Bevor Fahrräder oder Teile zum Händler kommen, gehen sie durch viele Hände. Weitgehend im Verborgenen spielt der Distributor dabei eine zentrale Rolle. Die meisten Online-Shops und Fahrradläden in Deutschland beziehen ihre Bikes, Anbauteile und sonstigen Produkte bei ihm. Cosmic Sports ist ein solcher Markenvertrieb und mit seinem Bestehen seit 1997 ein recht junger. Jens Staudt von MTB-News hat sich mit Cosmic Gründer Gerhard „Hartl“ Schwarz unterhalten: Über die Aufgaben, Anbaustandards, Bike-Feinkost und warum es ok ist, sich als Neuling im Geschäft schonmal verkatert in Flipflops bei Tomac-Bikes vorzustellen.
Wir sitzen in einem Büro, dass dem Bike-Historiker viel Augenschmaus bietet. Überall Poster und Fotos aus diversen Jahrzehnten der Bike-Branche. Darauf Unterschriften von Pros. Zusätzlich Surfboards und ein uraltes Mobiltelefon, welches heutzutage vermutlich aufgrund seiner Größe schon als Handgepäck im Flieger Probleme machen dürfte. Gerhard Schwarz – genannt „Hartl“ – brennender Fahrradnarr und bekennender Auto- und Uhrenfan, sitzt in kurzer Hose, T-Shirt und Flipflops zusammen mit Daniel Gareus, Head of Marketing and Communications bei Cosmic Sports, am Tisch.
MTB-News.de: Wie kommt man eigentlich auf die Idee, Fahrradteile zu verkaufen?
Gerhard „Hartl“ Schwarz: Da muss ich jetzt echt ausholen. Ich bin ja schon bisserl älter als 66er Baujahr und somit konnte ich Mitte der 80er in Deutschland den vollen Mountainbike-Boom selbst miterleben. Das war dann so, dass man sogar bei Karstadt in der Sportabteilung Mountainbikes stehen hatte. Für 2.000 Mark konntest du dir da ein Bike kaufen, was viel Geld war für ein Sportgerät, von dem man noch gar nicht wirklich wusste, was man damit machen soll. Ein Motorrad kostete damals gerade mal 4.000 Mark und eben mit Motor und allem drum und dran. Letztendlich hatte das Bike aber den Vorteil, dass man damit legal im Wald fahren konnte, ohne dass dich da gleich der Förster runterschießt (lacht).
Unser ganzer Freundeskreis war da extrem bikeverrückt und im Nachhinein ist es schon der Wahnsinn, wenn man überlegt, man war da seit Stunde Null Teil einer Bewegung. Man nahm da die komplette Entwicklung mit. Von Jahr zu Jahr gab es da wirklich ernstzunehmende Verbesserungen. Also nicht hier und da ein Grad steiler oder flacher. Da kam dann ein Shimano auf den Markt und hatte eine Schaltung im Programm, an der du indexiert schalten konntest, ohne nach oben greifen zu müssen. Zusätzlich eine Hyperglide-Kassette, mit der du unter Last schalten konntest. Klingt verrückt, sowas heute als Neuerung zu betrachten. Damals war das revolutionär.
Ich bin ganz ehrlich: Einen richtigen Plan hatte ich nie. Das ist einfach immer Freestyle gewesen. Und als wir unser Netzwerk ausgebaut haben, kam dann eins zum anderen. – Hartl
Ich werde das nie vergessen. Ich habe damals noch Judo gemacht, war knapp bei Kasse und hatte nur so ein altes Herkules-Bike mit Trommelbremsen. Schlicht: Einfach extrem oldschool ausgestattet … Nach dem Training sagte da der eine Kollege zu mir: „Du, ich hab da dieses Rad und du kannst einfach immer Vollgas schalten!“ Das ist dann schon krass und dann rennst du natürlich in den Fachhandel und willst auch sowas haben. Später gings dann weiter. Jedes Jahr ein Gang mehr und mehr Spreizung bei der Übersetzung und eine Federgabel … Aber Moment – ich muss zurück, um deine Frage zu beantworten, wie ich dazu kam.
