Als absoluter Bikepacking Anfänger stürzt sich David ins Abenteuer Radreise. Sechs Etappen führten ihn auf 1000 km quer durch den Süden Deutschlands. Dabei stand er vor einigen offenen Fragen. Hier erfahrt ihr, was ihm passiert ist, was er eingepackt hat, auf was er sich vorbereitet hat und könnt vielleicht aus seinen Fehlern und Erfahrungen etwas für euer eigenes erstes oder nächstes Abenteuer mitnehmen. Viel Spaß beim Lesen!
Auch wenn der Schweden-Urlaub abgesagt ist, muss man nicht auf Abenteuer verzichten, dachte ich und träumte von meiner ersten Bikepacking-Tour, einem Traum, der schon bestimmt ein, zwei Jahre in meinem Kopf herumschwirrt. Gesagt, getan und schon steht sie vor der Tür, die wohl spontanste Reise, meines Lebens.
Eine Woche vorher noch das fehlende Equipment bestellt und zwei Tage vor Start entschieden, wo es eigentlich hingehen soll. Vom Wetterbericht geleitet ist nach einiger Überlegung klar: Es geht in den Süden, das Ziel, der Bodensee, angedacht ist eine knackige Reise nach Radolfzell. Aus dem Rheingau gestartet, will ich nach zwei Etappen den Bodensee bestaunen. Von dort aus soll nach einem Erkundungstag Richtung Osten eingeschlagen werden. Danach ist etwas Genussradeln durchs Allgäu angedacht. Zeit lasse ich mir so viel ich brauche, schließlich habe ich zwei freie Wochen und keine Rückkehr geplant, wenn ich fertig bin, bin ich fertig, so einfach ist das.
Aus dem Allgäu geht es dann irgendwie wieder Richtung Heimat, notfalls mit dem Zug, das Deutschlandticket ist schon im Gepäck und soviel vorweg, es sollte sich am Ende bezahlt machen.
Das Bikepacking-Setup
Was brauche ich eigentlich? Diese Frage stellt sich wohl jeder Abenteurer vor seiner Reise und sie ist so individuell wie die Reise selbst. Klar ist, es wird nur das Nötigste eingepackt. Aber dabei kommt es wohl auch auf die eigene Komfortzone an. Mein Plan, aufgrund der nicht vorhandenen Routenplanung: So unabhängig wie möglich sein. Dafür habe ich vorgesehen, in Schutzhütten zu übernachten und eine dünne Isomatte sowie Schlafsack eingepackt. Hier kommt mein „Luxus“, den ich mir eingepackt habe, um unabhängig zu sein, falls ich keine Schutzhütte in der Nähe finde: eine leichte Hängematte und ein Tarp. Somit kann ich sorgenfrei drauflos radeln und weiß, dass ich eigentlich bei jeder Gegebenheit am Abend einen Schlafplatz finde, selbst wenn es keine Schutzhütte gibt oder etwas anderes dazwischen kommen sollte, dazu später mehr …
Bike- und Taschen-Setup
Als Rad wird mich mein Rose Backroad FF beim Bikepacking begleiten, da stellt sich für mich keine Frage, denn die einzige Alternative wäre mein XC-Hardtail. Mit dem kosten die Kilometer doch einiges mehr an Kraft und besonders viel Gepäck kann man dort auch nicht wirklich verstauen. Da ich weder viel Geld für neue Bikepacking-Taschen ausgeben will, noch Lust auf eine wackelige „Arschrakete“ habe, fällt meine Wahl auf den guten alten Gepäckträger, den ich ohnehin zum Pendeln nutze. Auf dem Ortlieb Quick-Rack kann ich zwei kleine 12,5 l Taschen unterbringen und mein Gepäck ist fest montiert, es wackelt nicht und beeinflusst kein Lenkverhalten.
