Neuheiten 2019 – Eurobike Ist das der Fahrrad-Antrieb der Zukunft?

Kein Rad war auf der Eurobike so umlagert wie das Cervelo P5 mit dem Ceramicspeed Driven Kugellager-Antrieb. Fast keine Reibungsverluste, keine Schmierung – 13 Gänge und mehr sind möglich. Prototyp und seine Entwickler stellen wir in unserer Eurobike-Reihe vor, für die wir neue Rennräder und Komponenten vor Ort in Augenschein genommen haben.
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Nicht nur Ernesto Colnagos Daumen ging nach oben, als wir ihn auf der Eurobike auf den neuen Ceramicspeed Driven Antrieb ansprachen. Die Kugellagerspezialisten aus Dänemark stellten auf einem kleinen Stand direkt neben dem glitzernden Messepalast der Italiener den Prototyp eines Fahrradantriebs vor, der an Innovationskraft das absolute Highlight der Messe war. Ihr damit ausgestattetes Cervelo P5 im Messefoyer war die ganze Zeit umlagert von Interessenten. Das patentierte Prinzip: 21 Keramik-Kugellager und eine Kardanwelle übertragen die Antriebskraft zwischen den Zahnkränzen.

Diashow: Ist das der Fahrrad-Antrieb der Zukunft?
Kraftübertragung vorne
"Es gibt noch Herausforderungen, aber für die sind auch schon Lösungen existent"
Der Zahnkranzträger hinten
Die Ceramic Speed Antriebseinheit montiert an einem Cervelo P5
Aerodynamisch und gewichtsmäßig ein Vorteil
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Starkes Interesse nicht nur der Medien
# Starkes Interesse nicht nur der Medien - Colnago, Vroomen, White, Vertreter der wegen der E-Mobility-Halle A1 zahlreich anwesenden Automotive-Industrie - alle kamen, um sich die patentierte Konstruktion anzuschauen und mit den Entwicklern zu sprechen

Ceramicspeed Driven kurz und knapp

  • 99 % Effizienz bei der Kraftübertragung
  • Kraftübertragung über 21 Keramik-Kugellager
  • 49 %  weniger Reibung als ein Kettenantrieb bei 250 Watt
  • 13 Gänge und mehr am Hinterrad möglich
  • ohne Gleitreibung
  • keine Kette mehr
  • innen hohle Kardanwelle aus Carbon (am Prototyp)
  • Powermeter-Integration in der Welle vorgesehen
  • keine Schmierung
  • alle Rahmenmaße bis auf die hochgelegte Kettenstrebe können Standard sein
  • Zahnkranzpaket passt auf normalen Freilauf
  • Zahnkranz vorne passt an Standard-Kurbeln
  • Marktreife „proof of concept“, Entwicklungspartner wurden gesucht
  • Infos www.ceramicspeed.com
Die Ceramic Speed Antriebseinheit montiert an einem Cervelo P5
# Die Ceramic Speed Antriebseinheit montiert an einem Cervelo P5 - Als einzige Modifikation gegenüber dem Standardrahmen musste die Kettenstrebe nach oben gelegt werden
Kraftübertragung vorne
# Kraftübertragung vorne - Nur ein Kettenblatt ist möglich, das wegen des Bauraums auch in der maximalen Zähnezahl eingeschränkt ist
Der Zahnkranzträger hinten
# Der Zahnkranzträger hinten - Hier sind der Größe und Gangzahl geringere Grenzen gesetzt. Auch 14 oder 15 Gänge wären laut Ceramic Speed möglich
So wird geschaltet
# So wird geschaltet - Ein Elektromotor im Inneren der Welle schiebt dien Kugellager zwischen den Zahnreihen auf dem Ritzelteller hin und her.
13 Gänge - und mehr sind möglich
# 13 Gänge - und mehr sind möglich - Die "Ritzel" für die Übersetzung und Untersetzung sind am Prototyp auf einer flachen Alu-Scheibe angeordnet. Sie passt auf einen normalen Freilaufkörper. Die Hinterbauweite ist ebenfalls Standard

„Phil White, Gerard Vroomen, Ernesto Colnago und einige andere – es waren sehr viele bekannte Namen aus der Branche am Stand, um sich über das Driven System zu informieren“, sagt Ceramicspeed Chef Martin Banke. Rennradfahrer kennen sein Unternehmen als Tuningschmiede für den Antriebsstrang, die großen Ceramicspeed-Schaltwerksröllchen mit Keramikkugellagern setzen einige Pro-Teams an ihren Team-Rennrädern ein. Aber Ceramicspeed hat neben dem Sportbereich auch einen Industriezweig, was andeutet, wohin die Reise des Systems noch gehen könnte.