Kurzgefasst: Mountainbike gefahren. Dann irgendwann eine Hobbylizenz gelöst. Rennen gefahren. Dann ist man auch schon voll drin.
Aus dem Bekanntenkreis haben einige bei Delta Sport gearbeitet. Die waren Importeur, vor allen Dingen für Marin, Manitou und Ritchey. Dort hab ich 1993 als Kaufmann angefangen. Vorher war ich Speditionskaufmann und habe dann meinen Fachwirt gemacht. Dann konnte ich einfach mein Hobby zum Beruf machen. Das war alles völlig freestyle ohne ernsthafte Strategie oder einen genauen Plan. 1997 ging Deltasports dann in die Insolvenz, was eigentlich nie hätte passieren dürfen, aber manchmal läuft’s eben schlecht. Damals gab es sowas wie eine Marktsättigung im Bikesektor. Vorher hatte noch jeder ein Mountainbike, auch wenn die das vielleicht gar nicht so genutzt haben, wie es gedacht war. In jedem Fall brachen die Verkaufszahlen ein.
Mit unserer Gesellschafterin, Susanne Arndt, die auch heute noch an Bord ist, hoben wir dann Cosmic Sports aus der Taufe und [haben] die Hauptmarken mit übernommen.
Ein halbes Jahr später entschied sich Marin, selbst einen Ableger in Deutschland aufzubauen und weg vom Importeur-Modell zu gehen. Das sorgte [dafür], dass uns über Nacht ein Großteil unseres Geschäfts wegbrach. Daraus lernten wir und es war eine neue Ausrichtung, uns sicherer und vor allem breiter mit mehreren Marken aufzustellen.
Was ist die Hauptaufgabe für einen Importeur wie Cosmic Sports?
Wir gleichen Schwächen aus, die der Fachhandel hat, und wir machen Ware verfügbar. Cosmic ist ein Spezialist für Nordamerika. Wir sorgen also dafür, dass es Boutique-Marken, wie zum Beispiel Chris King, Paul oder White Industries überhaupt in Deutschland zu kaufen gibt.
Zudem machen wir es uns in unserer Branche mit all den Standards natürlich selber etwas schwer. Ein Fachhändler kann gar nicht alles am Lager haben, was es gibt. Ich mein‘, es gibt weit über 50 Steuersatzmaße, Innenlager etc. … Wir haben auf 3.500 qm Fläche eine immense Vielzahl an Produkten auf Lager, die eben auf einen Käufer warten. Das ist etwas anders, als wenn du dich rein auf Bikes spezialisierst. Da musst du im Vorfeld eine Tendenz erkennen, welche Modelle gut gehen und dann deine Order platzieren. Mit der Konsequenz, dass manche Modelle dann vorzeitig ausverkauft sind. Letztendlich ist man lieber ausverkauft, als dass man etwas unter Einkaufspreis verkaufen muss. Wir haben ebenfalls vororderlastige Bereiche wie Textil und zwei Radmarken wie Salsa und Surly, und da versuchen wir, das Lagerrisiko ebenfalls zu minimieren.
Bei den anderen Sachen gehen wir voll ins Obligo, also voll ins Risiko – wir kaufen, um später wieder zu verkaufen. Das ist dann gebundenes Kapital. Der Vorteil bei P & A (Parts and Accessories) ist natürlich, dass die Lebensdauer eines Produkts in der Regel viel länger ist. Eine Chris King-Nabe kann auch mal fünf Jahre gleich bleiben. Der 1 1/8teil Aheadset-Steuersatz wurde 10 Jahre lang nicht angepasst. Da kamen vielleicht mal ein paar neue Farben dazu, aber das war sehr simpel mit der Order. Hatte man zuviel, bestellst du das nächste Mal einfach weniger.
Hofft ihr bei Cosmic, dass es in Zukunft irgendwann weniger Standards gibt?
