Bikepacking ist auf dem Weg zum Mainstream. Aber was ist, wenn auf einmal wirklich Viele ihr Rad mit Taschen behängen und sich auf in die freie Natur machen? Wo übernachten? Antworten auf solche und andere, viel praktischere Fragen wollte das erste Bikepacking Barcamp liefern – beim Bikepacking natürlich. Unser Gastautor war vor Ort.
Gunnar Fehlau, Bikepacker der ersten Stunde und Begründer von Selbstversorgerfahrten wie dem Candy B. Graveller rief das erste Bikepacking Barcamp ins Leben. So trafen sich vom 20. – 22. September etwa 50 Gleichgesinnte, darunter auch Industrie- und Medienvertreter, auf einem Campingplatz bei Glashütte an der Weser. Die Agenda: Lagerleben, Erfahrungsaustausch und Diskussionen über Themen rund um das minimalistische Reisen mit dem Rad, das seinen Reiz auch aus dem Übernachten in freier Natur speist. Auch wir waren vor Ort und liefern euch einen Einblick ins Bikepacking Barcamp-Leben.
Das Format: Was genau ist eigentlich ein Barcamp?
Ein Barcamp ist ein Veranstaltungsformat, das von seiner Flexibilität und dem Input der teilnehmenden Personen lebt. Die Themen der „Sessions“, die eine halbe Stunde dauerten, waren beim Bikepacking Barcamp nicht vorgegeben. Alle hatten die Möglichkeit, sich mit Vorschlägen einzubringen und die Themen, die sie bewegten, zur Wahl zu stellen. Insgesamt hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Möglichkeit, sich an neun verschiedenen Sessions zu beteiligen. Dabei galt das Prinzip der „freien Füße“: Denjenigen, die zwischen den Sessions wechseln wollten, wurden keine Steine in den Weg gelegt – sich umhören und Input aus verschiedenen Richtungen sammeln war ausdrücklich erwünscht!
Des Barcamps Kern: Die Sessions
Nachdem am Freitagnachmittag neben der gemeinsamen Anfahrt vom Göttinger Bahnhof der Zeltaufbau, allgemeines Kennenlernen und gemeinsames Abendessen mit Lagerfeuer-Romantik auf dem Programm stand, ging es für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am frühen Nachmittag des zweiten Tages ans Eingemachte. Die Zeit zwischen Frühstück und dem Start der Sessions wurde vielfältig genutzt: Die einen sammelten bei der zweiten (oder dritten) Tasse Kaffee in der Morgensonne ihre Gedanken, andere begaben sich auf eine geführte Ausfahrt zu einem nahe gelegenen Kloster und eine dritte Gruppe ging bei einer ornithologischen Führung am Ufer der Weser auf Vogelsuche. Auf einen leckeren Eintopf zu Mittag folgte schließlich die Präsentation der Session-Themen durch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Bei der anschließenden Abstimmung entschied sich das Plenum für neun Themen, die in drei Dreierblöcken bearbeitet wurden.
Im ersten Block ging es ab 14:30 Uhr um folgende Themen:
- „Haftungsfragen – rechtlicher Rahmen für (gemeinsame) Fahrten“
- „Weekender/Socialrides – organisierte Bikepacking-Social-Rides als Einsteiger-Format“
- „Gear-Porn: Zeigt her euer Zelt – Erfahrungsaustausch am Objekt“
Die drei Themen des zweiten Blocks ab 16:00 Uhr lauteten wie folgt:
- „Bikepacking-Woman: Women on Bikes, Vorurteile, Reisemotivation“
- „Bikepacking/Selfsupport – Begriffsklärung & Ausrüstungs-Erwartung: Race, Microadventure, Commuting, Selfsupport …“
- „Von der Subkultur zum Trend: Droht ein Overpacking im Sinne eines Overtourism?“
Ihren Abschluss fanden die Sessions ab 17:00 Uhr mit diesen Themen:
- „Gear-Porn: Zeigt her euer Rad – Erfahrungsaustausch am Objekt“
- „Candy B. Graveller 2020; Die Format-Frage: Erlebnis statt Ergebnis nach welchem Prinzip?“
- „Bikepacking & Naturschutz: Grundsätzliche Gedanken und ‚how to shit in the woods’“
Die Ergebnisse der Sessions, die von respektvoller und konstruktiver Diskussionskultur geprägt waren, waren vielfältig: Neben dem fast schon obligatorischen vergrößerten Netzwerk von Gleichgesinnten entstanden Ideen für Arbeitsgruppen über das Barcamp hinaus, wurden Tipps zur Optimierung der eigenen Ausrüstung ausgetauscht, Bikepacking als Ganzes diskutiert und aktuelle Entwicklungen kritisch hinterfragt. Dazu zählte beispielsweise die derzeit sehr populäre Verknüpfung von Bikepacking und Gravelbikes, die Frage, wann Bikepacking anfängt und was es von klassischen Radtouren unterscheidet, ob Spots öffentlich gemacht oder geheim gehalten werden sollten sowie die Suche nach möglichen Gründen dafür, warum es momentan noch so wenige Bikepackerinnen gibt.