Zusätzlich will ich eine Rahmentasche nutzen, um Snacks, Werkzeug etc. schnell erreichen zu können, doch diese sollte leider nicht pünktlich ankommen. Also greife ich als Mountainbiker kurzerhand zu meinem Hippack, das sich auch als erstaunlich gute Lösung herausstellen wird, um die wichtigsten Sachen im Schnellzugriff zu haben.
Da meine Taschen voll gepackt sind und ich auch etwas Platz für Einkäufe benötige, oder um mal fix eine Jacke o. Ä. zu verstauen, habe ich einen Seesack mit Expandern auf dem Gepäckträger befestigt. Somit habe ich hoffentlich an alle Szenarien gedacht und keine Platzprobleme.
Wie habe ich gepackt?
Tasche 1
- Kleidung
Tasche 2
- Biwak-Equipment
Seesack
- leer (für Einkäufe)
Hippack
- Snacks
- Werkzeug
- Erste Hilfe
- Wertgegenstände
- Powerbank etc.
- Sonnencreme
Packliste
Hier findest du meine ausführliche Bikepacking-Packliste mit allem, was ich bei mir getragen habe, abgesehen vom Bike. Aufgrund des sehr regnerischen Sommers 2024 muss das ein oder andere Kleidungsstück mehr eingepackt werden, um vor Regen und Kälte geschützt zu sein. Dadurch kommt etwas mehr Gepäck zusammen, als ursprünglich gedacht, doch als Anfänger bin ich lieber vorsichtig und habe ein ruhiges Gewissen. Mit dem Gesamtgewicht von knapp 12 kg inklusive Taschen gebe ich mich zufrieden. Am Ende komme ich auf gute 20 kg, die mein abfahrbereites Bike auf die Waage bringt. Ob das schwer oder leicht ist? Ich weiß es nicht, doch ich sollte damit gut zurechtkommen.
Kleidung | Biwak-Equipment | Fahrrad-Equipment | Sonstiges |
---|---|---|---|
2 Bibs | Isomatte | Multitool | Seesack |
2 Trikots | Schlafsack | Mini-Luftpumpe | 2x Ortliebtasche 12,5 l |
dünne Weste | Campingkocher | Flicken (Tubeless + Schlauch) | Hippack |
dünne MTB Hose lang | Topf | Kettenschloss | erste Hilfe |
Windbreaker | Salz | Schlauch | Sonnencreme |
Regenjacke | Taschenmesser | (Reifenheber) | Duschgel |
2x Baselayer | Gabel | Helm | Energieriegel |
2x Unterwäsche | Feuerzeug (für Kocher) | Brille | Powerbank |
dünnes langes MTB Trikot | Hängematte | Schuhe | Netzteil |
Armlinge | Tarp | Kettenwachs | USB-C-Kabel |
Beinlinge | Tuch | Micro-USB-Kabel | |
Helmmütze | Licht | Lightning-Kabel | |
Jogginghose | AXS Ladestation | ||
Fleece | Microfaserhandtuch | ||
Wollsocken | Badehose | ||
Handschuhe | Garmin | ||
Brustgurt | |||
Airpods | |||
Fischerhut | |||
2x Trinkflasche | |||
Flipflops | |||
Taschentücher | |||
Krankenkassenkarte | |||
Perso | |||
EC-Karte |
Reisebericht 7 Tage Bikepacking
Bikepacking Etappe 1 Rheingau – Schwarzwald
Nach fünf Tagen Krankheit geht es am Montag noch mit leichten Magenbeschwerden los, aber die können mich nicht von meinem Abenteuer abhalten. Bei bester morgendlicher Stimmung starte ich im Sonnenaufgang meine Tour und nach wenigen Kilometern begrüßt mich der Rhein. Bisher ist die Strecke bekannt und es fühlt sich nicht anders an als sonst, aber das soll sich auf dem Weg noch ändern. Erstmal heißt es, das richtige Tempo finden. Wie startet man eine solche Bikepacking-Reise? Etwas Erfahrung habe ich schon, nachdem ich im letzten Jahr die Transalp gefahren bin. Ich starte mit lockerem Tempo im unteren Bereich der Zone zwei. Vom Rückenwind getrieben geht, das Tempo hoch auf knapp 30 km/h am Rhein, vielleicht nehme ich doch etwas Tempo raus, bis zum Schwarzwald ist es noch weit. In Wiesbaden fahre ich bereits den ersten Supermarkt an und fülle meinen Tank, auch ein paar Snacks sind in die Tasche gewandert, bloß nicht mit dem Energiehaushalt spielen. Erst recht nicht, nachdem ich in den letzten Tagen auch noch Gewicht verloren hatte.