Hoffen ja. Glauben nein. Ich habe eher den Eindruck, dass das noch schlimmer wird. Wir hatten es vorhin ja schon davon – Stichpunkt: „Echter Nutzen für den Kunden.“ Eben das Beispiel mit der Kassette oder etwas aktueller: Dropper-Stützen, die uns alle zu einem besseren Fahrer machen. Das bringt was. Ich verstehe aber nicht, was es bringen soll, einen Steuersatz einen halben Millimeter größer oder kleiner zu machen. Wo ist da der Nutzen für den Kunden?
Warum gibt es so viele verschiedene Steckachsen? Ok, ich kann argumentieren: Für Heavy-Duty-Einsatz brauch‘ ich einen größeren Durchmesser, aber warum haben die dann alle unterschiedliche Gewindesteigungen? Da wäre es doch cool als Industrie, wenn man sich da einigen könnte. Das ist sicher dem einen oder anderen schon passiert, dass du irgendwo in den Urlaub hingefahren bist und deine Steckachse vergessen hast. Da bekommst du keinen Ersatz. Du weißt ja nicht einmal was du brauchst! Durchmesser und Länge an sich ja kein Thema, aber wie willst du die Steigung rausbekommen? Da tut sich teilweise der Fachhandel schon schwer mit den Exoten.
Ihr habt heute ja hier auch Vertreter aus dem Fachhandel da, um sie zu schulen.
Heute sind Vertreter aus Suspension-Centren hier. Für Fachhändler machen wir das aber auch, damit die wissen, wie an den Produkten, die wir anbieten, gearbeitet werden muss, wie man sie zerlegt und so weiter. Die Schulung von den Suspension-Centren machen wir, damit mehr Anbieter an den von uns vertriebenen Produkten einen Service machen können.
Somit seid ihr nicht nur Verkäufer, sondern auch das Bindeglied zwischen dem Hersteller und Händlern oder Service-Centren, welche Service für eure Produkte anbieten?
Wir haben diverse Produkte und nicht jedes benötigt natürlich einen regelmäßigen Service. Es kann natürlich immer auch zu einem Schaden an einer Gabel kommen, wenn man einen Sturz hatte, aber auch neues Öl und neue Dichtungen nach einem Jahr schaden der Performance sicher nicht. Ganz im Gegenteil.
In den letzten Jahren sehen wir eine Zunahme der Direkt-Vertriebsmarken. Spürt ihr das?
Eigentlich nicht. Für mich ist es wichtig, dass Leute Fahrrad fahren. Ob die Leute das jetzt beim Direktvertrieb oder im Fachhandel kaufen ist da erstmal zweitrangig. Das Direktvertriebsmodell passt natürlich aktuell eher in unsere Zeit. Man bekommt für weniger Geld das besser ausgestattete Modell. Wobei man nicht sagen kann, dass das 1:1 in deren Gewinn mündet. Die betreiben großen Aufwand bei der Produktentwicklung. Das sind keine Katalogmarken mehr [Anm. d. R.: gelabelte Taiwan-Katalog-Produkte]. Ob ich das gut oder schlecht finde? Im Grunde mag ich das nicht bewerten. Ob da jemand ein Edel-Bike aus Nordamerika fährt oder das günstigere Versendermodell. Letztendlich brauchen beide für ihre Produkte hin und wieder einen Service oder einen Sattel, wenn man mal eine Bodenprobe genommen hat. Stören würde mich eher, wenn es hier die ganze Zeit regnen würde und die Leute gar nicht mehr Rad fahren (lacht).
Auf eurer Webseite findet man eine ganze Reihe an Athleten, die ihr sponsert. Warum ist es für einen Vertrieb wichtig, das zu machen?
