Ring frei für Runde 3 des Vergleichstests „Cyclocrosser vs. Gravelbike“. Im finalen Abschnitt liegt der Fokus auf einem direkten Vergleich der beiden Kategorien: Merida Mission CX 7000 oder Merida Silex 7000 – welches der beiden Bikes hat sich in den vergangenen Monaten besser geschlagen? In welchem Einsatzgebiet die jeweilige Bike-Kategorie in der Praxis Vorteile oder Nachteile hat, lest ihr hier.
Cyclocrosser vs. Gravelbike – die Theorie
Während das Cyclocross-Rad – oder historisch betrachtet: Rennräder mit Geländebereifung – schon seit mehreren Jahrzehnten das Sportgerät für viele Radsportler im Winter ist, steht die Bikegattung Gravel für einen der aktuell stärksten und jüngsten Trends auf dem Fahrradmarkt. Der Grundgedanke ist bei beiden Kategorien identisch: Die Fähigkeiten eines Straßenrades mit einer gewissen Belastbarkeit im Gelände zu kombinieren.
Doch wer nun glaubt, beide Kategorien unterscheiden sich nur unwesentlich, liegt – zumindest in vielen Fällen – daneben. Das Gravelbike entwickelte sich gewissermaßen aus dem Cyclocross-Sport heraus. Gerade in Amerika entstand zunehmend der Bedarf nach Rädern, die auch auf Kies- und Schotterstraßen bestehen können. Breitere Reifen, tiefere Tretlager und eine komfortablere Sitzposition für längere Distanzen waren dementsprechend die Ideen hinter den ersten Gravel-Rädern, die sich auf den Markt wagten. Welche Eigenschaften Gravelbikes und Cyclocross-Räder noch unterscheiden, könnt ihr hier im Detail nachlesen.
Inzwischen ist ein Großteil der führenden Fahrradhersteller sowohl im Gravel-, als auch im Cyclocross-Bereich vertreten. Aber nicht jeder: Der eine oder andere betitelt sein Gelände-Rennrad mit Cyclocross, will aber beide Einsatzbereiche abdecken. Andere bauen Gravelbikes, die auch für CX-Rennen taugen sollen. In Stein gemeißelt ist hier nichts, aber der Trend geht dahin, für jeden Bereich ein eigenes Modell anzubieten. Dem entspricht, dass sich eine zunehmende Schar an Radbegeisterten für die Wettkämpfe oder kompetitive Touren in beiden Formaten interessiert: Beim Cyclocross klassischerweise Rundstreckenrennen mit vielen Kurven und Antritten und beim Gravelbike eher Langstreckenrennen, auch Gran Fondos, Gravelride oder gar Gravelrace genannt. Dementsprechend unterscheidet sich auch das Anforderungsprofil der beiden Kategorien im Vergleich – nichtsdestotrotz haben beide Varianten für Fahrer mit unterschiedlichsten Fitnesszuständen und Ansprüchen ihre Berechtigung. Gerade zur dunklen Jahreszeit können beide Gattungen auf unterschiedliche Art und Weise auf sich aufmerksam machen. Doch wo hat welches Bike besondere Stärken? Das war die Frage unseres Vergleichstests zwischen dem Cyclocrosser Merida Mission CX 7000 und dem Gravelbike Merida Silex 7000.
Cyclocrosser vs. Gravelbike – In der Praxis
Für einen möglichst fairen Vergleich haben wir bei unserem Test auf zwei sehr ähnlich ausgestattete Räder gesetzt – das Merida Mission CX 7000 und das Silex 7000. Beide Testräder werden von Shimanos Top-Seller Ultegra angetrieben. Die Japaner sind klarer Marktführer bei Straßenrädern und konkurrieren im Cyclocross- und Gravelbereich stark mit SRAM, die dort verstärkt auf ihr Know-how aus dem MTB-Bereich setzen. So ist die Frage über ein oder zwei Kettenblätter in beiden Kategorien eine echte Glaubensfrage. Beide Varianten haben sowohl Vor- als auch Nachteile. Während ein Kettenblatt an der Front den Wartungsaufwand senkt und zudem unkomplizierter in der Benutzung ist, bietet die Variante mit zwei Kettenblättern eine größere Bandbreite und somit mehr Flexibilität im Einsatzbereich. In unserem Fall entschieden sich die Produkt-Manager von Merida jeweils für zwei Kettenblätter.
