Hase Gravit Dust im Test: Das Lastenrad als Gravel Bike? Ist das eine gute Idee? Das Hase Gravit Dust macht die Entscheidung mit modularer Bauweise und einer Vielzahl von cleveren Transportoptionen leichter – sogar das Bike selbst ist einfacher mitzunehmen als andere Frontloader. Nimms Rad hat es gemeinsam mit Rennrad-News getestet und herausgefunden, ob das innovative Konzept aufgeht.
Video: Hase Gravit Dust Test
Steckbrief: Hase Gravit Dust
Einsatzbereich | Tour, Gravel |
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Rahmenmaterial | Aluminium |
Gabel | Aluminium |
Gewicht (o. Pedale) | 23,0 kg |
max. Systemgewicht | 200,0 kg |
Rahmengrößen | Unisize |
Besonderheiten | Ladefläche abnehmbar, Vorderbau einschiebbar, E-Motor als Moduloption |
Website | hasebikes.com |
Preisspanne | ab 3.790 Euro |
Lastenräder mit Rennrad-Lenker sind an sich schon etwas Besonderes – Ausnahmen wie das Omnium oder das Hagen Mini-Lastenrad bestätigen die Regel. Das Hase Gravit Dust ist aber noch einmal ein Sonderfall: Erstens tritt es mit Stollenreifen und Federgabel als Gravel Bike auf. Zweitens besitzt das Gravel-Lastenrad eine flexible Modulbauweise. So kann die kompakte Netz-Ladefläche, das sogenannte „Cargoboard“ des Testrades mit 50 cm x 85 cm abgenommen und der Vorderbau zusammengeschoben werden. Schwups, schon passt das nun kompakte Bike etwa auf einen Radträger fürs Auto. Auch unter der Top-Ladefläche lässt sich noch ein Träger für Lasten anbringen und am Heck ebenfalls, etwa zum Kindermitnehmen. Und nicht zuletzt ist dank der Modulbauweise auch der nachträgliche Umbau zum E-Lastenrad mit Shimano Steps-Motor möglich. Sehenlassen kann sich dabei die Zuladung: bis zu 200 kg darf das Hase Gravit insgesamt tragen; 70 kg davon kann die Ladefläche unseres Testbikes tragen. Möglich macht all das die durchdachte Basis: Denn das trendige Gravit Dust mit Rennlenker basiert auf dem Prinzip des biederen Hase Pino, einem bewährten Tandem-Spezialrad des Herstellers. Unser Testrad kommt in der Top-Seller Konfiguration inklusive Cargoboard und kostet dabei 3.790 € – das ist obere Mittelklasse für ein Gravel Bike ebenso für ein Cargobike.
Im Detail
Größen-Konzept
Wer sich das Hase Gravit Dust im Detail anschaut, hat einiges zu entdecken. Fangen wir mit dem Nicht-Offensichtlichen an: Es gibt nur eine Größe. Das ist bei Lastenrädern häufig der Fall. Aber bei Gravel Bikes kommt es eigentlich gar nicht vor. Dafür bringt das Gravit Dust ein cleveres Unisize-Konzept mit. Und das geht so: Der Sitzwinkel ist zum einen flach. So rückt der Sattel für große Menschen automatisch weit nach hinten. Zum anderen kann der Lenker sowohl über verschiedene Vorbauten als auch über ein Teleskop-Prinzip (wie beim Staubsauger) in der Höhe verstellt werden. Das passende Ergebnis ist für den 1,8 m großen Tester eine leicht gestreckte Sitzposition mit dem Lenker 2 cm unter Sattelhöhe. Wie bei einem sehr komfortablen Gravel Bike.
Ladungstransport
Dürfen wir vorstellen: das vielleicht am schwersten belastbare Gravel Bike der Welt. An unserem Hase Gravit Testrad gibt es eine für diese Lastenrad-Art typische Ladefläche mit Riemengitter als Ablageort. Ein darüber gespanntes Netz dient zum Fixieren des Transportgutes. Das Netz ist solide und wird an 10 Punkten sicher eingehakt. Die Fläche fällt mit 50 cm x 85 cm relativ kompakt aus.
