Willsse mal im Ruhrpott graveln? Dann musste hier die Geschichte lesen! Mit dem Gravel Bike an die Drehorte von Schimanski, Bang Boom Bang, zu ehemaligen Zechen und Stahlwerken und immer wieder Höhenmeter sammeln auf Halden. Eine Reisereportage von Einheimischen und Zugereisten für ebensolche.
Ein grauer Koloss in Westen Deutschlands. Durchzogen von Autobahnen, Eisenbahnen und Schnellstraßen, die sich durch Industrieanlagen, Fabriken und viel zu enge Wohnsilos schneiden. Dazwischen rauchende Schlote, krachender Lärm und kleine spießbürgerliche Arbeitersiedlungen. Da will man nicht hin. Da ist schlechte Luft und überall Lärm. Entweder steht man im Stau auf der A40 (liebevoll größter Parkplatz des Ruhrgebiets genannt) und lauscht Herbert Grönemeyers „Bochum“ im Radio, oder man sinniert über Schalkes Abstieg bei Siggi an der Trinkhalle und genießt sein Feierabend Bier, während man sich die Flöz Überreste aus den Ohren puhlt. Ok – ein wenig überzeichnet, aber tatsächlich soll es noch Menschen geben, die dieses Bild vom Ruhrpott vor sich haben. Und tatsächlich: Soooo lange ist das noch gar nicht her.
Das Ruhrgebiet ist auch heute noch, mit seinen rund 5 Millionen Einwohnern und etwa 4500 km² Fläche, der größte Ballungsraum Deutschlands und der viertgrößte Europas. Jahrzehntelang hat der Steinkohlebergbau die Wirtschaft hier vorangetrieben und die Städte und die Landschaft nachhaltig geprägt. Im Verlauf der Geschichte gab es über 2000 Zechen im Ruhrgebiet, die das Erdreich durchlöchert haben. So gesehen steht also der ganze „Pott“, mit seinen fünf Kernstädten Duisburg, Essen, Bochum, Dortmund und Hagen, auf einem gigantischen Schweizer Käse. Das Ende des Kohleabbaus wurde in den 50er Jahren mit der Kohle und Stahlkrise eingeleitet und ein jahrzehntelanger Strukturwandel – bis heute – setzte sich in Gang. Erst 2018 schloss die letzte Zeche (Prosper Haniel) ihre Pforte und das große Buddeln war vorbei. Zu aufwendig, zu ineffizient und letztendlich aus ökologischer Sicht auch nicht mehr zukunftsfähig. Mittlerweile hat sich die Region stark gewandelt. Die alte „dreckige“ Bergbau Ära ist beendet und hat Platz gemacht für Dienstleistung, Forschung, Kultur und Tourismus. Viele Zechen und Hochöfen sind als Industriedenkmale zu touristischen Magneten geworden. Aus einfachen Arbeitersiedlungen wurden teils schöne Wohngebiete, es entstanden große Universitäten und aus einigen Innenstädten wurden wahre Kultur- und Shoppingmeilen, während sich in den Innenstadtrandlagen teils hippe Szeneviertel entwickelten. (z.B. Rü, Kreuzviertel, Ehrenfeld).
Zunächst mit dem Downhillbike verwachsen
als Profi durch Europa gezogen. Mittlerweile seit ca. 18 Jahren als Fotograf unterwegs, unter anderem auch im Ruhrgebiet.
beim ersten Mountainbike Enduro Rennen,
welches in Deutschland ausgetragen
wurde. Sie siegte souverän und beendete
Ihre Karriere danach. Dem Gravel Bike stand sie vor der Tour skeptisch gegenüber.
Enduro Pilot. Mittlerweile ist er professioneller
Weltenbummler und bringt von überall spannende Geschichten mit, die er auch auf Rennrad-News und MTB-News veröffentlicht.
