Der Bohemian Border Bash 2019 „is in the books“, wie man sagen würde, wenn man an dem international besetzten Gravelride teilnimmt. Das Zusammentreffen mit Radverrückten aus ganz Europa und Wege von feinstem Kies bis groben Trails kennzeichnen das Event an der Grenze von böhmischer und sächsischer Schweiz. Robert Krügel, dessen Bericht von der Torino-Nice-Rally Vielen Freude gemacht hat, ist mitgefahren. Hier erzählt er, wie es dort war.
Bericht vom Border Bash
Könnt Ihr euch noch daran erinnern, wie es war, als man mit seiner Schulklasse zur Landheimfahrt in ein Bungalowdorf aufbrach? All die wohlige, leicht aufgeregte Vorfreude, auf das, was die nächsten Tage alles passieren wird, in welchem Zimmer man mit wem übernachten darf und wie lange man abends noch wach bleiben kann. All dies und die Lust auf viele erlebnisreiche Kilometer mit gleichgesinnten Radverrückten lag in der Luft, als ich meine Siebensachen packte und mich auf dem Weg zum Bohemian Border Bash begab.
Das Camp lag perfekt gelegen im Grenzgebiet zwischen sächsischer- und böhmischer Schweiz als Teil des Elbsandsteingebirges. Gelegen nördlich von Decin, geteilt durch die Elbe, umgeben von hohen Felsen wie dem Děčínský Sněžník (722m) und durchzogen von märchenhaft grünen Tälern wie dem Paulinengrund, erwartete die Teilnehmer ein Radfahrfest für Aug- und Sinne.
Bereits am Donnerstag kamen einige FahrerInnen aus unterschiedlichsten Regionen und Ländern im Camp an. Ondřej (der Organisator und Kopf hinter Chimpanzee Nutrition) begrüßte jeden persönlich mit frisch gezapften Pivo (Bier) einer lokalen Brauerei. Man bekam ein kleines “Ass Saver”-Namensschild, welches gleichzeitig als “Startnummer” an der Sattelstütze befestigt wurde (sehr gute Idee) und den Schlüssel zu der eigenen kleinen Holzhütte, in der man weitere kleine Überraschungen der Sponsoren vorfand. Sponsoren des Events waren: PEdAL ED, 3T, WTB, Komoot, Wahoo, Ass Savers & Chimpanzee Nutrition.
Der Rest des Abends wurde reichlich genutzt, um sich bei Bier und Lagerfeuer, einander bekannt zu machen, alte Freunde wieder zu sehen und neue Freundschaften zu knüpfen. Generell stand das Bohemian Border Bash Event ganz im Zeichen eines “Social Rides”, bei dem man ganz einfach und schnell viele interessante Menschen aus dem Fahrradkosmos kennen lernen konnte. Es waren ca. 100 TeilnehmerInnen an den Tagen vor Ort und dies ergab ein angenehmes familiäres Gefühl.
Der Freitag begrüßte uns mit schönem Spätsommerwetter und während sich die ersten Fahrer auf die große 300 km lange Runde aufmachten, entschied sich der Rest für ein ausgedehntes Frühstück. Man konnte im Vorfeld wählen, ob man die große “Big Bash” Runde über 300 km & 5000 hm, oder lieber eine kleine 75 km Runde am Freitag und 150 km / 2600 hm Tour am Samstag fährt.
Ausgestattet mit ausreichend Chimpanzee-Riegeln starteten wir unsere Erkundungstour kreuz und quer durch den Nationalpark sächsisch-böhmische Schweiz. Immer wieder wechselte der Track von Asphalt über leichte Schotterstraßen, nur um kurz darauf, in einen wilden Wurzeltrail mitten in den grünen Wald zu steuern. Kleine Tragepassagen und verdammt steile Rampen brachten alle sofort ins Schwitzen, und ein Mancher bereute es, nicht das kleinere Kettenblatt aufgezogen zu haben.
Selbst für mich, der ich öfter in dieser Gegend mit MTB-, Gravel- und Rennrad unterwegs bin, hielt die Strecke noch ein paar Überraschungen parat. Es war offensichtlich, wie viel Freude es den anderen FahrerInnen bereitete durch die verwunschenen Wälder, vorbei an atemberaubenden Sandsteinformationen zu fahren. Eine herrlich ausgelassene Stimmung machte sich breit und es war eine echte Wohltat in der Gruppe mitzurollen. Gespräche wechselten nahtlos vom Deutschen ins Englische, hinein mischten sich einzelne spanische Wörter bis hin zu neuen tschechischen Vokabeln – Miniurlaub für’s Gehirn.