Das Tagesziel ist es, den Schwarzwald zu erreichen, denn dort gibt es neben der schönen Landschaft eine große Auswahl an Schutzhütten. Wenn es nicht so sein soll, dann muss ich mich eben woanders umsehen. Die Satellitenkarte von Google Maps hilft bei der Suche. Etwas mulmig ist mir doch, nicht zu wissen, wo man heute Abend ankommt, doch das Gefühl der Freiheit könnte kaum größer sein.
Ich fahre strikt am Rheinradweg und folge den Ausschilderungen der großen Städte am Rhein, erst Mainz, dann Nierstein, dann Worms, Speyer, bis Karlsruhe. Auf der Karte orientiere ich mich nach der Luftlinie zum Bodensee. Doch bereits in Mainz merke ich, als Alleinreisender ist man nicht zwingend allein und stoße auf andere Radreisende, die mich bis Worms begleiten. Dafür nehme ich etwas Tempo raus, habe aber gute Begleitung und einen ersten Austausch.
Danach heißt es wieder etwas Tempo aufnehmen, denn es liegen noch über 120 km vor mir um den Schwarzwald zu erreichen und ich weiß, im Schwarzwald warten die Höhenmeter! Die Mittagshitze bringt bis zu 33 Grad und so langsam komme ich in einen Trott. Kurz vor Karlsruhe finde ich wieder etwas Tempo durch einen jungen Rennradfahrer, an den ich mich ranhänge. Ich frage nach seinem Ziel, und er bringt mich bis Karlsruhe. Ab dort folge ich den Schildern nach Ettlingen. In den Innenstädten muss ich jedoch Google Maps einschalten, denn hier verliert man schnell die Fährte. In Ettlingen heißt es den letzten Supermarkt aufsuchen und Nudeln für den Abend einkaufen. Dort gibt es gute Toiletten, auf dieses Angebot komme ich in den nächsten Tagen öfter zurück, denn der Besuch im Supermarkt steht ohnehin auf der Tagesordnung.
Nach einem kurzen Snack geht es direkt los mit den ersten Höhenmetern. Der geschotterte Radweg hat etwa 5 % Steigung und ich komme mit gutem Tempo voran. Immer mehr Wald umgibt mich und ich komme der Natur spürbar näher. Die Temperatur fällt, getrieben von der Zeit, es ist schon 19 Uhr, und den Höhenmetern kommt ein regelrechter Motivationsschub auf, der mich nochmal ordentlich Leistung abrufen lässt. 30 km liegen noch vor mir und die letzten sieben sollten die Krönung der heutigen Etappe sein. Mit bis zu 13 % Steigung schlängelte sich der Radweg über grobe Schotterwege knapp 600 hm hoch. Hier wünsche ich mir nichts sehnlicher, als den untersetzten Gang meines MTBs, denn der kleinste Gang, der mir zur Verfügung steht, ist 1:1 und das Zusatzgewicht macht mir den Aufstieg nicht gerade leichter.
