Auf dem brutal schweren Kurs der Cyclocross-Weltmeisterschaften in Valkenburg hat der Belgier Wout van Aert den Favoriten Mathieu van der Poel klar geschlagen. So wie van der Poel den Weltcup dominierte, so fuhr van Aert die Weltmeisterschaft: von der Spitze immer weiter weg. Der Deutsche Meister Marcel Meisen verfehlte den anvisierten Top10-Platz um 54 Sekunden und kam auf Rang 14. Der Bericht von der Cyclocross WM und die Eindrücke des Tages.
Dass Mathieu van der Poel Vorteile hätte, weil sein Vater Adrie den Kurs der Cyclocross-Weltmeisterschaften entwarf, strafte das Renngeschehen Lügen. Dass die 2,9 km lange, mit Höhenmetern und Hindernissen gespickte Strecke vielleicht der schwerste Rennkurs der jüngeren Zeit war, wie Fahrer und Teamleiter unisono sagten, war dagegen gut abzulesen. Die Strecke stürzte sich unter anderem in Kurven einen vollkommen aufgeweichten Steilhang hinab. Die Fahrer inspizierten die Stelle vor dem Rennen intensiv. Einige wanderten den Hang mehrmals ab. Im Training sackten manche Fahrer dort sogar bis beinahe zur Nabe mit dem Hinterrad in die Schlammrillen der Fahrspuren ein. Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt machten das Rennenfahren zusätzlich schwer.
Das Rennen
Unter diesen harten Bedingungen von Valkenburg sieht es in der ersten Runde zunächst so aus, als ob Mathieu van der Poel in gewohnter Manier davonziehen würde. Obwohl MvdP keinen perfekten Start hinlegt, kann er sich zusammen mit dem Belgier Tim Merlier bis zur ersten schweren Abfahrt leicht vom Feld absetzen. Aber bereits bei der ersten Zieldurchfahrt liegen Wout van Aert und Mathieu van der Poel Kopf an Kopf. An der langen Rundenzeit von 09:46 Minuten lässt sich dabei schon ablesen, was für eine harte Prüfung der Kurs in Valkenburg ist. Im Rennen gelingt es Wout van Aert häufig, an den harten technischen Passagen zu fahren – „doortrappen“, wie der Belgier sagt – während Mathieu van der Poel ausklicken muss und mit Fußarbeit nachhilft. Wout van Aert zieht richtig durch und liefert eine Rundenbestzeit nach der anderen ab.
Derweil fallen Mathieu van der Poel und der Rest des Feldes immer weiter zurück. MvdP kämpft dann hart um den zweiten Platz mit dem Belgier Michael Vanthourenhout. Dem grazilen, technisch versierten Fahrer liegt der höhenmeterlastige Kurs in Valkenburg. Zwischenzeitlich wirken die Schritte van der Poels dagegen am Steilhang vor dem Casino so schwer, dass die Zuschauer schon Mitleidslaute von sich geben. In der letzten Runde fährt der Niederländer am Schräghang vor der Abfahrt nochmal zu Vanthourenhout auf, muss ihn aber letztlich fahren lassen. Am Ende der Weltmeisterschaft überquert Wout van Aert mit zwei Minuten Vorsprung auf den Zweitplatzierten Michael Vanthourenhout die Ziellinie. Sein Stundenmittel des Rennens liegt bei 17,74 km/h. Marcel Meisen kommt als bester Deutscher mit 6:44 Minuten Rückstand ins Ziel und erreicht dabei einen Schnitt von 16,16 km/h.
Ergebnisse Männer Elite
- Wout van Aert (B): 1:09:00
- Michael Vanthourenhout (B): +2:13
- Mathieu van der Poel (NL): +2:30
- Toon Aerts (B): +3:16
- Lars van der Haar (NL): 4:29
- Gioele Bertolini (IT): +4:42
- Tim Merlier (B): + 4:56
- Laurens Sweeck (B): +5:21
- Daan Soete (B): +5:30
- Steve Chainel (F): +5:51
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- Marcel Meisen (D): +6:44
Der deutsche Mountainbiker und Zweiter der Deutschen Meisterschaft, Sascha Weber, kam mit 3 Runden Rückstand auf Platz 39, Manuel Müller fuhr mit ebenfalls 3 Runden auf die Spitze auf den 50. Platz. Insgesamt gelangten 56 von 57 Startern ins Ziel.
