Jonas Deichmann sollte eigentlich schon auf seinem Duathlon quer durch die USA unterwegs sein. Doch das Fahrrad des Extrem-Sportlers ist noch nicht in New York angekommen. Die Wartezeit überbrückte der 36-Jährige unter anderem mit einem Exklusiv-Interview für Rennrad-News.
Jonas Deichmann sitzt aktuell in New York und wartet auf sein Gravel Bike, mit dem sein Duathlon quer durch die USA am 28. Juni starten sollte. Unser Redakteur Jan Gathmann ist vor Ort und hat mit dem Extrem-Sportler über die aktuelle Situation und sein bevorstehendes Projekt gesprochen.
Jonas, du bist gerade aus Portugal hierher geflogen, allerdings ist dein Fahrrad nicht angekommen. Was ist passiert und wo bist du zuvor gewesen?
Ich war Freitag und Samstag auf der Eurobike und dann noch zwei Tage bei der Familie in der Schweiz, noch mal in den Bergen. Dann bin ich über Lissabon hierher geflogen. Das war einfach die beste Flugverbindung. Nur leider hat es das Fahrrad nicht hierher geschafft.
Was denkt man da als Erstes, wenn das Fahrrad nicht ankommt? Ist dir das schon mal passiert?
Nee, ist mir noch nie passiert. Bisher ist mein Gepäck immer angekommen. Und ich bin auch schon viel mit dem Fahrrad unterwegs gewesen und gereist. Aber shit happens. Ich kann es nicht ändern. Deshalb mache ich mir jetzt hier einen schönen Tag in New York und hoffe einfach, es kommt morgen. Wenn ich mit einem Tag Verspätung starte, kann ich das wieder reinholen, auch zwei Tage gingen noch, dann trete ich halt ein wenig in die Pedale. Aber wenn es länger dauert, wäre natürlich doof, denn ich habe natürlich schon einen gewissen Zeitplan.
Du fährst diesmal mit dem Gravelbike. Ist die Route anders als sonst bei deinen Unternehmungen oder ist das so ähnlich wie zum Beispiel die Kapstadt-Tour?
Die Strecke ist dieses Mal komplett anders. Bei meiner Rekordfahrt nach Kapstadt habe ich die schnellsten Straßen und Asphalt mit dem Rennrad genutzt, das waren oft größere Straßen. Dieses Mal steht natürlich auch der sportliche Aspekt im Vordergrund, aber ich werde nicht auf Autobahnen unterwegs sein, sondern eine landschaftlich attraktive Route mit einigen Umwegen wählen. Der östliche Teil der USA wird relativ direkt durchfahren, die landschaftlichen Highlights kommen dann mit den Bergen, den Canyons in Utah und der Wüste. Dort habe ich ein paar Extra-Schleifen eingebaut und setze auf Gravel.
Du hast auch schon in New York gewohnt, hast du mir eben gesagt. Worauf freust du dich morgen auf der Fahrt aus New York raus? Worauf freust du dich da am meisten?
Einfach durch Manhattan durchfahren – über die Brooklyn Bridge und dann durch Manhattan durch und Central Park. Das wird schon ein Highlight. New York ist eine Stadt, in der ich immer gerne für ein paar Tage bin, obwohl ich sehr naturverbunden bin. Länger allerdings nicht, weil es mir einfach so die Energie rauszieht. Und deshalb bin ich dann schon auch froh, wenn ich wieder draußen bin. Der Großraum New York ist sicherlich nicht die schönste Gegend zum Radeln. Da muss man einfach durchkommen. Ich glaube, es sind so 100 Kilometer, bis ich dann wirklich raus bin und so langsam im Grünen und dann freue ich mich auf Pennsylvania.
New York ist eine Stadt, in der ich immer gerne für ein paar Tage bin, obwohl ich sehr naturverbunden bin. Länger allerdings nicht, weil es mir einfach so die Energie rauszieht.
Als wir zum ersten Mal gesprochen haben, bist du gerade in Kapstadt angekommen. Da hatte ich sofort den Eindruck, dass du so ein super positiver Mensch bist. Ich dachte du müsstest doch eigentlich total fertig sein. Es war, glaub ich, auch etwas passiert. Aber du warst trotzdem super positiv. Wo nimmst du das her?
