Interview
Rennrad-News.de: Jonas, Du hast einen epischen Triathlon um die Welt hinter Dir. Wie verändert bist Du nach 14 Monaten Triathlon-Abenteuer zurück nach Deutschland gekommen?
Jonas Deichmann: Einerseits bin ich als Fahrradfahrer los und jetzt mehr als ein Radfahrer: Ich bin 460 km geschwommen, obwohl ich kein Schwimmer war, und 120 Marathons gelaufen; einfach weil’s geht! Das ist Kopfsache. Das gibt mir viel Zuversicht und Motivation für zukünftige Projekte. Fahrradfahren wird immer meine Lieblingsdisziplin sein, aber ich kann mir sehr gut vorstellen, auch noch andere Dinge zu machen. In der Langdistanz geht’s ums Durchhalten!
Wie geht das: Kein Schwimmer sein, und dann 460 km im Meer schwimmen?
Ich war tatsächlich schlecht vorbereitet. Natürlich habe ich vorher trainiert (hier findet ihr ein Video zu Jonas‘ Trockentraining in der Pandemie-Zeit), habe dann den Test gemacht und bin der Länge nach durch den Bodensee geschwommen, mit Floß. Aber die Adria ist was anderes als der Bodensee!
Wieso, den nennt man doch auch „das Schwäbische Meer“?
Jaaa, aber ohne Salzwasser, Strömung und Wellen ist das schon was anderes. Jedenfalls bin ich von Tag 1 bis 54 im Wasser circa 25 % schneller geworden. Das liegt nicht daran, dass ich so ein guter Schwimmer geworden bin, sondern daran, dass ich sehr tief gestartet bin.
Vermutlich hat sich aber auch abseits des Sports einiges für Dich verändert, oder?
Andererseits hat sich mein Leben enorm verändert. Als ich losgefahren bin, hat mich mein Vater in Teilzeit gemanaged, mittlerweile ist ein Spiegel-Bestseller raus, ein Kinofilm, und wir kommen da kaum noch hinterher!
Am Anfang des Films sagst Du: Es gibt Leistungssportler, die vor etwas weglaufen, und es gibt welche, die auf etwas hin laufen. Worauf läufst Du hin?
Erlebnisse! Darum geht’s mir. Wenn ich Abenteuer mache, dann weiß ich: Irgendwas Tolles, unvorhergesehenes wird passieren. Ob das Begegnungen oder Naturerlebnisse sind – ich komme mit tollen Erinnerungen zurück.
Das heißt: Du wirst nie an dem einen Ziel ankommen, Du kannst ständig Neues erreichen?
Natürlich habe ich ein großes Ziel, und das ist auch wichtig! Die Welt zu umrunden, das motiviert, dafür kämpfe ich. Aber das eigentliche Ziel ist der Weg dahin: die Reise, die Erlebnisse, die ich auf dem Weg mache.
In Mexico hat sich ein richtiger Hype um Dich entwickelt und ein paar Gefühle waren auch im Spiel – waren das die schönsten Momente der Tour?
Mexico ist herausgestochen, und da gab es viele tolle Momente. Die Hündin, La Cocetta, die 3 Tage mit mir mitgelaufen ist. Oder Momente, wo Polizisten mit Maschinengewehr im Anschlag neben mir herrennen… das kann man sich nicht vorstellen, das wird man nie vergessen!
Machen viele unglaubliche Situationen nachher den Reiz des Abenteuers aus?
Ein Abenteuer kann natürlich auch vor der Haustür stattfinden – aber es muss ein bisschen eine Reise ins Ungewisse sein. Ich gehe los und weiß nicht, was passieren wird.
Klingt schön – aber im Film fluchst Du auch ganz schön häufig. Was war das anstrengendste, unschönste Erlebnis der Tour?
Mir war immer klar, dass harte Momente auch dazu gehören. Aber trotzdem bin ich ja auch in den harten Momenten dabei, meinen großen Traum zu verwirklichen. Die härtesten Momente für mich waren Bürokratie-bedingt. In der Türkei festzusitzen und kein Visum zu bekommen. Oder in der Ukraine auf den Pass zu warten, nicht nach Russland einreisen zu können… Wenn ich auf dem Fahrrad nicht vorankomme, ok, liegt an mir. Aber wenn es nicht in meiner Macht liegt, das ist für mich das härteste.