Auch wenn von dem einst so schmoddrigen Ruhrgebiet nicht mehr viel übrig ist, zieht sich auch heute noch die A40 wie ein Sozialäquator quer durch den Pott und teilt ihn in den „reichen Süden“ und den „armen Norden“. Und genau dort im Norden hat sich eine phänomenale Spielwiese für Gravel Biker entwickelt, denn die ganze Erde, die neben der Kohle aus der Tiefe gefördert wurde, liegt links und rechts hübsch aufgeschüttet auf dekorativen Halden, die wir per Gravel Bike easy erklimmen können.
Easy? Naja – es kommt drauf an, wie viele man am Tag aneinander reiht. Aber dazu später mehr. Um von Halde zu Halde zu kommen, gibt es auf den unzähligen Eisenbahnlinien, die früher Zechen, Stahlwerke und Kokereien verbunden haben, mittlerweile ein exzellentes Fahrradwegnetzwerk, das wir uns zunutze machen.
Um zu zeigen, wie tiefgreifend der Wandel sein kann, starten wir weit im Westen. Hier ermittelte einer der beliebtesten Tatort Kommissare aller Zeiten – auch weil er eine Wende in der Reihe gradliniger Fernsehkommissare markierte. Er hatte keinen Tagesrhythmus, fluchte, prügelte, trank Alkohol und sah die Currywurst als Grundnahrungsmittel an. Und so ist es für uns ganz klar, dass unsere Gravel-Tour in der Horst Schimanski Gasse in Duisburg Ruhrort beginnt. Nicht unweit von hier mündet die Ruhr (die dem Pott seinen Namen verleiht) in den Rhein.
Wir tauchen direkt hinein in den Moloch des Duisburger Hafens. Europas größter Binnenhafen. Hier reihen sich Containerschiffe aneinander, osteuropäische LKW stehen vor dunklen Lagerhallen und manche windigen Gestalten komplettieren das Bild. Würde jetzt Kommissar Schimanski um die Ecke kommen und einen Ganoven in Handschellen abführen – uns würde es nichtmal wundern.
Nahezu nahtlos radeln wir in Duisburgs Innenhafen und stehen inmitten modernster Bürogebäude, die promenadenmäßig am Wasser gelegen sind. Hier dümpeln kleine Motoryachten an der Kaimauer, die mit schicker Gastronomie gepflastert ist und an deren Ende das renommierte Museum Küppersmühle liegt. Und so haben wir eigentlich schon vier Kilometer nach unserem Start die krassen Kontraste, die das Ruhrgebiet liefert, perfekt erlebt.
Wir bleiben an der Ruhr und radeln flussaufwärts ans Städtedreieck Duisburg / Oberhausen/ Mühlheim. Das einzige, was man hier nicht sieht, sind Städte. Kurz nachdem wir die A3 passiert haben, stehen wir also mitten in der Natur. Um uns herum nur Grün, quakende Enten und das seichte „Rauschen“ der Autobahnen A3 und A40, die nicht weit entfernt sind. Wieder einer dieser Kontraste, die das Ruhrgebiet ausmachen.
Weiter geht es gen Norden, zum stillgelegten Hüttenwerk in Duisburg-Meiderich. Hier entstand rund um das alte Werk ein gigantischer Landschaftspark, der auch uns zum Erkunden der Industrieanlagen einlädt. Mit den Gravelbikes ist es ideal, zwischen den Hochöfen, Kaminen und allerhand Rohren durchzufahren. Der Landschaftspark Duisburg Nord ist einer der Ankerpunkte der Europäischen Route der Industriekultur sowie der Route der Industriekultur im Ruhrgebiet. Wir könnten hier spielend den halben Tag verbringen, aber leider drängt die Zeit. Weiter geht es Richtung Oberhausen über die spektakuläre „slinky springs to fame“ Brücke, vorbei am Shoppingwahnsinn des „Centro“ und dem gigantischen (und immer wieder mit tollen Ausstellungen bespielten) Gasometer Richtung Bottrop.
Unser Ziel ist die Halde Haniel. Mit 184 m über Null die zweithöchste Halde im Pott und vom Umgebungsniveau immer noch knapp 160 m hoch. Für uns also das Brett zum Nachmittag. Schnell noch bei unserem Kumpel Daniel rein, der am Fuß der Halde seinen BikeShop WatzUp betreibt und uns noch ’nen Riegel für die Auffahrt mitgibt.
