Fotostory aus dem Fahrerlager beim Cyclocross Weltcup in Val di Sole: Wie fährt man auf 33 mm schmalen Rennrad-Reifen auf Schnee und Eis? Beim einzigen CX-Weltcup-Rennen in den Alpen lässt es sich studieren. Und auch, wie sich die Rennfahrer*innen auf ein Rennen bei Temperaturen zwischen 9° und -2° vorbereiten, unterscheidet sich vom Rest der Saison. Hier kommt unser Bericht aus der Boxengasse mit ein paar Blicken aufs Rennen.
Cyclocross Weltcup Val di Sole – der Kurs
Cyclocross im Schnee gibt es auch in diesem traditionellen „Wintersport“ nicht oft. Tabor in Tschechien hat den Ruf, gerne einmal mit Schnee und Eis aufzuwarten. Aber die Station in Val di Sole in den Alpen bietet sozusagen Schneegarantie und enttäuschte auch dieses Jahr nicht.
Der Kurs in dem italienischen Wintersportort hatte fast alles zu bieten, was zu einem echten Schnee-Cross dazugehört: von eingefahrenen und festgefrorenen Spurrillen und spiegelglatten Flächen aus angetautem und wieder festgefrorenem Schnee bis zu weichem angetautem Schnee im Rennen der Frauen. Wenn man sich in der Übertragung angesehen hat, wie die Cyclocross-Bikes unter den Fahrern tanzten und das Hinterrad von einer Schneerinne in die andere schlitterte, hat man eine Ahnung, dass hier besondere Fahrtechnik gefragt ist. Vorsicht und Umsicht an vielen Stellen und Vollgas an den wenigen, weniger technischen Stellen war angesagt, um stetig und heil um den Rundkurs zu kommen.
Rennen der Frauen
Die Eröffnungsrunde im Rennen der Frauen war von einigen Stürzen in den ersten Kurven geprägt – oft waren wegrutschende Vorderräder die Ursache. Aus den Knäueln konnte sich Ceylin de Carmen Alvarado (Niederlande) einen kleinen Vorsprung herausarbeiten, die von ihrer bekannt guten Fahrtechnik profitierte. Auch Puck Pieterse (Niederlande) und Slivia Persico (Italien) ließen bereits in der ersten Runde durchblicken, dass sie zu den Schneespezialistinnen gehören. Es waren diese drei Fahrerinnen, die in der Folge das Rennen unter sich ausfochten. Am Ende setzte sich Puck Pieterse durch, weil sie auf dem Kurs am konstantesten fuhr, während die starke Silvia Persico zu viele Stürze hatte, um noch um Platz eins mitzufahren und am Ende nur Platz vier hinter der Niederländerin Manon Bakker sichern konnte. Zweite wurde Ceylin del Carmen Alvarado, die im Duell mit Bakker die stärkeren Nerven bewies.
Rennen der Männer
Im Rennen der Männer, das bei wieder einsetzendem Frost stattfand, fanden sich ebenfalls die späteren Gewinner gleich zu Beginn an der Spitze ein. Einen furiosen Auftritt hatte der Schweizer Meister Kevin Kuhn, der sich vom Start weg an die Spitze setzte und mit dem Schnee sehr gut zurechtkam. Die Belgier fanden etwas später ins Rennen, zogen dann aber mit Konstanz und sicherer Fahrweise durch. Michael Vanthourenhout lieferte eine glanzvolle Vorstellung und sicherte sich den ersten Platz. Auch der zweite Platz für Niels Vandeputte war das Ergebnis souveräner Fahrtechnik und konstanter Fahrweise. Dagegen musste Kevin Kuhn ein paar Risiken eingehen, um den starken Weltcupführenden Laurens Sweeck bis ins Ziel noch zu distanzieren. Am Ende freute sich ein völlig erschöpfter Kevin Kuhn im Ziel über Platz drei, den er auch seinen Fahrkünsten auf Schnee verdankte. Eli Iserbyt schied wegen eines schweren Sturzes aus, was den bisher Zweitplatzierten im Weltcup aus dem Rennen werfen dürfte.
