Der neue Ergon SR Allroad Core Rennrad-Sattel nutzt Infinergy-Material für die Dämpfung und will herausragenden Komfort bieten. Funktioniert die Technik, die viele aus ihren Laufschuhen kennen, auch an langen Tagen im Sattel? Das konnten wir am SR Allroad Core Pro Men bereits ausprobieren.
Ergon SR Allroad Core – Infos und Preise
- Männerspezifischer Allroad-Rennrad-Sattel
- Kern aus stoßabsorbierendem Infinergy-Material (in Adidas-Laufschuhen als „Boost“ bekannt)
- Orthopädischer AirCell-Sitzschaum
- Männerspezifischer Allroad-Rennrad-Sattel
- Größen S/M für 9-12 cm und M/L für 12-16 cm Sitzknochenabstand
- 3 Varianten CrMo-Schiene, TiNox-Schiene, Carbon-Schiene
- Gewicht 248 g (Testsattel M/L, gewogen)
- Info https://www.ergonbike.com
Preise
- SR Allroad Core Comp Men mit Nylon-Composite-Sitzschale und CroMo-Rail: 129,95 €
- SR Allroad Core Pro Men mit Carbon-Sitzschale und TiNox-Rail: 149,95 €
- SR Allroad Core Pro Carbon Men mit Carbon-Sitzschale und Carbon-Rail: 199,95 €
Details
Auf der Eurobike feiert bei den Ergonomie-Spezialisten von Ergon heute der SR Allroad Core Premiere. Der neue Rennrad-Sattel, der speziell für Männer entwickelt wurde, will besonders glänzen, wenn neben Straßen auch Gravel und andere unbefestigte Wege unter die Räder genommen werden. Für eine vollflächige Stoßabsorption setzt Ergon auf eine spezielle Lage Infinergy-Material – ein E-TPU-Kunststoff von BASF, der sowohl als „Boost“-Sohle bei Adidas-Laufschuhen zum Einsatz kommt, aber auch als fester Anti-Platt-Kern in Reifen. Grund: Infinergy zeichnet sich durch seine Rückstellkräfte aus. Es ist einerseits punktuell nachgiebig, geht aber andererseits unmittelbar in seine Form zurück, wenn der Druck abnimmt. Für den Einsatz im Sattel hat die Ergon-Entwicklung in Koblenz mit BASF zusammengearbeitet.
Das Resultat nennt Ergon Core HD-Technologie. Zusammen mit anderen Maßnahmen verspricht der Aufbau einen deutlich reduzierten Sitzdruck. So soll über dem stoßdämpfenden Kern eine zusätzliche Lage orthopädischer AirCell-Sitzschaum für Stützkraft und optimale Druckverteilung sorgen. Außerdem besitzt der neue Sattel einen Entlastungskanal in der Mitte, der speziell auf die männliche Anatomie abgestimmt ist.
Da die Anpassung nur aufgeht, wenn die Form zum Sitzknochenabstand passt (wie ich selber erfahren konnte), bietet Ergon den SR Allroad in zwei Größen an: S/M mit 9-12 cm und M/L mit 12-16 cm Sitzknochenabstand. Mit verschiedenen Ausführungen der Sattelschale und der Sattelschiene wird Ergon den unterschiedlichen Anforderungen an das Gewicht und den Strebenflex gerecht. Wie bei vielen Sätteln stehen CrMo, TiNox (Edelstahl mit Titananteil) und Carbon zur Wahl.
Ergon SR Allroad Test – erster Eindruck
Für einen ausgiebigen Sitztest stand mir der SR Allroad Pro Men-Sattel mit TiNox-Schiene zur Verfügung, einmal als Vorserienmodell in S/M und für eine 3-tägige Bikepacking-Tour kurz vor Marktstart in M/L. Die Vorschusslorbeeren waren hoch. „Wenn ich 250 km gefahren bin und mich am nächsten Morgen wieder draufgesetzt habe, dann war ich schmerzfrei ohne Probleme“, hat Jonas Deichmann gesagt, der den Ergon SR Allroad auf seinem Triathlon um die Welt bereits 12.000 Kilometer auf dem Gravelbike auf schlechtesten Straßen einsetzte (momentan läuft er durch Mexiko – wir berichten regelmäßig über seinen Fortschritt). Zudem war ich positiv voreingenommen, weil ich meine persönliche Laufschuhgarderobe auf Modelle mit dem Infinergy-Material umgestellt hatte, und zwar vor allem wegen der hervorragenden Dämpfung.
Aber beim Laufen wirken viel größere Kräfte als im Sattel. Schließlich lastet das ganze Gewicht und die Bewegungsenergie auf den Füßen. Und beim Rennradfahren spielt auch das Polster der Bib noch eine Rolle. Geht das Konzept dennoch auf?
