Es ist offiziell: Das neue Jahr hat angefangen! Aber was werden die Fahrrad-Trends 2022? Fahren wir nur noch E-Bike? Welche neue Laufrad-Größe wird sich etablieren? Und wie oft schaffen wir es, „Gravel Bike“ in unsere Prognose für 2022 einzubauen? Die Redaktionen von Rennrad-News, MTB-News und E-MTB-News haben sich darüber den Kopf zerbrochen – letztes war die Trefferquote gar nicht schlecht. Wir sind gespannt, wie es dieses Jahr wird.
Als wir im vergangenen Jahr unsere Köpfe zusammengesteckt haben, um unsere Prognosen für 2021 abzugeben, haben wir wohl alle damit gerechnet, dass 2022 wieder ein wenig normaler, entspannter und besser vorhersagbar wird, als es beim abgelaufenen Jahr der Fall war. Doch schon jetzt lässt sich feststellen: 2022 wird mit Sicherheit kein normales Jahr – mal wieder. Aber was erwartet uns in den nächsten 12 Monaten in Bezug auf Rennräder, Mountainbikes, E-Bikes, neue Standards, Trends und Events? Wir haben unsere Kristallkugeln angeschmissen und wagen einen Blick in die Zukunft!
Wie gut waren unsere Prognosen überhaupt?
„Es darf an dieser Stelle ruhig mal zurückgeschaut werden, auch wenn Jahresrückblicke eigentlich nicht so mein Ding sind. Es soll auch nur kurz darum gehen, was 2021 tatsächlich aus der Vorhersage von 2020 eingetroffen ist, wo wir einen Haken hinter machen können. Zunächst das Abwegige: Das recycelte 26-Zoll-MTB lebt und wird das neue Fixie der Stadtbewohner. Zum Beweis hier 3 Instagram Accounts. Gleich weiter: Shimano 12-fach Rennradgruppen mit Funk sind gekommen, wie prognostiziert. Dass es gleich zwei auf einen Streich werden würden, konnte wirklich niemand ahnen. Und jetzt steht scheinbar die nächste 12-fach Gruppe mit Funk in den Startlöchern. Fürs MTB? Ich glaube nicht, ich tippe auf die GRX-Gravel-Gruppen – vielleicht auch eher Wunschdenken.
Bleiben wir einfach beim Gravel Bike: Es gehörte nicht viel dazu, vorherzusagen, dass sich hier noch ein paar Nischen auftun werden. Die von mir vorhergesagte Welle von Allroad-Bikes – schnellen Rennrädern mit Reifenfreiheit bis 35 mm oder etwas mehr – ist sehr klein ausgefallen. Aber dafür kamen dann in der zweiten Hälfte des Jahres noch einige Gravel Bikes, die sich dem Trend zur Vermountainbikung entziehen und mit weniger Reifenfreiheit und mehr Rennrad-Geometrie aufwarten. Zurück zu den Wurzeln sozusagen. Apropos zurück in die Zukunft: Im angesichts der Gravel-Flut schon fast vergessenen Cyclcocross-Bereich poppten gleich einige technisch spannende Neuerscheinungen auf, womit wir dann bald auch schon mitten in meiner ersten Prognose für 2022 sind.“
Jan Gathmann, Chefredakteur Rennrad-News.de
„Herrlich, zum Einstieg also direkt ein Prognosen-Check! Mein Kollege Jan hat den Rennrad- und Gravel-Bereich (Mini-Prognose: Das G-Wort wird in diesem Artikel noch häufiger auftauchen … ) abgedeckt. Schauen wir also auf die Prognosen, die wir im vergangenen Jahr zum Gelände-Radsport abgegeben haben. Hinter die Vorhersage, dass 2021 ein gutes Geschäftsjahr war, können wir einen goldenen Haken setzen. Jedenfalls für alle, die Sonderangebote und verfügbare Ware hassen. Events sind tatsächlich digitaler geworden – doch Rennen wie der Downhill World Cup in Les Gets oder die Straßenrad-WM in Belgien haben einmal mehr gezeigt, dass die Digitalisierung eher eine Übergangslösung ist und es live vor Ort dann doch viel, viel besser ist. Generell erfreulich: Der Fahrrad-Boom hat angehalten. Und für mein Empfinden haben die