Oben bietet sich ein spektakulärer Rundblick. Alle ziehen die Handys, um die Insta-Stories zu füttern. Eben noch fuhren wir auf ausgewaschenen Schottertrails durch dichten Wald und innerhalb Sekunden liegt uns halb NRW zu Füßen. Im Süden das Ruhrgebiet, dicht bebaut, und im Norden nichts als Wald und Grün. Der Blick geht fast bis ins Münsterland. Und wir selbst stehen in einer Landschaft, die dem Mars ziemlich ähnlich zu sein scheint. Schotter und Staub, sowie merkwürdige Steelen die zur Installation „Totem“ gehören.
Es wird sich im Verlauf unserer Reise noch herausstellen, dass nahezu jede Halde eine Landmarke auf ihrer Spitze trägt, die eine Geschichte zu erzählen hat. Daher machen wir uns auf den Weg zur wohl bekanntesten Landmarke, dem Tetraaeder, einer dreiseitigen Pyramide auf der Halde Beckstraße in Bottrop, die mit 90 m (über Umgebungsniveau) knapp an der 100 m Höhe kratzt. Wir gönnen uns die gut 40 m on top und kraxeln die Stufen bis in die Spitze der Pyramide hoch. Hier macht es Sinn, den Blick schweifen zu lassen, wenn man schwindelfrei ist. Die Aussicht ist abermals spektakulär und wer hier ganz genau hinsieht, kann sogar Außerirdische sehen und damit meine ich nicht die Skifahrer, die in Giradellis Skihalle hineingehen!
Nur wenige Kilometer entfernt erklimmen wir die Mottbruchhalde, die noch weitgehend un-renaturiert ist (was für ein Wort). Trotz der Baustelle zweier gigantischer Windräder erinnert der Krater an einen Vulkan. Ätna Feeling in Bottrop Boy. Tobi zieht das Tempo an. Gleich soll noch das nächste Stück auf das Windrad gehievt werden, das gerade am Kraterrand errichtet wird. Das wollen wir nicht verpassen. Wenn man bedenkt, dass wir auf acht Millionen Tonnen Abraum stehen und die Halde ursprünglich für 30 Millionen Tonnen konzipiert war, dann erahnt man, in welchen Dimensionen hier gegraben wurde.
Jetzt sind wir heiß auf noch mehr Höhenmeter und steuern auf Gelsenkirchener Boden die Halde Rungenberg an. Hier winden sich kleine Trails in schier endlosen Schleifen und Windungen den Berg hinauf, bis man auch hier wieder in einer skurrilen Mondlandschaft landet. Tief unter uns liegt die Schalke Arena und wenn man genau hinhört, hört man ein leises Wimmern.
Und obwohl die Halden wirklich nah beieinander liegen, verliert man während der Auffahrt meist komplett die Orientierung, da der Bewuchs sehr üppig und die Anzahl der Wege und Pfade enorm ist. Oben muss man das zuvor erlernte Bild neu justieren. Man findet zwar alle Landmarken wieder, aber irgendwie scheinen sie neu geordnet. Auf der Spitze der Halde Rungenberg haben ein paar Jungs ihre Bassbox aufgebaut und schleudern ein paar Sommerbeats in den Abend Himmel. Jetzt ein Bierchen wäre traumhaft – stattdessen nuckeln wir an unseren Iso Drinks. Das müssen wir ändern.
Als Nächstes wartet nun die Schurenbachhalde im Essener Norden auf uns. Duisburg, Oberhausen, Bottrop, Gelsenkirchen, Essen – alles innerhalb weniger Kilometer. Ein Straßen- und Radwegnetz, welches engmaschiger ist, als die meisten Netzstrumpfhosen der leicht bekleideten Damen aus dem Duisburger Hafen. Meist merkt man nicht mal, dass man von einer in die andere Stadt radelt, so eng verwachsen sind die Metropolen hier im Ruhrgebiet und so grün eingefasst die Radwege, die sich zu großen Teilen auf alten Eisenbahntrassen befinden. Schnell noch am Trassentreff ‘ne Brause und über die Bogenbrücke des Nordsternparks ab Richtung Schurenbachhalde.