Um viertel vor neun habe ich es endlich geschafft und stehe vor der Schutzhütte, die heute Nacht meine Unterkunft sein sollte. Direkt am Radweg gelegen, musste ich nichtmal einen Umweg fahren, und ich hätte mir nicht mehr wünschen können. Ich schlüpfe in die Jogginghose, koche mir einen großen Topf Pestonudeln und nutze das verbleibende Tageslicht, um mich auf die Nacht vorzubereiten. Eine Leiter hinter der Hütte führt unter das Dach, wo ich meine Isomatte ausbreite und neben meinem Fahrrad einschlafe.
Die Nacht hätte kaum angenehmer sein können und bot mir erholsamen Schlaf, in der Dämmerung waren noch ein paar Tiere zu hören, doch im Dunkeln war es seelenruhig. Der wehende Wind war das Einzige, das man hörte und es war finster. Solch eine Ruhe und Dunkelheit habe ich selten erlebt.
Bikepacking Etappe 2 Schwarzwald – Bodensee
Tag zwei möchte ich etwas gemütlicher gestalten, schließlich ist schon mehr als die halbe Distanz bis zum Bodensee überwunden. Das heißt um ca. 7 Uhr aufstehen, frühstücken, zusammenpacken, sodass ich am Ende um 9 Uhr losfahre. Schon nach den ersten Metern bekomme ich zu spüren, der heutige Tag wird heiß, sehr heiß! Gleichzeitig freue ich mich, dass ich die Höhenmeter gestern schon überwunden habe und es erstmal nur etwas auf und ab geht. Im besten Fall kann ich bis Dornstetten auf der Höhe bleiben. Ich folge zunächst den Schildern Richtung Freudenstadt und genieße die tolle Landschaft. Die Sonne steht noch tief, unter mir feinster Gravel und um mich herum viele junge Nadelbäume. Traumhaft!
Die Beine sind erstaunlich gut, ich merke die lange Reise von gestern beinahe nicht und freue mich auf den Tag. Einige Kilometer folge ich der Gravelstrecke, bis ich in Seewald erstmals meine Flaschen an einem Brunnen fülle. Dann folgen erste Probleme mit der Ausschilderung, nach viel Suchen finde ich den Radweg wieder und folge ihm blind nach Freudenstadt. Nach etwa 2 km schneller Abfahrt werde ich stutzig, wollte ich nicht eigentlich auf der Höhe bleiben? Ich checke die Karte und ja, ich muss umdrehen, doch geht die kürzeste Route durch den Wald wieder hoch und ich verliere weniger Zeit. Ca. 250 hm später bin ich wieder oben. Ich rolle weiter Richtung Dornstetten und dachte eigentlich, ab dort bin ich aus dem Schwarzwald raus. Doch erst vor Dornhan folgt der letzte richtige Anstieg, der mich aus dem Wald rausbringt aufs offene Feld.
60 km in den Beinen und noch kein Supermarkt gesehen, zum Glück habe ich von den Nudeln etwas übrig gelassen. Am Lindenbrunnen, einer unspektakulären Quelle, ohne Sitzgelegenheit mache ich meine Mittagspause, immerhin habe ich hier kaltes Wasser zum Trinken und Abkühlen. Das reicht, die Energie muss jetzt rein, Riegel allein reichen nicht mehr aus.
Auf den Feldern begrüßt mich die absurd heiße Mittagshitze, bis zu 38 °C misst mein Garmin. Normalerweise bin ich ungern bei Temperaturen über 28 °C auf dem Rad unterwegs, aber heute hilft es ja nix. Auf den Feldern geht es über lange Hügel auf und ab, und der Wind spielt natürlich gegen mich. Die folgenden 4 h werden zur Qual, der Wind weht mir wie ein heißer Föhn entgegen und Kühlung ist absolut Fehlanzeige. In jedem Dorfbrunnen wird das Trikot getränkt, doch leider kommen die Brunnen nicht mehr so frequentiert wie im Schwarzwald. Ein Supermarkt zwischendurch ist die Rettung und es gibt eine kleine Stärkung sowie ein Kaltgetränk zur Erfrischung.
