Mit dem neuen Michelin Power Road wollen die Franzosen das Rezept für den besten Allround-Rennradreifen gefunden haben. Er kommt Tubeless Ready in Größen bis 32 mm oder klassisch mit Schlauch. Auch ein schneller TT-Reifen ergänzt die Power-Serie sowie die bekannten grünen Cyclocross-Pneus als Tubeless-Ready Variante. Wir konnten den neuen Power Road bereits einem ersten Test am Mont Ventoux unterziehen.
Michelin Power Road Infos
- Klassisch als Clincher (Tube Type) oder Tubeless Ready
- Als Competition-Allrounder ausgelegt ohne Schwächen in einzelnen Bereichen
- Neue Karkasse mit Air-Proof-Layer am Tubeless-Ready-Reifen
- Karkasse mit Aramid-Anteil im Tube Type-Reifen
- Neue XRace Gummimischung
- Gewicht Tube Type 235 g (25 mm)*
- Gewicht Tubeless Ready 230 g (25 mm)*
- Preis keine Angabe
- Verfügbar ab Januar 2020 / Tubeless März 2020
- Info https://bike.michelin.com
*alle Gewichte Herstellerangaben
Details neue Power Serie
Für 2020 Michelin hat seine Power Rennradreifen-Serie völlig neu aufgestellt. Am Mont Ventoux präsentierte das Unternehmen erstmals die wichtigste Neuerung der Reifenpalette: den Power Road, der an die Stelle des Power Pro4 und des bisherigen Power Competition tritt. Michelin hat viel Entwicklungsarbeit in den neuen Reifen gesteckt. Man will Rennradfahrern durch eine ausgeglichene Leistung in allen Bereichen mehr bieten als die Platzhirsche im Rennradreifen-Segment. Sprich: Der Rollwiderstand soll sehr gering sein, aber keine neuen Leichtlaufrekorde aufstellen – das soll der ebenfalls neue Power Time Trial übernehmen. Der bewusste Verzicht auf Leistungsrekorde lässt Entwicklungsspielraum, um in anderen Bereichen besser zu sein, speziell in Sachen Grip und insbesondere Nasshaftung, Pannenschutz sowie Gewicht, verspricht Michelin.
Zum Start der neuen Power-Reihe bietet Michelin den Power Road in 2 Varianten an: klassisch für den Einsatz mit Schlauch und als Tubeless Ready-Reifen (TLR) – wobei der Marktstart im Januar 2020 zunächst mit der klassischen Variante erfolgt; die TLR-Varianten gibt es dann im März. Was zuerst auffällt, ist das vergleichsweise geringe Gewicht vor allem der TLR-Variante. Sie wiegt mit 230 g in 25-622 laut Hersteller sogar etwas weniger als die Schlauch-Variante und läge damit 70 g unter dem ebenfalls gerade erst erneuerten Continental GP 5000 in 25 mm. Michelin nennt als Grund für den Gewichtsvorteil eine spezielle Zwischenlage, die den TLR-Reifen luftdicht machen soll. Aufgrund der zusätzlichen Lage nutzt Michelin am TLR-Modell zudem Gewebe mit geringerer Fadenzahl als am Schlauch-Modell. Ob der Reifen zudem auf gleichen Felgen schmaler baut als andere, konnten wir vor Ort nicht prüfen.
Gewichte neuer 2020 TLR-Reifen im Vergleich*
- Michelin Power Road TLR – 230 g (25-622)
- Continental GP5000 TL – 300 g (25-622)
- Schwalbe Pro One TLE 2020 – 245 g (25-622)
*Herstellerangaben
Zwar handelt es sich bei allen Werten um Herstellerangaben, aber die Richtung, in die Michelin zielt, wird deutlich. Für eigene Messungen warten wir noch auf Testreifen.
Für besseren Grip und sehr gute Rollwiderstandswerte soll eine neue XRace-Gummimischung sorgen. Ein hoher Silica-Anteil und weitere Optimierungen ermöglichen es laut Michelin, höhere Leistung zu erzielen, ohne die Mischung als Dual-Compound auszulegen (viele andere Reifen setzen auf zwei bis drei verschiedene Mischungen an der Flanke für Grip und auf der Lauffläche für geringen Rollwiderstand und/oder Langlebigkeit). Den Pannenschutz soll beim Tube-Type-Reifen eine Lage mit kreuzförmig angeordneten Aramid-Fäden bringen. Der Tubeless-Ready-Reifen hat diese nicht, sondern setzt auf Dichtmilch und die Karkasse mit Aramid-Anteil für den Pannenschutz.