Die Schurenbachhalde liegt neben dem sehenswerten Nordsternpark, der wiederum größtenteils auf Gelsenkirchens Stadtgebiet liegt. Die Halde selbst wurde kürzlich durch den Bramme MTB trail erweitert, den wir als eingefleischte Mountainbiker gerne nutzen. Oben on top bietet sich abermals ein surreales Bild. Eben noch mitten im Moloch der Großtadt und jetzt hoch oben auf einer Schotterebene, die von Grün umrandet ist. Enger können Kontraste sich beieinander liegen.
Wir genießen kurz die Aussicht, Tobi macht seine zweihundertste Insta Story und entdeckt am Horizont ein paar Türme, die wie Orgelpfeifen aufgereiht sind. „Da will ich hin“, sagt er, und obwohl es nicht auf unserer Route liegt, ist es klar, dass man diesen Spot gesehen haben muss. Was Tobi entdeckt hat, sind die Schlote der Kokerei auf Zollverein.
Die Zeche Zollverein im Essener Norden wird nicht umsonst als „Eiffelturm des Ruhrgebiets“ und „schönste Zeche der Welt“ bezeichnet. Sie ist sogar seit 2001 Welterbe der UNESCO. Und das alles zu Recht. Die Architektur ist gewaltig und der Umbau für die Umnutzung zu kulturellen Zwecken fantastisch gelungen, auch wenn es Kritiker gibt, die sagen, zu viel der Originalsubstanz sei bei der Umwandlung zerstört worden. Die Kokerei ist mit Ihrer großen Wasserfläche und dem angrenzenden Kaffee ein kleiner Geheimtipp. Den großen Geheimtipp (das kostenlose Zechenschwimmbad) entdeckt man dann von ganz allein. Schacht 12 ist gewaltig. Das ehemalige Kesselhaus, in dem heute das Designzentrum NRW beheimatet ist, wirkt monumental – wie der gesamte Komplex. Das Ruhrmuseum, welches in der Kohlenwäsche beheimatet ist, sollte man mal besucht haben. In meinen Augen liegen Verfall und Erhalt nirgends so nah beieinander wie hier auf Zollverein. Nach einigen Runden über das große Areal, auf dem es noch viel mehr zu entdecken gibt, fahren wir weiter gen Osten und stellen uns der nächsten Herausforderung.
Die Halde namens „Rheinelbe“ steht auf dem Programm. Nicht ganz so hoch wie manch andere zuvor, aber ziemlich ansehnlich und ab und zu auch richtig heiß. Ein Monolith aus Betonkuben ziert die Spitze – genannt Himmelstreppe. Die Halde Rheinelbe zieht uns fast die letzten Körner aus den Satteltaschen. Die letzten Meter über die steile Himmelstreppe nehmen wir zu Fuß. Der Gipfel ist heute gut besucht. Ein overequipter HighTech Jogger, vier bierbäuchige E-Biker, ein turtelndes Pärchen, sowie zwei grimmig schauende Gangster Rapper bilden das Gipfelteam des heutigen Nachmittags. Exzessives Kontrastprogramm hoch über Wattenscheid. Und dann sind da noch wir drei Gravelköppe, die Wetten abschließen, ob man die steile Schotterrampe runterfahren kann oder nicht. Ich sage ja, nachdem aber auch von den Außenstehenden schon mehr als 50 Euro auf mein Scheitern gesetzt wurden, breche ich den Versuch dann doch besser ab.