Konflikte im Wald, die zu Beginn der Pandemie durch unzählige Menschen in der Natur aufgetreten sind, insgesamt eher ab- als zugenommen. Das bedeutet nicht, dass alles perfekt ist. Aber später in diesem Artikel werden wir noch sehen, dass die Aussicht für (E-)Mountainbiker*innen im Wald eigentlich ganz gut ist. Insgesamt waren unsere Prognosen aus dem Vorjahr nicht schlecht. Teilweise haben wir aber die Geschwindigkeit der Entwicklungen etwas überschätzt. Aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben … “
Moritz Zimmermann, Testchef MTB-News.de
Made in Europe
„Nicht nur in der Fahrrad-Industrie hat die Pandemie für ein Umdenken hinsichtlich Produktionsstandorten geführt. Werden wir also in Kürze einen Umzug großer Bike-Hersteller nach Europa oder in die USA erleben? Wohl eher nicht, doch das Thema ist durchaus präsent und wirkt attraktiver als je zuvor. In Portugal, Bulgarien oder Polen gibt es tatsächlich bereits Anbieter für eine Komponenten- oder Rahmenproduktion, die den Trend erkannt haben und bereit sind, eine eventuelle Nachfrage zu erfüllen. Für mittelständische Unternehmen könnte das durchaus attraktiv sein. Wer in der Pandemie besonders schlechte Erfahrungen in Asien gemacht hat, wird also verlockt sein, 2022 so viel wie möglich in Deutschland und der EU fertigen zu lassen.“
Gregor Sinn, stellv. Chefredakteur MTB-News.de
Cyclocross is coming – jetzt aber wirklich!
„Seit Jahren kursiert auf Instagram schon der Hashtag #crossiscoming. Aber hier in Deutschland wollte der große Cyclocross Anklang irgendwie doch nicht kommen. Still und heimlich werkelten die Event-Veranstalter weiter und auf einmal hatte beispielsweise der Bombtrack NRW Cross Cup 2021 so viele Renn-Events im Kalender wie nie zuvor – trotz Pandemie. Und mit dem Wahoo Rival Cross startete eine neue, sehr ambitionierte und fein umgesetzte Rennserie mit Jedermann und Profi-Beteiligung, die anders als die großen Rennen sogar frei zugänglich übertragen wurde. Trainings-Rennangebote etablierten sich an vielen Orten. Spannend sind die Querfeldein-Rennen sowieso: Mit etwas Wetterglück bekommt man eine Mischung aus Schlammcatchen und F1-Überholmanövern zu den Pommes serviert. Millionen Belgier können nicht irren. Ich wette ein Sixpack Jupiler, dass Cross 2022 in Deutschland wirklich kommt.“
Jan Gathmann, Chefredakteur Rennrad-News.de
Light-E-MTBs: Wohin geht die Reise?
„Während manche Hersteller immer schwerere Performance-E-MTBs mit immer größeren Akkus auf den Markt bringen – Beispiel: Focus Jam² 2022 – Test findest du hier -, pushen andere Hersteller das Segment der Light-E-MTBs. Als Beispiele möchte ich hier das Specialized Kenevo SL und das jüngst vorgestellte Orbea Rise H nennen. Beide Modelle wiegen weniger als 20 Kilogramm, haben Motoren, die weniger mit brachialer Power, als vielmehr mit einem sehr natürlichen Fahrgefühl punkten wollen und verfügen über externe Range Extender, um auch Reichweiten-Fans glücklich zu machen.
Ich kann mir gut vorstellen, dass 2022 mehr Hersteller auf den Trend der Light-E-MTBs setzen und potente, leichte E-Bikes auf den Markt bringen, die im Uphill supporten und im Downhill agil und leichtfüßig zu bewegen sind. Welcher namhafte Hersteller 2022 mit einem neuen Light-E-MTB auf den Markt kommen könnte? Ich kann mir gut vorstellen, dass Haibike, Ghost oder Cube massiv an der Entwicklung eines leichten E-Mountainbikes arbeiten.“
Rico Haase, Chefredakteur EMTB-News.de
Mehr Rennen!