Ich habe das große Glück, meine Leidenschaft zum Beruf gemacht zu haben. Und ich würde für nichts in der Welt tauschen. Diese Projekte, die ich mache, das ist das, wofür ich lebe. Das macht so unglaublich Spaß – auch mit den Tiefpunkten, die dazugehören. Das ist mal so die Grundvoraussetzung. Wenn das so etwas wie jetzt hier, dass mein Fahrrad nicht ankommt, passiert, dann ist es eben so – shit happens. Ich kann jammern und mich darüber beklagen oder ich akzeptiere es und mache mir heute einen schönen Tag in New York und morgen ist das Fahrrad hoffentlich da und es geht los. Und so ist es mit allem. Also wenn was schiefläuft, dann sich einfach nicht unterkriegen lassen, sondern sich darauf konzentrieren, was man beeinflussen kann.
Beeinflussen ist ein gutes Stichwort. Du fährst ein Gravelbike. Bei Gravelbikes sind Reifenpannen oft ein Thema. Hast du spezielle Reifen, Anti-Plattreifen oder Ähnliches?
Also ich fahre die Schwalbe G1R als Tubeless Variante und die fahre ich auch schon länger auf dem Gravelbike, habe super Erfahrungen damit gemacht. Für mich ist Tubeless wirklich ein Gamechanger. Ich weiß es sogar genau, rein statistisch gesehen. Zwar nicht auf dem Gravel Bike, aber auf dem Rennrad. Ich bin ja die Panamerika gefahren, von Alaska nach Feuerland, das sind 23.000 Kilometer. Und da sind gerade in den USA und dann auch in Mexiko auf den Seitenstreifen der großen Straßen immer so kleine Drähte von den LKW-Reifen, die platzen. Ich habe über 50 Platten auf der Panamerika gehabt mit Schlauchreifen. Und dann bin ich bei Nordkap Kapstadt gefahren. Es sind 18.000 Kilometer, aber auch mit afrikanischen Straßen dabei. Und in Russland genauso, das mit dem Seitenstreifen, wo dann die LKW-Reifenplatzer sind. Also ich würde sagen, sehr vergleichbare Bedingungen. Panamerika über 50 Platten, Nordkap Kapstadt zwei mit Tubeless! Also absoluter Gamechanger.
Tubeless ist für mich ein echter Gamechanger
Hast du auch Ersatzmilch dabei?
Nein, ich habe keine Milch dabei, habe ich nie, sondern ich pumpe immer auf und meistens lässt sich das so reparieren. Wenn nicht, habe ich einen Ersatzschlauch und mache den rein. Also wenn das Loch so groß ist, dass es nicht mehr dicht wird, dann kommt da ein Schlauch rein.
Machst du mehr Milch rein, als empfohlen ist?
Ein ganz kleines bisschen mehr, ja. Aber nicht viel, ein bisschen mehr und normalerweise hält es auch.
Was ist für dich das Wichtigste an deiner Ausrüstung?
Das ist schwierig zu sagen, weil alles, was ich dabei habe, wichtig ist. Sonst würde ich es nicht mitnehmen. Ich bin ja Minimalist. Am Fahrrad definitiv tubeless. Und ich fahre mechanische Schaltung bei großen Projekten. Ich habe in Deutschland am Trainingsrad auch eine Di2, aber für so große Projekte fahre ich lieber mechanische Schaltungen. Ich habe eine Shimano GRX-Gruppe verbaut. Der Grund ist einfach: ja, elektrisch ist gut, aber es ist nun mal eine Sache mehr, die kaputt gehen kann. Deshalb würde ich mit dem Reiserad in abgelegenen Gegenden immer mechanisch fahren.
Fährst du mit Auflieger?
Nein, diesmal nicht. Einfach, weil es ein Gravelbike ist.
Und der Rücken? Hast du nie Probleme mit dem Rücken?
Nein, ich habe nie Probleme mit dem Rücken, auch nicht mit den Händen. Also ich habe generell keine Probleme. Auch nicht mit dem Sitzen. Sitzbeschwerden habe ich seit Jahren nicht mehr gehabt. Rückenprobleme auch nicht. Ich werde immer nach schlafenden Händen gefragt. Habe ich noch nie gehabt. Das ist einfach so, ich habe keine Probleme.
Was isst du unterwegs? Hältst du an zum Essen?
Teilweise. Man muss auch klar sagen, dass es auch eine Art Esswettbewerb ist, wenn man jeden Tag so lange Sport treibt. Ich benötige Kalorien, vor allem beim Radfahren. Da ist es einfacher. Ich mache normalerweise eine Mittagspause im Restaurant. Abends habe ich einen Campingkocher dabei, mit dem ich mir etwas koche. Auch zum Frühstück verwende ich den Kocher. Zwischendurch esse ich ständig Kekse, Schokolade, Bananen und alles, was ich finden kann. Beim Laufen ist es etwas schwieriger, weil ich während des Laufens Probleme habe zu essen. Da kommt dann auch die Gefahr des Gewichtsverlusts hinzu. Ich erinnere mich an eine Situation vor zwei Jahren, als ich von Mexiko nach Feuerland gelaufen bin und innerhalb von zwei Wochen fast 10 Kilo verloren habe.
