Wenn heute die erste Gravel WM in Italien über die Bühne geht, werden einige aerodynamisch optimierte Gravel Bikes am Start stehen. Jan Heine hat mit und für Rene Herse Cycles an der Aerodynamik von Gravel Bikes geforscht – mit einigen weniger und anderen mehr überraschenden Ergebnissen, über die er im Rene-Herse-Journal berichtet hat. Wir geben hier mit freundlicher Erlaubnis seinen übersetzten Beitrag wieder.
Aerodynamik ist ein wichtiger Faktor bei Gravel-Rennen und -Rides. Denn die Geschwindigkeiten bei Gravelrennen sind hoch – die schnellsten Fahrer auf der 322-Kilometer-Distanz bei „Unbound-Gravel“ fahren mit einem Schnitt von 32 km/h durch die Flint Hills von Kansas. Viele Gravel-Rennen können extrem windig sein. Die Optimierung der Aerodynamik eines Gravel Bikes ist wichtig, aber viele der wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber sind kaum bekannt.
Wenn Sie diesen Artikel über eine Google-Suche entdeckt haben und Rene Herse Cycles nicht kennen, könnte das Folgende in ihren Ohren wie purer Nonsens klingen. Es entspricht nicht dem, was man normalerweise auf Fahrrad-Webseiten findet. Wir sind das gewohnt, seit unsere ersten Reifentests vor 15 Jahren gezeigt haben, dass breite Reifen genauso schnell rollen können wie schmale. Auch das war damals unvorstellbar! Heute haben sich breite Hochleistungsreifen weitgehend durchgesetzt. Was Sie im Folgenden lesen, basiert auf wissenschaftlichen Studien (darunter zwei Tage im Windkanal des Department of Aeronautics der University of Washington). Es hat sich auch in der Praxis bewährt. Ein Schwestermodell des hier vorgestellten Rene Herse-Fahrrads hält die FKT (Fastest Known Time) auf der 585 km langen Bikepacking-Strecke des „Oregon Outback“. Und zwei dieser Räder haben die 563 km des Unbound XL – durch die Flint Hills von Kansas – in knapp über 25 Stunden absolviert. Damit platzierten sie sich gut in einem Feld der schnellsten Langstrecken-Gravelbiker der Welt.
Aero-Laufräder
Wer sein Fahrrad aerodynamischer machen will, denkt normalerweise zuerst an Aero-Laufräder. Und es besteht kein Zweifel daran, dass Aero-Laufräder kleine, aber signifikante Vorteile bieten können – am Rennrad. Bei Gravel Bikes mit breiten Reifen wird es komplizierter. Eine aerodynamische Tropfen-Form hat ein Verhältnis (Länge zu Breite) von 3:1.
Das gilt, wenn sich die Form im freien Raum befindet. Wenn sie von anderen Teilen umgeben ist, die Turbulenzen erzeugen (Gabelscheiden, Speichen usw.), ist das Verhältnis höher, etwa 5:1. Selbst bei einem Verhältnis von 3:1 ergibt das bei 25-mm-Reifen eine 50 mm tiefe Felge (25 mm Reifen + 50 mm Felge = 75 mm tief). Allerdings sollte das hintere Ende der Felge etwas abgerundet sein – eine messerscharfe Kante wäre zu gefährlich, und auch die Fahreigenschaften bei Seitenwind sind mit einer abgerundeten Form besser. So ergibt sich eine Mindesttiefe von 45 mm für eine Aero-Felge für 25-mm-Reifen. Es ist kein Zufall, dass die flachsten Aero-Felgen 45 mm hoch sind. Nach Angaben der Hersteller bieten sie eine „mittlere“ Aerodynamikleistung. Wer wirklich schnell fahren will, braucht 80-85 mm tiefe Felgen. Sie bieten zumindest ein Verhältnis von 4:1, wenn man den Reifen mit einbezieht.
Damit die Strömung laminar bleibt (d. h. keine Turbulenzen an der Oberfläche entstehen), braucht es außerdem eine Felge, die so breit ist wie der Reifen. Aus diesem Grund sind viele Aero-Felgen für 25-mm-Reifen etwa 25 mm breit (außen).
