Indoor-Cycling-Weltrekord – Interview 962 km in 24 Stunden

Der Ultracycling-Fahrer Daniel Steinhauser hat einen neuen Weltrekord im Indoor-Cycling aufgestellt. Er fuhr 962 km in 24 Stunden. Wir haben mit dem neuen Weltrekordhalter gesprochen.
Titelbild

Neuer Indoor Cycling Weltrekord

Der neue Indoor-Cycling Welktrekord von Daniel Steinhauser war eine knappe Sache: 10 km mehr als die bisherige Rekordleistung von 952 km fuhr der Radsportler aus Bad Waldsee in 24 Stunden. Das entspricht einem Schnitt von über 40 km/h über die Dauer der Rekordfahrt. Die 24-Stunden-Fahrt auf dem Smarttrainer fand in einem Fitness-Studio in Bad Waldsee statt. Radsportler auf Spinning Bikes und Fans begleiteten die Aktion, die einem guten Zweck diente. Steinhauser sammelte Spenden für das Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentrum Sehen in Baindt.

Gegenüber dem SWR, der von dem Event berichtete, sagte Steinhauser: „Ich hätte mir auch einen Weltrekord aussuchen können, den ich ganz sicher schaffe, aber das wollte ich nicht.“ Als Ultracyclist hat Steinhauser Erfahrung mit Strapazen auf dem Rennrad. Er nahm schon mit Podiumsplatzierung am Race Across the Alps teil oder beendete das North Cape 4000 erfolgreich, bei dem es über 4.400 km von Turin ans Nordkap geht.

Nach dem Event sagte Steinhauser auf Instagram, er wolle jetzt erst einmal „Schlafen, Schlafen, Schlafen“. Wir haben ihn heute noch einmal zur Rekordfahrt befragt.

Interview Daniel Steinhauser

Rennrad-News: Hallo Daniel erst einmal, herzlichen Glückwunsch zu deinem Rekord. Wie fühlst du dich?
Daniel: Gut. Ich war auf dem Weg zu Radfahren, als ihr anrieft, und ich freu mich sogar drauf. Das hätte ich nicht gedacht. Aber wahrscheinlich liegt es daran, dass alles indoor war und das einfach eine ganz andere Sache ist, draußen.

Wie muss man sich das vorstellen, wenn man einen Guiness-Rekord in einer virtuellen Welt aufstellen will?
Tatsächlich ist das gar nicht so romantisch. Es gibt sehr genaue Vorschriften, wie das abzulaufen hat, damit es als Rekord anerkannt werden kann. Dabei gibt es zwei Varianten: Entweder man liest die vielseitige Dokumentation und regelt alles selbst und reicht am Ende für 700 € einen Antrag ein. Man darf dann aber keine Rückfragen stellen. Oder man bestellt für 10.000 € die Teilnahme eines Offiziellen, der dann direkt den Rekord bestätigen kann und auch alle Fragen in der Vorbereitung beantwortet.

Kannst du ein paar Beispiele für die Vorschriften nennen?
Zunächst geht es um den Smarttrainer. Er muss offiziell registriert sein, frisch kalibriert sein und darf danach nicht mehr benutzt werden. Zeugen müssen die offizielle Kalibrierung bestätigen. Das hat zum Glück Elite für mich geregelt.

Dann müssen immer 2 Zeugen anwesend sein und für jede Stunde ein Logbuch ausfüllen, ob es besondere Geschehnisse gab. Spätestens nach 4 Stunden müssen die Zeugen wechseln.

Außerdem muss es eine durchlaufende Videodatei des Rekordversuches geben, das ist gar nicht so einfach, zwei Kameras sind vorgeschrieben, eine als Backup. Das klingt banaler, als es ist. Wir hatten 4 Kameras, davon hatten 2 Stück zwischendrin einen Aussetzer für eine Stunde.

Das ist noch immer nur ein Ausschnitt.

Für Radsportler kommt natürlich direkt die Frage nach der Watt-Leistung auf – was musstest du leisten?
Ich hatte über die 24 Stunden eine Durchschnittsleistung von 198 Watt, wohlgemerkt nicht Normalized Power.

Reicht das auf Zwift für den Schnitt von knapp über 40 km/h, den du fahren musstest?
Alleine im Wind natürlich nicht. Man darf Windschattenfahren, wie bei einer ganz normalen Fahrt auf Zwift. Ich hatte als Grundlage erst einmal Constance als Robo-Pacer. Sie fährt 305 Watt oder 4,2 Watt pro Kilo. Dazu haben sich dann mehr oder weniger große Gruppen gesellt, in denen ich mich bewegt habe.

Ich hatte das Event ja auch auf Zwift bekannt gemacht und dadurch kamen zur europäischen Tageszeit auch große Gruppen zustande, 40 bis 50 Leute. Wenn ich mich da geschickt verhielt, konnte ich auch 180 Watt bis 200 Watt fahren. Das ging so 10 Stunden.