Zügig graveln wir den Berg hinab und biegen wieder auf die Trasse ein, die uns am Schalke Kiosk vorbeiführt. Das leckere Pilsken haben wir uns jetzt aber auch verdient. Von hier geht’s weiter Richtung Norden- ab zur Bismarckstraße nach Gelsenkirchen. Und tatsächlich: Vielleicht nicht ganz so krass wie manche Ecke in Duisburg Marxloh, aber Lesen können wir hier kaum eine Schaufenster Beschriftung. Arabisch und Türkisch prägen weite Teile des Straßenzuges. Und das ist auch kein Wunder, denn das „Wirtschaftswunder“ der 50er Jahre hat das Revier zu großen Teilen den tausenden Gastarbeitern zu verdanken, die auf dem Balkan angeworben wurden. Hier in Bismarck sind diese Spuren besonders deutlich und lebhaft. Bei einem guten vegetarischen Gemüsedöner (ja, die Zeit ist auch hier nicht stehen geblieben, ihr alten Phosphatschlauch Griller) und einem kühlen Ayran stärken wir uns für die Weiterfahrt.
Als kleinen Geheimtipp für Cineasten (immerhin starteten wir ja in der Schimanski Gasse) und Rustikaltouristen biegen wir in den Ahlmannshof ein. Eine Wohnstraße, die unmittelbar an das Zechengelände Consolidation angrenzt und tatsächlich noch heute so aussieht wie vor 50 Jahren. So sind wir fast verwundert, dass uns hier kein Kumpel mit Brikett und Grubenlampe unterm Arm entgegenkommt. Ganz logisch also, dass genau diese Straße als Kulisse in Caroline Links Film „Der Junge muss an die Frische Luft“* diente. Viel originaler wird’s nicht.
Und wo wir schon hier sind, drehen wir direkt ein paar Kurven auf dem Gelände rund um die Zeche Consolidation. Die waghalsige Idee, hier in den alten Fördertürmen Luxuswohnungen zu installieren, wurde von den Stadtplanern und Investoren wieder verworfen. Auch wenn die Gentrifizierung in vielen Teilen des Ruhrgebiets unaufhaltsam ist, hier war es den Verantwortlichen dann doch zu heiß. Die Schere zwischen Arm und Reich wäre hier an dieser Stelle wahrscheinlich zu scharf geworden.
Nun radeln wir weiter südöstlich durch Bochum, vorbei an Planetarium und Bergbaumuseum, um schon bald wieder an der Ruhr zu stehen. Hier ist von „Pott“ nichts mehr zu sehen. Nur Natur, grün und seichte Hügel. Dazu ein paar Villenanwesen und der große Kemnader See, auf dem Segelboote ihre Runden ziehen.
Wir scheinen südlich der A40 zu sein… Durch Wald und Wiesen geht es Richtung Witten und wir alle drei haben mächtig Bock auf Fritten. Also ’ne schnelle Rast bei Eddis Durst und Wurst Express. Seit über 50 Jahren wird hier eine sagenhafte Currywurscht gebraten und hat Eddies Laden unter die Top3 der besten Pott-Pommesbuden katapultiert.
Ohne Kohlenhydratmangel geht es weiter Richtung Dortmund. Hier steht das Hochofenwerk Phönix West. Der Aufstieg und Niedergang eines Hochofenwerks lässt sich gut am Beispiel „Phoenix-West“ in Dortmund beobachten. Nach der Stilllegung folgte die Umgestaltung des Geländes mitsamt den anliegenden Schlackenhalden zu einem Gewerbe- und Naherholungsgebiet. Im Zentrum steht heute das alte Hochofenwerk als eindrucksvolles Industriedenkmal, eingerahmt vom großen Hoesch-Gasometer und der Phoenixhalle inmitten einer Anlage von breiten Boulevards, ausladenden Freitreppen, munter plätschernden Kaskaden und großen Plätzen.
Nun geht es weiter zum Phönixsee. Der Phoenix-See ist ein künstlich angelegter See auf dem ehemaligen Stahlwerksareal Phoenix-Ost im Dortmunder Stadtteil Hörde. Er wurde und wird als Vorzeigeprojekt für den Strukturwandel der Stadt Dortmund und des Ruhrgebiets diskutiert. In den anliegenden Villen sollen einige Tostars des BVB ihren Unterschlupf gefunden haben. Und tatsächlich – Mats Hummels steht am Balkon und feuert uns fanatisch an! (Vielleicht doch ein Bier zu viel gehabt?).