Und welche sportliche Herausforderung war die größte?
Die drei Disziplinen sind natürlich komplett unterschiedlich. Radeln ist prinzipiell die mit Abstand leichteste Disziplin, vom russischen Winter mal abgesehen. Laufen ist für den Körper das härteste, diese Dauerbelastung. Für mich war aber Schwimmen das härteste, das muss ich nicht unbedingt nochmal machen. Körperliche Beschwerden durch das Salzwasser, die Logistik außenrum,… Du bist dauernd hungrig oder hast Durst.
Und ich singe auch gern auf dem Fahrrad.
Selbst kleine Bugwellen bremsen extrem, und man ist super unflexibel einen Schlafplatz zu finden, weil der Bewegungsradius so klein ist. Es hat einen Grund, warum Swim-packing (Mehrtages-Schwimmtouren mit Gepäck, Anm. d. Red.) noch keinen großen Durchbruch hatte!
Im Film sieht man, wie Du Dir an Deinem Geburtstag ziemlich einsam ein paar russische Kekse aus dem Supermarkt „gönnst“. Wie gehst Du mit der Einsamkeit auf einer so langen Tour um?
Die längste Zeit ohne Begleitung waren 6 Wochen, sonst hatte ich ja immer wieder Begleitung von Kamerateam und Co. Ich bin aber auch gern allein unterwegs. Naturerlebnis kann man auch allein genießen. Und ich singe auch gern auf dem Fahrrad.
Was singst du dann?
Auf dem Fahrrad singe ich sehr gerne die Musik aus Forrest Gump und allgemein gern amerikanische Musiktitel, die ein bisschen älter ist, aber eigentlich quer durch. Zum Hören auf dem Fahrrad, gefällt mir auch größtenteils Musik aus den 80ern, das ist für mich so ein Freiheitsgefühl.
Während Du jeden Tag Höchstleistung gebracht hast, hast Du „ganz nebenbei“ auch noch Social Media bedient. Wie ließ sich das in den Tag integrieren?
Ich bin in der sehr glücklichen Position, mein Hobby zum Beruf gemacht zu haben. Für mich gäbe es keinen besseren Job, als Profi-Abenteurer. Das Filmen, Social Media Posts und so weiter, mache ich gern – es gibt aber auch Momente, wo das schwierig ist. Der Regisseur und die Filmcrew haben immer gesagt: Jonas, je schlechter es Dir geht, desto interessanter ist das für den Film, und desto glücklicher sind wir.
Wenn ich locker bei Sonne und Rückenwind durch die Ebene radel: Das interessiert niemanden!
Weil es genau darum geht. Wenn ich locker bei Sonne und Rückenwind durch die Ebene radel: Das interessiert niemanden! Interessant wird es, wenn ich eine Herausforderung habe. Im Schneesturm zu filmen, oder wenn ich eine Lebensmittelvergiftung habe, dann kostet das ganz schön Überwindung.
Hast Du denn wirklich neben dem Spitzensport auch noch abends Dein Instagram bespielt?
Ja. Wobei sich das auch im Lauf der Reise geändert hat, inzwischen kann ich Nachrichten nicht mehr beantworten. Ich bin mit 20.000 Followern losgefahren und jetzt bin ich bei 130.000!
Vor dem Triathlon sind Dir beim Radfahren ja „ein bisschen die Ziele ausgegangen“. Wie kann man diesen Triathlon um die Welt noch toppen?
Es geht mir nicht um „schneller, weiter, höher“. Mir geht’s um Erlebnisse und darum, mich selbst zu challengen. Meine eigenen Rekorde nochmal schneller zu machen, das reizt mich absolut Null. Neue Erlebnisse, neue Erfahrungen, auf jeden Fall! Und die können auch sehr schwer werden. Das nächste Projekt geht wieder um die Welt, es hat so noch niemand gemacht – aber alles andere ist noch streng geheim.
Eine Weltumrundung komplett aus eigener Kraft steht auf meiner Agenda. Aktuell ist aber nicht der richtige Zeitpunkt.
Das heißt Du holst die Weltumrundung ohne Motorkraft noch nach?
