Das britische Start Up Body Rocket arbeitet an einem Kit, mit dem man den aerodynamischen Widerstand beim Radfahren auf der Straße in Echtzeit messen kann. Triathlon-Olympiasieger und -Weltmeister Kristian Blummenfelt benutzt einen Prototypen des neuartigen Systems an seinem Giant Propel Rennrad zur Vorbereitung auf das Olympiarennen in Paris 2024.
Video: So funktioniert das Body Rocket System
Aero-Messung ohne Windkanal
Dass die Aerodynamik einer der entscheidenden Faktoren in Rad- und Triathlon-Rennen ist, wird heutzutage nicht mehr diskutiert. Das Problem bei der ganzen Sache ist jedoch das aufwendige Messverfahren in einem Windkanal. Laut aktuellem Stand der Technik lassen sich nur dort reproduzierbare und genaue Messungen zum Windwiderstand von Fahrer und Rad durchführen. Es gibt zwar auch Messverfahren auf Radbahnen, die sind jedoch relativ stark fehlerbehaftet und in starkem Maß von den Fähigkeiten des jeweiligen Probanden abhängig. Der sollte nämlich nach Möglichkeit mehrmals hintereinander mit konstanter Leistung und bei hohem Tempo seine Runden drehen können.
Um die aufwendigen und sehr teuren Messungen im Windkanal zu ergänzen oder gar zu umgehen, gibt es mehrere Unternehmen, die daran arbeiten, die Messung des Aero-Widerstandes in „freier Wildbahn“ durchführen zu können. Und zwar so, dass sie leicht durchführbar und ohne große Fehlerquoten mit konstanten Ergebnissen wiederholbar ist. Gelegentlich gibt es Erfolgsmeldungen und -Versprechen, doch einen echten Durchbruch hat es bisher auf diesem Gebiet nicht gegeben.
Body Rocket arbeitet ebenfalls daran, die Windkanalmessung nach draußen zu verlegen und sie damit günstiger und leichter zugänglich zu machen. Die Briten gehen in manchen Bereichen eigene Wege, so gibt es zum Beispiel nicht nur Sensoren, die in Echtzeit die Windverhältnisse messen, sondern man möchte den Fahrer vom Bike entkoppeln. Dazu gibt es zusätzliche Sensoren am Vorbau, den Pedalen und am Lenker.
Body Rocket verspricht, dass sie am Ziel der Entwicklung angelangt, eine Messeinheit bieten wollen, die jederzeit den Luftwiderstand bei Trainingsfahrten und Rennen bestimmen kann. Damit soll es dann möglich sein, verschiedene Positionen und Aero-Gadgets wie Helme, Anzüge usw. einfach messen zu können. Und zwar in Echtzeit während dem Fahren.
So berichtet Kristian Blummenfelt im Video, dass er während einer Trainingsfahrt am Radcomputer ablesen kann, wie sich sein Windwiderstand vergrößert, weil es ihm durch die Ermüdung schwerer fällt, die Position auf dem Bike zu halten. Im Idealfall kann der Nutzer also kleine Änderungen an seiner Körperhaltung vornehmen und sofort die Auswirkung auf die Aerodynamik am Radcomputer ablesen. Zusätzlich bekommt man direkt eine Bestätigung in der besten Position zu sitzen oder auch nicht und muss sich diese nicht aus der Erinnerung an eine Testsession im Windkanal ableiten.
Olympiasieger Kristian Blummenfelt erhält ersten Prototypen
Offensichtlich ist die Entwicklung bereits so weit fortgeschritten, dass sich Triathlon-Olympiasieger und mehrfacher -Weltmeister Kristian Blummenfelt und sein – in der Szene weithin bekannte – Trainer Olav Aleksander Bu einen echten Mehrwert von der Technik versprechen. Die Norweger haben jedenfalls den ersten Prototypen von Body Rocket für Rennräder erhalten. Bisher hatten die Briten nur Messeinrichtungen auf Zeitfahr- und Triathlon-Bikes adaptiert.
Das Format des olympischen Triathlons, bei dem Rennräder zum Einsatz kommen, veranlasste Body Rocket, die Entwicklung seiner Rennradtechnologie zu beschleunigen. Die Briten haben das Giant Propel Aero-Rennrad von Blummenfelt mit einem neuen System ausgestattet, einschließlich eines maßgeschneiderten Prototyp-Vorbaus, der die gleiche Technologie wie ihr TT-/Triathlon-Aerobar-Sensor enthält. Dieser Prototyp ist auch mit der integrierten Sattelstütze des Propel kompatibel und behält die ursprünglichen Pedalsensoren und die am Flaschenhalter montierte Prototyp-Empfängerbox bei. Darüber hinaus stellte Body Rocket seinen neuesten Sensor zur Messung der Windgeschwindigkeit vor und markierte damit einen bedeutenden Schritt auf dem Weg zur kommerziellen Produkteinführung.
Diese neue Rennrad-Integration soll es Blummenfelt ermöglichen, vor den Olympischen Spielen von hunderten Stunden Aerodynamik-Training zu profitieren, ohne dass sein regulärer Trainingsplan darunter leidet. So soll der Norweger verschiedene Position auf dem Bike testen können, ohne einen Windkanal zu besuchen, während die Konkurrenz wahrscheinlich nur wenige Stunden im Windkanal zur Verfügung hat, um an einer aerodynamischen Körperhaltung auf dem Rad zu arbeiten. Zusätzlich muss dafür das reguläre Training unterbrochen werden.
Was sagt ihr zur mobilen Aero-Messung ohne Windkanal?