Die Giro Favoriten 2018: Froome – und dann lange nichts? Alle Augen blicken auf den Briten, wenn es um den Sieg des Giro d‘ Italia 2018 geht. Der Giro-Sieger 2017, Tom Dumoulin aus den Niederlanden, und Fabio Aru sind Namen auf der Starterliste, die ebenfalls für einen Platz ganz oben auf dem Podium in Frage kommen. Viele starke Rundfahrer konzentrieren sich allerdings in diesem Jahr auf die Tour de France – als gelte es den Giro-Start Froomes für die Chance auf einen Tour-Sieg zu nutzen. Wer fährt beim Giro um den Rundfahrtsieg mit?
1. Chris Froome – Team Sky
Der Sky-Kapitän geht nach dem Double aus Tour und Vuelta als als Top-Favorit bei der Italien-Rundfahrt an den Start. Aber um den Sky-Kapitän gab es schon im Vorfeld des Giro d’Italia viel Aufregung wegen deutlich zu hoher Salbutamol-Werte bei einer Dopingprobe. So bangte Giro-Direktor Vegni bereits um den Ruf des Rennens und forderte eine Zusage der UCI, dass Froome der Sieg keinesfalls im Nachhinein wieder aberkannt werden würde, sollte der noch immer offene Fall gegen Froome entschieden werde. Wie velonews berichtet, soll er diese Zusage sogar erhalten haben.
Was spricht gegen Froome? Die Aufregung um seinen Start könnte sich gegen den Briten kehren. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht wieder ein Aspekt des Dopingverdachtes neu aufgerollt wird. Wie gut kann sein Team ihn während der Rundfahrt abschirmen? Wie reagieren die emotionalen Tifosi auf den starken, aber umstrittenen Briten? Und wie kann Froome mit den Fragen oder vielleicht auch offenen Anfeindungen umgehen? Von den Antworten auf diese Fragen dürfte viel abhängen
Was spricht für Froome? Mit Team Sky ist immer zu rechnen. Schon aufgrund der durchgängigen Stärke der Mannschaft und der bisher gelungenen Team-Regie gehören ihre Kapitäne immer zu den Favoriten. Froome hat sehr starke Unterstützer: Mit dem Kolumbianischen Meister Sergio Henao fährt einer der besten Kletterer für ihn, der zuletzt bei Liège-Bastogne-Liège eine gute Vorstellung zeigte. Allein Henao reicht als Trumpfkarte. Aber auch Wout Poels hat mit einem Sieg bei der Doyenne 2016 und einem 6. Platz bei der Vuelta schon seine Bergqualitäten unter Beweis gestellt. Wie stark die Mannschaft Sky ist hat sie mit Siegen bei der Kolumbien-Rundfahrt, und Tirreno-Adriatico sowie dem zweiten Platz bei der Katalonien-Rundfahrt durch Bernal bereits bewiesen. Und eine ähnliche Dominanz bei Rundfahrten wie Froome kann kein Fahrer im Peloton aufweisen.
Rennrad-News Favoritentipp: +++++
2. Tom Dumoulin – Team Sunweb
Tom Dumoulin ist ein bescheidener Radprofi. Von seinen Ambitionen auf den Giro-Sieg bekommt man in Deutschland nicht viel mit. Er geht mit der Startnummer 1 als eindeutiger Kapitän der Mannschaft Sunweb in Jerusalem an den Start, und sein Team ist konsequent auf die Verteidigung des Titels ausgerichtet. Man habe einen Mix aus starken Bergfahrern und erfahrenen Rundfahrern in der Mannschaft uns gehe fokussiert auf das Gesamtklassement an den Start, teilt Sunweb mit. „Ich habe mich im Frühjahr vielleicht ein bisschen zu sehr auf das Einfahren von Ergebnissen konzentriert“, räumte Dumoulin vor kurzem gegenüber Pro Cycling Net ein. Dennoch behauptet er, dass ihm der Kurs liege.
Was spricht für Dumoulin? Sein Sieg im letzten Jahr. Er hat bewiesen, dass er den Giro gewinnen kann, auch wenn er auf sich alleine gestellt ist. Außerdem musste er letzes Jahr auf einer Etappe Gesundheitsprobleme bewältigen, fuhr aber dennoch am Ende zum Sieg. Das spricht für seine mentale und physische Stärke. Er hat außerdem mit Laurens Ten Dam und Sam Oomen zwei gute Bergfahrer im Team, die ihn an den Anstiegen helfen. Er ist nach Froome der Radprofi mit den meiste UCI Punkten.
Was spricht gegen Dumoulin? Die Stärke von Team Sky. Die Kletterqualitäten der Mannschaft um Froome sind schwer zu toppen. Hinzu kommt, dass der Giro in diesem Jahr noch stärker auf Berge ausgerichtet ist. Der Anteil an Zeitfahren, die Paradedisziplin Dumoulins, ist vergeichsweise gering. Nur 45 km im Kampf gegen die Uhr stehen auf dem Etappenplan.
Rennrad-News Favoritentipp: ++++
Fabio Aru – UAEC-United Emirates
Fabio Aru ist ebenfalls ein starker Rundfahrer und hatte 2015 mit dem Sieg bei der Vuelta und dem zweiten Platz bei Giro einen Höhepunkt seiner Karriere. Weil Vinzenco Nibali den Giro 2018 nicht bestreitet, ruhen alle Hoffnungen der Italiener auf dem Landsmann Aru. Gegenüber Cycling Pro Net sagte Aru aber bereits, dass er überhaupt keinen Druck verspüre. Bei der Tour of the Alps konnte Aru vorne mitfahren und landete auf Platz 6 im Gesamtklassement. Und er hat zumindest auf eine Bergetappe der Tour de France im letzten Jahr (La Planche de Belles Filles) schon bewiesen, dass er Froome schlagen kann.
Was spricht für Aru? Der zweite Atem durch die Tifosi. Als Top-Favorit aus Italien darf sich Aru der Unterstützung seiner Landsleute gewiss sein. Das könnte ihm Flügel verleihen. Er hat ansteigende Form, und die Berge sind sein Terrain – da spielt ihm die Streckenführung des Giro 2018 in die Karten. In Platz 4 der Giro-Bestreiter nach UCI Punkten spiegelt sich seine konstante Leistung.
Was spricht gegen Aru? Dass er wie fast alle Fahrer im Gesamtklassement großer Rundfahrten immer von Froome dominiert wurde. Auch bei der Tour of the Alpes fuhr er zwar stark, kam aber nicht aufs Podium. Mit Thibaut Pinot und Domenico Pozzovivo sind seine stärksten Gegner dort beim Giro ebenfalls am Start.
Rennrad-News Favoritentipp: +++
Tim Wellens – Lotto-Fix All
Der Teamkollege von André Greipel ist nach UCI Punkten nominell der drittstärkste Fahrer unter den Anwärtern auf das Gesamtklassement. Sein Team geht beim Giro unter geändertem Namen an den Start. Aus Lotto-Soudal wurde Lotto-Fix All. Wellens fühlt sich wohl bei seinem Team und hat gerade dort seinen Vertrag um zwei Jahre verlängert. Ein Sieg bei einer Etappe der Vuelta Andalucia, beim Brabantse Pijl und Platz 6 beim Amstel Gold Race beweisen starke Frühjahrsform.
Was spricht für Wellens? Sein Siegeswille. Wellens wird ein aggressiver Fahrstil nachgesagt. Das kann ihm im Duell mit einem scheinbar übermächtigen Rundfahrt-Sieger Vorteile verschaffen. Die Siegesliste des Frühjahrs ist beeindruckend. Er hat auf jeden Fall das Zeug aufs Podium zu fahren und wird spannend zu beobachten sein.
Was spricht gegen Wellens? Lotto-Fix All ist eher eine Sprinter- und Klassiker-Mannschaft. Das Team hat hervorragende Spezialisten wie Tiesj Benoot und ist bei Rundfahrten sonst stark auf Siege durch André Greipel ausgerichtet. Hochkarätige Bergfahrer fehlen im Aufgebot für den Giro. Das macht Wellens angreifbar. Zwar haben andere schon bewiesen, dass man auch mit einem schlechteren Team weit kommen kann. Aber da war Sky nicht dabei.
