Nicht nur Ernesto Colnagos Daumen ging nach oben, als wir ihn auf der Eurobike auf den neuen Ceramicspeed Driven Antrieb ansprachen. Die Kugellagerspezialisten aus Dänemark stellten auf einem kleinen Stand direkt neben dem glitzernden Messepalast der Italiener den Prototyp eines Fahrradantriebs vor, der an Innovationskraft das absolute Highlight der Messe war. Ihr damit ausgestattetes Cervelo P5 im Messefoyer war die ganze Zeit umlagert von Interessenten. Das patentierte Prinzip: 21 Keramik-Kugellager und eine Kardanwelle übertragen die Antriebskraft zwischen den Zahnkränzen.
Ceramicspeed Driven kurz und knapp
- 99 % Effizienz bei der Kraftübertragung
- Kraftübertragung über 21 Keramik-Kugellager
- 49 % weniger Reibung als ein Kettenantrieb bei 250 Watt
- 13 Gänge und mehr am Hinterrad möglich
- ohne Gleitreibung
- keine Kette mehr
- innen hohle Kardanwelle aus Carbon (am Prototyp)
- Powermeter-Integration in der Welle vorgesehen
- keine Schmierung
- alle Rahmenmaße bis auf die hochgelegte Kettenstrebe können Standard sein
- Zahnkranzpaket passt auf normalen Freilauf
- Zahnkranz vorne passt an Standard-Kurbeln
- Marktreife „proof of concept“, Entwicklungspartner wurden gesucht
- Infos www.ceramicspeed.com
„Phil White, Gerard Vroomen, Ernesto Colnago und einige andere – es waren sehr viele bekannte Namen aus der Branche am Stand, um sich über das Driven System zu informieren“, sagt Ceramicspeed Chef Martin Banke. Rennradfahrer kennen sein Unternehmen als Tuningschmiede für den Antriebsstrang, die großen Ceramicspeed-Schaltwerksröllchen mit Keramikkugellagern setzen einige Pro-Teams an ihren Team-Rennrädern ein. Aber Ceramicspeed hat neben dem Sportbereich auch einen Industriezweig, was andeutet, wohin die Reise des Systems noch gehen könnte.
Ceramicspeed Driven Leichtlauf von JNL – Mehr Rennrad-Videos
„Das Entwicklungsziel war 99 % Effizienz bei der Kraftübertragung, das haben wir geschafft“, sagt der Chef-Entwickler des Driven Antriebs Jason Smith. Zusammen mit einem Team von Studenten der University of Colorado und Ceramicspeed hat er das Prinzip bis zum gezeigten „proof of concept“ gebracht. Sprich: Es funktioniert. Mit 99 % Effizienz arbeitet der Strang aus Kugellagern und Carbon-Welle bei rund 300 Watt, wie aus der Grafik von Ceramicspeed hervorgeht. Bei gleicher Leistung setzt der Dura Ace-Antrieb – laut Ceramicspeed übrigens der effizienteste Kettenantrieb – 97,5 % der Energie in Vortrieb um. Heißt: Während beim Driven 3 Watt verloren gehen, sind es bei der Dura Ace 7,5 Watt. Noch größer ist der prozentuale Unterschied bei 200 Watt. Dann stehen 2,5 Watt Verlust rund 6,5 Watt Leistungseinbußen bei der Dura Ace gegenüber.
Praktische Vorteile des Systems
Der Leistungsgewinn ist nicht der einzige potentielle Vorteil des Driven Systems. Einen Vorsprung hat es im Wettstreit um die meisten Gänge: Mehr als 13 Gänge am Hinterrad, die Rotor gerade vorstellte, sind möglich. „Wir wussten nicht, dass Rotor 13 Gänge auf der Messe zeigt, sonst hätten wir eine Zahnscheibe mit 14 Zahnreihen genommen“, sagt Smith. Weil es keine Gleitreibung zwischen den 21 Kugellagern und den Zahnrädern gibt, braucht Driven auch keine Schmierung. Laut Entwicklungsschef Smith kann es zudem leichter gebaut werden als ein Kettenantrieb. Als Gründe nennt er den Wegfall des Schaltwerks und der Kette. Außerdem stehen damit auch weniger Teile hervor, wovon man sich eine leicht verbesserte Aerodynamik verspricht. Und eine noch wartungsfreundlichere Kapselung der Antriebs sei ebenfalls möglich. Im Patent ist auch die Integration eines Powermeters in der Welle vorgesehen.
