Mit einem Sieg bei den Olympischen Sommerspielen 2016 in Rio de Janeiro hat sich Fabian Cancellara aus dem Profi-Radsport verabschiedet. Zwei Jahre später ist einer der erfolgreichsten Radsportler aller Zeiten mit mehreren Sport-Projekten als Unternehmer unterwegs, darunter als Veranstalter von „Chasing Cancellara“. Im Interview zieht der 37-jährige Schweizer eine erste Bilanz zur Jedermann-Serie und beschreibt weitere Ziele.
Das Prinzip von „Chasing Cancellara“: Jedermänner und -frauen treten gegen den Ex-Profi mit dem Spitznamen „Spartacus“ an. Wer Cancellara schlägt, erhält eine Bezwinger-Urkunde. Die Rennserie umfasst verschiedene Formate: vom Bergrennen mit Massenstart über eine Team-Challenge, bei der Teams von zwei bis vier Fahrern im Zeitfahren gegen Cancellara antreten, der als Letzter startet. Bis hin zum „Chased by Chancellara“-Rennen, bei dem die Teilnehmer ein paar Minuten Vorsprung vor Cancellara und anderen Ex-Profis erhalten und versuchen, den Vorsprung ins Ziel zu retten.
RN: Ist die Idee zu „Chasing Cancellara“ schon zu Deinen Profi-Zeiten entstanden?
FC: Nein, damals habe ich mich immer nur auf das Sportliche konzentriert – ich bin gefahren, um zu gewinnen, nicht, um nebenbei noch ein bisschen „Branding next to my career“ aufzubauen. Die Idee ist im Frühling 2017 entstanden, als ich sehr viele Anfragen bekam, ob ich nicht mal da- oder dorthin kommen könne. Mir schwebte eine Mischung aus VIP-Geschichten, Firmenevents und eher privaten Treffen mit Jedermann-Fahrern vor. Das Ganze begann in Villars, Andermatt und Lugano. Später haben wir das Format dann auch stärker international angeboten, in Dänemark, Saudi Arabien und Deutschland – bislang gab es neun Rennen.
Was unterscheidet das Konzept von anderen Jedermann-Formaten?
Die Rennen sind nie gleich. Beim Riderman in Bad Dürrheim gab es jetzt gerade ein Einzelzeitfahren. In Dänemark haben wir ein Mannschaftszeitfahren organisiert, auf 54 Kilometer, meiner olympischen Distanz. In Follonica in der Toscana hatte die Veranstaltung eher einen Gran-Fondo-Style. Und in Andermatt führte das Rennen 30 Kilometer lang über einen hohen Pass.
Auch bei anderen Jedermann-Rennen sind die Kurse teilweise sehr vielfältig.
Ja, aber bei aller Vielfalt ist bei uns die Qualität immer gleich gut. Ich bin selbst sehr stark involviert in die Organisation, weil ich mit meinem Namen für die hohe Qualität stehen möchte. Ich organisiere zwar nicht die Startnummern, aber stecke dennoch in Details drin, habe beispielsweise einen Blick aufs Design der ganzen Veranstaltung.
Wer ist die Zielgruppe?
Ich bezeichne unseren Ansatz als Boutique-Rennen für Jedermann – ob jung oder alt, dick oder dünn, Familie oder keine. Das ist kein typischer Gran Fondo für 10.000 Leute, mit der obligatorischen Medaille, dem Pasta-Essen und dem kostenlosen Bidon. Mir ist wichtig, dass ich den Leuten etwas zurückgeben kann, dass es einen richtigen Austausch gibt. Während meiner Profilaufbahn hatte ich kaum Zeit, mich mit Fans zu unterhalten. Jetzt nehme ich mir die Zeit, und manchmal ist es dann sogar besser, wenn die Rennen nicht ganz so voll besetzt sind, damit es mehr Zeit für den Austausch gibt. Das muss nicht nur ein Foto sein, sondern vielleicht auch mal ein kurzer Schwatz.
Wie groß ist die sportliche Herausforderung für Dich?
