Die Idee
Die Idee stammt eigentlich aus dem letzten Lockdown: Die kombinierte Skitour per Rennrad von München aus ist in bester Erinnerung geblieben. So etwas müsste man doch auch im Sommer mal machen: Mit dem Rad zum Bergsteigen anfahren. Tobi und ich stecken die Köpfe zusammen und schnell ist das Ziel identifiziert: Die Birkkarspitze, mit 2749 m die höchste Erhebung des Karwendels.
Die Route
Auch bei der Route müssen wir gar nicht so lang überlegen: Die Birkkarspitze wird in aller Regel vom Karwendelhaus bestiegen. Das wiederum lässt sich auf der Karwendelrunde, einer Mountainbike-Rundtour von Mittenwald über das Rißtal und den Isar-Ursprung, gut in eine Runde integrieren. Unsere Idee also: Von München via Penzberg und den Kochelsee nach Mittenwald fahren, dann rauf zum Karwendelhaus und wandern gehen. Nach der Wanderung wieder aufs Rad, auf der anderen Seite abfahren und über Lenggries und Bad Tölz zurück nach München. In Zahlen ausgedrückt:
- Anfahrt: 124 km, 1890 Höhenmeter
- Wanderung: 7 km, 870 Höhenmeter
- Rückfahrt: 107 km, 500 Höhenmeter
Macht also unterm Strich etwa 240 km Strecke und nicht ganz 3400 Höhenmeter – lang, aber doch wahrscheinlich machbar. Schwierig kommt aber der Untergrund dazu: Während man für die langen Strecken sicher am liebsten Rennrad fahren würde, und die Wanderung natürlich zu Fuß zurückgelegt wird, warten zwischendrin etwa 35 km auch gröberer Schotter, der mit dem Rennrad sicher nicht wirklich zu befahren ist.
Die Bikes
Wir entscheiden uns, hier noch mal zwei unterschiedliche Konzepte (Gravel vs. Mountainbike) gegeneinander antreten zu lassen: Während Tobi eher das Gravelbike als Kompromiss zwischen Straße und leichtem Schotter sieht, erscheint es mir aus eigener Erfahrung wie eine schwache Lösung. Stattdessen will ich ein Mountainbike auf den besonderen Einsatzzweck hin optimieren.
Wo Tobi also mit einem Rose Backroad mit 1X11-Übersetzung und 40 mm Gravel-Reifen an den Start geht, schnappe ich mir das Merida Ninety-Six, das er gerade testet, und verpasse ihm schmalere 54 mm Reifen sowie einen Triathlonlenker, um das Aerodynamik-Problem in den Griff zu kriegen. Mein Mountainbike sollte auch bergauf genügend kleine Gänge bieten, dem Gravelbike verpasst Tobi kurzerhand noch ein zweites Kettenblatt ohne Umwerfer, um in der steilen Rampe zum Karwendelhaus nicht schieben zu müssen.
Die Tour
Im August ist es so weit: Das Wetter passt und wir brechen auf. Mit einem Tourstart um etwa 4:00 sollten wir noch rechtzeitig mit dem letzten Tageslicht wieder in München sein.
Resümee
Aus eigener Kraft in die Berge zu fahren, fühlt sich genial an. Unterwegs überholten uns die üblichen Autos mit Bikes auf der Anhängerkupplung, und jedes einzelne motivierte dazu, tatsächlich durchzuziehen. Dazu braucht es, neben einer guten Verfassung, natürlich auch das passende Wetter – und das passende Bike.
Andere Gravelbiker unterwegs bestätigten uns, dass die Abfahrt vom Karwendelhaus ins Rißtal mit 40 mm Reifen keinen Spaß macht. Wir spielten mit dem Reifendruck, fanden aber – einmal mehr – nur schwer einen Kompromiss aus Komfort und geringem Durchschlagrisiko. Traktion fehlt ohnehin. Wir haben es nicht darauf ankommen lassen, aber in der Abfahrt auf grobem Schotter hätte man mit dem Mountainbike etwa 15-25 Minuten rausfahren können. Bergauf schlugen sich die Bikes ähnlich, ein echter Zeitunterschied ist hier nicht zu erwarten. Zu schlecht ist die Traktion des ungefederten und schmal bereiften Gravelbikes an steilen Anstiegen mit nicht perfekt glattem Schotter. Bleibt die Frage nach den vielen Asphaltpassagen: Es erweckte stark den Eindruck, dass ich auf dem Mountainbike im Auflieger positioniert in Summe ähnlich effizient unterwegs war wie Tobi auf dem Gravelbike. Zumindest mit den am Hinterbau montierten Wanderstiefeln. Ein detaillierterer Artikel zum „Triathlon-MTB“, wie im Bikepacking beliebt ist, folgt.
Für Freunde von Zahlen hier die Geh- bzw. Fahrzeiten:
- Anfahrt: 6:35 h (exkl. Pausen), 19,2 km/h Durchschnitt
- Wanderung: 2:30 h (exkl. Pausen), 2,8 km/h Durchschnitt
- Rückfahrt: 4:20 h (exkl. Pausen), 24,7 km/h Durchschnitt
- Gesamtzeit: 16:30 h (inkl. Pausen)
Bei aller Freude, das an einem Tag durchgezogen zu haben: Als wir im Rißtal zwei Gravelbiker sprachen, die bei schönstem Wetter gerade die Füße in den Fluss streckten und an dem Tag nirgendwo mehr hinfahren wollten; da waren wir schon auch in Versuchung 🙂
Fazit
Mit einem Triathlon-Lenker auf dem Mountainbike erntet man jede Menge fragender Blicke. Fakt ist aber: Man kann damit eine große Rennradtour mit einer Mountainbiketour und einer Wanderung kombinieren – und an einem (langen) Tag den höchsten Gipfel des Karwendels von München aus eigener Kraft erreichen. Mit dem Gravelbike geht das auch – zwischendrin muss man aber Luft ablassen, wieder aufpumpen und den sicheren Sitz des eigenen Gebisses überprüfen…
Wichtiger Hinweis: Bei der Besteigung der Birkkarspitze herrscht passagenweise Absturzgefahr! Es finden sich seilversicherte Passagen, loser Schotter auf ausgesetzten Felsen und Steinschlaggefahr. Die Tour ist auch ohne Anreise von München deshalb nur mit Vorsicht und bei entsprechender alpiner Erfahrung zu unternehmen.
Welches Ziel würdet ihr gern einmal aus eigener Muskelkraft erreichen?
6 Kommentare
» Alle Kommentare im ForumKenne die Gegend als Münchner natürlich auch gut. Ich bin die Karwendelrunde auch schon mehrfach mit dem MTB gefahren, Birkkarspitze mit Aufstieg über die Ödkarspitzen auch schon als bike and hike Tour gemacht. Gerade die Abfahrt vom Karwendelhaus Richtung kleinem Ahornboden ist aber sicherlich ein Krampf mit dem Gravelbike, mit dem Hardtail hingegen spaßig! Als Kompromiss für die lange Strecke macht das aber schon Sinn. Hab am Karwendelhaus auch schon manchen Gravelbike getroffen. Wenn man aus München kommt okay, aber die meisten starten wohl eher in Mittenwald / Scharnitz und dann ist das MTB geeigneter (wer die Wahl hat). Hab auch einige mangels passender Übersetzung die letzten km schieben sehen, davor ist es ja mehrheitlich ziemlich flach.
Auf jeden Fall top Leistung! Finde aufgrund des Equipments und der kalten Temperaturen die Bike and Ski Tour allerdings noch deutlich beeindruckender! 🙂
Im Outdoor/Kletterbereich gibt es doch sog. Zustiegsschuhe (Approach) für den Weg z.B. zum Kletterfels. Sowas in Radform wäre doch hierfür sinnvoll. Also Approach-Bikes. Warum muss man auf Gravelbikes und MTBs zurückgreifen? Gerade im Gebierge steckt viel Bier und ist die richtige Ausrüstung sehr wichtig.
Ich verstehe nicht, warum die Radindustrie immer so konservativ ist und nie Innovationen bringt...
Es wäre dann natürlich wichtig, dass man das Approach-Bike in der Klettertour hinten am Gurt befestigen kann. Das wäre immens praktisch.
Ich habe auch schon mehrfach ein Eintages-Bike&Hike mit einer kleinen Gruppe durchgeführt, allerdings aufgrund der größeren Entfernung zu den Alpen (von Tübingen aus) nur bis zum Gipfel bzw. der nächstgelegenen Übernachtungsmöglichkeit.
Der erste Gipfel war 2012 die Zugspitze mit 237 km Radstrecke (2700 Hm) und 1800 Hm zu Fuß.
Der bisher höchste Gipfel war 2014 das Schwarzhorn (3146 m) überm Flüelapass (von etwas danach noch 820 Hm zu Fuß auf den Gipfel), mit 288 km (3700 Hm) war es auch die längste Radstrecke.
Ich selbst bin wegen dem bequemen Gepäcktransport immer mit dem Trekkingrad gefahren und hätte bei der letzten Tour 2019 auf den Hohen Freschen auf Schotter noch ein paar hundert Hm weiter hochfahren können, aber bei einer verhältnismäßig langen Anfahrt spielt das eine weniger wichtige Rolle.
Saugeile Bro-Tour! Da gehört schon was dazu, das an einem Tag durchzuziehen. Macht Lust auf mehr.
Finde es super interessant, dass ihr MTB gegen Gravel testet. Habe mich schon oft gefragt, wie der Vergleich über lange Distanz aussehen würde. Die Aero-Position am MTB ist natürlich ein interessanter "Hack". Ich bin selbst ganz MTB-unerfahren, habe aber seit einem Jahr das graveln für mich entdeckt. Was ich am graveln liebe, ist die Unabhängigkeit, d.h. wenn ich Bock habe, einfach auf Schotter zu fahren. Was mich etwas nervt, ist, dass mir nach einer steinigen Abfahrt in hohem Tempo die Handgelenke vom Gerüttel wehtun, obwohl ich 47er Reifen mit knapp 2 bar und doppelt gewickeltem Lenkerband fahre. Wird definitiv Zeit, mal MTB auf längerer Distanz auszuprobieren. Danke für die Inspiration, Jungs!
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