Die Hack-Parade: Lebenshilfe für unterwegs
Abgerundet wurde der arbeitsreiche Samstag standesgemäß am Lagerfeuer. Bei der „Hack-Parade“ führten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer – ganz im Stil großer Samstagabend-Unterhaltung – ihre besten Tricks und Kniffe für unterwegs vor und stellten sich dem strengen Applaus-o-Meter des Publikums. Die „Hacks“ waren dabei ebenso vielfältig wie genial: Von Zahnpasta-Drops zum Lutschen für Grammfuchser über das Entfachen eines Feuers durch Reibung bis hin zur Tubeless-Reparatur, bei der die Luft aus einem intakten Reifen über einen Schlauch aus dem Aquaristikbedarf in einen aus dem Felgenhorn gesprungenen Mantel gepumpt wird, um diesen wieder korrekt zu montieren. Der letztgenannte Hack sorgte für fast schon ehrfürchtiges Raunen im Publikum und entsprechend lauten Applaus – keine Überraschung also, dass sich Uwe Steinborn mit diesem Hack an die Spitze der Hack-Parade setzen konnte!
„Und, wie war’s für dich?“ – Stimmen und Meinungen von Organisatoren, Sponsoren sowie Teilnehmerinnen und Teilnehmern
Am Sonntagmorgen ging es zwischen Zeltabbau und Heimreise dann noch auf Stimmenfang beim Barcamp-Organisator, den Sponsoren sowie Teilnehmerinnen und Teilnehmern:
„Ich freue mich sehr, dass es uns mit dem #bpbc19 gelungen ist, Spirit und Gemeinschaftserlebnis des Bikepackings mit einer produktiven Arbeitsatmosphäre zu verbinden. Die extrem positive Resonanz und die guten Ergebnisse schreien geradezu nach einer Neuauflage.“ – Initiator Gunnar Fehlau zeigt sich zufrieden mit der Premiere
„Insgesamt eine mehr als gelungene Veranstaltung: tolle Atmosphäre, super Gespräche, Lagerfeuer. Es gibt ganz viel Input aus ganz verschiedenen Richtungen, sei es um rechtliche Fragen und auch um die Weiterentwicklung des Bikepackings. Als Hersteller von Bikepacking-Taschen lernen wir, wie wir uns als Firma noch mehr einbringen können. Entweder du kannst agieren oder du kannst reagieren – und da bin ich lieber in der Agier-Position.“ – Peter Wöstmann, PR-Manager vom Titelsponsor Ortlieb
„Ich finde das Barcamp eine hochgradig interessante Veranstaltung. Schön, den Puls der Szene zu fühlen und auch einmal über den Tellerrand der eigenen Firma zu gucken. Interessant war zu sehen, dass viele verschiedene Strömungen vom Rennrad- bis zum Fatbike-Fahrer beim Bikepacking zusammenkommen, verbunden durch die Liebe zum Draußensein und zur Geselligkeit.“ – Peter Baumgärtel von Cosmic Sports/Salsa
„Die Teilnehmer sind sehr unterschiedlich, werden aber durch das gemeinsame Interesse geeint. Die Themen wurden sehr ernsthaft und fruchtbar besprochen. Ich hoffe, dass daraus noch mehr entstehen kann.“ – Bloggerin „Radelmädchen“ Jule Schumacher hebt die Verschiedenartigkeit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer hervor und wünscht sich das Barcamp als Basis für weiteres, vertieftes Arbeiten.
„Ich fand es toll, dass ich in einer Session meine Idee für mehr Naturschutz einbringen konnte. Bikepacker sollten immer kleine Tüten dabeihaben, um damit ihr Toilettenpapier wieder mitzunehmen und nicht in der Natur verrotten zu lassen. Wenn man in der Natur unterwegs ist, dann sollte man diese auch ordentlich behandeln. Das ist mein großes Anliegen.“ – Teilnehmerin Moni Hirmer.
„Ich habe hier sehr viel neuen Input und sehr viele neue Sichtweisen mitgenommen. Ich habe nur einen Kritikpunkt: Es gibt noch keine Informationen darüber, ob 2020 wieder ein Barcamp stattfinden wird.“ – Bikepacking-Veteran und Survival-Trainer Walter Lauter.
Gibt es Themen, die euch beim Stichwort „Bikepacking“ einfallen, die aber in den Sessions nicht auftauchten?
Anmerkung der Redaktion: Sowohl die Kosten für die Teilnahme am Barcamp als auch die Kosten für An- und Abreise wurden von uns selbst übernommen.
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