Daniel Gareus: Die Athleten, die wir sponsern, sind schwerpunktmäßig in den passenden Märken vertreten, in denen wir auch die jeweiligen Marken vertreiben. Ganz im Sinne eines Lokalmarketings. Das wären zum einen Racer oder Persönlichkeiten der Szene wie Steffi Marth, Tobi Wrobel, Thomas „Professor“ Schmitt, Stefan Herrmann, die Rasenmäher usw. aber auch Bikeschulen, Influencer oder Young Guns. Die sind alle mit unseren Produkten unterwegs, transportieren das jeweilige Markenimage und besitzen eine gewisse Glaubwürdigkeit. Das Big-Name-Sponsoring läuft ja in der Regel über die Marken direkt.
Hartl: Man will dem Verbraucher auch vermitteln, dass das Produkt gut ist und man bekommt natürlich auch Feedback von den Fahrern, um Produkte zu verbessern.
Wie seht ihr die generelle Entwicklung der Bikebranche in den kommenden Jahren?
Spannend. E-Bike all in. Auch wenn wir hier bei Cosmic eigentlich aktuell e-Bike-freie Zone sind (lacht). Wir sind natürlich Teilespezialist. Wenn es da ein Teil gibt, was für e-Bikes freigegeben ist, dann ist das natürlich gut, weil man das dann auch an so ein Bike bauen kann. Da ist natürlich immer die Frage, ob sowas sinnvoll ist. Eine E-Bike-Regenjacke braucht niemand. Lenker, Laufräder… eben all die Teile, bei denen höhere Lasten auftreten, all das bieten wir dann auch an. Bei unseren Radmarken Salsa und Surly ist dieser Bereich nicht wirklich entwickelt.
Daniel Gareus: Es widerspricht auch ein Stück weit der Philosophie der beiden Marken. „Adventure by Bike“ heißt es ja auch im Claim von Salsa und da möchte man möglichst unanfälliges Produkt anbieten, mit dem man auch völlig autark in der Natur unterwegs sein kann. Eben bis hin zu Singlespeedanwendungen. Nichtsdestotrotz waren beide Marken oftmals Begründer von branchenweiten Trends beziehungsweise neuen Standards – zum Beispiel Salsa mit dem Warbird als erster Vertreter der Gattung Gravelbike oder Surly mit dem Karate Monkey als eines der ersten in Serie produzierten 29″ Mountainbikes.
Bei Surly gilt ja auch eh, dass die alles anders machen als alle anderen. – Hartl
Hartl: Bei Surly gilt ja auch eh, dass die alles anders machen als alle anderen (lacht). Die durchdenken jedes Detail, sind aber dann doch ein wenig die Freakmarke abseits vom Mainstream.
Habt ihr ein Faible für die abgefahreren Marken?
Schon. Wenn du nur mal an Paul Components denkst. Da wird viel in Kleinserie hergestellt. Wenn du mal die Gelegenheit hast, bei denen in Chico [Hauptsitz von Paul Components in Kalifornien, Anm. d. R.] vorbeizuschauen, dann mach das. Das ist einfach extrem beeindruckend, wenn die da mit leuchtenden Augen durchgehen und dir die CNC-Fräsen und Drehbänke zeigen. So wie wir vielleicht Fahrräder sammeln, so sammelt Paul Price Maschinen. Einige davon sind älter als 80 Jahre und laufen immer noch. Da steht er dann drin und werkelt an Teilen herum. Das hat eine Seele.
Daniel Gareus: Wenn wir eine Marke in unser Portfolio aufnehmen, dann muss sie neben anderen Kriterien schon einen gewissen Soul besitzen und zu uns und unseren bestehenden Marken passen. Klar gibt es Teile, die sehr viel simpler gefertigt sind und es gibt etliche gelabelte Katalogware da draußen, die natürlich ihre Daseinsberechtigung hat. Da draußen hat es ja auch unterschiedlichste Fachhändler. Wenn da jemand Räder verkaufen möchte bis maximal 500 Euro, ist das eine andere Klientel, als jemand, der erst vierstellig einsteigt.
Wenn man es mit der Lebensmittelbranche vergleicht, dann sind wir ein Feinkostladen. – Hartl
Wie viel Feinkost hast du dann selbst bei dir Zuhause?
