Unsere Gruppe startet in der Alpenstadt Chur zum fünftägigen Abenteuer: Gravelbiken in Graubünden. Niemand kennt sich, aber alle haben das selbe Ziel: Perfekte Kieswege, einsame Nebenstrassen und flowige Singletrails in der Quellregion des Rheins zu entdecken. Die Vorfreude steigt mit jedem Stoss Luft, den ich in die schmalen Profilreifen pumpe und ich kann es kaum erwarten, der Hektik der Stadt zu entfliehen.
Die Sonne brennt uns ins Gesicht und der Schweiß steht auf der Stirn. Graubünden ist anstrengend. Es geht öfters bergauf und bergab, als geradeaus. Aber genau darin liegt der Reiz der Reise. Zuckerbrot und Peitsche locken! Die Steigungen des Gebirgskantons sind schweisstreibend und die Getränkeflaschen deshalb rasch leer. Zum Glück sprudelt das klare Bergwasser aus zahlreichen Brunnen am Strassenrand. «Aufzutanken» ist auf der ganzen Reise problemlos und gleichzeitig ein kulturelles Erlebnis. Denn jeder Brunnen erzählt eine Geschichte.
Pioniere am Hinterrhein
Zum Auftakt folgen wir dem Hinterrhein und kommen dessen Quellen Kilometer um Kilometer näher. Feinster Asphalt und bestens gepflegte Schotterstrassen lassen uns rasch vorankommen. Gelegentlich zweigen wir von der Hauptroute ab um auf einem «Singletrail», zum nächsten Aussichtspunkt zu gelangen. In der Grossregion «Viamala» – so heisst das Gebiet zwischen Thusis und dem San-Bernardino-Pass – haben wir den Glaspass befahren, die Viamala-Schlucht durchquert und sind am sagenhaft schönen «Lai da Vons» zu einem eingeschworenen Team geworden. Schweiß und gemeinsam erlebte Glücksgefühle auf zwei Rädern haben uns näher zusammengebracht!
Über weite Strecken ist kein Auto zu hören, kein anderer Radfahrer zu sehen. Die Masse der Radfahrer scheint noch nicht auf den Geschmack des Gravebikens gekommen zu sein. Wir sind hier die Pioniere. Auf den Gravel-Routen in diesem Teil des Kantons Graubünden herrscht so wenig Verkehr, dass wir uns voll und ganz auf die Landschaft einlassen können.
Mit der Bahn dem Ziel entgegen
Während dem Hinterrhein entlang durchgehend Deutsch gesprochen wird, vernehmen wir in der Region des Vorderrheins den melodischen Klang des Rätoromanischen. Die vierte Landessprache der Schweiz ist hier in den Regionen «Surselva» und «Disentis-Sedrun» die eigentliche Hauptsprache. Die Bevölkerung pflegt ihr Erbe mit Stolz. Dies nicht nur in der gesprochen Sprache, sondern auch an den Häusern und in den Gärten. Wir trotzen dem Drang immer wieder zu stoppen, um ein Foto zu schiessen und behalten die zahlreichen Eindrücke stattdessen als Bilderbuch in Erinnerung.
Bei einem Besuch in Graubünden darf natürlich auch eine Fahrt mit der Rhätischen Bahn nicht fehlen. Der rote Schmalspurzug bringt uns von der Talsohle in Trun bis Tschamut unterhalb des Oberalp-Pass. Nicht, dass diese Strecke nicht fahrbar wäre, aber einmal mit dem Gravelbike auf einem Teilstück des weltberühmten «Glacier-Express» unterwegs zu sein, passiert nicht alle Tage. Jetzt ist es nicht mehr weit zum höchsten Punkt unserer Rhein Entdeckungsreise. Die Maighels-Hütte auf 2.314 m über Meer ist der höchste Punkt, der im Quellgebiet des Vorderrheins mit dem Fahrrad erreichbar ist. Von hier aus genießen wir einen unschlagbaren Ausblick und belohnen uns mit einer großen Portion „Älpermagronen“ – eine Art Maccheroni mit Speck und Käse.
Genießen mit Aussicht
Geniessen ist sowieso das Hauptthema unterwegs zu den beiden Rheinquellen. Obwohl es in den Aufstiegen zu Pässen oder Aussichtspunkten großteils schweißtreibend her geht, die Belohnung folgt immer postwendend. Sei es durch eine köstliche Bündner Nusstorte, einen Teller vorzüglicher Capuns (in Mangoldblätter eingewickelter Spätzleteig mit Bündner-Fleisch) oder in Form des berühmten Kirschlikörs «Bündner Röteli». Gleich alle drei Spezialitäten gönnen wir uns nach dem Aufstieg zur Bündner Rigi, oberhalb der Hochebene Obersaxen. Auf der Aussichtsterrasse, mit Blick über Ilanz, der ersten Stadt am Rhein, jubeln unsere Geschmacksnerven und wir lassen die müden Beine baumeln.
Die beiden Arme des Rheins sind sehr unterschiedlich und doch ähnlich wie Zwillinge. Es sind Nuancen die den Reiz einer Region ausmachen. Der Hinterrhein ist seit Jahrhunderten eine wichtige Nord-Süd-Transitregion. Bereits die alten Römer passierten hier mit ihren Handelswaren auf Säumerpfaden und hinterließen ihre Spuren.
-> Hier findet ihr Infos zu aktuellen Gravelbikes auf Rennrad-News
Die grosse Anzahl Burgen und Ruinen zeugen bis heute von dieser Zeit. Das Tal des Vorderrheins hingegen, führt von Ost nach West. Durchgangsverkehr war auch hier von grosser Wichtigkeit. Die erste Straße im Tal wurde aber erst Mitte des 19. Jahrhunderts gebaut. Sicherlich mit ein Grund weshalb sich das Romanische bis heute als Hauptsprache behaupten konnte. Und mit der Rheinschlucht bietet sich hier ein Spektakel sondergleichen.
Und wie der Rhein unterschiedlichen Quellen entspringt um später zu einem grossen Ganzen zu verschmelzen, hat auch unsere Gruppe zusammengefunden. Wir sind in Chur als Individualisten gestartet und haben durch die gemeinsame Passion zusammengefunden.
Infos Gravelbiken in Graubünden
Tipps zu Touren, Gepäcktransport, Sehenswürdigkeiten und Hotels www.graubuenden.ch
GPS-Tracks für Gravelbike-Touren
Gravel Vorderrhein: 6 Etappen über 281,7 km mit 7.856 Hm GPS-Daten und Karte
Gravel Hinterrhein: 6 Etappen über 202,6 km mit 5.327 Hm, GPS-Daten und Karte
Beste Reisezeit zum Radfahren: Mai – Oktober
Besondere Ausrüstung: Eine Windjacke gehört wegen möglicher Wetterumschwünge zu jeder Jahreszeit in die Tasche.
Was sind eure Tipps für Gravelbike-Regionen?
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