Man muss auch klar sagen, dass es auch eine Art Esswettbewerb ist, wenn man jeden Tag so lange Sport treibt.
Ja, das konnte man auch auf den Bildern sehen. In den USA gibt es ja viele Diner und Burger und kalorienreiches Essen, aber achtest du auch darauf dich gesund zu ernähren?
Ja, ich schaue schon, dass ich auch so ein wenig meine Vitamine habe. Aber den hohen Grundumsatz, den ich habe beim Sport, also das, was ich verbrenne, das bekomme ich natürlich mit Obst und Nüssen allein nicht rein. Also Obst und Nüsse für die Nährstoffe, und der Burger, die Schokolade und die Kekse für die puren Kalorien.
Und Nahrungsergänzungsmittel, nimmst du so etwas auch?
Teilweise. Allerdings muss ich sagen, dass ich das AG1-Produkt nicht jeden Tag verwende. Ich kann es auch nicht immer mitnehmen, da ich ja kein halbes Kilo-Pack mit mir rumschleppen kann. Aber ich habe immer eine kleine Menge davon dabei und verwende es, wenn ich merke, dass ich beispielsweise in der Wüste unterwegs bin und nur Burger und ähnliches gegessen habe. Dann ist es definitiv eine gute Ergänzung, um meinem Körper noch etwas zuzuführen. Aber ich muss auch klar sagen, dass eine ausgewogene Ernährung das Beste ist. Wenn ich unterwegs bin, ist es jedoch manchmal schwierig, immer alles zu bekommen, was mein Körper benötigt. In solchen Fällen ist es umso wichtiger, etwas zusätzlich einzunehmen.
Okay, dann wünsche ich dir alles Gute für deine Fahrt morgen! Wenn es klappt und dein Fahrrad morgen ankommt, werde ich dich noch ein Stückchen begleiten. Möchtest du noch etwas sagen? Möchtest du den Leuten in Deutschland etwas mitteilen?
Ja, ich freue mich wirklich, dass es endlich losgeht. Wieder ein Abenteuer! In den vergangenen zwei Jahren habe ich hauptsächlich Vorträge und Interviews gehalten und nur kleinere Abenteuer erlebt. Aber jetzt werde ich endlich wieder für vier Monate unterwegs sein und an einem großen Projekt arbeiten. Ich freue mich wirklich sehr darauf.
Wird es auch wieder einen Film geben?
Ja. Dennoch bin ich auch dieses Mal größtenteils allein unterwegs. Das ist Teil meines Konzepts, ich mache meine Projekte unsupported. Und es wird wieder ein Buch geben, das Mitte Dezember veröffentlicht wird, kurz vor Weihnachten. Den Film wird wieder Markus Weinberg machen. Er hat bereits „Hier lang um die Welt“ gemacht, und jetzt begleitet er mich auf Teilen der kommenden Strecke. Er wird etwa vier Wochen in den USA bleiben, aber nicht die ganze Zeit bei mir sein. Markus war früher Profi-Radfahrer und hat viele Freunde in den USA. Er wird also nur ein paar Tage bei mir dabei sein, bei den Highlights durch Monument Valley oder die Rocky Mountains. So ist es eine gute Mischung: Ich mache den Großteil allein, aber bei den besonderen Highlights ist Markus dabei.
Dein Buch war ein Bestseller und der Film ist ebenfalls jetzt angelaufen. Wie ist die Resonanz darauf?
Der Film läuft gerade auf Netflix und kommt sehr gut an. Ich kenne zwar nicht die genauen Zahlen, aber ich erhalte täglich etwa 20 bis 30 Nachrichten über Social Media von Leuten, die den Film auf Netflix gesehen haben und begeistert sind. Vor allem aber merke ich, dass ich derzeit etwa 1.000 bis 2.000 neue Abonnenten auf Instagram pro Tag habe. Ein großer Teil davon kommt von Netflix, wo die Leute mich vielleicht schon mal in den Medien gesehen haben, aber erst durch Netflix wirklich auf mich aufmerksam wurden. Ich würde sagen, der Film wird von mehreren tausend Menschen täglich gesehen. Das Buch war fünf Monate lang auf der Spiegel-Bestsellerliste und ich schätze, dass bisher über 100.000 Exemplare verkauft wurden, wenn man die Audio- und E-Book-Versionen mit einrechnet. Das ist wirklich großartig.
Schön, dann hoffen wir, dass du weiterhin so großen Erfolg hast und viel Spaß auf deiner Tour quer durch die USA!
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