Beim Bäcker im Supermarkt habe ich eine nette Begegnung mit einem älteren Herren. Mit meinem Gepäck falle ich auf, das merke ich so langsam, man kommt schnell mit Leuten ins Gespräch, bekommt Tipps für coole Strecken, oder hält einfach einen erfrischenden Plausch. Eine gute Abwechslung, wenn man den ganzen Tag allein unterwegs ist. Ich merke, ich bin aufgeweckter als sonst, denn diese Gespräche sind die Einzigen, die ich am Tag habe, zwischen dem ganzen Schweigen und Ruhen in mir selbst.
Gleichzeitig bin ich sehr im Reinen mit mir und glücklich, denn die Probleme aus dem Alltag sind auf solch einer Reise schnell vergessen. Man ist sehr mit sich selbst beschäftigt, sich zu motivieren, die Strecke zu suchen, mit Essen und Trinken zu haushalten, oder einen Defekt zu reparieren, es entstehen ganz schnell akute Problemchen, die man so aus dem Alltag nicht kennt und die schnelle Lösungen erfordern. Somit hat man viele kleine Erfolgserlebnisse am Tag, die das Selbstwertgefühl steigern, viele kleine Zwischenziele führen zum Tagesziel.
Ab Tuttlingen wird es langsam wieder angenehmer mit den Temperaturen und ich habe erneut Begleitung durch einen Rennradfahrer, der mich in Richtung Bodensee bringt. So langsam erscheinen die Alpen am Horizont und die Vorfreude steigt. Auf den letzten Kilometern fahre ich ländlich zwischen Hügelchen von Hof zu Hof, um dann in Radolfzell den Bodensee zu erblicken. Dort erwartet mich überraschend Besuch, mit dem ich meinen morgigen Erkundungstag erleben werde. Zu diesem Anlass werden die nächsten zwei Nächte im Hotel verbracht, wo die Radklamotten mal eine Handwäsche bekommen.
Bikepacking Etappe 3 Bodensee – Schwangau
Nach meinem regnerischen Sightseeingtag, sollte es ursprünglich entspannt durchs Allgäu gehen, doch leider hat sich die Wetterlage geändert. Im Süden sind heftige Gewitterwarnungen für Freitag und das Wochenende gemeldet, das heißt bestenfalls möchte ich da wieder weg sein. Um nicht in der gleichen Region wieder Richtung Norden einzuschlagen, entscheide ich mich nach vielem Überlegen und mit etwas Herzschmerz, den Zug nach Kaufbeuren zu nehmen. Nach über 3 h Fahrt kann ich endlich das nicht klimatisiertem Fahrradabteil im IRE verlassen, wo ich erneut mit zwei Bikepackern ins Gespräch gekommen bin.
Ab Kaufbeuren soll es nochmal in den Schwangau gehen. Ich möchte unbedingt in einen der tollen Seen springen. Und so sollte die heutige Etappe zum absoluten Genussradln werden. Ich genieße die tolle Landschaft mit den Bergen im Hintergrund und nach ein paar Kilometern schließe ich mich einer Rennradgruppe an, die mich bis kurz vor den Forggenssee begleitet. Dort verbringe ich meinen Nachmittag und gehe es mal etwas ruhiger an. Nach dem Baden lasse ich mir noch eine Pizza schmecken, bevor ich mich weiter in Richtung der Schlösser mache.
Am Abend sause ich noch kreuz und quer über die Felder, um die Landschaft nochmal zu genießen, bevor ich mich morgen weiter mache. Die Nacht verbringe ich spontan bei Freunden.