Genaue Preise wollte Michelin ausdrücklich nicht nennen, da der Handel die Preise mache. Entwickler und Produktmanager Alain Delcourt geht davon aus, dass die neuen Reifen zu einem „sehr zugänglichen Preis“ zu haben sein werden – also auf keinen Fall teurer als der Wettbewerb, eher günstiger.
Daten Michelin Power Road
Reifentyp | Größe ETRTO | Gewicht | Farbe |
---|---|---|---|
Tube Type | 23-622 | 223 g | Schwarz |
25-622 | 235 g | Schwarz, Blau, Rot | |
28-622 | 255 g | Schwarz | |
Tubeless Ready | 25-622 | 220 g | Schwarz |
28-622 | 230 g | Schwarz | |
30-622 | 250 g | Schwarz |
Michelin Power Time Trial
Neben dem bereits vorgestellten Michelin Power Competition ist der Power TT als reiner Wettkampfreifen neu im Programm. Mit 190 g in 25 mm zählt er zu den leichtesten Reifen überhaupt und soll auch in punkto Rollwiderstand Maßstäbe setzen. Michelin bezeichnet ihn als „schnellsten Reifen im Markt“. Die Eckdaten:
- 3×180 tpi Karkasse
- 23 oder 25 mm Breite
- Gewicht 180 g (23-622), 190 g (25-622)
- Verfügbar ab 2020
Michelin Power Cyclcocross Jet & Mud Tubeless Ready
Auch die Gelände-Rennradsparte seiner Power Reifenfamilie stellt Michelin neu auf. 2017 feierte Wout van Aert bei der CX WM in Luxemburg mit einem selbst geklebten grünen Michelin Cyclocross Mud Profil eine Goldmedaille, während die ärgsten Konkurrenten eine Reifenpanne nach der anderen verzeichneten. Danach legte Michelin die grünen CX-Reifen zunächst als typischen CX-Schlauchreifen neu auf. So ist derzeit unter anderem Steve Chainel damit im Weltcup unterwegs. Jetzt kommen die beiden Klassiker „Jet“ und „Mud“ als Tubeless Ready Reifen hinzu. Auch hier hat Michelin nach eigenen Angaben besonderen Wert auf den Pannenschutz gelegt. Beide Modelle verfügen über eine durchgehende Pannenschutz-Lage von Reifenwulst zu Reifenwulst (Bead to bead). Die Eckdaten hier:
- Michelin Power Cyclocross Jet TLR in 33-622 (390 g)
- Michelin Power Cyclocross Mud TLR in 33-622 (390 g)
- Durchgängige Pannenschutz-Lage
- Karkasse mit 3×120 tpi
- Neuer Reifenwulst mit engem Kern für straffen Sitz auf der Felge
- Verfügbar ab sofort
- Preis circa 37 €
Laut Reifenentwickler Alain Delcourt lassen sich die Reifen auf den passenden Felgen mit Drücken im Bereich des Üblichen im Cyclocross-Sport fahren. Bis hinunter zu 1,3 bar habe man die neuen Jet und Mud Tubeless Ready schon ohne Probleme auf den CX-Strecken getestet. Die Tests erfolgten laut Delcourt mit Mavic-Laufrädern, auf denen auch unser Test des Michelin Power Road statt fand (siehe unten) sowie den neuen DT Swiss GRC Gravel-Laufrädern.
Michelin Power Road Tube Type – erster Eindruck
Für Testfahrten standen beide neuen Michelin Power Road-Reifen in der Größe 25-622 zwei Tage lang zur Verfügung. Beide Reifen wurden von mir auf dem gleichen Trek Emonda mit identischem Mavic Cosmic Pro Carbon UST-Laufradsatz (19 mm Maulweite) gefahren, aber nicht auf einer identischen Teststrecke. Den ersten Testeindruck gewannen wir mit den Tube Type-Reifen auf einer Fahrt auf den Mont Ventoux mit anschließender Abfahrt. Hier findet ihr die schnell gefahrene Abfahrt auf Strava. Der Untergrund wechselte bei den Testfahrten zwischen feinem, glatten Asphalt und richtig grobkörnigen Abschnitten mit Partikeln groß wie Fingernägel.