Sehen wir uns mal einen 42-mm-Gravel-Reifen an. Auch hier ist die Rechnung leicht zu machen. Man benötigt eine Felge mit einer Außenbreite von 42 mm und einer Höhe von etwa 75-80 mm. Für die 54-mm-Reifen, die ich auf dem Oregon Outback gefahren bin, wären Aero-Felgen 54 mm breit und 100 mm hoch. In der Praxis sind Felgen aber nicht so breit und hoch – die meisten Felgen für den Gravel-Einsatz sind etwa 30 mm breit und 45 mm hoch.
Warum fahren die Leute keine 80 mm hohen Felgen auf Schotter? Hohe Felgen sind bei Seitenwind schwer zu kontrollieren (etwa 60 % des Vorderrads befinden sich vor der Gabelachse und nur 40 % dahinter, sodass ein Windstoß von der Seite den Lenker dreht). Je höher die Felge, desto stärker ist die Kraft des Seitenwindes, die sich auf den Lenker auswirkt.
Ist eine 45 mm hohe Felge nicht zumindest etwas besser als eine klassische Kastenfelge? Nicht unbedingt: Bei der Aerodynamik ist „fast aerodynamisch“ oft schlechter als gar nicht aerodynamisch. Wenn man keine laminare Strömung erreichen kann, dann ist es oft am besten, wenn sich der Luftstrom vollständig ablöst. Aus diesem Grund haben viele Autos – vor allem Kleinwagen und Kombis – einen Spoiler an der Hinterkante des Dachs. Das ist auch der Grund, warum viele frühe „stromlinienförmige“ Autos eigentlich nicht sehr aerodynamisch waren (der ursprüngliche VW-Käfer hatte einen Luftwiderstandsbeiwert von 0,48, schlechter als viele konventionell geformte Autos der 1950er Jahre).
„Für Reifen, die breiter als 32-35 mm sind, kann ich mir kein Laufrad vorstellen, das in der Praxis aerodynamische Vorteile bringt“.
Es gibt Windkanaltests, die scheinbar belegen, dass aerodynamische Laufräder auch bei breiten Reifen Vorteile bieten (Specialized, Hunt). Diese Tests zeigen jedoch nur sehr geringe Gewinne von weniger als 1 %. Darüber hinaus umfassen einige Tests nur das Fahrrad ohne Fahrer (Hunt). Die rotierenden Beine des Fahrers verursachen Turbulenzen, die die Luftströmung um das Fahrrad herum beeinflussen, sodass die tatsächlichen Vorteile noch geringer ausfallen werden. Daher bestätigen diese Windkanaltests eigentlich nur, dass Aero-Laufräder die Aerodynamik auf einem Gravel-Bike nicht wesentlich verbessern. Der Chefentwickler eines bekannten US-Laufradherstellers hat in einer Diskussion dieses Themas bestätigt: „Für Reifen, die breiter als 32-35 mm sind, kann ich mir kein Laufrad vorstellen, das in der Praxis aerodynamische Vorteile bringt“.
Wenn es Aero-Laufräder sein sollen und der Untergrund glatter Boden ist, könnte man vielleicht 25-mm-Reifen auf 45-mm-Aero-Laufrädern fahren. Aber der Vorteil von Aero-Laufrädern ist nicht groß genug, um die Nachteile dieses Set-ups zu kompensieren. Man würde durch die Vibrationen, die durch die schmalen Reifen verursacht werden, viel mehr Geschwindigkeit einbüßen, als man durch die Aerodynamik gewinnen würde. (Selbst bei Rennrädern verringern Aero-Laufräder den Windwiderstand von Fahrer und Fahrrad nur um 2-3 %).
Bei Gravel Bikes werden Aero-Felgen aus einem anderen Grund verwendet: Die Felgenform sorgt für ein stabileres Laufrad. Und das wiederum macht es möglich, weniger Speichen zu verwenden. Und das hilft dann wirklich beim Luftwiderstand.
