Lycra auf dem Hollandrad? Nimms Rad? Was soll das denn hier? Ihr ahnt es, es geht um unsere neue Website Nimms Rad. Bei Nimms Rad gibt es unterhaltsam aufbereitete Test- und Servicegeschichten und natürlich geht es auch der Radverkehr und die Verkehrspolitik, welche für dessen Gestaltung maßgeblich verantwortlich ist, eine Rolle spielen. Und davon handelt auch in diese Kolumne. Mehr Infos zu Nimms Rad findest du im Editorial auf Nimms-Rad.de.
Und weil es mir am Herzen liegt, gibt es hier eine der ersten Kolumnen von unserer neuen Partnerseite.
Heute nehme ich das Hollandrad eigentlich nicht mehr. Aber ich träume davon. Früher, als ich noch in Köln gewohnt habe, da nahm ich das Hollandrad, wann immer es ging. Es war so ein Bahnhofsrad, so eins, bei dem das Schloss mehr kostet als das ganze Fahrrad. Weil auch das billigste Bike noch so gut gebraucht werden kann, dass ein Diebstahl lohnt.
Wie so viele Stadtbewohner hatte ich mein Hollandrad gebraucht gekauft (100 €?), damit ich es überall stehen lassen kann. Ich sehe es noch vor mir: Schwarz-Weiß, chromblitzende Stahlfelgen (tatsächlich), Schutzbleche, die bis fast zum Boden gehen, ein Lenker beinahe auf Kinnhöhe und ein dicker Gepäckträger. Es hatte Licht, das „uiuiuiuiui“ macht, wenn der Dynamo über das poröse Reifengummi eiert. Einer von drei Gängen klappte, zum Glück der Mittlere.
Ich liebte mein Hollandrad, aber das wusste ich noch nicht.
Ich liebte mein Hollandrad, aber das wusste ich noch nicht. Nicht so wie eins dieser Räder, die man jeden Tag an der Wohnzimmerwand mit großen Augen abtastet. Mehr wie „ans Herz gewachsen“. Ans Herz wuchs es mir, weil es mich überall so gut hinbringen konnte: mit total trockenen Füßen in ganz normalen Schuhen, weil die Schutzbleche so weit runtergingen, lässig, mit einem Finger am Lenker, weil es so schön geradeaus lief und auch einfach per Rücktritt ganz ohne Hände zum Stehen kommen konnte. Weil man auch ganz easy aufsteigen konnte, wenn der verkaufte Liebhaber-Rennrad-Stahlrahmen im Paket den Gepäckträger blockierte. Weil statt des Rahmens auch mal ein Mensch ein kleines Stück Weg mitfahren durfte (auch wenn er das laut Gesetz eigentlich nicht durfte).
Mit meinem Hollandrad hatte ich viele aufregende Begegnungen mit Autotüren und erlebte mit ihm mehr Verletzungen als mit allen meinen Sporträdern zusammen. Und die Unfälle überstand es immer besser als ich: Lenker wieder gerade drehen, fertig. Das verbindet. Ich habe es nie gepflegt, nicht einmal die Kette geölt, weil die in einem hübschen Kasten verborgen war, den ich nie öffnete, weil ich Angst hatte, dass ich das Puzzle nicht mehr zusammenbekomme.
Man konnte das Hollandrad auch getrost Tage lang selbstvergessen in der Stadt abhängen lassen.
Man konnte das Hollandrad auch getrost Tage lang selbstvergessen in der Stadt abhängen lassen. Sein geringer Geldwert täuschte ja vor, dass es nichts zu verlieren gab. Kurz: Es war ein Sorglosrad, sogar ein Sorgenbefreier, weil die Hektik Welt aus dem Hollandrad-Sattel auf Abstand ging, ich sage nur: „fröhlich trällernd am Rheinufer lang gondeln und den Schiffen beim Tuckern zuhören“.
Heute wohne ich in Wuppertal, wo die Menschen schon vor hundert Jahren eine Schwebebahn über einen Fluß gehängt haben, weil zwischen den Bergen links und rechts nicht genug Platz für ein ordentliches Verkehrsmittel war. Beinahe ein Paradies zum Rennradfahren. Sogar befreundete Münchner beneiden mich, weil ich in 15 Minuten die Stadt hinter mir gelassen habe. Berg hoch, raus bin ich. Andererseits: Wenn ich Unbekannten meinen Wohnort nenne, sagen viele, „ach, das ist doch die Stadt mit den vielen Autobahnausfahrten.“ Das stimmt auch.
Hollandräder liegen hier unbeachtet im Dreck neben den (seltenen) Fahrradständern. Selbst mit einer 5-Euro-Baumarktkette mit Playmobil-Vorhängeschloss gesichert besteht keine Klaugefahr. Hollandrad und Wuppertal, das passt nicht.
Keine Gänge, sackschwer, Wiegetritt grenzt an Akrobatik!
Eine Zeit lang habe ich das meinem guten alten Hollandrad angelastet. Alte Möhre, keine Gänge, sackschwer, Wiegetritt grenzt an Akrobatik! Aber das Rad trifft gar keine Schuld. Schuld haben auch nicht die Berge, wie hier gerne beklagt wird. Den Bergen könnte auch ein E-Hollandrad die Schwere nehmen, gar kein Problem (ich räume ein, über der Sorglosigkeit stünde ein Fragezeichen).
Jetzt weiß ich, es liegt am fehlenden Platz fürs Radfahren. Einfach aus der Haustür stolpern, aufs Rad setzen, irgendeinen Punkt in der Stadt ansteuern und wissen, für alles ist gesorgt, es wird einfach, ich kann was mitnehmen unterwegs, ich muss das Rad nicht wieder mit zurücknehmen, sondern kann mich auch in die Bahn plumpsen lassen. Das muss gehen, das hat mit dem Rad wenig zu tun. Auch befreit von links drängelnden Karossen zu sein, das geht hier nur auf dem einen Weg, den CNN zu den schönsten Straßen der Welt gekürt hat, der Nordbahntrasse. Alles andere ist Adrenalin. Das Gegenteil von Holland(rad).
Was denkt ihr?