Aber damit erschöpfen sich die Transportmöglichkeiten bei Weitem nicht. Auch als Kindertransporter lässt sich das Gravit nutzen. Zu haben sind:
- Formstabile Textilbox mit 120 Liter Volumen als obere Ladefläche – 320 €
- Kindersitz für die Textilbox für 89 €
- Lowrider unten für klassische Packtaschen unter dem Top-Träger – 204 €€
- Klappbarer Träger unten für Lasten unter dem Top-Träger – 489 €
- Gepäckträger hinten nicht im Hase Zubehör, Standardträger können aber montiert und auch für den Kindertransport mittels Kindersitz eingesetzt werden.
Dabei darf die Front mit bis zu 70 kg beladen werden. Das Cargoboard am Testrad allein kann maximal mit 70 kg [in einer früheren Version des Tests war von 40 kg die Rede, Hase gibt inzwischen 70 kg frei] beladen werden, was aber für die Größe und das Einsatzgebiet mehr als ausreicht – zum Vergleich: Ein Wasserkasten mit 12 vollen Glasflaschen wiegt etwa 17 Kilogramm. Insgesamt dürfen Fahrer und Gepäck nicht mehr als 200 kg wiegen. Auch zweispurige Anhänger darf das Gravit Dust noch ziehen, wobei man beachten muss, dass deren Gewicht auch in die Gewichtsberechnung einfließt.
Rahmen
Unter dem auffälligen Glamour-Lack des Hase Gravit Dust verbirgt sich der Alu-Hauptrahmen, der nach dem Prinzip des Hase Pino aufgebaut ist. Beim Pino handelt es sich um ein komfortables Reise-Tandem, bei dem der Mitfahrer oder die Mitfahrerin unten vorn sitzt und der Abstand zur Kurbel passend zur Beinlänge über den Ausleger unter dem Sitz variiert werden kann. Davon profitiert auch das Gravit Dust. So kann der Vorderbau verkürzt werden und der Radstand schrumpft so, dass das Bike auf einen gewöhnlichen Auto-Fahrradträger passt. Und es kann auch mit dem kurzen Radstand gefahren werden.
So lässt sich das Gravit auch ohne Cargoboard mit geringerem Radstand wie ein Kompaktrad fahren. Das Cargoboard passt allerdings nur in einer bestimmten Bandbreite an Radständen ans Bike.
Das „Verkürzen“ und „Verlängern“ geht recht leicht von der Hand. Etwas umständlich ist allerdings, dass nach jedem Vorgang die Lenkung wieder neu justiert werden muss, weil die Lenkstange jedes Mal gelöst und fixiert wird.
Ebenso fällt an dem Rahmen noch der Tretlagerbereich auf. Er sieht aus, wie bei einem E-Bike. Die Muscle-Bike-Tretkurbel dockt über einen Adapter an. Tatsächlich kann hier alternativ ein Shimano Steps Mittelmotor eingebaut werden. So ist das Hase Gravit Dust auch als E-Bike zu haben.
Aufnahmen für Zweibeinständer sind ebenso vorhanden wie für Schutzbleche und einen Gepäckträger am Hinterbau – auch den gibt es bei Hase im Zubehörprogramm.
Ausstattung
Bleibt bei derart vielen aufwendigen Sonderlösungen an einem Lasten- und Gravel Bike aus Deutschland bei mittlerem Preisniveau noch viel Luft für edle Ausstattung? Eher nein. Und so ist das Hase Gravit Dust günstig, aber zweckmäßig komplettiert.
- Schaltung Microshift/Shimano SLX 1×11 Gang Kettenschaltung
- Federung Spinner 300 Stahl-Federgabel mit 80 mm Federweg
- Laufräder Hase, vorne 20″ / hinten 26″
- Übersetzung
- Bremsen Shimano, mechanische Scheibenbremse
- Reifen Schwalbe Billy Bonkers, Clincher
Die 11-Gang Kettenschaltung mit Shimano Deore Schaltwerk wird von Microshift XLE Bremsschalthebeln angesteuert. Sie können ergonomisch nicht mit den Produkten der 3 großen Rennradkomponenten-Hersteller Shimano, SRAM und Campagnolo mithalten, legten die Gänge aber tadellos um. Vorteil der Kombi: Sie ermöglicht preisgünstig eine richtig gute Bandbreite der Gänge, wie sie für das Nutzen der Transportkapazität auch notwendig ist. So pedaliert man mit Last auch steilere Anstiege hoch.