„Die Pandemie hat die Rennszene sicherlich nachhaltig beschädigt und es wird mehr als ein Jahr dauern, um wieder auf den alten Stand zu kommen. Mit der TrailTrophy hängt die zweite beliebte deutsche Enduro-Rennserie nach der SSES ihren Hut an den Nagel. Dafür hat Racement vor wenigen Wochen einen umfassenden Downhill-Kalender mit Rookies Cups, Downhill Cups und European Cups vorgestellt und dabei einige neue und spannende Destinationen als Ausrichter gewonnen. Auch der Downhill World Cup besteht immerhin wieder aus acht World Cups plus Weltmeisterschaft. Es wird sicherlich auch wieder mehr von Vereinen oder Initiativen organisierte Amateur-Events geben, die hoffentlich Nachwuchs und entsprechend wieder einen Markt für mehr Rennen schaffen! Bei so vielen Trail-Destinationen, die aktuell aus dem Boden sprießen, könnte sich ja jemand mal ein Herz fassen und ein cooles Renn-Event auf die Beine stellen.“
Gregor Sinn, stellv. Chefredakteur MTB-News.de
Biken mit der Familie: 2022 noch populärer
Der Fahrradboom zieht 2022 nicht nur generell Einsteiger an – auch der Nachwuchs und generell das Biken mit der Familie wird vermehrt eine wichtige Rolle für die Industrie spielen. Nicht zuletzt auf der BikeStage wurden in den letzten Jahren immer mehr Bikes und Zubehör für die kleinen Biker*innen angeboten, beispielsweise von Vpace, BMC oder ION. Dabei reicht die Palette mittlerweile vom kleinen 12″-Mountainbike-Laufrad bis hin zu satten Bikepark-Maschinen für jugendliche Nachwuchsbiker.
Auch für uns stand das Thema testtechnisch im Vordergrund: Mit dem großen Kinderanhänger-Vergleichstest und 6 Zugsystemen im Vergleich fokussierten sich gleich zwei Vergleichstests auf Produkte für das gemeinsame Biken mit Kids. Und wenn sogar der ehemals berühmteste Nachwuchsbiker der Welt, Jackson Goldstone, neuerdings für einen großen Energydrink-Hersteller fährt, kann man sich vorstellen, wo für einige die Reise hingehen könnte … meine Prognose: Das Kinderbike-Thema wird 2022 noch wichtiger!
Johannes Herden, Chefredakteur MTB-News.de
Reichweite statt Rennergebnisse
„Bleiben wir noch kurz beim Renn-Thema. Cyclocross kommt 2022 wirklich, Amateur-Events sind auf dem Vormarsch und um die Downhill-Rennen ist es auch ganz gut bestellt – das ist alles super! Worauf ich im kommenden Jahr aber besonders gespannt bin, ist ob der Trend des Disziplinen-Hoppings anhalten wird. Mit Jack Moir hat in der abgelaufenen Saison ein Vollblut-Downhiller die Enduro World Series gewonnen, Tim Cockpit Tom Pidcock gewinnt mal eben das olympische XC-Rennen und in der Off Season wechseln diverse Cross Country-Fahrer auf die Straße. Verrückte Welt! Wie soll das bloß weitergehen? Sehen wir Lewis Hamilton nächstes Jahr im Downhill World Cup? Und sticht Nino Schurter seinen Rivalen Mathias Flückinger im Zielsprint bei der Red Bull Rampage aus?