Auf der Waage zeigt sich zunächst, dass Ergon Wort hält. Der Ergon SR Allroad Core zählt aber sicher nicht zu den besonders leichten Rennrad-Sätteln. Etwa 100 g weniger sind mit weniger Dämpfung leicht möglich. Stichwort Dämpfung: Die Satteldecke wirkt eher sportlich straff, mit Gel oder Schaumstoff hat der Ergon Core nichts gemein. Die Oberfläche der Sitzdecke fällt eher glatt aus. Problemlos ist dank der runden Schienen die Montage. Der Verstellbereich liegt im üblichen Rahmen.
Nach den ersten 100 km auf dem Allroad-Rennrad stellt sich eine gewisse Ernüchterung ein. Schön ist, dass der Ergon SR Allroad Core Pro Men-Testsattel sogar auf dem schon komfortablen Trek Domane die Dämpfung noch einmal gefühlt erhöhen kann; und ein Gegencheck auf einem harten Aero-Rennrad bestätigt diesen Eindruck: Stöße kommen deutlich gefiltert an, vor allem die Vibrationen und kleinen Schläge von Rillen etc. Auch der Halt und die gleichzeitige Bewegungsfreiheit auf der Satteldecke überzeugen mich im fahraktiven Gravel-Einsatz. Und sogar mit der Position nahe der Sattelspitze für Tempo-Einlagen komme ich auf dem SR Allroad Core gut zurecht. Aber: In der „Grundhaltung“ finde ich einfach keinen dauerhaft bequemen Sitz an meinem Sattel in S/M.
Zum Hintergrund: Mit 11 cm bis 12 cm Sitzknochenabstand je nach Haltung entscheide ich mich normalerweise immer für die schmalere Größe bei Testsätteln. Insgesamt bin ich eher der Typ, der mit flachen Satteldecken besser zurechtkommt. Beim Ergon SR Allroad Core liege ich ziemlich genau zwischen den Größen. Der Testsattel musste runter, Ersatz gab es erst später.
Den Ergon SR Allroad Core in M/L konnte ich dann noch drei Tage auf einer Bikepacking-Tour in den Ardennen probesitzen – zwar nicht auf einem Gravel Bike, aber in vergleichbarem Sitzwinkel auf dem Hardtail-MTB, bei Dauerregen und Sattelzeiten bis zu 6 Stunden unter erschwerten Bedingungen.
Ergebnis: Mit waagerecht ausgerichtetem vorderen Sattelteil (nicht mit Wasserwaage über Heck und Spitze!) passte die Form jetzt wie angegossen. Der sportliche Zuschnitt bot genug Platz für die Oberschenkel trotz der größeren Breite. Und trotz Federsattelstütze am Hardtail war der Fahreindruck noch einmal anders als mit dünner gepolsterten Sattelmodellen bei gleichem Set-up. Es ist schwer in Worte zu fassen: genauso straff, aber besser gebettet, wenn es uneben wird. Man sitzt nicht so fest positioniert und deutlich gefedert im Sattel wie etwa bei den jüngsten Modellen aus dem 3D-Drucker, denn die Dämpfung ist eher auf Dauer spürbar. Sattelprobleme gab es nicht, weder im Dammbereich noch am Gesäß. Unterm Strich bleibt der Ergon für mich damit eine perfekte Wahl, wenn es darum geht, aktives Offroad-Fahren und Komfort auf langen Strecken unter einen Hut zu bringen. Und er bekräftigt: Bei Sätteln gilt nach wie vor: probieren!
Die Testtage überstand das laut Ergon schwarz durchgefärbte Infinergy-Material ohne Abnutzungen – an Sneakern wird es bisweilen schnell unansehnlich.
Fazit Test Ergon SR Allroad Core
Der neue Ergon SR Allroad Core Pro Men hielt im zweiten Anlauf, was er verspricht: bessere Dämpfung und erhöhten Sitzkomfort für den Allroad-Einsatz. Dabei ist weniger die Stoßdämpfung des innovativen Infinergy-Materials, die den Unterschied macht, als die Kombination aus straffer Decke und dennoch gefühlt guter Druckverteilung. Insofern ist der Allroad-Core einen Versuch wert, wenn Mann den persönlichen Gravel- oder Endurance-Sattel noch nicht gefunden hat. Wie immer gilt: Sättel sind in hohem Maße eine persönliche Angelegenheit, da hilft nur ausprobieren.
Pro / Contra
Pro
- Hervorragender Kompromiss aus straff und dämpfend
- Gutes Sitzklima
- Langstrecken-Komfort
- Viel Beinfreiheit für aktives Fahren
Contra
- Gewicht
Was denkt ihr über das Konzept des Allroad-Sattels?
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