Einfach ein Rennrad kaufen? Gefühlt sieht es so aus, als wären in 2020 sehr viele auf diese Idee gekommen. Aber wenn man dann selber vor der Entscheidung steht – mein Gott, das ist kompliziert! Rennrad ist ja schon lange nicht mehr gleich Rennrad. Gastautorin Steffi hat Antworten auf die Fragen einer Einsteigerin gesucht. Wenn ihr das alles schon wisst: Sehr gut! Wenn nicht: Viel Spaß mit Teil 1 von 2 zum Einstieg ins Rennradfahren.
Arten von Rennrädern
Im Fachjargon spricht man mindestens von Gravel Bike, Allroad Bike, Endurance-Bike oder Race-Bike, obendrauf gibt es jeweils noch spezialisierte Varianten. Zusätzlich werdet ihr auch noch mit diversen Rahmengrößen und -höhen, sowie natürlich Rahmenmaterialien konfrontiert. Außerdem reicht das Angebot allein bei Gangschaltungen von Shimano über SRAM bis hin zu Campagnolo; jeweils noch in den unterschiedlichsten Preisklassen. Wie nun bewältigt man den Kaufprozess, wenn man nicht vom Fach ist, sondern sich einfach ein zu seinen Bedürfnissen passendes „Rennrad“ kaufen möchte?
Dieser Artikel soll jedem Einsteiger einen einfacheren Zugang ins Rennrad Game ermöglichen, und dabei auch (kleineren) Frauen hilfreiche Antworten auf die Frage liefern, worauf sie bei der Geometrie eines Rennrades achten sollten. Nun aber erst einmal mehr zu den verschiedenen Kategorien.
Gravel
Ein Gravel Bike ist – wie der Name schon sagt – ein Rennrad, das sich auf „Schotter“ und unbefestigtem Untergrund gut bewegen lässt. Egal ob Waldboden, Forststraße oder perfekt asphaltiere Straße – mit einem Gravel-Bike kannst du jeden Abzweig nehmen. Die Sitzposition ist komfortabel. Allerdings muss ich zugeben, dass der Rollwiderstand, gerade auf geteerten Straßen, durch die deutlich breiteren Reifen (normalerweise ca. 40 mm), mit mehr Profil, höher ist als bei seinen Mitstreitern. Planst du also überwiegend Straße zu fahren und nur ab und an den Schwung ins Gelände zu wagen, solltest du dich über ein Allroad Bike informieren.
Allroad
Kann wie ein Gravel Bike alles, legt den Fokus aber auf die Straße. Denn ein gutes Allroad Bike hat eine top Straßenlage, lässt dich aber auch auf unebenem Untergrund nicht im Stich. Mit einer Reifenbreite zwischen 30-35 mm hast du etwas mehr Grip und Komfort als bei einem typischen Race- oder Endurancebike, bist aber deutlich schneller auf Asphalt unterwegs als mit einem Gravel Bike. Das kürzere Oberrohr bietet dazu etwas mehr Komfort als bei reinrassigen Race Bikes, gerade bei längeren Strecken. Trotzdem kann es auf den Straßen mit jedem Rennrad mithalten. Doch worin liegt dann noch der Unterschied?
Endurance
Das Endurance Rennrad, was übrigens viele einfach als „Rennrad“ bezeichnen, kommt im Vergleich zum Allroad- und Gravel-Bike bereits mit deutlich schmaleren Reifen daher. Meist passen 25-32 mm in Rahmen und Gabel. Das ist auf der Straße von Vorteil, um möglichst schnell von A nach B zu gelangen – und zwar auch auf langen Strecken.
Es gibt aber auch Endurance Rennräder, die so vielseitig sind wie Allroad Rennräder, die Grenzen verschwimmen hier zunehmend. Im Zweifel entscheidet die Reifenfreiheit, die viele Hersteller angeben, darüber, wie universell das Endurance Rennrad am Ende aufgestellt ist. In unserer Übersicht über die interessantesten Endurance- und Allroad Bikes 2021 haben wir deshalb die Reifenfreiheit, wo immer möglich mit angegeben. Hier hast du alles auf einen Blick:
Spannende Endurance und Allroad Bikes 2021 im Überblick
Und wer noch einen draufsetzen möchte in puncto Geschwindigkeit, der sollte sich ein Racebike kaufen, muss hier allerdings in der Regel mit Abstrichen in Sachen Komfort rechnen.
Racebike und Aero-Rennrad
Diese Kategorie ist ganz klar für Diejenigen unter euch, die auf Geschwindigkeit und höchste Leistung aus sind. Aerodynamik und Leichtigkeit werden hier großgeschrieben. Racebikes sind der Gegenpol zu einem Gravel Bike in der Kategorie Rennrad. Möchte man mit einem Gravel Bike am liebsten den Asphalt meiden, kann die Straße für Racebike Fahrer*innen nicht glatt genug sein.