Ganz so verrückt wird es wohl nicht, aber der Trend, dass die Profis nicht mehr zwangsläufig in einer einzigen Disziplin glänzen, wird meiner Meinung nach anhalten. Klar wird es auch weiterhin Phänomene wie Greg Minnaar oder Nino Schurter geben, die eben in ihrer einen Disziplin aktiv sind. Aber insbesondere unter den jüngeren Fahrerinnen und Fahrern könnte das Disziplinen-Hopping zunehmen. Dafür spricht, dass man sich heutzutage selbst als Racer*in nicht mehr nur über reine Rennergebnisse definiert, sondern eben auch über Likes, Reichweite und Youtube-Abonnenten. Und wenn sich sowas in der EWS besser umsetzen lässt als im Downhill World Cup, dann verschiebt man eben seinen Fokus. Auch der Wechsel von der Straße ins Cross Country-Gelände dürfte für viele Fahrerinnen und Fahrer attraktiv sein, zumal die Cross-Rennen im Winter die perfekte Ergänzung für beide Richtungen sind. Mit Jackson Goldstone, Kade Edwards und Co. wird es wohl nur noch eine Frage der Zeit sein, bis ein Downhill-Weltmeister mal wieder bei der Red Bull Rampage mitfährt. Rennen sind auf keinen Fall out, aber die Reichweite wird 2022 (fast) genauso wichtig wie die reinen Resultate.“
Moritz Zimmermann, Testchef MTB-News.de
Elektrifizierung des Mountainbikes
„Ich erzähle sicherlich niemandem etwas komplett Neues, wenn ich prognostiziere, dass die Elektrifizierung von Komponenten am Mountainbike fortschreiten wird. Elektrische Schaltwerke sind gekommen, um zu bleiben, und mit dem RockShox Flight Attendant System haben die US-Amerikaner den Grundstein für teil-automatisierte Fahrwerke gelegt. Technisch beschränkt sich das System zwar aktuell noch darauf, zwischen verschiedenen passenden Dämpfungs-Modi zu wählen, das Innovationspotenzial ist hier allerdings hoch und wir könnten in den kommenden Jahren wesentlich komplexere Systeme sehen. Auch die Konkurrenz von Fox schläft natürlich nicht und hat mittlerweile eine spannende 2.0-Version des bekannten Live Valve-Systems an bestimmten Bikes vorgestellt. Die logische Konsequenz elektrischer Fahrwerke wären natürlich entsprechend ausgelegte Räder. Wozu bei der Kinematik-Auslegung noch Kompromisse für eine bessere Effizienz eingehen, wenn hier die Elektronik übernehmen kann und jede Pedalumdrehung in Vortrieb umwandelt? Bis es soweit ist, werden wir uns allerdings noch etwas gedulden müssen!“
Gregor Sinn, stellv. Chefredakteur MTB-News.de
Begriffserklärung dringend gesucht
Natürlich bleibt das Gravel Bike einer der Trends schlechthin und es werden sich weitere Nischen in den Spielarten bilden. Mehr Federung am Gravel Bike wird auf jeden Fall kommen – sei es in Form von neuen Federgabeln, Vorbauten, Federsattelstützen oder integrierten Lösungen. Und während es bei der Reifenfreiheit auf der einen Seite stetig weiter Richtung 29er geht, geht es auf der anderen zurück zum Rennrad. Deshalb wünsche ich mir jetzt mal etwas für 2022, stellvertretend für viele Verbraucher, die bei der Vielfalt der Namen nicht mehr durchblicken. Neue, eindeutigere Marketing-Bezeichnungen (ja, echt!): Meine Vorschläge jenseits der Gravel Bike-Mitte:
- Race Gravel Bike (das neue Gelände-Rennrad)
- Bikepacking Gravel Bike (alles mit Komfort und vielen Montagepunkten)
Jan Gathmann, Chefredakteur Rennrad-News.de
Kurzhubig unterwegs
„Im vergangenen Jahr waren wir uns recht einig, dass die Down Country-Kategorie noch stärker auf dem Vormarsch sein wird. In Bezug auf die Anzahl der Artikel auf MTB-News, in deren Titel „Down Country“ vorkommt, liegt 2020 mit 2021 praktisch gleichauf – hat sich das also nicht bewahrheitet? Meiner Meinung nach schon: Dass die Mixtur aus aufgepumptem XC-Federweg in Kombination mit Variostütze und etwas flacherem Lenkwinkel noch wichtiger werden wird, lässt sich nämlich besonders anschaulich exemplarisch an einem Bike festmachen: Dem neuen Cross Country-Superbike Scott Spark. Das futuristische XC-Fully mit Bold-Genen ist das aktuelle Rad von XC-Star Nino Schurter, verfügt über – für XC-Verhältnisse fast revolutionäre – 120 mm Federweg sowie in 12 der gleich 17 Ausstattungsvarianten über eine Variostütze. Auch wenn man das Wort „Down Country“ seitens Scott offiziell nicht in den Mund nimmt, scheint die grundsätzliche Richtung vorgegeben – erst recht, wenn ein großer Player wie Scott das offizielle XC-Race Fully in diese Richtung trimmt. Kurz und knapp: Vielleicht wird „Down Country“ als Begriff nicht viel stärker verbreitet, die Kategorie der potenten Kurzhuber-Fullys mit Variostütze indes definitiv.“
Johannes Herden, Chefredakteur MTB-News.de
Mehr ist mehr
Mein Kollege Hannes hat mit dem Scott Spark schon eines der Bikes, die das vergangene Jahr maßgeblich geprägt haben, angesprochen. Ein XC Race-Fully mit 120 mm Federweg – ist das überhaupt noch XC Race? Wieso haben viele Trail Bikes mittlerweile 150 oder gar 160 mm Federweg? Und wie entwickeln sich im kommenden Jahr Enduros?