Reifenbreite
Nach den Aero-Laufrädern lautet der nächste Ratschlag meist, die Reifen so schmal zu fahren, wie es eben geht. Intuitiv macht das Sinn: Schmalere Reifen sind aerodynamischer. Dieser Effekt ist jedoch zu gering, um spürbar zu sein: Der Reifen vergrößert die Frontfläche des Fahrrads nur gering, zumal die meisten modernen Fahrräder Unterrohre haben, die breiter sind als selbst die breitesten Gravel-Reifen.
Roll-Down-Tests bestätigen dies. Die Grafik oben zeigt Tests bei mittelhoher Geschwindigkeit mit 44 mm und 28 mm Rene Herse-Reifen an einem Tag ohne Wind. Die Durchschnittswerte für beide liegen innerhalb von 0,1 Sekunden – 44er und 28er rollen mit der gleichen Geschwindigkeit.
Reifenprofil
Allgemeingut ist, dass Slick-Reifen aerodynamischer sein sollen als Stollenreifen. Deshalb fahren Spitzen-Gravel-Racer wie Ted King, Lauren de Crescenzo oder Brennan Wertz oft auf Rene Herse-Allroad-Reifen mit minimalem Profil. (Stollen helfen bei der Traktion in Schlamm, Schnee und überall dort, wo sie sich in eine relativ feste Oberfläche eingraben können. Auf losem Schotter rutschen Steine auf anderen Steinen, und das Reifenprofil macht wenig oder keinen Unterschied.)
Der Aerodynamikvorteil von glatten Reifen scheint gering zu sein – zu gering, um ihn zu messen. Oben sind Abrolltests zu sehen, bei denen Rene Herse 700×42 mm Stollenreifen (Hurricane Ridge) mit unseren glatten 700×44 mm Allroad-Reifen (Snoqualmie Pass) verglichen werden. Ihre Geschwindigkeiten sind gleich. Wenn Sie versuchen, das letzte Quäntchen Leistung herauszukitzeln, sind glatte Reifen wahrscheinlich hilfreich. Für uns Normalfahrer gibt es kaum Grund, sich über die Aerodynamik des Reifenprofils groß Gedanken zu machen.
Messerspeichen
Selbst wenn Aero-Felgen bei breiten Reifen keinen Geschwindigkeitsvorteil bringen, wären dann nicht wenigstens flache Aero-Speichen ratsam? Die Antwort hängt davon ab, ob Seitenwind vorherrscht. Hier muss man bedenken: Gravel-Rennen und -Rides sind oft länger als Straßenrennen, und das Terrain ist rau. Die Geschwindigkeiten sind niedriger als bei Straßenrennen. Und das bedeutet, dass der Seitenwind einen größeren Einfluss hat.
Bei einem Profi-Rennfahrer, der ein Zeitfahren mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h absolviert, ändert selbst ein Seitenwind von 10 km/h die resultierende Windrichtung nur um 11 Grad (links). Einem Spitzenfahrer auf Schotterpisten kommt die Luft mit 17° entgegen (Mitte), während ein Normalsterblicher mit einem Seitenwind von 25° zu kämpfen hat (rechts).
Eine typische Aero-Speiche ist 1,0 mm dick und 2,2 mm breit. Sie ist immer noch zu kurz, um eine laminare Luftströmung zu erhalten (denken Sie an das Verhältnis 3:1), aber zumindest ist sie dünner als selbst die dünnste runde Speiche – wenn der Wind von vorne kommt. Je größer der Anströmwinkel des Windes ist, desto schlechter wird die Aero-Speiche, bis sie wahrscheinlich deutlich schlechter als eine dünne runde Speiche ist (wir haben dies nicht getestet, daher ist dieser Abschnitt nur eine Hypothese). Das Rene Herse Bike setzt auf runde Speichen (Sapim Laser), die über den größten Teil ihrer Länge einen Durchmesser von 1,5 mm haben. Diese dünnen, runden Speichen scheinen unter einer Vielzahl von Bedingungen eine gleichmäßigere Aerodynamik zu bieten als Messerspeichen. Interessanterweise haben die neuen Campagnolo Levante Gravel-Laufräder ebenfalls runde Speichen.