Über das Leichtlaufverhalten lässt sich bei der Anfahrt und beim Anstieg ohne direkten Vergleich bei wechselndem Wind eigentlich kaum eine Aussage machen. Vielleicht das: Der Michelin Power Road fühlte sich an, wie man es von anderen High-end Rennrad-Reifen kennt. Mit 6 bar befüllt (76 kg Fahrergewicht), war er eher auf Komfort getrimmt, rollte dafür aber gefühlt leicht.
Mehr Einblicke gewährte dagegen die Abfahrt mit bis zu 72 km/h. Stärke: Vorhersagbarkeit. Der Reifen stiftete von Anfang an Vertrauen. Schon nach den ersten zwei Kurven gab es Sicherheit, wie der Pneu einlenkt. Das erlaubte es, schrittweise die Kurvengeschwindigkeiten zu erhöhen. Die Art, wie sich der Reifen durch die Kurven zirkeln ließ, brachte ein gutes Gefühl am Lenkrad, das obwohl der Wind manchmal auch stärkere Korrekturen erforderte. Auch das Anbremsen lief sicher und ohne unvorhersehbare Ausbrecher des Hinterrades. Auf der trockenen Straße war der Grenzbereich aber längst nicht erreicht. Angesichts der grobkörnigen Asphaltdecke auf der Abfahrt kann man auch von einer sehr geschmeidigen und satten Straßenlage sprechen. Und bei Antritten nach Kurven fühlte ich mich sicher nicht durch den Reifen ausgebremst.
Michelin Power Road Tubeless Ready – erster Eindruck
Auch am Rennradreifen geht der Trend klar Richtung Tubeless. Die Vorteile des schlauchlosen Systems sind bekannt: Die Tubeless-Reifen können mit weniger Druck gefahren werden, ohne den Rollwiderstand gegenüber dem vergleichbare Modell mit Schlauch zu erhöhen. Das macht sie komfortabler und verleiht auch etwas extra Grip bei Nässe. Denn wenn Haftung gefragt ist, fährt man mit niedrigerem Druck besser. Mit Dichtmilch gefahren besitzen Tubeless-Pneus außerdem eine Art Selbstheilung gegen kleinere Durchstiche.
Michelin bietet für seine Tubeless-Reifen übrigens kein eigenes „Sealant“an, wie die Dichtmilch auf Englisch heißt. Die Mechaniker am Testort empfahlen Orange Sealant. Als Grund nannten sie, dass es vor allem besonders leicht wieder aus dem Reifen zu entfernen ist, wenn die Haltbarkeitszeit abgelaufen ist. Michelin plant auch nicht wie viele Reifenhersteller ein eigenes (beziehungsweise mit eigenem Logo versehenes) Dichtmittel. Man lege in dieser Hinsicht Wert auf ein umweltfreundliches Sortiment, wozu bei Dichtmitteln aus Michelin noch einige Punkte bei Dichtmitteln nicht geklärt seien.
Montage
Tubeless am Rennrad hat (bisher) auch Nachteile: So kann unter anderem die einfache Montage je nach Felge ein Problem sein. Michelin hat die Wulst des neuen Power Road – der Teil, der an der Felge anliegt – überarbeitet ebenso wie den Reifenkern, der für den Tubeless Ready-Reifen straffer ist. Wir konnten die Mechaniker bei der Montage der neuen Tubeless Ready-Reifen auf verschiedenen Felgen beobachten. Das Gesehene lässt sich mit „ging relativ leicht, aber nicht immer ohne Reifenheber“ zusammenfassen.
Kompatibilitäts-Probleme geht Michelin grundsätzlich in der europäischen Normierungskomission ETRTO an, was löblich ist. Dort arbeitet man mit anderen Herstellern (unter anderem Continental, Schwalbe, DT Swiss, Mavic, Campagnolo) an gemeinsamen Standards. Alain Delcourt erwartet, dass die ETRTO 2020 Empfehlungen zu einfach zu handhabenden Kombis geben wird.