Puh – das ist immer mal stark wechselnd. Ich habe mich jetzt kürzlich von zwei/dreien getrennt, aber es sind schon so 11/12.
Wie wichtig ist der Bereich Tuning dann für euch?
Wenn man die deutschen Magazine und die nordamerikanischen vergleicht, dann fällt schon auf, dass wir Deutschen einen etwas anderen Zugang zu dem Thema haben. In Deutschland ist Gewicht oft wichtig, während die Amerikaner sich mehr auf Spaß auf Soul konzentrieren. Man kann beim Radfahren nicht alles messen. Vergiss doch einfach mal Stiffness-to-weight oder die Pfennigfuchserei. Es kommt ja immer auf den Kunden an und der entscheidet ja, ob er es kaufen möchte oder nicht. Brauchen wird das keiner von uns.
Es ist wie bei den Autos. Da kosten die auch locker das Vierfache. Wenn das dann im Detail schöner ist, besser verarbeitet und der Kunde bereit ist dafür mehr auszugeben, ist es doch in Ordnung.
In unseren Tests bekommen wir schon auch oft Rückmeldung über die Preise in der Bikebranche und mancher hochpreisigen Marken.
Da wären wir wieder bei dem Thema, ob man sowas braucht. Ist ein Rad von einem Premium-Hersteller schlechter, weil es teurer ist? Ich denke nicht. Wir machen das ja überall. Jeder hat da unterschiedliche Prioritäten. Sei es bei Klamotten, einer Uhr, Lebensmitteln oder dem Bike. Man kann sicher immer und überall etwas Günstigeres finden, aber manchmal möchte man sich einfach etwas gönnen. Letztendlich gibt es immer irgendwo einen Anbieter und einen Konsumenten und die müssen sich irgendwo treffen.
Es wird niemand gezwungen, das teurere Produkt zu kaufen. Wir sind ja alles irgendwo Verrückte. Wenn jemand sagt, dass er über 10 Fahrräder im Keller hat, dann würd ich sagen: „Du hast nen ganz schönen Schlag!“ Ich darf das aber sagen, weil ich ja nicht besser bin (lacht).
Etwas, wo man abends mit einem Fläschle Bier in den Keller geht – meine Frau lacht da schon immer drüber – und da hockt man eben eine Stunde und schaut sich die Fahrräder an. – Hartl
Wenn du aber so jemand bist und dir vielleicht noch ein Bike mehr zulegst, dann willst du vermutlich eher gern etwas Besonderes. Etwas, wo man abends mit einem Fläschle Bier in den Keller geht – meine Frau lacht da schon immer drüber – und da hockt man eben eine Stunde und schaut sich die Fahrräder an.
Hat Qualität dann immer ihren Preis?
Wichtig ist natürlich immer, dass das Produkt – egal in welcher Preisklasse – etwas taugt. Da legen wir bei uns großen Wert drauf. Wenn ein Kunde knapp tausend Euro in einen Nabensatz investiert, dann gilt das natürlich umso mehr. Einem günstigeren Produkt verzeiht man eine geringere Lebensdauer oder ein schlechteres Oberflächenfinish schon eher, aber hier gilt natürlich auch oft das Prinzip „Wer günstig kauft, kauft häufig zweimal.“
Aktuell vertreiben wir zirka 40 Marken mit Cosmic Sports und unsere Intention ist nicht da unbedingt, noch mehr an Bord zu holen. Lieber schöpfen wir das bestehende Potenzial mit denen, die wir haben, aus und schauen, dass wir gut zusammen arbeiten. Unser Hauptgeschäft machen wir mit ca. 10 – 15 Marken. Es ist wie beim Gulasch kochen, du brauchst Fleisch und Nudeln, um satt zu werden, aber auch die Gewürze, damit es schmeckt. So ähnlich ist das auch bei uns, auch wenn es betriebswirtschaftlich nicht immer zu 100 % Sinn macht.
Woher kommt der Name Cosmic Sports eigentlich?