Teilweise sehr groß, aber es geht nicht darum zu sehen, wie gut ich noch bin – auch wenn ich schon noch sportlichen Ehrgeiz habe. Es geht um Fun, wir wollen lachen beim Schwitzen.
Wohin soll sich die Serie international entwickeln?
Wir suchen wenige, aber sehr gute Destinationen. Sicher ist bald auch Asien und Amerika ein Thema.
Was sind Deine Ziele bei der Teilnehmerzahl?
Ganz grundsätzlich ist es so, dass niemand da draußen auf uns wartet, so brutal das klingt. Auch wenn da „Cancellara“ drübersteht, heißt das noch lange nicht, dass da 1000 Leute kommen. Der Markt ist dicht besiedelt. Aber ich glaube an uns, deshalb machen wir weiter. Wir brauchen nur viel Geduld. Wir setzen auf eine Kontinuität beim Zuwachs der Teilnehmerzahlen. Es geht aber nicht immer ums Budget, nicht darum, dass wir immer ganz viele Leute haben. Qualität ist priority number one.
Du hast Dich auch an einer Triathlon-Rennserie beteiligt. Woher kommt das Interesse?
Auch hier will ich, dass möglichst viele mitmachen können. Wir bieten das Einsteiger-Modell der Rennen an. Die Distanzen sind viel kürzer als bei anderen Triathlon-Rennen. 500 Meter schwimmen, 50 Kilometer Radfahren, fünf Kilometer laufen, das schafft fast jeder. Es gibt sogar noch kürzere Distanzen. Ich selbst habe viel Freude dabei. Der Triathlon ist mit seinen drei Disziplinen sehr vielfältig, das reizt mich, und das reizt auch die Teilnehmer.
Armin Meier, Dein langjähriger Manager, hat über Dich gesagt: „Fabian Cancellara ist in der Lehre als Unternehmer. Er lernt aber schnell, zeigt sich clever, hat ein hervorragendes Netzwerk. Er hat sich besser entwickelt als erwartet“. Wie weit sind Sie Ihrer Meinung nach auf dem Weg in die neue Welt der Wirtschaft?
Das ist für mich eine ganz andere Welt, sicher. Hier kommen Emotionen, die im Sport ganz wichtig sind, meist nicht so sehr zur Geltung. Hier geht es um Zahlen. Ich nehme viele Dinge mit, habe viel gelernt, bin aber immer noch am Anfang einer unternehmerischen Karriere. Wohin die Reise geht, kann ich heute noch nicht sagen. Es gibt ein Blatt Papier bei mir, auf dem Ideen und Projekte stehen, aber das ist heute noch nicht spruchreif. Egal was es sein wird, ich möchte in allen Projekten meine Persönlichkeit einbringen, damit das alles authentisch bleibt.
Steht auf dem Blatt Papier auch die Rückkehr in ein Profiteam, vielleicht als Sportlicher Leiter?
Nein, nicht als Sportlicher Leiter, auch nicht als Trainer, und als Teammanager habe ich zu wenig Erfahrung. Mir fehlt aktuell die Motivation, in der Radsport-Welt der Profi-Teams wieder Fuß zu fassen, weil ich dort viele Probleme sehe. Es gibt einerseits viel Potenzial, den Radsport weiterzuentwickeln, gerade, was das Thema Sponsoring betrifft. Aber auf der Ebene der Verbände und Organisationen, etwa UCI und ASO, fehlen mir Visionen. Die bisherigen Reformen greifen nicht.
Du könntest dich selbst in solchen Organisationen einbringen.
Im Moment reizt mich das nicht. Ich bin schon involviert in das Projekt Radsport-WM 2024 in der Schweiz. Aber wenn ich das intensiver machen würde, sehe ich die Gefahr, dass ich direkt schubladisiert würde. Das möchte ich nicht. Ich möchte meine Freiheiten behalten. Ich habe im Sommer auch nicht drei Wochen die Tour im Fernsehen gemacht. Im Sommer gab es die Gelegenheit einer attraktiven, langjährigen Sponsoring-Geschichte, aber ich habe gesehen: Das bin nicht ich. Daher habe ich das nicht gemacht.
Die Fragen stellten Daniel Lenz und Florian Summerer.
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