Auch sonst unterscheiden sich die Komponenten eines Gravelbikes kaum von einem Cyclocross-Bike. Bei Merida kommt beim Gravelbike Silex ein etwas breiterer Lenker zum Einsatz, dessen untere Enden aufgrund verbesserter Ergonomie leicht nach außen geneigt sind, das englische Fachwort: „Flare“. Außerdem haben die früher für Cyclocross typischen Cantilever-Bremsen inzwischen ausgedient. In beiden Kategorien haben sich Scheibenbremsen eindeutig durchgesetzt. Bei den Disc-Bremsen hat sich der Flat-Mount-Standard für die Bremsaufnahme etabliert. Im Gegensatz zum herkömmlichen Post-Mount-Standard, der den Bremskolben mittels eines Adapters aufnimmt, wird die Bremse beim Flat-Mount-Standard direkt am Rahmen montiert – auch bei den beiden Rädern von Merida.
Der einzige große Unterschied in Bezug auf die Wahl der Komponenten sind die Reifen: Während klassische Cyclocross-Reifen aufgrund Regularien des Radsportweltverbands UCI auf 33 Millimeter Breite beschränkt sind, geht der Trend bei Gravelbikes immer mehr in Richtung breiter Mountainbike-Reifen. Beim Merida-Gravelbike können dementsprechend Reifen bis zu einer Breite von 44 Millimetern montiert werden – mit 650b-Felgen aus dem MTB-Bereich sogar klassische 2,2″ breite Mountainbike-Reifen.
Was die Geometrie der beiden Testräder angeht, erkennt man zwei sich klar unterscheidende Konzepte: Das Cyclocross-Rad Mission CX ist eindeutig für Wettkämpfe ausgelegt und dementsprechend mit einer sportlichen Geometrie versehen. Das Gravelbike Silex ist hingegen das genaue Gegenteil – es gibt nur wenige Rennräder auf dem Markt, die eine komfortable Sitzposition so stark in den Mittelpunkt des Konzepts stellen.
Straße & Schotter
Die beiden stark unterschiedlichen Geometrien sind auch der wesentliche Aspekt, der beim Fahren der beiden Räder im direkten Vergleich auffällt. Während das Silex sich wirklich entspannt fahren lässt, benötigt man beim Mission CX ein gewisses Maß an Stabilität im Oberkörper, um auf langen Ausfahrten nicht zu ermüden. Nichtsdestotrotz schlagen sich beide Räder in moderatem Off-road Terrain prächtig. Das Mission CX überzeugt durch ein sportliches Fahrverhalten, welches sehr stark einem wettkampforientierten Rennrad entspricht. Gerade auch beim Pendeln beziehungsweise beim bewusst schnellen Vorankommen von A nach B auf Asphalt und Schotter ist dies von Vorteil. Diesbezüglich hat Merida dank einer pfiffigen Lösung zur Montage von Schutzblechen Vorbereitungen getroffen, um auch für schlechte Witterungsbedingungen gerüstet zu sein. Auch ein Wechsel auf Straßenbereifung im Sommer scheint dem Mission CX gut zu stehen. So kann ein gewisses Maß an Rennrad-Feeling auch mit dem Cyclocross-Rad erreicht werden.
Das Gravelbike Silex hingegen fährt sich im Vergleich sehr ruhig und unauffällig – dank des extrem hohen Cockpits hat man stets die volle Kontrolle über das Rad. Auch hier wurden alle Vorkehrungen zur Montage für Schutzbleche getroffen, und man findet Gravelbike-typische Gewinde und Schrauben zur Montage von Gepäcktaschen am Rad. Insbesondere für Fahrer, die den Umgang mit klassischen Rennrädern nicht so sehr gewohnt sind, scheint das Merida Silex ein gelungenes Bike zu sein. Ein hohes Maß an Laufruhe und die ständige Kontrolle über das Geschehen sind für Anfänger auf der Straße von Vorteil. Einziges Manko beim Silex, mit dem man jederzeit klarkommen muss – die Beschleunigung des Rades ist träge. In eine richtige Geschwindigkeitsekstase kommt man eher selten.
Im Gelände
Beim Cyclocrosser ist der Einsatzzweck im Gelände klare Vorgabe: Ausgestattet für Rennstrecken rund um den Planeten ist das Merida Mission CX geschaffen für winklige, schnelle Kurse in klassischem Cyclocross-Terrain. Wiese, Schlamm oder Sand können dem Mission CX wenig Angst einflößen – unser Praxiseinsatz beim Deutschlandcup-Rennen in Albstadt hat dies bestätigt. Gerade im Bezug auf Agilität und Beschleunigungsfähigkeit sind Cyclocrosser Gravelbikes weit voraus – so auch das Mission CX dem Silex. Das Mission CX muss sich auch diesbezüglich keineswegs vor den marktführenden Rädern verstecken.