Eine Weltumrundung komplett aus eigener Kraft steht auf meiner Agenda. Aktuell ist aber nicht der richtige Zeitpunkt. Aktuell ist das politisch gesehen möglicherweise gar nicht möglich. Solange die Situation in Russland so ist, warte ich erst einmal ab. Aber der Traum bleibt, und das werde ich irgendwann angehen.
Wann startest Du denn ins nächste Abenteuer?
Ende nächsten Jahres. Dieses Jahr bin ich immer noch müde, ruhe mich noch aus und halte noch viele Vorträge. Nächstes Jahr wird dann wieder trainiert, und Ende 2023 geht’s wieder los!
Jonas, vielen Dank fürs Gespräch und alles Gute für die nächsten Abenteuer!
„Das Limit bin nur ich!“ – der Film
Im Interview ist es schon mehrmals angeklungen: Ganz nebenbei wurde auch noch fleißig gefilmt. Wir haben das Ergebnis gesehen und können sagen: Beeindruckend. Wer gehofft hat, durch 1:35 Stunden Dokumentation würde es leichter verständlich, wie Jonas Deichmann zu dieser Leistung in der Lage ist, wird enttäuscht – denn je mehr Einblicke in die Tour man erhält, desto mehr imponiert die Aktion. Genau deshalb ist der Film sehenswert!
Der Film zeigt dabei sehr menschlich und greifbar, welche Hürden sich beim Triathlon um die Welt ergeben – und wie sie überwinden wurden. Der Schlüssel ist dabei Jonas‘ unbedingter Wille, was als Antwort auf die Frage nach dem „Wie?!“ schon fast zu einfach erscheint. Doch den Beweis, dass Jonas Deichmann tatsächlich so bedingungslos abgeklärt ist, den erbringt er mit jedem Kilometer seiner Tour.
Trailer
Die Premierentour ist ab sofort in Deutschland unterwegs, ab 19.05.22. kommt der Film ins Kino. Wer wissen will, was ihn erwartet, der findet ganz viele Einblicke auch auf der Website zum Film.
Film-Termine und Vorträge mit Jonas Deichmann
Hamburg
Film-Event: Sonntag, 15. Mai – 16:45 und 20:00 Uhr, Zeise Kinos, Empfang mit Live Filmmusik 19 Uhr im Kino Foyer
Speaker-Event: Sonntag, 5. Juni – 19:30 Uhr, Friedrich-Ebert-Halle
Community Run Köln
Community-Run:, Donnerstag, 12. Mai – 18 Uhr, Eckdaten: 6:00er pace; 12 Km, in Kooperation mit RYZON
Film-Event: Donnerstag, 12. Mai – 20.45 und 21:15 Uhr – Rex, Empfang 19:30 Uhr im Kino Foyer
Speaker-Event: Dienstag, 24. Mai – 19:30 Uhr, Sartory Säle
Berlin
Film-Event: Dienstag, 10. Mai – 17:00 und 20:00 Uhr, Zoopalast, Empfang Live Filmmusik 19 Uhr im Kino Foyer
Speaker-Event: Freitag, 27. Mai – 19:30 Uhr, Urania Berlin
Erfurt
Filmevent: Sonntag, 11. Mai – 20:00 Uhr, Cinestar
Aachen
Filmevent: Freitag, 13. Mai – 21:30 Uhr, Cineplex
Münster
Filmevent: Samstag, 14. Mai – 18:00 Uhr, Cineplex
Get together: ab 21 Uhr im LuMiná Restaurant, Hafenplatz 6, 48155 Münster
Stuttgart
Speaker-Event: Dienstag, 31. Mai – 19:30 Uhr, Liederhalle
Frankfurt am Main
Speaker-Event: Sonntag, 22. Mai – 19:30 Uhr, Universität
Nürnberg
Speaker-Event Donnerstag, 2. Juni – 19:30 Uhr, Meistersingerhalle
Freiburg im Breisgau
Speaker-Event: Dienstag, 07. Juni – 19:30 Uhr, Bürgerhaus Seepark
Wer von Euch hat Lust, sich das Abenteuer bequem aus dem Kinosessel anzuschauen oder zu einem der Vorträge zu gehen?
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