Wir fahren weiter östlich durch Aplerbeck und Sölde auf der Suche nach einem Schlusspunkt für unsere Tour, der ihr gerecht wird. Und da wir so stilvoll in der Schimanski Gasse begonnen haben, über zig Drehorte von „Das Wunder von Bern“ geradelt sind und die Strasse aus Kerkelings Kindheit besucht haben, können wir eigentlich nur da enden, wo auch ein Meilenstein deutscher Kino Geschichte sein Finale hatte. Der Kultfilm BangBoomBang (seit seinem Kinostart 1999 läuft er immer noch regelmäßig im UCI Bochum) hatte seinen Showdown am Flughafen Dortmund und so ist es klar, dass wir genau hier unser „high Five“ unter unser Pott Abenteuer setzen. Obwohl wir einen wilden ZickZack hingelegt haben, haben wir bei Weitem nicht alles gesehen, was es zu entdecken und zu ergraveln gibt. Maria, die eigentlich lieber auf dem Rennrad unterwegs ist, ist nun vollends überzeugt von den Möglichkeiten, die ein Gravel Bike bietet. Keine der Halden hätten wir auf seichtem Asphalt erklimmen können. Und selbst Tobias, der sonst in so entlegenen Gegenden wie Peru, Chile oder Kamchatka seine Abenteuer erradelt, kam oft aus dem Staunen nicht heraus und war begeistert von der Vielfalt hier im Pott. Mir selbst haben sich abermals neue Perspektiven erschlossen. Hier gibt es einfach zu viel zu sehen. Apropos “Sehen”: Jetzt erstmal ab zu Frankys Videothek, den neusten Film ausleihen… 😉
Grubenwissen – das Wörterbuch zur Gravel Tour
Außerirdische
Durch Neuarrangieren verschiedenfarbiger Schottersteine legte der Bottroper Fred Fischer von 2004 bis Anfang 2009 unterhalb des Tetraeders mehrere große stereotype Darstellungen von „Außerirdischen“. Nach einer in den öffentlichen Medien leidenschaftlich geführten Debatte um Für und Wider der ungenehmigten Aktionen einzelner Bürger, ließ der Regionalverband Ruhr am 18. Februar 2009 die ‘Figuren’ unterbaggern. Man kann sie aber auch heute noch erahnen – vor allem auf google Satellitenbildern.
BangBoomBang
Der Film Bang Boom Bang ist eine deutsche Filmkomödie aus dem Jahr 1999 und darf getrost als der Ruhrgebiets Kultfilm schlechthin bezeichnet werden. Der Film spielt in Unna in Westfalen, das neben Dortmund zugleich einer der Drehorte war. Mit Bang Boom Bang schaffte Peter Thorwarth mit fast einer halben Million Zuschauern seinen Durchbruch als Regisseur.
Bramme
Auf dem Scheitel der Halde findet sich als Landmarke die 1998 aufgestellte, 15 Meter hohe Skulptur „Bramme” für das Ruhrgebiet des amerikanischen Künstlers Richard Serra. Die Bramme ist mit ihren Breitseiten exakt nach Osten/Westen ausgerichtet und um 3° nach Süden geneigt.
Das Centro
Das Centro in Oberhausen ist ein Einkaufs- und Freizeitzentrum mit 125.000 m² Verkaufsfläche und insgesamt über 830.000 m² Betriebsfläche. Über 250 Einzelhandelsgeschäfte verteilen sich auf zwei, teilweise drei Ebenen des Einkaufszentrums. Die Coca-Cola-Oase ist mit 1.100 Plätzen der zweitgrößte Food-Court Europas, nur übertroffen von dem des Trafford Centres in Manchester mit 1600 Plätzen. Mit anderen Worten: Das Ding is richtig fett.
„Der Junge muss an die frische Luft“
Es handelt sich um die Verfilmung der Autobiografie „ Meine Kindheit und ich“ von Hape Kerkeling. (Bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises wurde “Der Junge muss an die frische Luft” mit der Lola in Bronze ausgezeichnet. Zudem war er der besucherstärkste aller 2018 in deutschen Kinos gestarteten deutschen Filme).