Nicht ganz so glücklich gewählt fand ich die Bremsen: Sie sind mechanisch betätigt und mit 203 mm Scheibe vorne auch für größere Lasten ausgelegt. Aber sie verlangen hohe Handkräfte und die bauartbedingt langen Kabelwege des Hase Gravit machen sie etwas schwammig.
Die Spinner Federgabel verrichtet ihren Komfortdienst dank viel Federweg sehr gut. Sie kann nicht blockiert werden (was auch nur mit Remote-Hebel Sinn machen würde).
Sehr gut gefielen die Schwalbe Billy Bonkers-Reifen, die für das Einsatzgebiet Gravel- und Straßenmix sehr gut ausgelegt sind. Sie rollen auf der Straße leise, bieten aber auf dem Gravel gute Traktion, zumal die Breite gut gewählt ist.
Im Test
Sattel einstellen, Lenker in die passende Position bringen – beides geht am Hase Gravit Dust im Handumdrehen. Wer das Lastenrad öfter in der Stadt stehen lässt, wovon bei einem Lastenrad wohl in den meisten Fällen auszugehen ist, sollte dennoch die Sattelklemmung per Schnellspanner gegen etwas Sicheres tauschen.
Transport von Lasten mit dem Hase Gravit Dust
Unbeladen ließ sich unser Hase Gravit Dust Testrad leicht auf den Zweibeinständer schieben und steht dann sehr sicher, auch auf schieferen Untergründen. Das erleichtert das Beladen. Auf der Ladefläche unter dem Netz lassen sich großvolumigere Lasten unterbringen, als man im unbeladenen Zustand vermutet. Der Seilverbund ist ziemlich dehnfähig und hält die Ladung dennoch rüttelsicher. Das ist ein Vorteil, wenn das Lastenrad fahraktiv auf Gravel bewegt wird. Denn schlecht fixierte Ladung bringt bei jedem schnellen Richtungswechsel Unruhe ins Gefährt. Nachteil des Cargobaords: Man benötigt meist eine geschlossene Tasche zusätzlich.
Das Cargoboard zeigt seine Stärken vor allem als praktischer, stark belastbarer Frontgepräckträger für spontane Reisen mit Taschen oder Packsäcken. Hier freut man sich über die Möglichkeit, viel Zeug vollständig wassergeschützt einfach „draufzuschmeißen“ und zu starten. Für den häufigeren Einsatz des Gravit Dust im Shopping-Alltag würde ich unbedingt den zusätzlichen Träger unter der Front plus Box dazunehmen.
Wie fährt sich das Hase Gravit Dust
Also, ab aufs Rad. Der Aufstieg geht dank recht tiefem Einstieg leicht, auch mit den Händen am Lenker. Dann das erste Losrollen mit Last. Das ist beim Cargobike immer der Moment, in dem sich die einfach steuerbaren von den gewöhnungsbedürftigen Modellen unterscheiden. Das Hase Gravit Dust ordnet sich sofort bei Team „Einfacher Start“ ein. Die Eingewöhnungszeit beträgt unter 30 Sekunden.
Danach bewegt man das beladene Cargo-Gravel-Bike bereits sicher auch durch engere Zirkel. Getestet haben wir übrigens mit 10 kg und 20 kg. Der Lenkeinschlagsbregrenzer setzt das Limit bei den Kurvenradien; wir haben für das Hase Gravit Dust einen Wendekreis von sechs Metern ermittelt.
Wer noch nie auf einem Lastenrad gesessen hat, wird sich danach wundern, wie vergleichsweise fix sich das Hase Gravit bewegen lässt. Bei gut 50 kg Gesamtgewicht ohne Pilot sind die Erwartungen an die Fahrdynamik so hoch wie eine Tagebaugrube. Aber daran gemessen, zeigt sich das Gravit Dust von einer überraschenden Seite. Es macht durchaus Spaß, sich tiefer über den Lenker zu beugen und immer schneller zu fahren. Sogar etwas Spaß an der Beschleunigung kommt auf. Natürlich zeigt der Windblocker an der Front um 30 km/h erste Grenzen des Tempodrangs auf. Und Wiegetritt erfordert schon einige Radbeherrschung; man bleibt also lieber sitzen.