Die spannendsten Aero-Rennräder und Racebikes 2021
Fazit Kategorien
Um diese erste wichtige Entscheidung treffen zu können, solltest du dir im Klaren darüber sein, für welche Routen du dein Rennrad am häufigsten einsetzen möchtest. Der beste Allrounder ist das Allroad Bike. Den meisten Komfort auch auf Schotter und festen Waldwegen bietet das Gravel-Bike. Wenn du fast ausschließlich Straße fahren willst, ist das Endurance Bike richtig, vor allem, wenn du auch gerne mal einen halben Tag oder länger im Sattel sitzen willst. Ein Racebike wird wohl den wenigsten Einsteiger*innen gerecht. Aber wenn du den Temporausch liebst und vielleicht von anderen Sportarten schon eine gute körperliche Fitness hast, ist es durchaus auch eine Option. Hast du deine Einsatzbereiche und deine Fähigkeiten im Blick? Dann kommt es jetzt nur noch auf die spezielle Modellwahl an, und natürlich auf die richtige Größe und Geometrie an.
Geometrie
Worauf ist nun noch beim Kauf zu achten? Wie wählst du die für dich, ideale Marke und das passende Modell aus? In meinem Fall habe ich mich zunächst mit der Geometrie und den Maßen eines Fahrrads eingehend befasst – hier geht es, platt gesagt, um die Frage, wie Sattel, Pedale, Lenker und Räder zueinander positioniert sind. Und das ist ganz entscheidend, damit man bequem viele Stunden im Sattel verbringen kann!
Stack und Reach und Co.
Die wichtigsten Maße, die ihr vor dem Kauf genau betrachten und bemessen solltet, sind die Folgenden:
A: Der Stack ist das Maß von der Mitte des Tretlagers bis zur Höhe des oberen Steuerrohrmittelpunkts. Mehr Stack bedeutet bei gleichem Reach eine aufrechtere Sitzposition.
B: Der Reach ist die Länge vom Tretlager bis zum oberen Steuerrohrmittelpunkt. Mehr Reach bei gleichem Stack bedeutet eine gestrecktere Sitzposition.
Stack to Reach-Wert: Das Maß soll Rahmen einfacher vergleichbar machen. Manche Hersteller geben den Wert an, andere nicht. In Geometrien auf Rennrad-News wird er für dich errechnet. Du kannst ihn auch selbst ausrechnen: Es ist der „Stack“ geteilt durch den „Reach“. Also das Verhältnis der Höhe eines Rahmens zu seiner Länge – ohne Rücksicht auf den Verlauf des Sitzrohrs. Ein kleiner Wert zwischen 1,4 und 1,45 deutet auf sportliche Sitzpositionen hin, ein größerer auf eher aufrechte.
C: Sitzrohrlänge: Klassisch wurde damit die Rahmengröße ermittelt, kann aber durch die Sattelstütze recht gut verstellt werden und weicht inzwischen stark von der Rahmenhöhe ab.
D: Oberrohrlänge: Klassisch wurde damit die Länge des Rahmens angegeben, wird aber durch den Sitzwinkel verfälscht – und lässt sich durch Verschieben des Sattels ein Stück weit kompensieren.
Die richtige Rahmenhöhe finden
Nach Herstellerangaben richten: Nachdem ich verstanden hatte, was genau die einzelnen Maße zu bedeuten hatten, musste ich nur noch den idealen Rahmen finden, der für mich als Frau mit meinen 1,64 m Körpergröße geeignet ist. Auf vielen Websites, insbesondere von Direktversendern ohne Handelspartner vor Ort, ist das schon praktikabel gelöst. Hier bekommst du direkt angezeigt, welche Rahmengröße (S-XXL) für deine Körpergröße wahrscheinlich passend ist. So war es auch bei meinem ersten Rennrad. Doch diesen Service gibt es nicht immer.
Beim Fachhändler beraten lassen: Viele Hersteller gehen davon aus, dass du dein Rennrad im Fachhandel kaufst und dich dort beraten lässt. Tatsächlich ist das eine sehr gute Lösung, wenn du wissen willst, ob dir ein Rennrad passt – und wenn die Rahmengrößen, die in Frage kommen, beim Händler stehen. Denn dann kannst du es gleich vor Ort ausprobieren und vielleicht sogar länger fahren. Wie Probefahrten in Zeiten von Click & Collect gehandhabt wird, ist sicher von Händler zu Händler verschieden. Erkundige dich am besten vorher.
Bikefitting: Hier begibst du dich in die Hände von Experten, die deinen Körper und seine Beweglichkeit vermessen und verstehen. Darauf basierend geben sie Millimeter genaue Empfehlungen für deine Sitzposition. Das kostet natürlich etwas, ab 120 € geht es ungefähr los. Wenn du noch gar nicht weißt, ob Rennradfahren überhaupt dein Ding ist, kommt das eher nicht als Lösung in Frage. Aber, wenn doch: sicher eine bessere Investition als viel Zeug, das man gerne fürs Rennradfahren kauft, aber am Ende selten braucht. Mit den gefundenen Werten sollte dir jeder Direktanbieter und Händler das passende Rennrad an die Hand geben können.
