenn nicht Höhenmeter-Rekorde geplant sind, dann kann ein Aero-Rennrad sehr glücklich machen. Und das gilt auch für alle Aero-Rennräder im Test. Das Wilier Cento10 SL präsentiert sich im Aero-Umfeld als solider Allrounder zu einem fairen Preis. Der glasklare Preis-Leistungstipp ist aber das neue Stevens, weil es schlicht am meisten Aero-Qualitäten fürs Geld bietet (die Laufräder tragen hier viel dazu bei) und zudem leicht ist. Leicht und schnell ist auch das Cervélo S5, es richtet sich klar an Rennradfahrer*innen, die wissen, was sie wollen und wie sie sitzen und ein Upgrade für echte Aero-Laufräder auf den hohen Preis schon einkalkulieren. Mit einem gelungenen Anpassungskonzept, der einnehmenden Verarbeitung und dem Highspeed optimierten Fahrverhalten hat die BMC Timemachine Road für uns unterm Strich das beste Aero-Gesamtkonzept, auch wenn hier ebenfalls für Bestleistungen noch zeitgemäßere Aero-Laufräder zu beschaffen wären, was den ebenfalls hohen Preis noch einmal steigen lässt.
Hier lest ihr die weiteren Beiträge zum Vergleichstest von 4 Aero-Rennrädern auf Rennrad-News:
- Aero-Rennrad Test 2022: 4 Boliden mit SRAM Rival im Vergleich
- Wilier Cento10 SL im Test: Aero für den Alltag
- Stevens Arcalis im Test: Leichtes und schnelles Aero-Rennrad
- BMC Timemachine Road im Test: Speed ist Einstellungssache
- Cervélo S5 im Test: Ballern mit Flugzeuggefühl