Dass die Entwicklungen in der Mountainbike-Welt zyklisch sind, ist nun wahrlich keine neue Erkenntnis. Wenn der Federweg-Standard im XC-Bereich nun 120 mm, im Trail-Segment 160 mm und im Enduro 180 mm wird, dann kommen die Hersteller früher oder später halt auf die Idee, besonders effiziente XC-Fullys mit 100 mm, kurzhubige Trail Bikes mit 130 mm oder eher verspielte, agile Enduros mit „nur” 160 mm hinterherzuschieben. So weit, so bekannt. Allerdings haben sich Geometrien in den vergangenen Jahren deutlich nach vorn entwickelt und auch die von Gregor bereits angesprochenen elektronischen Fahrwerk-Systeme könnten dazu führen, dass die gewachsenen Federwege eine dauerhafte Entwicklung sind. Gut möglich, dass Fullies zukünftig bei 120 mm Federweg im XC-Bereich beginnen und mit jedem Segment um 30 mm wachsen.
Moritz Zimmermann, Testchef MTB-News.de
Neue Motoren von Bosch, Fazua und Brose?
„2021 stellte Bosch das neue Smart System vor. Streng genommen handelt es sich hierbei um ein Motor-System für E-Mountainbikes, bei dem diverse Bestandteile erneuert wurden, aber das Herz, nämlich der Motor selbst, bis auf ein Update in der Stecker-Architektur gleich geblieben ist. Der Motor an sich, ein Bosch Performance CX Gen4, ist bereits seit 2019 auf dem Markt. Ursprünglich kam er mit 75 Nm, verfügt aber nach einem Software-Update über 85 Nm. Im Prinzip ist dieser Motor noch immer auf der Höhe der Zeit. Ein Nachfolger könnte ich mir nicht vor 2023 vorstellen.
Was ich mir bei Bosch aber vorstellen könnte ist, dass ein kompakteres Aggregat mit weniger Leistung kommt, welches perfekt in Light-E-MTBs passt. Nach unserer Definition haben Light-E-MTBs ein maximales Drehmoment von bis zu 60 Nm. Genau hierfür könnte Bosch einen passenden Motor bringen. Wahrscheinlich(er) ist allerdings, dass der deutsche Hersteller kein wirklich neues Produkt mit weniger Einbauvolumen und Gewicht bringt, sondern eher einen gedrosselten CX-Motor.
Neue Motoren von Fazua oder Brose? Nun, der Brose Drive S Mag hat schon einige Jährchen auf dem Buckel und machte seit dem Sommer 2020 mit so manchem Problem auf sich aufmerksam. Von Riemenrissen war immer wieder die Rede. Insider vermuteten schon, dass Specialized im neuen Levo Gen3, welches im Frühjahr 2021 vorgestellt wurde, einen anderen Motor verbauen würde. Aber Pustekuchen, auch im aktuellen Specialized Turbo Levo werkelt der bekannte Motor. Ich kann mir vorstellen, dass Brose frühestens Ende 2022 einen neuen Motor vorstellen wird. Dieser könnte kleiner und leichter werden und eventuell sogar auf den speziellen Klemmkörperfreilauf mit Riemen verzichten.