Das ist eine sehr unaufgeregte Geschichte. Ich hab mir immer gedacht, wenn ich mal eine Firma gründen würde, dann würde ich sie Cosmic nennen. Leider keine Megastory (lacht).
Wo siehst du das Fahrrad in der Zukunft?
Meiner Meinung nach wird der Fahrrad-Sektor in allen Facetten weiter wachsen. Wie wird in Zukunft die Mobilität jedes Einzelnen von uns aussehen? Als urbanes Transportmittel ist das Fahrrad einfach unschlagbar. Egal ob E oder normal. Das Thema E-Bike hilft uns, da auch sehr viel mehr in die Medien zu kommen, und das hilft, um die Infrastruktur für alle Bikes weiter auszubauen.
Was unser Sportgerät aber absolut unschlagbar macht, ist, dass egal mit welchem Bike du unterwegs bist – ein 10.000 € Triathlon-Rad oder ein Fatbike – du immer noch damit zum Einkaufen oder in den Biergarten fahren kannst. Das kannst du nicht mit nem Golfschläger, nicht mit nem Paddelboard oder sonstwas. Ich selbst habe auch gar kein spezielles Rad nur für die Stadt. Wenn man auf dem Land wohnt, fährst du eben mit dem Mountainbike überall hin. Generell ist es einfach so, dass ich dieses Produkt für weitaus mehr nutzen kann als nur zum Sport.
Man braucht keinen Schnee, keinen Lift, keinen Tennisplatz oder Golfplatz. Wir sind da völlig autark und abgesehen von normaler Wartung und Verschleiß halten sich die Kosten dann auch in Grenzen. Das ist sehr schön.
Mit welchen Marken habt ihr Cosmic gestartet?
Neben Ritchey, SDG, Scary Fast-Handschuhen und kurzzeitig Marin-Bikes war das anfangs noch sehr klein. Ein Jahr nach der Gründung wurde die Zusammenarbeit mit Marin allerdings schon wieder beendet. Wir haben dann auch erkannt, dass Anbauteile und Accessoires erstmal mehr unser Ding sind. So fuhr ich dann auf die Interbike in Las Vegas.
Dann kam eine der ersten Marken mit ins Boot: Salsa. Wie das oft so läuft, lief das über verschiedene Empfehlungen und 1998 auf der Eurobike sprachen wir miteinander und ein paar Wochen später auf der Interbike wurde der Deal per Handschlag besiegelt. Seitdem sind wir mit Salsa unterwegs.
Das war ein ziemlicher Kickstart von da an. Wenn man solch eine Marke an Bord hat, dann hilft das natürlich bei deiner Reputation, selbst wenn du noch so klein bist wie wir damals. Ein Jahr später kam dann Surly dazu.
2000 war dann wieder unser Interbike-Trip angesagt. Von einem befreundeten Händler bekam ich die Info, dass John Tomac seine eigene Radmarke machen würde. Da gäbe es einen Downhiller, das Magnum 204 mit Lawhill-Hinterbau und dem ganzen latest shit. Ich solle doch mal probieren, ob ich den Vertrieb bekomme.
Jetzt muss man sich vorstellen, da gehst du rüber in die USA. Zwar hatte jeder schon sein Handy gehabt, aber meins hat dort nicht funktioniert wegen den verschiedenen Funknetzen. Ich war also von der Außenwelt abgeschnitten und bin da über die Messe gerannt wie ein Verrückter und hab einfach den Stand von Tomac nicht gefunden. Ein Freund von mir meinte dann, dass die nicht auf der Messe sind, sondern die hätten sich nur ein Hotelzimmer im Flamingo-sonstwas gemietet. Ich also ran an so ein öffentliches Münztelefon und rief dort an. Soweit hat das alles geklappt und wir haben für den nächsten Tag einen Termin ausgemacht.