Ehrenfeld
Klein und gemütlich liegt das “Viertel vor” in Bochum. Das Ehrenfeld ist das Viertel vor dem Schauspielhaus, vor dem Bermuda3Eck (harte Partyzone) und vor der Bochumer Innenstadt. Nicht nur durch die Ansiedlung verschiedener Künstler etablierte sich das Ehrenfeld zu einer Kulturmeile.
Flöz
Ein Flöz ist eine sedimentär entstandene, ausgedehnte Lagerstätte eines Rohstoffes (meist Kohle). Daher wird ein Stückchen Kohle umgangssprachlich auch Flöz genannt.
Kreuzviertel
Die Altbausiedlung in Dortmund mit vielen gemütlichen Seitengassen verbreitet einen ähnlichen Charme, wie der Prenzlauer Berg, das Schanzenviertel und Co. Must see!
Gasometer
Der Gasometer Oberhausen ist ein Industriedenkmal in Oberhausen und die höchste Ausstellungs- und Veranstaltungshalle Europas. Er gehört zu den Panoramen und Landmarken sowie den Ankerpunkten der Route der Industriekultur.
Herkules
Der Herkules von Gelsenkirchen ist eine Monumentalstatue, die von Markus Lüpertz, seinen Mitarbeitern und einer Kunstgießerei geschaffen wurde. Sie steht auf einem ehemaligen Förderturm der früheren Zeche Nordstern im Nordsternpark im Stadtteil Horst, ist eine ortsbildprägende Landmarke und gilt als ein Wahrzeichen des industriellen und regionalen Strukturwandels im Ruhrgebiet. “Herkules ist eine Figur, die Aufgaben bewältigt und Probleme löst. Für ein junges, aufstrebendes Ruhrgebiet ist er also die entsprechende Figur.” Markus Lüpertz
Halde Rheinelbe
Die Halde wurde während der Betriebszeit der Zeche Rheinelbe bis zur Schließung im Jahre 1928 aufgeschüttet. Rheinelbe gehört zu den brennenden Halden. Im Abraum befinden sich auch Kohlereste; diese reagieren exotherm mit dem Luftsauerstoff, der ins Innere der Halde vordringt, und wegen des Wärmestaus kommt es schließlich zur Selbstentzündung. Es wurden Temperaturen bis zu 400 Grad Celsius gemessen.
Rü
Die Rü – die Rüttenscheider Strasse im Essener Stadteil – richtig geraten – Rüttenscheid. Man nennt sie auch die “Kö” des kleinen Mannes. Was die “Kö” wiederum ist, musst Du unter “Düsseldorf Königsallee” mal googeln.
Schalke
Stadtteil von Gelsenkirchen und deutscher Fussballclub mit Formtief.
Schimanski
Horst Schimanski ist eine fiktive Figur aus der ARD-Fernsehreihe „Tatort”, in der er vom 28. Juni 1981 an in 29 Folgen als Kriminalhauptkommissar in Duisburg seinen Dienst tat. Schimanski wurde von dem Berliner Schauspieler Götz George dargestellt.
Schlanke Mathilde
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gaben die Hörder der Frau des damaligen Bürgermeisters den Spitznamen „Schlanke Mathilde”. Noch heute prägt sie das Stadtbild des Brauereistandortes und inspirierte die Braumeister zu diesem hellen Bockbier.
Schurenbach(halde)
Die Halde ist nach dem, ab den 1970er Jahren unter ihr begrabenen Gewässer, „Schurenbach“ benannt.
Trinkhalle
Eine Trinkhalle ist ein Verkaufsstand für Wasser, alkoholische und nichtalkoholische Getränke und Dinge des sofortigen Bedarfs wie Tabak, Süßwaren (und ähnliche Genussmittel), Lebensmittel und auch Medien. Die ersten Trinkhallen entstanden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Zuge der Industrialisierung und breiteten sich in weiten Teilen Deutschlands aus.