Dagegen waren es nachts manchmal nur drei Leute und ich musste 250 Watt fahren.

Bergauf drückt Constance ja auch durch und ich durfte auf keinen Fall aus ihrem Windschatten fallen, da waren es dann 280 Watt bis 290 Watt. Es war schon anstrengend, das durchzuhalten.

Ich habe mich natürlich im Vorfeld viel mit dem Algorithmus beschäftigt, um so effizient wie möglich zu fahren.

Wie hast du dich ansonsten vorbereitet?
Ich habe einen Trainer, Björn Kafka, man kennt ihn vielleicht als Performance-Manager bei Team Visma – Lease A Bike oder Trainer von MTB-Elite Fahrern. Er schreibt die Trainingspläne für alle meine Rennen.

Sehr viel Vorbereitung floss aber in die Organisation des Events an sich. Mein Ziel war es ja, Spenden zu sammeln, um ein Therapiebecken des Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum Sehen in Baindt zu erhalten. Allein 130 Menschen haben geholfen, das Event auf die Beine zu stellen, 70 beteiligten sich auf der Bühne und 2.000 Besucher kamen.

Ist das Becken aus den Spenden finanziert?
Nein, noch nicht, es ist einiges zusammengekommen, rund 10.000 Euro allein auf dem Event, soweit ich weiß. Die Sanierung des Therapiebeckens kostet rund 500.000 Euro. Würde man es nicht sanieren, müsste es in den nächsten anderthalb Jahren geschlossen werden. Ein Neubau würde rund 2,5 Millionen kosten. Deshalb habe ich mich eingesetzt. Spenden kann man auf dieser PayPal Seite Anmerkung der Redaktion.

Gab es einen Punkt, an dem du aufhören wolltest?
Nein, die Frage muss man sich vorher beantworten, schon allein, weil so viele Menschen daran beteiligt sind. Wenn man nur die Überschrift mit den Rekordzahlen liest, ist der naheliegende Gedanke bei Ultracycling-Leistungen immer „verrückt“. Aber es gehört auch sehr viel Strukturiertheit dazu.

Du bist Ultracyclist, blickst du schon aufs nächste Jahr?
Jetzt ist erstmal Off-Season. Nein, ich habe nichts bestimmtes vor. Dieses Jahr lief bescheiden. Ich lag beim Race Across Italy vorne, was dieses Jahr sozusagen die Ultracycling-Europameisterschaft war, als mein Begleitfahrzeug in die Leitplanke fuhr und ich ausscheiden musste. Vor dem Race Across Austria hatte ich eine Borreliose und konnte nicht starten. Nächstes Jahr werde ich hoffentlich mehr Glück haben.

Danke für das Gespräch!

Was sagt ihr zum 24-Stunden-Indoor-Rekord?

Foto: Tatjana Parisi Fotografie

36 Kommentare

» Alle Kommentare im Forum
  1. Ok, hab nen Swiftie gefragt:
    Antwort: "Don't blame me. Shake it off!"
    "Haters gonna hate"
  2. Erinnert mich an die Leute die stets betonen, dass E-Bike fahren ja schon anstrengend sei

    Das sind doch die, die ab 15°C, fallend, Daunenjacken zum fahren tragen!?
  3. Das sind doch die, die ab 15°C, fallend, Daunenjacken zum fahren tragen!?

    Und Dich ungläubig anschauen, wenn Du mit kurzer Buxe und Shirt entgegen kommst. 😅
  4. Und Dich ungläubig anschauen, wenn Du mit kurzer Buxe und Shirt entgegen kommst. 😅

    Keine Ahnung, die tragen Ski Brillen.
  5. Ich schon. Zu/von Christoph Strasser gibt es hier (siehe unten) ein Video zu seinen RAAM teilnahmen. Ich kannte ihn vorher nicht und dachte, ja o.k 4860km+35000 hm sind schon stramm aber sicher irgendwie machbar. Zur Fahrzeit von 7 Tagen, 15 Stunden und 56 Minuten dachte ich: Naja, o.k. wieso so ein eher niedriger Schnitt... ABER, So richtig vom Glauben bin ich dann abgefallen als ich dann verstanden habe das die vorgenannte Zeit die Zeit zwischen Start und Zielankunft ist, also inkl. Pausen! Einfach nur sowas von krass. Kann dieses Video nur empfehlen. Finde ich total faszinierend.

    PS: Seinen 24h Rekord mit 1026,2 km mit 42,75 km/h Schnitt spricht für sich.

    kann ich nur bestätigigen, vollkommen kranke leistung bei seinen RAAM rennen. Habs mich auch angesehen und bin vollkommen überwältigt von seiner Leistung. Respekt. Ob der Herr Strasser auch ein guter Tour de France fahrer etc wäre? Glaube fast, das das zwei paar Stiefel sind, Ultralangdistanz und Kurzdistanz aber dafür mehr pacen.
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