Rennrad-News Favoritentipp: +++
Thibaut Pinot – Groupama-FdJ
Als Etappengewinner und Vierter des Giro 2017 zählt der Franzose klar zum engeren Favoritenkreis. Mit dem Sieg bei der Tour of the Alps hat er außerdem bereits bewiesen, dass er in der Lage ist Froome etwas entgegen zu setzen. Ein Duell, das man mit Spannung erwarten kann.
Was spricht für Pinot? Sein Frühjahr startete dieses Jahr sehr vielversprechend. Pinot ist eine der großen Radsporthoffnungsträger Frankreichs und sein Sieg bei der Tour of the Alpes ist sein bestes Ergebnis bei einer mehrtägigen Rundfahrt bisher. Seine Stärke hat er in den Bergen, verliert aber auch beim Zeitfahren wahrscheinlich nicht viel Boden. In dieser Disziplin holte er bereits einen Nationalen Meistertitel.
Was spricht gegen Pinot? Nicht viel. Wenn er seine Form über den gesamten Giro halten kann, ist er einer der härtesten Konkurrenten für Froome. Seine Mannschaft hat zwar keine herausragenden Bergfahrer, ist aber in der Breite gut aufgestellt und konsequent auf das Gesamtklassement ausgerichtet.
Rennrad-News Favoritentipp: ++++
Miguel Angel Lopez – Astana Pro Team
Fabio Aru sieht in dem 24jährigen Kolumbianer einen seiner stärksten Widersacher. Auf der UCI Weltrangliste rangiert Lopez zwar nur auf Platz 42, aber er hat schon eine eindrucksvolle Vorstellung im Frühjahr abgeliefert. Platz 1 in der Jugendwertung der Abu Dhabi Tour und der Tour of Oman sowie Platz 3 bei der Tour of the Alps sind herausragende Belege seiner Fähigkeiten als Rundfahrer.
Was spricht für Lopez? Seine Mannschaft. Lopez kann fast wie Froome auf die Unterstützung einiger ausgezeichneter Kletterer rechnen. Tanel Kangert, Luis Leon Sanchez, Alexey Lutsenko und Jan Hirt haben alle selbst das Zeug, bei Bergankünften vorne mitzufahren. Wenn Lopez den Tour Auftakt in Israel und das Zeitfahren mit wenig Rückstand abschließt, wird er ebenfalls ein interessanter Froome-Gegner.
Was spricht gegen Lopez? Seine Jugend. Bei seiner ersten Giro Teilnahme wird sich der Kolumbianer eventuell noch etwas Eingewöhnungszeit gönnen dürfen. Auf den ersten Etappen in Israel könnte wegen des zu erwartenden Windes bereits sehr taktisch gefahren werden und rennentscheidende Situationen herbeigeführt werden. Spannend, wie das Astana Team seinen jungen Kapitän dort hindurch bringt. Offen ist, welche Folgen sein Sturz vor dem eigentlichen Zeitfahren
Rennrad-News Favoritentipp: ++++
Der Geheimtipp
Michael Woods von Education First Drapac überraschte bei Liège-Bastogne-Liège mit einem zweiten Platz die gesamte Konkurrenz. Der 32jährige Kanadier hat zwar noch keinen Podiumsplatz bei einer Rundfahrt in seinen Palmarès, schaffte aber immerhin Platz 7 bei der Vuelta im letzten Jahr. Die Platzierung bei LBL2018, die sich mit keinem herausragenden Ergebnis bisher andeutete, spricht für eine gute Form. Es wird interessant zu beobachten sein, wie sich Woods während des Giros entwickelt. Woods stapelt zwar selbst tief, er peile vor allem einen Etappengewinn an, aber er geht als Kapitän seiner Mannschaft an den Start und Teamchef Juan Manuel Garate traut ihm einiges zu.
Wer sind eure Favoriten für einen Platz auf dem Podium in Mailand?