In einer kleinen grünen Klamm überraschte uns Ondřej dann am Checkpoint mit selbst gemachtem Humus und allerlei leckeren Energieriegeln. Frisch gestärkt sausten wir im Kirnitzschtal empor, bevor uns die letzten kleinen 18 % Schotterrampen Richtung Camp führten. Glücklich und erschöpft lauschten wir dann bei Pivo und Pasta noch dem abenteuerlichen Silk Road Mountain Race Vortrag von Bengt Stiller. Eine tolle Möglichkeit einmal direkten Einblick in die Welt des “Off-Road Long Distance Racing” zu bekommen.
Samstagmorgen füllte sich der kleine Startplatz vor den Bungalows mit noch mehr bunten FahrerInnen und man konnte eine leicht aufgeregte Spannung in der Luft spüren. Und schon setzte sich das Feld in Bewegung, hinab auf schnellen Waldstraßen und hinauf in die ersten steilen Felsanstiege. Vom All-Road Rennrad, über dickbereiftes Gravelrad bis hin zu Singlespeed-Stahlrad waren alle Spielarten an Rädern vertreten.
Immer stetig wellig führte uns ein großer Bogen durch offene Feldlandschaft, durch klein verschlafene Fachwerkhausdörfer, hinauf zu verblockten “Monster”-Gravelabfahrten. Hier erwies sich meine Wahl der breiten 650b Reifen als Gold wert. Der Track leitete uns abermals durch feuchte Täler vorbei an alten Mühlenhäusern hinab zur Elbe. Dort überquerten wir mit einer kleinen Fähre den Fluss und schraubten uns auf der anderen Seite hinauf zum ersten Verpflegungspunkt auf dem hohen Schneeberg. Das Tempo bis hier zur Hälfte der Tour war recht flott, so dass Kuchen, Riegel, Iso und Süßigkeiten mit einer herrlichen Aussicht von diesem Tafelberg gerade richtig kamen.
Im warmen Sonnenschein inmitten vieler schöner Räder wäre man gerne noch länger geblieben, doch wir hatten noch ein gutes Stück Weg vor uns. Von nun an ging es rasant bergab, den Unterlenker fest im Griff, Belgischer Kreisel in der Gruppe, knirschende Gravelreifen am Anschlag – eine wahre Freude!
Im großen Bogen näherten wir uns erneut der Elbe um dort abermals mit reichlich leckerer Verpflegung von Ondřej und seinem Team überrascht zu werden. Eine weitere Elbquerung und schwere Beine vom Vortag führten dazu, dass sich die Gruppen teilten, die Einen fuhren bergan auf tschechischen Cyklotrasy (Radwege), um noch mehr Wald, Wurzeln und Wiesenwege zu erkunden, wir anderen rollten entlang der Elbe und vorbei an lustigen Wochenmärkten in Hrensko, einer Pivo-Pause zurück ins Camp. Dort ging gerade die Sonne unter, beleuchtete herrlich die erschöpften und glücklichen Gesichter der ankommenden FahrerInnen, während Jeder seinen wohlverdienten Bohemian Border Bash Patch bekam. Spanferkel am Spieß, selbstgemachter Aufstrich, Pivo und Vieles mehr ließen die Kräfte wieder wachsen.
Plötzlich wurde es dunkel, und zwei Feuerartisten betraten den Platz. Die fesselnde Feuershow bereitete den Auftakt für ein großes Lagerfeuer und eine lange Nacht. Der letzte Morgen, etwas traurige Verabschiedung von Allen und die Vorfreude auf eine Wiederholung im nächsten Jahr hinterließen das gute Gefühl, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort mit tollen Menschen gewesen zu sein. Rad fahren verbindet und ermöglicht ganz einfach die schönen Ecken dieser Welt zu entdecken. Danke dafür!
Bikes of Border Bash
Infos
Der Bohemian Border Bash ist Teil der europaweiten Jeroboam Gravelride Serie mit weiteren Events in Italien, der Schweiz und Spanien. Der prominente Hinweis „It’s not a race!“ auf der Webseite mach klar, dass es nicht um schnelles Ankommen geht, sondern um das Genießen des Weges – auch wenn der mit 300 km sehr fordernd sein kann. Neben der ultimativen 300 km Herausforderung gibt es auch zwei Strecken mit je 150 und 75 km an zwei Tagen. Mehr Infos: https://www.bohemianborderbash.com/
Ihr habt auch ein tolles oder besonders übles Erlebnis bei einem Rennrad-Event gehabt? Hier könnt ihr eure Erfahrung mit vielen anderen Rennradfahrern teilen. Schreibt uns eine Mail an redaktion [at] rennrad-news.de mit dem Event, über das ihr gerne berichten wollt.
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