Ceramicspeed Driven Leichtlauf von JNLMehr Rennrad-Videos

„Das Entwicklungsziel war 99 % Effizienz bei der Kraftübertragung, das haben wir geschafft“, sagt der Chef-Entwickler des Driven Antriebs Jason Smith. Zusammen mit einem Team von Studenten der University of Colorado und Ceramicspeed hat er das Prinzip bis zum gezeigten „proof of concept“ gebracht. Sprich: Es funktioniert.  Mit 99 % Effizienz arbeitet der Strang aus Kugellagern und Carbon-Welle bei rund 300 Watt, wie aus der Grafik von Ceramicspeed hervorgeht. Bei gleicher Leistung setzt der Dura Ace-Antrieb – laut Ceramicspeed übrigens der effizienteste Kettenantrieb –  97,5 % der Energie in Vortrieb um. Heißt: Während beim Driven 3 Watt verloren gehen, sind es bei der Dura Ace 7,5 Watt. Noch größer ist der prozentuale Unterschied bei 200 Watt. Dann stehen 2,5 Watt Verlust rund 6,5 Watt Leistungseinbußen bei der Dura Ace gegenüber.

So effizient ist der Antrieb im Vergleich
# So effizient ist der Antrieb im Vergleich - Die grüne Kurve ist der Kugellager-Antrieb, gelb ein Ceramicspeed getuneter Antrieb, blau ein Dura Ace Strang. Je höher die eingeleitete Kraft (Watt, unten), desto größer ist die Effizienz des neuen Antriebs. Etwa bei 110 Watt erreicht er 98,5 %. Dann knickt die Kurve ab und es werden nur noch geringe Gewinne erzielt. Bei 500 Watt liegt die Effizienz bei annähernd 99 %. Der Dura Ace Antrieb erzielt hier 98 %.
Aerodynamisch und gewichtsmäßig ein Vorteil
# Aerodynamisch und gewichtsmäßig ein Vorteil - Ein Schaltwerk wird nicht benötigt, auch die Kette fällt natürlich weg
Die Kugellager rollen über die Zahnkränze
# Die Kugellager rollen über die Zahnkränze

Praktische Vorteile des Systems

Der Leistungsgewinn ist nicht der einzige potentielle Vorteil des Driven Systems. Einen Vorsprung hat es im Wettstreit um die meisten Gänge: Mehr als 13 Gänge am Hinterrad, die Rotor gerade vorstellte, sind möglich. „Wir wussten nicht, dass Rotor 13 Gänge auf der Messe zeigt, sonst hätten wir eine Zahnscheibe mit 14 Zahnreihen genommen“, sagt Smith. Weil es keine Gleitreibung zwischen den 21 Kugellagern und den Zahnrädern gibt, braucht Driven auch keine Schmierung. Laut Entwicklungsschef Smith kann es zudem leichter gebaut werden als ein Kettenantrieb. Als Gründe nennt er den Wegfall des Schaltwerks und der Kette. Außerdem stehen damit auch weniger Teile hervor, wovon man sich eine leicht verbesserte Aerodynamik verspricht. Und eine noch wartungsfreundlichere Kapselung der Antriebs sei ebenfalls möglich. Im Patent ist auch die Integration eines Powermeters in der Welle vorgesehen.

Herausforderungen

Auf der Eurobike Show suchte Ceramicspeed strategische Entwicklungspartner, um das geprüfte Konzept zur Marktreife zu bringen. Offensichtlich war Cervelo schon vor der Präsentation eingebunden, denn der Antrieb steckte im Aero-Modell P5 der Kanadier, das mit einer angehobenen Kettenstrebe dafür vorbereitet war. Große Herausforderungen für die Weiterentwicklung sieht Smith nicht mehr: „Die Technologien sind alle vorhanden, wir müssen sie jetzt nur noch auf das System anwenden“.

Als Beispiel nennt er das Schalten der Gänge. Ein Motor soll den Kugellager-Kranz auf dem Zahnkranz vor und zurück schieben, um die Übersetzung zu verändern. Weil es in den Zahnreihen aber keine Lücken gibt, müssen Schaltkanäle her. Sensoren auf dem Kranz – „12 zum Beispiel“, sagt Smith – sollen die Bewegung an eine Recheneinheit übermitteln. Die bestimmt dann den optimalen Zeitpunkt für den Schaltvorgang. Aber das sei nur eine denkbare Lösung, betont Smith. Auch die Belastbarkeit der Kugellager für die Übertragung der Kräfte sei noch nicht ausgereizt, doppelreihige Kugellager könnten mehr Kräfte aufnehmen und gleichzeitig die Reibung weiter reduzieren. Und schließlich wäre die Haltbarkeit mit einer anderen „Kassette“ als dem Prototyp aus Aluminium noch steigerbar und damit die Stärke des Systems, hohe Kilometerleistungen ohne Wartung, noch ausbaubar.