„Wenn ein Fahrer 2 Minuten Vorsprung auf Fahrer rausfährt, die auch fahren können, das ist nicht normal“, nimmt Adrie van der Poel nach dem Rennen gegenüber dem Sender Sporza Stellung zu dem Verlauf, wobei er sich nicht nur auf seinen Sohn bezieht. Er spielt damit auf mögliche Kortison-Einnahmen an, wie der belgische Radsport-Publizist Michel Wuyts im belgischen Sportsender „Sporza“ analysierte. Laut Wuyts eine gefährliche Anschuldigung: „Mathieu van der Poel hat bei 30 Rennen im Cyclocross alles gegeben, er hat Raubbau betrieben“, favorisiert der belgische Experte eine andere Erklärung. Im Interview mit Sporza vergleicht er van der Poel in dieser Hinsicht mit Crosslegende Sven Nys. Wout van Aerts Trainer , der Ex-Crosser Niels Albert, hat ebenfalls eine andere Sicht auf die Dinge. „Wenn sie (die Fahrer) einmal an der Spitze sind, ist es immer schwer, an der Spitze zu bleiben. Es ist schwieriger als an die Spitze zu kommen. Also geht es die meiste Zeit darum, einfach mit ihnen zu reden und ihnen ein gutes Gefühl zu geben“, sagt der Coach in einer Mitteilung von Wout van Aerts Equipment-Sponsor SRAM.
Das Gewinner-Rad
Wout van Aert, der für Team Willems-Crelan fährt, war bei der Weltmeisterschaft noch auf einem Felt-Cyclocrosser mit SRAMs Red eTap HRD-Gruppe unterwegs. Als Übersetzung hatte er vorne eine 2-fach Kombi mit 46-36 gewählt. Hinten montierten seine Mechaniker eine Kassette der Abstufung 11-28-Zähne. Die meisten Fahrer traten nach unseren Beobachtungen in Valkenburg nicht mit einem 1X-Antrieb an, sondern setzten auf eine ähnliche Abstufung. Dagegen waren hydraulische Scheibenbremsen der Standard – und nach Meinung vieler Fahrer auch ein echter Vorteil gegenüber Cantilever-Bremsen auf dem Kurs. Schon vor der WM wurde bekannt, dass Wout van Aert demnächst auf Stevens Bikes fährt. Willems-Crelan unterhält auch ein Straßenteam. Die Mannschaft wechselt komplett zu den Rädern der Hamburger, die bis vor kurzem auch Mathieu van der Poels Material stellten.
Für die belgischen Cyclocross-Fans wurde in Valkenburg ein Traum wahr. Neben Wout van Aerts Goldmedaille bei den Männern Elite gab es Gold bei den Männern U23 durch Eli Iserbyt und Sanne Cant bei den Frauen Elite am Vortag. Als Wout van Aert bei der Siegerehrung den Korken knallen ließ, blickte er in ein Meer aus belgischen Fahnen und „Supportern“, wie sich die Fans in Belgien nennen. Viele sind in sogenannten „Supporterclubs“ organisiert, eine Art Stammtisch einer Gaststätte, der Geld für seinen Radsportler sammelt und ihm bei vielen Rennen hinterher reist. Eine Karavane von Reisebussen brachte die Supporter zur WM. Auch aus Deutschland, Tschechien sowie England und den USA waren nicht wenige Fans angereist. Sogar Japaner stemmten ihre Gummistiefel in den glibberigen Boden des Bergs, um ihre zwei Fahrer zu unterstützen. Eine lange Schlange enttäuschter Niederländer trottete dagegen mit gesenktem Kopf und recht still die Stufen des Bergs hinab. Das UCI-Cyclocross-Ranking führt der Niederländer allerdings nach wie vor mit deutlichem Abstand gegenüber den Konkurrenten an. 578 Punkte liegt er dort vor Wout van Aert – 178 mehr, als der Belgier für seinen Weltmeisterschaftssieg bekam.
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