Jetzt muss ich dazu sagen, dass ich eigentlich immer so wie jetzt rumlaufe mit Käppi, T-Shirt und kurzer Hose. Für den Fall, dass da irgendwo ein Dresscode war, hatte ich immer noch einen Anzug mit im Gepäck. Also da war jetzt dieser Termin und ich war mir damals einfach noch total unsicher, was da angemessen gewesen wäre. Letztendlich dachte ich mir: Den Vertrieb bekommst du eh nicht. Gehst einfach so hin, wie du sonst auch rumläufst in deinen Flipflops.
Es gab drei Bikes. 204 Magnum für Downhill, 78 Special für Crosscountry und ein 00 Buckshot Hardtail.
Nach einigen warmen Worten kam dann die Frage auf: „Wenn wir jetzt zusammen kämen, was würdest du dir als erste Order vorstellen?“ Ich meinte dann nur „25 von jedem“ und nach der Verabschiedung baten sie mich, am nächsten Tag wiederzukommen. Alles klar dachte ich – da holst du dir dann deine Absage.
Wie es eben so ist in Vegas, feiert man natürlich die Nacht anständig und steht dann mit einem entsprechendem Schädel auf am nächsten Tag. Da saß ich dann in meinem Hotelzimmer und überlegte, ob ich mir noch den Aufwand geben sollte, den Messekomplex zu verlassen. Den ganzen Weg zu Tomac, nur um mir eine Abfuhr zu holen? Die wollten eh sicher mit einem der größeren, etablierten Distributoren arbeiten. Aber dann riss ich mich zusammen und ermahnte mich zu Professionalität. Als ich dann verkatert bei denen im Hotel stand, meinten sie nur:
„Congrats Gerhard. We’ll grant you the distribution!“ Boah. Dann haben sie mich komplett zugeworfen mit Swag wie Caps, Shirts und so weiter. Das hab ich dann gehütet wie einen Schatz und konnte das irgendwie alles gar nicht glauben. Drei Jahre lang vertrieben wir dann die Bikes in Deutschland und dann wurde die Fertigung und das Projekt Tomac in den USA wieder geschlossen.
Was ist das Schwierigste am Distributor-Job?
Wie schon am Beispiel mit Tomac beschrieben: man gewinnt Marken und man verliert Marken. Man versucht natürlich langjährige und stabile Geschäftsbeziehungen aufzubauen. Trotzdem hat man keinerlei Einfluss, wenn die Marke in finanzielle Schieflage gerät oder aufgekauft wird. Da kann sich immer was im Vertrieb ändern.
Welche Marke hat Cosmic mit am stärksten beeinflusst?
Das dürfte sicher Marzocchi ab 2001 gewesen sein. In einer Zeit, in der die Produktmanager oft aus Kostengründen an der Suspension sparen mussten. Dirtjump war damals groß und es gab zahllose Bikes, in denen Cross Country-Gabeln mit 80 mm Federweg steckten. Natürlich waren die nicht für den Einsatz gedacht und gingen reihenweise zu Bruch. Da verkauften wir sehr viele Bomber aus der Dirtjump-Reihe. Letztendlich half uns das natürlich, wieder zu investieren und zu wachsen. 2006 sind wir dann in unser aktuelles Gebäude umgezogen. Damals waren die Räumlichkeiten noch viel zu groß, aber jetzt platzen wir wieder aus allen Nähten. Somit stehen wieder Investitionen an.
Das klingt doch alles nach einer großen Erfolgsgeschichte.
Ist es. Ich bin jetzt 52 und denke immer noch, dass ich mein Hobby zum Beruf gemacht habe. Das ist ein Privileg. Für mich ist das Arbeitsumfeld extrem wichtig. Viele meiner Kollegen sind auch einfach Freunde von mir. Wenn ich mit Daniel [Gareus] einen Businesstrip angehe, dann ist das zwar Geschäft, aber man hat trotzdem eine Menge Spaß. Ich möchte in keiner anderen Branche, nichtmal in der allgemeineren Sportbranche an sich arbeiten.
Danke für die Einblicke!
Gerne!
Hättet ihr einen solchen Aufwand zwischen Herstellern von Bikes und Teilen und den Kunden vermutet?
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