Radverkleidungen
Bei typischen Gravel-Geschwindigkeiten und mit Gravel-Reifenbreiten machen Aero-Laufräder und Aerospeichen wenig Sinn, aber wir können die Aerodynamik der Laufräder auf andere Weise verbessern. Die Oberseite des Reifens bewegt sich mit der doppelten Geschwindigkeit des Fahrrads (die Unterseite liegt auf der Fahrbahn auf und bewegt sich daher überhaupt nicht relativ zum Boden). Nehmen wir an, Sie fahren mit 58 km/h bergab – die Höchstgeschwindigkeit, die ich dieses Jahr auf dem Schotter des Unbound XL erreicht habe. Das Reifenprofil schneidet dabei mit 116 km/h durch den Wind. Der Windwiderstand steigt mit dem Quadrat der Geschwindigkeit, so dass Reifenprofile bei 116 km/h viermal so viel Windwiderstand haben wie bei 58 km/h.
Hier kommen die Radverkleidungen des Rene Herse ins Spiel (sie sehen zwar aus wie verkürzte Schutzbleche, aber als Spritzschutz sind sie nicht gedacht). Indem sie die Oberseite der Reifen vom Fahrtwind abschirmen, verringern sie den Luftwiderstand. Jetzt trifft der Fahrtwind auf die Radverkleidung, die sich mit 58 km/h bewegt, und nicht mehr auf das Reifenprofil mit 116 km/h. Wir haben die Form dieser Verkleidungen im Windkanal optimiert, bis sie den Luftwiderstand um 1-2 % verringerten – fast so viel wie ein Satz Aerolaufräder an einem Rennrad. Bei Straßenrennen sind Verkleidungen verboten, aber diese Regeln gelten nicht für die meisten Gravel-Rennen.
Wer Zweifel an den aerodynamischen Vorteilen von Radverkleidungen hat, muss sich nur ein Moto GP-Motorrad anschauen. Die 2022er Suzuki oben hat ebenfalls Schutzbleche, die die Oberseite der Reifen abdecken. Die Platzierung der Radverkleidungen an der Suzuki und am Rene Herse Bike ist fast identisch, wenn man den Effekt der Verkleidung am unteren Ende des Hinterrads des Motorrads berücksichtigt (es ist schön zu sehen, dass unsere Windkanaltests und die eines Top-Moto GP-Teams die gleichen Ergebnisse liefern). Bringen diese Kotflügelverkleidungen wirklich einen Vorteil? Moto GP-Teams verbringen sehr viel Zeit im Windkanal und würden keine Teile an ihren Motorrädern anbauen, die keinen messbaren Nutzen bringen.
Position des Fahrers
Den größten Teil des Windwiderstands eines Fahrrads verursacht der Fahrer. Leider kann man in Bezug auf den Luftstrom um Fahrrad und Fahrer nicht viel tun. Es gibt zu viele freiliegende Elemente, die Verwirbelungen erzeugen. Daher ist ein laminarer Luftstrom nicht erreichbar. Wenn die Strömung abreisst, wird sie turbulent, was den Luftwiderstand stark erhöht. Das ist auch der Grund, warum Aero-Rahmenformen im Windkanal (ohne Fahrer) funktionieren können, aber sobald die Beine des Fahrers direkt daneben pedalieren, hat der turbulente Luftstrom keinen großen Nutzen mehr von den geformten Rohren.
Unbedingt sollte man Kleidung, die im Wind flattert, vermeiden. Die Verwirbelungen, die die Kleidung in Bewegung bringen, kosten viel Energie. Die meisten Gravel-Racer tragen bereits eng anliegende Trikots und Shorts, aber Regenjacken und Windbreaker können sich in ihrer aerodynamischen Effizienz stark unterscheiden.
Der beste Weg, das System aus Rad und Fahrer aerodynamischer zu machen, ist es, die Stirnfläche zu verkleinern. Und das ist sehr wichtig: Eine Halbierung der Stirnfläche bedeutet eine Halbierung des Luftwiderstands. (Die Zeichnungen oben basieren auf Projektionen desselben Fahrers in verschiedenen Positionen.)