Selber messen und rechnen: Rennradhersteller geben, wie gesagt, in vielen Fällen nur die Rahmenhöhe an. Diese kann wiederum in Zentimetern oder in Zoll aufgeführt sein. Wenn du wissen willst, welche Rahmenhöhe zu dir passt, ist die beste Hilfestellung das Messen der Schrittlänge. Für die Rahmenhöhe in der Kategorie Renn- und Gravelbikes musst du deine Schrittlänge x 0,66 nehmen. Für die Rahmenhöhe in Zoll wird die Schrittlänge x 0,66 (in cm) x 2,54 berechnet. Ich beispielsweise habe eine Schrittlänge von 80 cm x 0.66, was eine Rahmenhöhe von 52,8 cm ergibt.
=> Hilfe in Sachen Rahmenhöhe und Geometrie gibt es auch hier im Forum
Du befindest dich mit deiner ermittelten Rahmengröße genau zwischen zwei Größen? Jetzt kommt es darauf an, ob du eher in einer aufrechten oder in einer etwas gestreckteren Sitzposition fahren möchtest. Wenn du gestreckter sitzt, verlangt das deiner Nackenmuskulatur mehr ab, denn du musst den Kopf stärker heben, um genug zu sehen. Auch liegt mehr Gewicht auf den Händen, was ebenfalls die Haltemuskeln fordert. In der Regel bevorzugen Einsteiger*innen deshalb aufrechtere Sitzpositionen.
Liegst du zwischen zwei Größen und willst aufrechter sitzen, nimmst du die Größere! Nimm die kleinere, wenn du mit dem Oberkörper tiefer kommen willst!
Vernachlässigen könnt ihr zunächst die Vorbaulänge, die Sattelstützlänge sowie die Lenkerbreite, denn das kann später individuell angepasst oder gegen andere Größen getauscht werden. Die meisten Hersteller achten aber darauf, an kleineren Rahmen auch schmaleren Lenker und kürzere Kurbelarme und Vorbauten zu verbauen, um der geringeren Körpergröße Rechnung zu zahlen.
Welche Rolle spielt am Ende noch die Reifengröße? Eigentlich keine, denn die meisten Räder kommen standardmäßig mit 28 Zoll Reifen. Lediglich bei einer Körpergröße unter 1,60 m wird es sehr schwierig, 28 Zoll im Rahmen unterzubringen. Viele Hersteller verwenden deshalb bei Rahmengröße XS die kleineren 27,5 Zoll Räder.
Ich hatte bei der Wahl meines Rennrades über die Online-Hilfeseite des Herstellers keine Probleme, die richtige Größe zu ermitteln, denn ich bin mit meinen 1,64 m genau in die Kategorie S gefallen und der Fit ist perfekt.
Fazit
Welches Rennrad darf es denn nun sein? Für mich waren es letztlich die Mischung aus komfortabler Sitzposition und einem breiten Einsatzbereich, die mir einen gelungenen Einstieg ins Rennradgeschäft bescherten. Meine Anforderungen erfüllte mit dem Votec VRC ein Rennrad am besten, das gleich als Allroad Bike vom Hersteller bezeichnet wird. Ich finde, eine passende Bezeichnung. Sie drückt aus, was das Rennrad kann. Aber es hätte genauso gut sein können, dass ein ähnliches Rad bei einem anderen Hersteller als sportliches Gravel Bike läuft oder als Endurance Rennrad. Es schadet also nichts, noch einmal genau hinzu schauen, wenn man den persönlichen Einsatzbereich glasklar vor Augen hat. Und hier helfen die genannten Eckdaten wie Reifenfreiheit und Stack und Reach wirklich einen großen Schritt weiter – im Zweifel in Zeiten knapper Bestände auch weiter als ausfransende Kategorien. Wenn man dann ein Modell gefunden hat, gibt es das meist noch in verschiedenen Preisklassen; dazu mehr in Teil 2 der kleinen Einsteigerberatung.
Weiter in Teil 2: Einsteiger Kaufberatung Rennrad – Teil 2/2 Preise, Einstellung und Must-Haves
Alle Artikel aus unserer Serie Rennrad für Einsteiger:
- Was bietet das Einsteiger-Rennrad 2024?: 11 Rennräder unter 1.400 € im Überblick
- Überblick Einsteiger-Rennräder 2023: Die 12 besten Bikes unter 1.700 Euro
- Die besten Einsteiger Rennräder 2022: 9 Modelle von 1.400 bis 1.600 €
- Einsteiger Kaufberatung Rennrad – Teil 2/2: Preise, Einstellung und Must-Haves
- Einsteiger Kaufberatung Rennrad: Einsatzbereich und Rahmengröße (Teil 1/2)
38 Kommentare