Herausforderungen
Auf der Eurobike Show suchte Ceramicspeed strategische Entwicklungspartner, um das geprüfte Konzept zur Marktreife zu bringen. Offensichtlich war Cervelo schon vor der Präsentation eingebunden, denn der Antrieb steckte im Aero-Modell P5 der Kanadier, das mit einer angehobenen Kettenstrebe dafür vorbereitet war. Große Herausforderungen für die Weiterentwicklung sieht Smith nicht mehr: „Die Technologien sind alle vorhanden, wir müssen sie jetzt nur noch auf das System anwenden“.
Als Beispiel nennt er das Schalten der Gänge. Ein Motor soll den Kugellager-Kranz auf dem Zahnkranz vor und zurück schieben, um die Übersetzung zu verändern. Weil es in den Zahnreihen aber keine Lücken gibt, müssen Schaltkanäle her. Sensoren auf dem Kranz – „12 zum Beispiel“, sagt Smith – sollen die Bewegung an eine Recheneinheit übermitteln. Die bestimmt dann den optimalen Zeitpunkt für den Schaltvorgang. Aber das sei nur eine denkbare Lösung, betont Smith. Auch die Belastbarkeit der Kugellager für die Übertragung der Kräfte sei noch nicht ausgereizt, doppelreihige Kugellager könnten mehr Kräfte aufnehmen und gleichzeitig die Reibung weiter reduzieren. Und schließlich wäre die Haltbarkeit mit einer anderen „Kassette“ als dem Prototyp aus Aluminium noch steigerbar und damit die Stärke des Systems, hohe Kilometerleistungen ohne Wartung, noch ausbaubar.
Meinung @Rennrad-News
Mit 99 % Effizienz hebt der Driven Antrieb die ohnehin schon sehr gute Kraftübertragung am Rennrad auf ein neues Niveau. Absolut bewegt sich der Gewinn in Größen, die den Antrieb eher für Radprofis als für Hobby-Rennradler interessant machen. In der Praxis am Fahrrad wird vor allem die Gangzahl und der mögliche geringe Wartungsbedarf interessant. In jedem Fall kann die Idee den Fahrradantrieb revolutionieren - mehr als etwa der Riemenantrieb es bisher geschafft hat. Unabdingbar scheint, dass man sich auf Elektronik am Rad einlässt. Aber diesen Weg hat das Rennrad ja ohnehin schon eingeschlagen und das E-Bike sowieso. Wenn die Marktreife gelingt, könnte die gute alte Fahrradkette nach 140 Jahren einen ernsthaften Konkurrenten bekommen. Die wahre Leistung des Antriebs scheint jetzt schon in der Sprengkraft der Idee zu liegen. Denn die zog auf der Messe sehr viele fachkundige Besucher in ihren Bann.
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21 Kommentare
» Alle Kommentare im Forumund treten muss man immer noch?
das beste und billigste ist kette, wozu was anderes?
10er Kassetten reichen allemale
Da ist dann allerdings auch ein Pferdefuß versteckt, das Vorführmodell besteht komplett aus Keramiklagern (bzw., vermutlich sind es nur die Wälzkörper). Wieviel des recht kleinen Effizienzpotentials bleibt übrig, wenn man das ganze System auf Stahllager umstellt? Und was würde das System marktreif kosten, wenn man bei den Keramiklagern bleibt? Man schaue sich an, was ceramicspeed heute schon für Innenlager und co verlangt.
😉
Scheinbar gibt es inzwischen einen Prototypen, der auch schon fährt.
https://mashable.com/video/ceramicspeed-chainless-bike-can-now-shift-gears-carry-load/?europe=true
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