Die offensichtlichste Möglichkeit, die Stirnfläche zu verkleinern, ist eine flachere Sitzposition. Viele Gravelbikes haben eine relativ aufrechte Position (links), die die Frontfläche des Fahrers um einiges vergrößert. Eine niedrige, gestreckte Position (Mitte) macht ein Rennrad schnell, und es gibt keinen Grund, warum man diese Position nicht auch auf dem Gravel Bike einnehmen kann.
Natürlich muss die Sitzposition zur Leistung passen. Sich tief über den Lenker zu beugen, ohne die Kraft in den Beinen zu haben, die den Oberkörper abstützt, ist nicht hilfreich: In einer bequemeren Position, in der man mehr Kraft aufbringen kann, wäre man schneller. Das ist auch der Grund, warum Ultra-Distance-Rennfahrer eine aufrechtere Position bevorzugen.
Bei Abfahrten ist es oft effizienter, sich im Aero-Tuck zu ducken, als in die Pedale zu treten. Unsere Windkanaltests haben gezeigt, dass der Aero-Tuck den Luftwiderstand um mehr als 30 % verringert. Bei hohen Geschwindigkeiten kann nicht einmal ein Profi-Rennfahrer genug Kraft aufbringen, um diesen Vorteil wettzumachen. Es ist besser, geduckt im Leerlauf zu fahren, die Beine auszuruhen und trotzdem schneller zu sein!
Wenn man den Aero Tuck auf einer hügeligen Strecke einsetzt, ist man nicht nur bergab schneller, sondern kann auch nach dem Ende der Abfahrt länger ausrollen. Stellen Sie sich einen geheimen Trick vor, mit dem jede Abfahrt ein paar hundert Meter länger wird—genau das bewirkt der Aero-Tuck.
Bei langem Passabfahrten setze ich den Aero-Tuck nicht immer ein. Länger als ein paar Minuten am Stück finde ich die Haltung nicht sehr bequem. Ich benutze den Tuck aber gegen Ende der Abfahrt, um meine Geschwindigkeit weiter in den folgenden flachen (oder bergauf führenden) Abschnitt mitzunehmen.
Lenkerbreite
Es gibt noch eine weitere Möglichkeit, den Stirnfläche zu verkleinern – ohne den Komfort zu beeinträchtigen: Fahren Sie schmaler statt niedriger. Viele Gravel-Lenker sind sehr breit. Sie wurden von Mountainbikes inspiriert, bei denen verwinkelte Passagen im Singletrail bei niedriger Geschwindigkeit große Lenkeinschläge erfordern. Auf Schotter sind die Geschwindigkeiten höher und die Lenkerbewegungen geringer. Man braucht keinen breiten Lenker, um ein Gravel-Bike zu kontrollieren.
Das Rene Herse Bike ist mit einem nur 40 cm breiten Lenker ausgestattet, der wegen des heftigen Gegenwinds in den Flint Hills von Kansas gewählt wurde. Der schmale Lenker macht das Rad deutlich aerodynamischer (im Windkanal haben wir festgestellt, dass eine Absenkung des Lenkers um 2 cm den Luftwiderstand um 5 % reduziert; unsere Erfahrungen auf der Straße deuten darauf hin, dass ein 2 cm schmalerer Lenker einen ähnlichen Effekt haben). Wenn man mit angewinkelten Ellbogen fährt – was auch zur besseren Stoßdämpfung beiträgt – sind die Arme nach innen abgewinkelt, und schmale Lenker beeinträchtigen weder Atmung noch Komfort. (Radfahrer, die mit durchgestreckten Ellenbogen fahren, werden breitere Lenker als bequemer empfinden).
Aerolenker
Aerolenker sind eine offensichtliche Möglichkeit, den Fahrer sowohl niedriger als auch schmaler auf dem Rad zu machen. Wenn die Arme des Fahrers nach innen gezogen werden, bis sie sich fast berühren, sind Aerobars unglaublich effektiv. Sie verkleinern nicht nur die Stirnfläche, sondern schließen auch den Hohlraum unter der Brust des Fahrers. Es gibt aber auch einen Nachteil: Für viele Fahrer leidet in dieser Position der Fahrkomfort. Wenn Aerolenker breiter eingestellt sind, bieten sie nur wenig Vorteile.