Weltkulturerbe Zollverein
Seit der Verleihung des Titels „Weltkulturerbe“ ist Zollverein internationaler Begegnungspunkt sowohl für große Kulturprojekte wie die internationale Weltmusikmesse „WOMEX“ oder die „ExtraSchicht“ (Die Nacht der Industriekultur im Ruhrgebiet). Alljährlich findet auch das Zechenfest mit Live-Musik statt. Durch die zahlreichen Bauprojekte auf und um Zollverein soll in den nächsten Jahren ein breites kulturelles Angebot für viele Interessenlagen geschaffen werden. Eine Außenbesichtigung der gesamten Anlage ist ständig möglich. Vom Besucherzentrum werden Führungen im Innenbereich angeboten, die teilweise von ehemaligen Bergleuten geleitet werden.
Wimmern
siehe unter „Schalke Abstieg“
Das Wunder von Bern
Das Wunder von Bern ist ein Sportfilm des Regisseurs Sönke Wortmann aus dem Jahr 2003, der gemeinsam mit Rochus Hahn auch das Drehbuch schrieb. Es wird die Geschichte von Deutschlands unerwartetem Sieg bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1954 in Bern (dem sogenannten Wunder von Bern) erzählt. Viele Drehorte waren im Ruhrgebiet.
Infos Gravel Tour Weekender Ruhrgebiet
Richtig assi schwere Gravel Tour. Circa 11 Stunden Fahrtzeit, echte Kerls und Mädels fahren es an einem Tag. 145 km. 1200 hm. Mindestens 3 Liter Bier, 4 Currywurst & 1 Vegandöner.
Strecke und GPS-Daten
Hier findet ihr die Gravel-Touren im Ruhrgebiet mit den GPS-Daten zum Download auf der Rennrad-News Komoot-Seite:
Etappe 1 Duisburg bis Zeche Zollverein, Essen
Etappe 2 Essen bis Dortmund Flughafen
Wegmarken
1 Horst Schimanski Gasse Duisburg Ruhrort
2 Hafen Duisburg
3 Innenhafen Duisburg
4 Landschaftspark Duisburg Nord
5 Halde Haniel Oberhausen
6 Halde Beckstr “Tetraeder” Bottrop
7 Mottbruchhalde Bottrop
8 Nordsternpark Gelsenkirchen
9 Schurenbachhalde Essen
10 Zeche Zollverein Essen
11 Halde Rheinelbe Gelsenkirchen
12 Bergbaumuseum Bochum
13 Kemnader Stausee Witten
14 Edddis Durst und Wurst Express Witten
15 Phönix West Dortmund
16 Phönix See Dortmund
17 Grabowskis Finale Flughafen Dortmund
Unterkünfte
Verwegene können einen improvisierten Overnighter am Rhein-Herne-Kanal einrichten. Alternative:
Schacht III am Nordsternpark liegt ganz in der Nähe der Route und man schläft in passendem Ambiente / ab 60 € pro Nacht: https://www.unterkunft-gelsenkirchen.de/
Anreise, Abreise und Logistik
Vorteil Metropolregion: Sowohl der Startort Duisburg als auch das Ziel in Dortmund sind hervorragend an das IC/EC-Netz der Deutschen Bahn angebunden, in denen man bei rechtzeitiger Reservierung gut Fahrräder mitnehmen kann. Wer mit dem Auto anreist, kann in rund einer halben Stunde ebenfalls mit dem ICE mit Radmitnahme zurück zum Start fahren.
Beste Reisezeit
Da sich jederzeit Aufwärm- und Nachfüll-Stopps einlegen lassen, kann man die Tour eigentlich ganzjährig fahren. Wer jedoch in der Ruhr baden will oder Kontakt zu Einheimischen sucht, fährt besser, wenn es warm ist und man auf den Halden nicht allein ist.
Habt ihr eigene Tour-Vorschläge in der Region, eventuell auch mit GPS-Daten? Dann postet sie gerne in die Kommentare! Wir schauen sie uns an und erstellen eine Kollektion auf Komoot, wenn genug Gravel Touren im Ruhrgebiet zusammen kommen!
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