Bikepacking Etappe 4 Schwangau – Harburg (irgendwo im Nirgendwo)
Der Urlaub ist vorbei, die Rückreise steht an – nicht ganz, aber in etwa so fühlt es sich an, den Süden wieder zu verlassen, schließlich geht die Route jetzt einfach immer nach Norden in Richtung Heimat. Mein Plan ist es, über Augsburg und Würzburg nach Gelnhausen zu kommen, dort Freunde besuchen und ab nach Hause. Google Maps sagt es sind ca. 550 km und irgendwas in mir sagt, wäre es nicht cool, 1000 km in einer Woche! Somit ist das Ziel gesteckt und ich möchte bis Sonntag, also in drei Etappen zu Hause sein.
Drei Stunden fahre ich noch durch schöne Landschaften und viel Grün, doch schon nach weniger als einer Stunde kommt ein unverhoffter Regen auf. Zum Glück ist er nicht zu stark und ich kann weiterfahren. Ich merke, auf dem Rückweg geht es mehr durchs Hinterland und nicht mehr am Rhein entlang, oder durch die idyllischen Orte des Schwarzwaldes und Allgäus. Aber abgesehen vom Regen komme ich gut voran. Kurz vor Augsburg, als sich der Regen wieder gelegt hat, kommt dann mein Pech, ein Platten! Erfreulicherweise ist es innerorts passiert und ich finde eine freundliche Frau, die mir ihren Kompressor anbietet. Schneller hätte die Reparatur nicht laufen können, doch leider ist es mein letzter Flicken, nachdem ich in Ludwigshafen schon über Scherben gefahren bin. Die Reifenheber, habe ich zu Hause vergessen, Schlauch einziehen wird also kein Kinderspiel. Ich hoffe einfach, es passiert nix mehr!
Es läuft gut, die Kilometer sausen unter mir weg. Ich habe mir vorgenommen, heute etwa 230 km zu fahren, um morgen Gelnhausen zu erreichen. Doch bei Kilometer 180 überrascht mich ein Schauer, der Himmel öffnet alle Schleusen. Nach nicht einmal fünf Minuten bin ich komplett durchnässt und mir ist kalt. So schnell kann sich ein Plan ändern. Ich stelle mich unter einem Viadukt unter und überlege mir, wie es weitergehen soll.
Der Wetterbericht hat leider keine guten Nachrichten für mich. Es soll die ganze Nacht noch bis ca. 2 Uhr regnen. Das heißt für mich, an Ort und Stelle die Nacht verbringen, na toll. Somit kommt es zu Szenario drei, auf das ich vorbereitet bin: keine Schutzhütte und Regen! In der Nähe ist ein kleines Gebüsch, also baue ich dort meine Hängematte und Tarp auf, um trocken zu bleiben, Komfort sieht anders aus. Nachteil der Hängematte ist natürlich, dass es etwas zieht, dafür liege ich nicht auf dem nassen Boden.
Glücklicherweise habe ich noch genügend Essen dabei. Erstmals nutze ich meine Kopfhörer, um das Prasseln des Regens zu überdecken. Drei Stunden Schlaf sind mir vergönnt, bevor ich stündlich einmal aufwache und das Regenradar checke. Der Regen verschiebt sich immer weiter nach hinten. Zwischen halb vier und halb sechs ist eine Pause, danach geht es weiter. Ich zögere nicht lange und stehe um vier Uhr auf den Beinen, packe im Dunkeln alles zusammen und fahre um 5 los, um dem Regen endlich zu entkommen, denn etwa 20 km nördlich ist kein Regen mehr in Sicht.