Auf dem Kurs
Gegenüber dem Test am Vortag fuhr ich den Michelin Power Road TLR in 25 mm mit leicht abgesenktem Druck – hier findet ihr die Testfahrt auf Strava. Mit 5,5 bar vorne wie hinten ging es auf die Testrunde, die erneut alle Arten von Asphalt und Straßen in schlechtem Zustand enthielt. Da Rad und Hosentyp nicht gewechselt wurden, lässt sich der Fahreindruck zum Tube Type-Reifen vergleichen. Das Gefühl: Ein leichter Komfortgewinn war spürbar, aber er prägt nicht den Eindruck. Gefühlt liegen Tube Type und Tubeless-Ready-Reifen mit diesem Druck dicht beisammen. Das Rollverhalten empfand ich als sehr angenehm, vielleicht noch einen Tick „satter“ als beim herkömmlichen Clincher: Die Reifen waren leicht zu beschleunigen und lagen in allen Fahrsituationen gut auf der Straße, an den Grenzbereich wurden sie aber auf der Testrunde nicht annähernd gebracht. Der hervorstechendste Eindruck auch hier: die Berechenbarkeit des Verhaltens, kein nervöses Lenkverhalten, kein Stottern in Kurven, kein schwammiges Gefühl. Testweise senket ich den Druck gegen Ende der Testfahrt nochmals um 0,5 bar ab. Das erhöhte den Komfort auf ein gut spürbares Maß. Dagegen wirkte die Dynamik kaum beeinrächtigt. Testmuster für weitergehende Fahreindrücke als es die kurze Fahrt zuließ sind angekündigt.
Tubeless im Pro-Peloton
Im Peloton waren die Michelin Power Road Tubeless-Reifen bereits im Einsatz. Michelin ist Materialsponsor des UCI Pro-Teams Cofidis. Die französische Mannschaft strebt für 2020 den World-Team Status an und verpflichtete dafür unlängst Top-Sprinter Elia Viviani. Team-Manager Cedric Vasseur sagte im Interview mit Rennrad-News, man habe Tubeless-Reifen bei Mailand–San-Remo, auf Etappen der 4 Tage von Dunkerque und bei der Dauphiné Rundfahrt eingesetzt. Man verzeichnete dabei keine Defekte – generell hatte das Team laut eigener Aussage während einer ganzen Saison auf Michelin Power Competition-Schlauchreifen, dem Hauptreifen, nur zwei (!) Platten. Einen Vorteil von Tubeless registriert Vasseur vor allem in der Mögichkeit, mit geringerem Druck zu fahren, was insbesondere auf schlechten Straßen und bei Nässe wertvoll sei. „Die gesamte Innovation findet im Tubeless- und Disc-Bremsen-Bereich statt, es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die Umstellung ganz erfolgt. Aber jetzt stehen für uns alle Lichter auf Grün“, sagte Vasseur. Er glaubt, dass Neuzugang Viviani einer Umstellung auf Tubeless sehr offen gegenüber stehe, wie überhaupt die jüngeren Fahrer.
Fazit von Rennrad-News.de
Mit dem Power Road TLR hat jetzt auch Michelin einen high-end Tubeless-Ready-Reifen fürs Rennrad. Im ersten Fahrtest ragten vor allem die Berechenbarkeit und der gefühlt hervorragende Grip des Pneus heraus – über den Leichtlauf lässt sich nach den Testfahrten nicht verlässlich urteilen. Dass man Laufleistung und Pannenschutz stärker gewichten will als andere, klingt gut, zumal beide neuen Road-Reifen zumindest auf dem Papier die nötige Konstruktion mitbringen und das gesponserte Team sich hochzufrieden äußerte. Es bedarf aber noch der Bestätigung. Der erste Eindruck stimmt schon einmal. Wir sind gespannt auf weitere Tests. Ein Set der ebenfalls neuen CX Jet TLR-Reifen ist übrigens bereits im Einsatz – wir werden berichten.
- Ich fahre hauptsächlich
- Rennradtouren, CX-Rennen, Gravelrides
- Vorlieben bei der Geometrie
- Gemäßigt sportlich, eher lang
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