Ein weiteres Problem mit Aerobars ist der Komfort: Manche Fahrer finden, dass Aerolenker ihre Handgelenke entlasten. Im Gegensatz dazu empfinde ich es nicht als sehr bequem, meine Ellbogen auf die Polster zu stützen. Denn dadurch fällt die Federung weg, die meine (gebeugten) Ellbogen auf unebenem Terrain bieten.
Cockpit-Verkleidungen
Bei Moto GP-Motorrädern werden Verkleidungen verwendet, um die Aerodynamik des Fahrers zu verbessern. Warum können wir das nicht am Fahrrad machen? Verkleidungen funktionieren nur, wenn sie den Fahrer fast berühren. Radfahrer ändern ihre Sitzposition zu oft, als dass Verkleidungen funktionieren könnten.
Die oben abgebildete Moto GP-Honda zeigt, wie viel Wert auf die Aerodynamik dieser Maschinen gelegt wird. Der Buckel, der Teil des Moto GP-Fahreranzugs ist, verhindert, dass sich der Luftstrom an der Rückseite des Helms abreisst. Ich vermute allerdings, dass es uns zu heiß werden würde, wenn wir das in ein Radtrikot einnähten! Die Flügel an der Vorderseite der Verkleidung sorgen für Abtrieb, damit das Vorderrad beim Beschleunigen auf dem Boden bleibt. Fahrräder allerdings sind zu langsam, um auf diese Weise einen nennenswerten Anpressdruck zu erzeugen.
Apropos Verkleidung: Die Lenkertasche am Rene Herse scheint einen sehr kleinen Aero-Vorteil zu bieten. Ich vermute, dass die Tasche die drehenden Beine vom Fahrtwind abschirmt. Die Form der Tasche ist hier entscheidend: Die gleiche Tasche mit Seitentaschen erhöht den Windwiderstand (das haben wir im Windkanal gemessen). Noch effektiver wirkt die Tasche im Aero-Tuck, wo mein Körper ihr so nahe kommt, dass sie tatsächlich wie eine Verkleidung wirkt. Der Effekt ist jedoch gering: Randonneur-Fahrräder sind mit einer Lenkertasche ausgestattet, weil diese während der Fahrt den Zugriff auf Verpflegung und Kleidung ermöglicht. (Einige Leser haben vorgeschlagen, dass die kastenförmige Form der Tasche verbessert werden könnte. Da die Tasche jedoch zwischen dem Lenker sitzt, erwies sich eine abgerundete Form tatsächlich als weniger aerodynamisch in unserem Windkanaltest.).
Fazit
Noch mehr als bei Rennrädern kann bei Gravelbikes ein Blick über den Tellerrand das Fahrrad deutlich aerodynamischer machen. Sie müssen keine Reifenverkleidungen an Ihrem Fahrrad anbringen, aber Dinge wie ein schmalerer Lenker oder eine sportlich gestreckte Sitzposition können einen erheblichen Effekt haben, vor allem im Laufe einer ganztägigen Fahrt oder eines langen Gravel-Rennens.
Was denkt ihr über die Aerodynamik am Gravel Bike?
Über den Autor
Jan Heine ist Autor des Buchs „Ein Rad für Alles: Die Allroad-Bike Revolution.“ Auf wissenschaftlich fundierter Basis erklärt das Buch anschaulich, wie man sein Rad schneller, komfortabler und zuverlässiger machen kann, damit man beim Radfahren mehr Spaß hat. Die deutschsprachige Version des Buchs ist im Covadonga-Verlag erschienen. Es ist auch direkt von Rene Herse erhältlich.
Bildnachweis: Linda Guerrette (Foto 1, 7, 8, 10); Rugile Kaladyte (Foto 2); Suzuki (Foto 5); Honda (Foto 9)