Bikepacking Etappe 5 Harburg – Würzburg
Beim Packen durfte ich unerfreulicherweise feststellen, dass mein Seesack nicht dicht war, wie sich später herausstellt, wurde er an einer Stelle leicht vom Reifen aufgerieben. Es hat gereicht, dass jetzt der gesamte Inhalt nass ist. Das betrifft vor allem meine Sachen zum Überziehen wie Armlinge, Beinlinge und Weste. Also ziehe ich meinen Windbreaker drüber, um ein wenig vor der Kälte geschützt zu sein. Im Morgengrauen fahre ich los und genieße die freien Straßen. Es ist schon hell genug, um ohne Licht alles zu erkennen, aber sicher ist sicher, also mache ich das Licht an. Am Morgen fahre ich lange auf und neben Landstraßen, bis es mich wirklich in die Pampa bringt. Nur kleine Örtchen, ich begegne wenigen Menschen und die Radwege werden auf einmal zu Wiesenwege, das kostet Kraft. Über 100 km bin ich an bloß einem Ort vorbeigekommen, in dem es Supermärkte gibt. Die gesamte Strecke über habe ich immer wieder einen Güllegeruch in der Nase – das ist Bayern!
Die heutige Tour fühlt sich einsamer an, dafür komme ich richtig gut voran, die Kilometer fliegen gefühlt nur so an mir vorbei, denn schon um Viertel vor eins habe ich 140 km weg und stoße in Ochsenfurt an den Main. Da ich gestern etwas weniger geschafft habe, als gedacht, ist mein heutiges Ziel Würzburg, um Freunde zu besuchen, was sich aufgrund der Planänderung spontan anbietet.
In Ochsenfurt habe ich erstmals das Gefühl das Hinterland wieder verlassen zu haben, auf einmal ist was los. Ein Fest am Main und viele Radfahrer auf dem Radweg, auch hier finde ich wieder nette Begleitung, die heute sehr guttut nach den vielen Kilometern im abgeschiedenen Niemandsland. Mir wird empfohlen, die Residenz anzuschauen, also nehme ich mir noch etwas Zeit, um
durch die Stadt zu tingeln. Um 15 Uhr bin ich bereits am Ziel. Es tut gut, mal einen Nachmittag freizuhaben und ich freue mich auf ein trockenes Bett. Hier kann ich auch endlich den Ekelbeutel auspacken und alles zum Trocknen aufhängen.
Bikepacking Etappe 6 Würzburg – Rheingau
Ausgeschlafen geht es in den letzten Tag. Auf den ersten Kilometern werde ich begleitet. Heute habe ich erstmals meine Bib und mein Trikot gewechselt, denn bei den letzten zwei regnerischen Tagen wollte ich kein frisches Outfit einsauen. Trotzdem habe ich nach 4 km meine Bib wieder zurückgewechselt, da ich in der Ersatzhose erheblich mehr Reibung und damit Schmerzen beim Pedalieren bekam. Nach 40 km dreht meine Begleitung wieder um, bevor es hoch in den Spessart geht. Die Straße führt mich immer weiter in den Wald und wo es anfangs noch so gut bergauf rollt, musse ich auf den letzten Metern des 500 hm Anstieges doch ganz schön viel Druck auf die Pedale bringen. Oben im Spessart werde ich jedoch wieder mit wunderschöner Landschaft und tollen Gravelwegen belohnt. Die Fahrt durch den Spessart ist ein echter Genuss, auch wenn der Radweg wieder etwas schwieriger ausgeschildert ist und ich mir auf dem Garmin eigene Wege suche. Ich blicke auf viele blühende Felder und malerische Hügel.
In Gelnhausen treffe ich mich mit Bekannten auf ein Eis. Danach fahren wir bis kurz vor Hanau gemeinsam. Ab Gelnhausen heißt es Kursänderung und wir fahren wieder Richtung Westen. Ich bin erstaunt, dass der R3 Radweg, den ich vom Rhein kenne, bis hier hergeht. Das erleichtert mir die Wegsuche enorm und ich kann größtenteils der Ausschilderung folgen. Doch die schlechte Nachricht ist, dass der Wind aus Westen kommt. Das heißt für mich, die nächsten 120 km Gegenwind, ein schönes Finale! In Hanau mache ich meine Mittagspause, dafür musste ich gestern schon einkaufen, denn es ist Sonntag. In Offenbach wechsele ich die Mainseite und in Frankfurt kommt schon Vorfreude auf. Es tut gut, Bekanntes wiederzusehen, doch ist es extrem voll in der Stadt, 18 Uhr und am Main ist es voll, also Tempo raus und durchschlängeln. Heute ist das Finale der Europameisterschaft und viele Fans sind schon auf der Fanmeile unterwegs.