Sehr wahrscheinlich ist es, dass Fazua mit einer neuen Drive-Unit kommt. Der aktuelle Fazua-Motor ist gut, aber im E-Mountainbike wenig vertreten. Zu „schwach“ war hier in der Vergangenheit die Leistungsentfaltung und zu klein der kompakte Akku, der nur 252 Wh Kapazität besitzt. Hier könnte ich mir vorstellen, dass bereits früh im Jahr 2022 ein vollkommen neuer Motor auf den Markt kommt. Er wird auch weiterhin von den Leistungsdaten für Light-E-MTBs gedacht sein und nicht mehr als 60 Nm max. Drehmoment leisten, aber wahrscheinlich mit einem Akku kommen, der mehr als 300 Wh und vielleicht sogar einen kompakten Range Extender besitzt.“
Rico Haase, Chefredakteur EMTB-News.de
Trailbau-Stimmung im Wald
„Egal ob Schladming, Winterberg, Grenztrail-Großprojekt, Katzenkopf Leutasch oder neue Pumptracks: Man bekam 2021 auch bei uns in den News das Gefühl, dass viel Neues in Wäldern und auf Wiesen entsteht. Und auch ich erfahre mittlerweile, seitdem ich persönlich vor Ort in unserer Kleinstadt in der Planung möglicher neuer Projekte involviert bin, aus erster Hand, was in unserer direkten Nachbarschaft in der Region passiert. Allein 2021 sprossen hier viele neue Vereine aus dem Boden, formierten sich Mountainbike-Planungsgruppen und wurden neue Asphalt-Pumptracks gebaut. Gefühlt herrscht ein Hauch von Goldgräberstimmung – wie schon Kollege Moritz im letzten Prognose-Artikel schrieb: „Diese Chance muss genutzt werden, indem mehr (legale) Möglichkeiten für Mountainbiker im Wald geschaffen werden.“ Genau das passierte vielerorts in 2021 und ein Ende scheint auch 2022 nicht in Sicht. Meine Prognose lautet daher, dass besonders 2022 viele neue, legale Mountainbike-Areale und Trails gebaut werden. Erstens aus Gründen des neuen MTB-Booms, zweitens aus Gründen der Konfliktvermeidung (siehe auch mehrere Mountainbike-TV-Ausstrahlungen: BR-Doku, Tagesthemen Pfälzer Wald, WDR Lokalzeit) mit anderen Waldnutzern.“
Johannes Herden, Chefredakteur MTB-News.de
Elektro-12-fach wird Mainstream – Mechano-10-fach ist nicht out
„Nachdem Shimano jetzt den Schritt zu 12-fach Funkschaltung am Rennrad gemacht hat und SRAM mit den neuen AXS XPLR-Gruppen die 12-fach Schaltung am Gravel Bike forciert, ist von Shimano noch eine Antwort in Form einer funkgeschalteten Gravel-Gruppe zu erwarten. Dass Ultegra Di2 und Dura Ace Di2 12spd gleichzeitig kamen, spricht dafür, dass die Japaner von ihrer Tradition des Abwartens abkehren. Und integrierte Cockpits sind längst keine Domäne von Aero-Rennrädern mehr, sondern werden auch in der Gravel- und Cyclocross-Bike-Welt die Regel werden.
Aber leider schiebt die Pandemie die Lieferfristen immer weiter vor sich her. Noch sind nicht viele Bikes mit den neuen Shimano-Gruppen wirklich im Handel. Verbunden mit Preissteigerungen wird so 10-fach in 2022 an vielen Roadbikes der Preisklasse unter 1.500 € eher die Regel sein als die Ausnahme.“
Jan Gathmann, Chefredakteur Rennrad-News.de
Shrink it? Shred it!
„Ich war zum Glück nie bei solch einer Besprechung einer Marketing-Abteilung dabei. Doch über Jahre hinweg lautete der Ansatz der Fahrrad-Branche, wenn es um frauenspezifische Produkte ging, Gerüchten zufolge nahezu immer „Pink it and shrink it” – alles eine Nummer kleiner ausführen, pinke Farbe drauf, vielleicht noch hier ein hübscher Schmetterling oder ein süßer, verspielter Schriftzug und fertig ist das Produkt, von dem die Frauen geträumt haben. Gleichzeitig wunderte man sich, wieso viele Frauen einfach keinen Bock aufs Mountainbiken hatten.