Je weinger das Einsatzgebiet vom Wettkampfgedanken geprägt ist, je schwerer fällt die Wahl zwischen den beiden Rädern. Das Merida Mission CX-Cyclocross-Bike hat bei hohen Geschwindigkeiten und gröberen Schlägen etwas Mühe, die Spur zu halten. Diese Problematik ist beim Gravelbike Silex bei weitem nicht so stark ausgeprägt. Das hohe Cockpit und der längere Radstand sorgen für ein spürbares Plus an Laufruhe und Kontrolle im Gelände. Wäre da nicht die Einschränkung, dass die montierten Reifen beim Silex aufgrund zu geringer Profilierung beim Einsatz im Gelände die Kontrolle erschweren, könnte man mit dem Gravelbike ohne Bedenken alle möglichen Singletrails unter die Stollen nehmen. Gerade für MTB-affine Fahrer mit dem Wunsch nach Abwechslung im Winter oder Straßenfahrer, die erste Versuche im Gelände wagen wollen, könnte das Nachrüsten von profilierteren Reifen dem Merida Silex 7000 den nötigen Feinschliff geben, um ein ideales Sportgerät zu werden.
Eine Einschränkung beim Einsatz im Gelände haben aber beide Bikes: Sowohl das Merida Silex 7000, als auch das Mission CX 7000 sind mit einer zu hohen Übersetzung ausgestattet. Im Gelände wird man an steilen Passagen zu früh zum Absteigen gezwungen, da die Gänge ausgehen. Auf der Straße erreicht man zwar mit den montierten Kurbe hohe Geschwindigkeiten – das geschieht allerdings äußerst selten und gleicht den Nachteil im Gelände nicht aus. Eine etwas kleinere Übersetzung oder sogar Untersetzung ergäbe aus unserer Sicht mehr Sinn.
Cyclocrosser vs. Gravelbike – Welches Rad ist für wen geeignet?
Das große Ziel des Vergleichstests der beiden Bike-Kategorien bestand für uns darin, herauszufinden, welcher Fahrertyp zu welchem Rad besser passt. Die Daseinsberechtigung beider Gattungen scheint inzwischen außer Frage – doch in vielerlei Hinsicht ergibt die eine oder die andere Kategorie für gewisse Fahrertypen mehr oder eher weniger Sinn.
- Cyclocross – Merida Mission CX Der Cyclocrosser ist und bleibt ein Wettkampfgerät! Darüber sollte man sich im Klaren sein, denn dementsprechend fällt auch das Fahrverhalten des Rades aus. Große Trailausfahrten waren mit dem Merida Mission CX nur schwer zu bewerkstelligen, im Wettkampfgeschehen hingegen schlug sich das Rad prächtig. Zudem bieten die vormontierten Gewinde und Schrauben für Schutzbleche die Möglichkeit, das Rad allwettertauglich auszurüsten – also ideal für Fahrer, die es gewohnt sind, sportlich unterwegs zu sein oder die öfter bei schlechtem Wetter von A nach B kommen müssen.
- Gravelbike – Merida Silex Ein Gravelbike wie das Silex ist gedacht für Fahrertypen, die eher wenig Wert auf Sekunden und Minuten auf der Stoppuhr legen. Komfort steht beim Merida Silex 7000 an allererster Stelle, Beschleunigung an letzter – auch auf langen Strecken ist das Gravelbike so ein problemloser Begleiter. Zudem bietet das Silex alle Features, die gerade für Anfänger auf der Straße vorteilhaft sind. Wer zudem aus dem Mountainbikebereich kommt, beziehungsweise ab und zu den Ausflug ins Gelände wagen möchte, kann mit dem Silex doppelt Spaß haben. Denn die Konzeption des Bikes – mit Ausnahme der Reifen – lässt ein hohes Maß an Geländetauglichkeit zu und bietet somit eine große Vielseitigkeit.
Cyclocrosser vs. Gravelbike – Fazit
Cyclocrosser vs. Gravelbike – welches Bike ist das Bessere? So pauschal lässt sich diese Frage nicht beantworten. Die beiden Merida-Modelle Mission CX 7000 und Silex 7000 sind beide sehr gut gelungene Beispiele für ihre jeweilige Kategorie. Sportliche Fahrer werden wohl eher mit dem Cyclocrosser glücklich, Komfortliebhaber eher mit dem Gravelbike. Ob sich dieses Ergebnis auf die Gravelbikes und Cyclocrossräder anderer Hersteller übertragen lässt, bleibt hier offen. Ein Ergebnis der Tests ist auf jeden Fall: Ein genauer Blick auf die Geometrie, die möglichen Anbauten und die Reifenfreiheit bringt viel Aufschluss über den passenden Einsatzbereich. In unserem Fall stimmten die Etiketten. Wer aber zum Beispiel ein Gravelbike für ein kompetitives Langstreckenrennen mit Zeitnahme sucht, wird vielleicht einen Mix aus den beiden Meridas bevorzugen. Was der Test allemal gezeigt hat: Beide Kategorien können unglaublich viel Spaß machen.
Für welche der beiden Kategorien würdet ihr euch entscheiden?
Hier findest du alle Artikel unseres Cyclocrosser vs. Gravelbike-Vergleichstests: