Ein Radmarathon und eine Bergwanderung an einem Tag. Das kommt heraus, wenn man von München auf eigene Kraft in den Karwendel fährt. Stefanus und Tobias haben sich auf ihr Mountainbike, respektive Gravel Bike, gesetzt, sind zur Karwendelrunde gefahren, auf die Birkkarspitze geklettert und wieder zurück pedaliert. Das Ergebnis nach über 200 km auf den Bikes und 7 km zu Fuß ist nicht nur Erschöpfung und das gute Gefühl, by fair means unterwegs gewesen zu sein. Obendrauf gibt es auch eine spannende Erkenntnis, ob das Gravel Bike, wirklich das Gelbe vom Ei für solche Touren ist.
Die Idee
Die Idee stammt eigentlich aus dem letzten Lockdown: Die kombinierte Skitour per Rennrad von München aus ist in bester Erinnerung geblieben. So etwas müsste man doch auch im Sommer mal machen: Mit dem Rad zum Bergsteigen anfahren. Tobi und ich stecken die Köpfe zusammen und schnell ist das Ziel identifiziert: Die Birkkarspitze, mit 2749 m die höchste Erhebung des Karwendels.
Die Route
Auch bei der Route müssen wir gar nicht so lang überlegen: Die Birkkarspitze wird in aller Regel vom Karwendelhaus bestiegen. Das wiederum lässt sich auf der Karwendelrunde, einer Mountainbike-Rundtour von Mittenwald über das Rißtal und den Isar-Ursprung, gut in eine Runde integrieren. Unsere Idee also: Von München via Penzberg und den Kochelsee nach Mittenwald fahren, dann rauf zum Karwendelhaus und wandern gehen. Nach der Wanderung wieder aufs Rad, auf der anderen Seite abfahren und über Lenggries und Bad Tölz zurück nach München. In Zahlen ausgedrückt:
- Anfahrt: 124 km, 1890 Höhenmeter
- Wanderung: 7 km, 870 Höhenmeter
- Rückfahrt: 107 km, 500 Höhenmeter
Macht also unterm Strich etwa 240 km Strecke und nicht ganz 3400 Höhenmeter – lang, aber doch wahrscheinlich machbar. Schwierig kommt aber der Untergrund dazu: Während man für die langen Strecken sicher am liebsten Rennrad fahren würde, und die Wanderung natürlich zu Fuß zurückgelegt wird, warten zwischendrin etwa 35 km auch gröberer Schotter, der mit dem Rennrad sicher nicht wirklich zu befahren ist.
Die Bikes
Wir entscheiden uns, hier noch mal zwei unterschiedliche Konzepte (Gravel vs. Mountainbike) gegeneinander antreten zu lassen: Während Tobi eher das Gravelbike als Kompromiss zwischen Straße und leichtem Schotter sieht, erscheint es mir aus eigener Erfahrung wie eine schwache Lösung. Stattdessen will ich ein Mountainbike auf den besonderen Einsatzzweck hin optimieren.
Wo Tobi also mit einem Rose Backroad mit 1X11-Übersetzung und 40 mm Gravel-Reifen an den Start geht, schnappe ich mir das Merida Ninety-Six, das er gerade testet, und verpasse ihm schmalere 54 mm Reifen sowie einen Triathlonlenker, um das Aerodynamik-Problem in den Griff zu kriegen. Mein Mountainbike sollte auch bergauf genügend kleine Gänge bieten, dem Gravelbike verpasst Tobi kurzerhand noch ein zweites Kettenblatt ohne Umwerfer, um in der steilen Rampe zum Karwendelhaus nicht schieben zu müssen.
Die Tour
Im August ist es so weit: Das Wetter passt und wir brechen auf. Mit einem Tourstart um etwa 4:00 sollten wir noch rechtzeitig mit dem letzten Tageslicht wieder in München sein.
Resümee
Aus eigener Kraft in die Berge zu fahren, fühlt sich genial an. Unterwegs überholten uns die üblichen Autos mit Bikes auf der Anhängerkupplung, und jedes einzelne motivierte dazu, tatsächlich durchzuziehen. Dazu braucht es, neben einer guten Verfassung, natürlich auch das passende Wetter – und das passende Bike.
Andere Gravelbiker unterwegs bestätigten uns, dass die Abfahrt vom Karwendelhaus ins Rißtal mit 40 mm Reifen keinen Spaß macht. Wir spielten mit dem Reifendruck, fanden aber – einmal mehr – nur schwer einen Kompromiss aus Komfort und geringem Durchschlagrisiko. Traktion fehlt ohnehin. Wir haben es nicht darauf ankommen lassen, aber in der Abfahrt auf grobem Schotter hätte man mit dem Mountainbike etwa 15-25 Minuten rausfahren können. Bergauf schlugen sich die Bikes ähnlich, ein echter Zeitunterschied ist hier nicht zu erwarten. Zu schlecht ist die Traktion des ungefederten und schmal bereiften Gravelbikes an steilen Anstiegen mit nicht perfekt glattem Schotter. Bleibt die Frage nach den vielen Asphaltpassagen: Es erweckte stark den Eindruck, dass ich auf dem Mountainbike im Auflieger positioniert in Summe ähnlich effizient unterwegs war wie Tobi auf dem Gravelbike. Zumindest mit den am Hinterbau montierten Wanderstiefeln. Ein detaillierterer Artikel zum „Triathlon-MTB“, wie im Bikepacking beliebt ist, folgt.
Für Freunde von Zahlen hier die Geh- bzw. Fahrzeiten:
- Anfahrt: 6:35 h (exkl. Pausen), 19,2 km/h Durchschnitt
- Wanderung: 2:30 h (exkl. Pausen), 2,8 km/h Durchschnitt
- Rückfahrt: 4:20 h (exkl. Pausen), 24,7 km/h Durchschnitt
- Gesamtzeit: 16:30 h (inkl. Pausen)
Bei aller Freude, das an einem Tag durchgezogen zu haben: Als wir im Rißtal zwei Gravelbiker sprachen, die bei schönstem Wetter gerade die Füße in den Fluss streckten und an dem Tag nirgendwo mehr hinfahren wollten; da waren wir schon auch in Versuchung 🙂
Fazit
Mit einem Triathlon-Lenker auf dem Mountainbike erntet man jede Menge fragender Blicke. Fakt ist aber: Man kann damit eine große Rennradtour mit einer Mountainbiketour und einer Wanderung kombinieren – und an einem (langen) Tag den höchsten Gipfel des Karwendels von München aus eigener Kraft erreichen. Mit dem Gravelbike geht das auch – zwischendrin muss man aber Luft ablassen, wieder aufpumpen und den sicheren Sitz des eigenen Gebisses überprüfen…
Wichtiger Hinweis: Bei der Besteigung der Birkkarspitze herrscht passagenweise Absturzgefahr! Es finden sich seilversicherte Passagen, loser Schotter auf ausgesetzten Felsen und Steinschlaggefahr. Die Tour ist auch ohne Anreise von München deshalb nur mit Vorsicht und bei entsprechender alpiner Erfahrung zu unternehmen.
Welches Ziel würdet ihr gern einmal aus eigener Muskelkraft erreichen?
6 Kommentare