Besonders überzeugend nach Lastenradmaßstäben verhält sich das Gravit Dust auch auf Kieswegen im Park und Schotterbahnen im Wald. Zunächst schiebt es in Kurven aufgrund der Lastverteilung weniger über das Vorderrad als manche andere Typen. Vor allem aber bringt die Federgabel tatsächlich Ruhe und mehr Spurtreue ins Gefährt. Zusammen mit dem Riemengitter des Cargoboards wirken so weniger Stöße auf die Ladung, was wiederum die Fahrt sicherer und schneller macht. Es sind schlicht weniger Gegenreaktionen am Lenker erforderlich. Letzterer ist immerhin noch ein Rennlenker und als solcher nur bedingt geeignet, höheren Kräften, die am Lenkrad zerren, entgegenzuwirken. Unterm Strich kann man sagen, dass das Hase Gravit Dust einlöst, was sein Name verspricht. Es macht Lust auf das Fahren mit Last auf Gravel, wo man mit manchem anderen Lastenrad lieber einen Umfahrung nehmen würde.
Bei so viel Komfort an der Front fällt allerdings geringere Stoßdämpfung am Sattel negativ auf. Hier würde eine gefederte Vario-Sattelstütze das Komfortgleichgewicht wiederherstellen und ist meiner Meinung nach ein klarer Tuningtipp.
Stichwort Tuning: Für den Alltag hätte ich auf jeden Fall gerne Dynamolicht an Bord gehabt, das Optionspaket empfiehlt sich, treibt aber den Preis noch einmal in die Höhe.
Wie sieht es mit den Langstreckenqualitäten aus? Im Zeitraum unseres Hase Gravit Dust Test konnten wir keinen Lastenrad-Gran Fondo über 100 km einbauen. Aber Sitzposition, Fahrverhalten und Gesamtcharakter dieses Cargobikes sowie die bequeme Rennlenkerform machen es für Abenteuer auf langen Touren zu einer herausragenden Wahl im allgemeinen Lastenrad-Angebot. An Langstrecken gewohnte Rennradler werden den Sattel dazu vielleicht gegen ein straffer gepolstertes Modell tauschen wollen.
Wann habe ich das Hase Gravit Dust Testrad genommen? Das ist letztlich die entscheidende Frage für ein derart spezielles Lastenrad. Hier meine Antworten. Braucht man den Rennlenker? Nein, nur wenn man wirklich lange Touren fahren will, ist er ein Vorteil gegenüber dem geraden Lenker. Nicht zu vergessen, der Style-Faktor und für Rennradfahrer wie mich schlicht der Gewöhnungsaspekt. Fühlt sich einfach vertraut an. Stört der Rennlenker? Ebenfalls: nein, allerdings könnte die Schaltung bei geradem Lenker ergonomischer sein und die Bremsen stärker, ohne mehr zu kosten.
Natürlich kann das Gravit Dust auch kein Gravel Bike ersetzen. Ich habe es letztlich genutzt wie ein normales Lastenrad: überwiegend im Alltag, wo es auf jeden Fall Spaß macht. Nur einmal ging es spontan auf Tour. Hier ist der Hauptvorteil, dass es sich im Prinzip wie ein Auto fürs Bikepacking nutzen lässt. Alle Sachen für die Kinder und mich in zwei Säcke und los. Gilt natürlich auch, wenn man gerne allein, aber mit großem Gepäck reist.
Fazit – Hase Gravit Dust
Kann ein Lastenrad als Gravel Bike überhaupt Spaß machen? Das war die Frage, die unser Hase Gravit Dust Test beantworten sollte. Die Antwort ist überraschend eindeutig „Ja!“. Mit so spielerischem Handling und so viel Komfort hatten wir nicht gerechnet. Auf keinen Fall würden wir auf die Federgabel verzichten wollen. Auch das kompakte Transportmaß ist für einen Frontloader ein großes Plus, ebenso wie das super flexible Modulsystem. Die Verarbeitung ist sehr gut, die Ausstattung könnte an einigen Stellen wertiger sein, erfüllt aber ihren Zweck. Für das Gesamtpaket ist zudem der Preis mehr als okay – die Frage, ob das Hase Gravit Dust einen persönlichen Bedarf trifft, kann nur individuell beantwortet werden; es gibt ja auch eine Version mit geradem Lenker und E-Motor.
Hase Gravit Dust Pro / Contra
Pro
- Fahreigenschaften und Fahrspaß
- Komfort
- Gut transportabel
- Flexibel erweiterbar oder umbaubar
- Gute Gewichtszulassung
Contra
- Mechanische Disc-Bremsen
- Mit allen sinnvollen Ausstattungs-Optionen teuer
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