Nun gut, die Zeiten sind endlich dabei, sich zu wandeln, und die Bikes werden nicht mehr gepinkt und geshrinkt, sondern geshreddet. Rund um den Globus machen Freeriderinnen wie Casey Brown oder Veronique Sandler mittlerweile ihr eigenes Ding, stampfen Wettbewerbe und Riding Sessions aus dem Boden und sind dabei, ein Gegenstück zur legendären Red Bull Rampage aus dem Wüstensand zu buddeln. Im Downhill-Rennsport gibt es mit Vali Höll, Nina Hoffmann oder Tahnée Seagrave Vorbilder, die authentisch rüberkommen und unfassbar gut Fahrrad fahren. Und die XC-Rennen der Frauen sind schon seit Jahren an Spannung kaum zu überbieten. Und auch im ganz normalen Mountainbike-Alltag sind immer mehr Frauen auf den Trails anzutreffen. In den USA und Kanada hat diese Entwicklung schon vor einigen Jahren begonnen, hierzulande wird der Trend in 2022 hoffentlich noch mehr Fahrt aufnehmen. Wünschenswert wäre es allemal. Marketing-Machos, die pinke Fahrräder und Schmetterling-Dekore als geistreiche Erfindung abfeiern, und Tastatur-Ritter, die sich in den Kommentar-Sektionen über den Gender-Stern beschweren, sind hingegen komplett out. Gut so.“
Moritz Zimmermann, Testchef MTB-News.de
Rennrad und Rennrad-Kleidung für den Alltag
„Die Voraussetzungen für eine kleine Verkehrswende sind günstig. Auch wenn gerade hier nichts so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird, ist absehbar, dass wir mehr Rennräder mit Licht und Schutzblechen und dergleichen wenig ambitioniert aussehenden, aber wirklich praktischen Alltags-Ausstattungen sehen werden. Auch, wenn ich ansonsten noch nicht recht an den Durchbruch des E-Roadbikes glaube: an dieser Stelle könnte es sich bereits früher fest als Alternative etablieren.“
Jan Gathmann, Chefredakteur Rennrad-News.de
Das Fahrrad ist die neue Mobilität
Es war eines der Bilder der vergangenen Bundestagswahl: Cem Özdemir wird im Schloss Bellevue vom Bundespräsidenten zum neuen Landwirtschaftsminister ernannt, schnallt die Ernennungsurkunde auf den Gepäckträger seines E-Bikes und fährt damit anschließend zurück ins Reichstagsgebäude. Ob man dies nun für Symbolpolitik hält oder nicht, spielt eigentlich keine Rolle – das mediale Echo war enorm.
Für uns innerhalb der Redaktion ist das Fahrrad, egal in welcher Form, ein enorm wichtiges Fortbewegungsmittel. Diese Entwicklung ist auch in der gesamten Gesellschaft zu sehen. So entstehen nicht nur Flowtrails im Wald und Pumptracks in den Dörfern und Städten, sondern Fahrrad-Schnellstraßen, Umweltspuren in den Städten und mehr Radwege. Keine Frage: Hier hat Deutschland noch einen enorm großen Nachholbedarf, doch die Entwicklung geht in die richtige Richtung. Lastenräder sind in urbanen Gegenden keine Seltenheit mehr und E-Bikes haben vielen Menschen ganz neue Möglichkeiten eröffnet – sei es zum Pendeln, zum Wochenend-Ausflug oder für Radreisen.
Firmen wie Canyon arbeiten an Mobilitäts-Lösungen für den urbanen Raum und auf der IAA Mobility ist das Fahrrad so präsent wie nie zuvor. Plötzlich blickt man nicht mehr nur auf die klassischen deutschen Auto-Hersteller, sondern setzt die Hoffnungen in Fahrrad-Firmen, wenn es um die Radwende geht. Wird man Canyon, Rose und Cube bald in einem Atemzug mit Tesla, Tier und Uber nennen? Fest steht: Das Fahrrad nimmt einen immer wichtigeren Stellenwert in unserer Gesellschaft ein und wird mehr und mehr zur neuen Mobilität. Dieser Trend wird – auch als kleiner Spoiler, was bei uns in diesem Jahr als großes Projekt ansteht, schonmal vorneweg – 2022 fortgeführt!
Moritz Zimmermann, Testchef MTB-News.de
Was meinst du: Mit welcher unserer Prognosen liegen wir goldrichtig? Und was wird sich im Nachhinein betrachtet als Quatsch herausstellen?