"Es gibt noch Herausforderungen, aber für die sind auch schon Lösungen existent"
# "Es gibt noch Herausforderungen, aber für die sind auch schon Lösungen existent" - Entwickler Jasom Smith kam auf der Eurobike aus dem Erklären kaum heraus

Meinung @Rennrad-News

Mit 99 % Effizienz hebt der Driven Antrieb die ohnehin schon sehr gute Kraftübertragung am Rennrad auf ein neues Niveau. Absolut bewegt sich der Gewinn in Größen, die den Antrieb eher für Radprofis als für Hobby-Rennradler interessant machen. In der Praxis am Fahrrad wird vor allem die Gangzahl und der mögliche geringe Wartungsbedarf interessant. In jedem Fall kann die Idee den Fahrradantrieb revolutionieren - mehr als etwa der Riemenantrieb es bisher geschafft hat. Unabdingbar scheint, dass man sich auf Elektronik am Rad einlässt. Aber diesen Weg hat das Rennrad ja ohnehin schon eingeschlagen und das E-Bike sowieso. Wenn die Marktreife gelingt, könnte die gute alte Fahrradkette nach 140 Jahren einen ernsthaften Konkurrenten bekommen. Die wahre Leistung des Antriebs scheint jetzt schon in der Sprengkraft der Idee zu liegen. Denn die zog auf der Messe sehr viele fachkundige Besucher in ihren Bann.


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21 Kommentare

» Alle Kommentare im Forum
  1. und treten muss man immer noch?

    das beste und billigste ist kette, wozu was anderes?
    10er Kassetten reichen allemale smilie

  2. Und dazu noch ein Kegelradsatz vorne .
    Ne, das ist es ja gerade nicht. Sonst hätten sie die 1% Verlustleistung schon genau da. Aber da kämmt nicht Zahn mit Zahn, sondern Lageraußenring mit Zahn, es gibt also nur Lagerreibmomente hier.
    Da ist dann allerdings auch ein Pferdefuß versteckt, das Vorführmodell besteht komplett aus Keramiklagern (bzw., vermutlich sind es nur die Wälzkörper). Wieviel des recht kleinen Effizienzpotentials bleibt übrig, wenn man das ganze System auf Stahllager umstellt? Und was würde das System marktreif kosten, wenn man bei den Keramiklagern bleibt? Man schaue sich an, was ceramicspeed heute schon für Innenlager und co verlangt.
  3. Neben den grundsätzlichen Bedenken zur Statik des Systems, die ich bereits geäußert hatte,



    ist mir noch eine systemimmanente Eigenschaft aufgefallen, die für den Radfahrer ungünstig ist.
    Die "Zahnscheibe" trägt für jede Übersetzungsstufe einen Ring. Der Abstand der Ringe muss von Ring zu Ring über die gesamte Scheibe gleich bleiben, damit das System funktioniert. Das hat zwingend zur Folge, dass der absolute Schaltschritt in Zähnen gemessen, von Zahnreihe zu Zahnreihe gleich bleibt und somit der relative Schaltschritt [in %] mit jedem "längeren" Gang größer und mit jedem "kürzeren" Gang feiner wird.
    Einmal angenommen, die Zahnreihen haben einen Abstand von 5 mm zueinander, ändert sich der Durchmesser der Zahnreihe mit jedem Gang um 10 mm. 13 Gänge könnte man beispielsweise auf einer Scheibe mit Zahnringdurchmessern von 60 - 180 mm realisieren. Die prozentualen Schaltschritte vom kürzesten bis zum längsten Gang würden von 5,88 % linear bis zu 16,67 % ansteigen. Während der winzige Schaltschritt von < 6% beim kürzesten Berggang kaum behilflich sein wird, muss der Fahrer bei Höchstgeschwindigkeit mit einem vergleichsweise riesigen Schaltschritt von > 16% zurechtkommen. Eine solche Getriebeabstufung widerspricht sämtlichen bislang als ideal betrachteten Abstufungen.

    Ich gebe diesem System keine Chance.
    Das ist leider das Killerargument: Während Andere noch die Machbarkeit diskutieren, demonstrierst du die Nutzlosigkeit des Systems.
  4. demonstrierst du die Nutzlosigkeit des Systems.
    Sorry, ich konnte nicht anders.
    😉
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