In Rüsselsheim bin ich ziemlich fertig und halte an einem Weinstand, die Traubensaftschorle tut gut und auch meine Trinkflaschen darf ich hier füllen. Dann kurz vor Wiesbaden überholt mich ein Rennradfahrer, der mir etwas Windschatten spendet, doch leider dreht er nach 4 km wieder um. Am Rhein kommen dann Glücksgefühle auf und die Stimmung ist gut, viele Leute sind nicht unterwegs, aber an den Weinständen sieht man doch den Einen oder die Andere. Höchst motiviert starte ich in den letzten Anstieg der Reise, der mich nach Hause bringt.
Fazit und Learnings
Obwohl ich nichts geplant habe, kam vieles ungeplant. Ich bekam Überraschungsbesuch am Bodensee, konnte zweimal spontan bei Freunden unterkommen und habe am Ende nur zwei Mal draußen geschlafen. Ich konnte bei der Reise super abschalten und viel mitnehmen. Etwa, dass ich als kleine Bergziege tatsächlich mal Anstiege meiden will – eigentlich bin ich kein Fan von Flachetappen. Spaß bei Seite, eine Radreise ist einfach anders, ähnlich wie beim Backpacking fällt man auf und bekommt neben der Aufmerksamkeit auch viel Hilfsbereitschaft, einfach, weil der Kontakt zu den Mitmenschen auf irgendeine Weise näher ist, als bei einer normalen Reise. Auf der anderen Seite kann man sich beim Bikepacking auch zurückziehen und einfach rein in die Natur. Die deutschen Mittelgebirge haben einiges zu bieten, das habe ich auch gesehen, denn vor allem Schwarzwald und Spessart haben mir sehr gefallen.
Natürlich bin ich auch stolz, das Ganze geschafft zu haben und das ohne besonderes Training. Selbst am Start der sechsten Etappe haben die Beine noch nicht gestreikt und es hätte sicher noch weitergehen können. Das Fahren nach Karte und Ausschilderungen hat weitestgehend gut funktioniert und mir Spaß gemacht. Ist man zu zweit unterwegs, könnte es sicherlich zum Frust werden, wenn man sich mal verfährt, da muss sich jeder selbst kennen. Bikepacking ist auch alleine ein schönes Abenteuer, das ich sicher im nächsten Jahr wieder in Angriff nehme.
Die wichtigsten Learnings
- Bikepacking geht überall Bikepacking ist super individuell und kann einfach von zu Hause gestartet werden. Auch wenn man nur ein Wochenende Zeit hat, kann das schon ein großes Erlebnis werden, das man lange in Erinnerung behält. Egal, ob mit Zelt, im Hotel oder nur Isomatte, alles kann, nichts muss!
- Die richtige Bib ist essenziell Dass es einen riesigen Unterschied zwischen Bibs gibt, habe ich am eigenen Leib erfahren, und war froh, dass ich eine gute Bib dabei hatte, sonst kann eine Etappe schnell zum Albtraum werden.
- Kabelbinder dabei haben Kabelbinder sind das Duct Tape des Radreisenden. Während Etappe 5 ist eine Befestigungskralle an der Tasche abgebrochen, hier diente mir ein Kabelbinder als Ersatz. Aber auch in anderen Situationen kann es praktisch sein, diese Helfer dabei zu haben.
- Man kann nicht planen Gerade das Thema Wetter hat es gezeigt, es kann alles dazwischenkommen. Am besten geht man einfach offen dem Ganzen entgegen und findet spontan Lösungen.
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