Val di Sole – im Fahrerlager
Der Blick ins Fahrerlager auf die Arbeitsgeräte der Profis versprach beim einzigen Weltcup-Rennen in den Alpen besondere Spannung. Übrigens macht der CX-Weltcup auch deshalb in Val di Sole Station, weil sich die Sportart Cyclocross um Anerkennung als olympische Winterdisziplin bemüht. Und die Bedingung dafür ist, dass sie auf Schnee stattfindet. Hier der Eindruck von Fotograf Philipp Abels, der vor Ort war:
Nachdem es am Samstag, anders als noch beim Training am Freitag sehr trocken und windstill mit Temperaturen knapp unter dem Gefrierpunkt war, war der Schnee am Renntag sehr trocken, so dass nahezu nichts an den Rädern klebte und Schaltungen/Ritzel etc. problemlos funktionierten, zum anderen war es von den Temperaturen tendenziell angenehmer als zum Beispiel beim Weltcup in Antwerpen, wo es zwar 3-4 Grad wärmer, aber dafür sehr windig und feucht war.
Ich habe mit mehreren Teams/Mechanikern gesprochen; David Gagnon (Partner & Mechaniker von Maghalie Rochette, 5. Platz) erzählte, dass die Bedingungen am Samstag sehr stressfrei seien, da der Schnee extrem trocken war, am Freitag gab es noch ein paar Probleme mit verklebten Schaltröllchen, am Samstag lief alles sehr problemlos. Geschmiert wurde Maghalies Specialized Crux mit normalem Standard Muc-Off. Er erwarte Radwechsel eher wegen sturzbedingter Defekte als wegen Verschmutzungen.
Auch der Mechaniker von Manon Bakker bestätigte all das. Einzige Besonderheit bei ihr wie bei allen anderen war der komplette Verzicht auf die sonst üblichen Hochdruckreiniger. Wegen der Kälte würde das Wasser zu schnell gefrieren. Alle Räder wurden ausschließlich per Hand und mit Druckluft gereinigt – wobei sich der Aufwand hier generell sehr in Grenzen hielt. Auch hier wurde normales Öl verwendet. Alle Mechaniker waren sich einig, dass aus Mechaniker-Sicht das Rennen in Val di Sole erheblich einfacher zu bewältigen sei als zum Beispiel Dublin/IRL oder Boom/NLD zu Monatsbeginn. Zwar verwendeten vereinzelte Fahrer Tubelessreifen, aber nicht aufgrund der Kälte. Für den Kleber waren nach Aussagen aller Mechaniker, mit denen ich gesprochen habe, die Temperaturen absolut kein Problem und der gefahrene Druck wurde recht niedrig gewählt.
Zum Aufwärmen nutzten die Fahrer*innen entweder Zelte, die anders als bei vielen anderen Rennen zum Großteil komplett verschlossen waren, während andere sich ganz normal im Freien warm fuhren, teilweise auch nur mit Stirnband oder ganz ohne Kopfbedeckung. Die Challenge war dann, vom Warmfahren bis zum Start die Temperatur zu halten; Daunenjacken, Buffs und dicke Lederhandschuhe waren dazu das Mittel der Wahl. Ansonsten wurden die üblichen Generatoren diesmal an der ein oder anderen Stelle durch Gas-Heizstrahler ergänzt.
Unter den Zuschauern war die Stimmung absolut euphorisch, wie man es von Tifosi während des Giro gewohnt ist. Sie unterschied sich auch ein wenig von belgischen Rennen, der Volksfest-Partyanteil der Besucher war geringer, die Begeisterung für den Sport und die Athleten dafür umso größer. In Italien wurde niemand ausgebuht, dafür selbst Fahrer ganz am Ende des Rennens immer noch frenetisch angefeuert. Absoluter Superstar war Mathieu Van der Poel – die Belagerung seines Wohnmobils durch Fans war schon 2 Stunden vor seinem Auftauchen in den Pits so groß, dass die Straße davor gesondert gesperrt werden musste.
Was sagt ihr zu den extremen Bedingungen beim CX-Weltcup?
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