Der ist dann mal weg: Velopreneur Gunnar Fehlau wird das gesamte Jahr 2023 auf einer besonderen Dienstreise verbringen: Mit einem Lastenrad tourt er 365 Tage durch Deutschland und erledigt seine Arbeit von unterwegs.
Workpacking Tour gestartet
Pünktlich zum Beginn neuen Jahres ist Gunnar Fehlau, bunter Hund der Fahrradszene, aufgebrochen: er tingelt mit dem Lastenrad durch Deutschland – und arbeitet von unterwegs einfach ganz normal weiter. Beladen mit Zelt, Laptop, vier Ersatzakkus für sein Lastenrad und einer Menge sonstiger Ausrüstung, wasserdicht verpackt in sechs knallrote Ortliebtaschen, ist der Göttinger losgeradelt, um erst 2024 wiederzukommen von einem ganzen Jahr auf der Walz.
Wer ist Gunnar Fehlau?
Gunnar Fehlau (49) aus Göttingen mischt als selbst ernannter „Velopreneur“ seit Mitte der 1980er in der deutschen Fahrradszene mit – als Journalist, Herausgeber und Autor. Er ist Gründer und Geschäftsführer beim Pressedienst Fahrrad, der Agentur Velonauten und bei bootcamp.bike.
Dem Pressedienst Fahrrad hat Gunnar erzählt, wie sich seine gerade begonnene große Reise so anlässt:
Gunnar Fehlau – der Workpacker im Interview
Gunnar, du wirst ein Jahr lang mit dem Lastenrad durch Deutschland touren. Wie kam es zur Idee des Workpacking?
Nach Corona hatte ich so eine große Sehnsucht, unterwegs zu sein, Leute zu treffen und sich zu begegnen. Zudem haben wir unser Büro während Corona auf Remote-Betrieb umgestellt und sind mittlerweile hybrid, teils vor Ort, teils remote unterwegs. Als zudem klar wurde, dass unsere beiden Kinder zum Studieren ausziehen würden, fügten sich diese Aspekte zu der Idee, ein Jahr remote vom Rad aus zu arbeiten.
Was hast du an Ausrüstung dabei und vor allem: Wie packt man für ein Jahr?
Alleine darüber kann man sicher ein Buch schreiben. Ich habe alle Radkleidung mit, um zwischen 15°, bei Regen und bis zu sommerlichen Temperaturen unterwegs zu sein. Gleiches gilt für die Arbeits- bzw. Alltagskleidung. Dazu kommt ein geräumiges Zelt mit Titan-Ofen und Kamin. Jede Tasche entspricht in gewisser Weise einem Zimmer: Bad, Schlafzimmer, Küche, Vorratskammer, Fahrradwerkstatt, Arbeitszimmer und so weiter. Alles zusammen sind es gut 60 Kilogramm Gepäck, verpackt in wasserdichten Ortlieb-Taschen.
Du bist mit einem elektrifizierten Cargobike unterwegs. Bei so viel Gepäck kommt natürlich gleich die Frage nach der Reichweite auf. Wie viele Akkus sind dabei?
Ich habe vier 630 Wattstunden-Akkus dabei, das sollte für ausreichend Reichweite sorgen. Generell geht es mir aber nicht um extreme Reichweiten und Distanzen, sondern ums Unterwegssein. Deshalb auch die Wahl für einen leisen und gleichsam durchzugsstarken Brose S-Mag-Antrieb.
Auf der Nabe ist der Schriftzug ‚3×3‘ zu lesen. Denkst du, die Technik hält? Erfahrungswerte für ein solches Projekt gibt es ja kaum …
Das ist eine spannende Frage. In jedem Fall habe ich meist eher „zum Besten“ gegriffen als zu den „Schnäppchen“-Bauteilen. Dabei war es natürlich hilfreich, dass ich viele Akteure der Branche seit vielen Jahren kenne und so Dinge möglich wurden, die sonst sicher schwierig sind. Manche Teile wie der „Marathon 365“-Reifen passen von ihrem Konzept perfekt zu meinem Vorhaben, andere Teile darf man getrost als „zweckentfremdet“ bezeichnen: So ist die Winterbekleidung von 45NRTH sicher in Deutschland üblicherweise nicht im 365 Tage-Einsatz. Auch sind manche Kombinationen bisher so wohl keinem derartigen Härtetest unterzogen worden: Gates-Riemen, 3X3-Schaltung und Brose-Antrieb zum Beispiel.
Mit welchen Erwartungen startest du in das Jahr und somit auch in dein Projekt?
Ich möchte Alltag, Arbeit und Abenteuer in eine neue Balance für mich bringen und einfach einmal ausprobieren, wie so ein digital nomadisches Leben für mich ist. Ich werde dieses Jahr 50 Jahre alt … ein Alter, indem Männer gerne einmal verrückte Dinge tun. So kann ich auch einmal 50 Wochen „remote velophil“ leben.
Workpacking – das Projekt
Gunnar Fehlaus Projekt hinterfragt die Alleinstellung des Autos als individuelles Vehikel der digitalen Nomaden oder des Van-Lifestyles und erschließt dem Fahrrad so die vielleicht letzte Bastion des Kfz. Statt sich mit kleinen Abenteuerfahrten von Alltag und Arbeit zu erholen, finden Arbeiten und Abenteuer bei ihm auf neue Weise zusammen: Aus „Homeoffice und Bikepacking“ wird „Workpacking“. Für Gunnar Fehlau versöhnt sein Reise- und Arbeitsformat die tief im Menschen verwurzelte nomadische Sehnsucht mit der digitalen Arbeitswelt.
So werden Arbeiten und Alltag, Reisen und Radfahren in eine neue Balance gebracht, die nachhaltiger funktioniert als Fernreisen oder Work-and-Travel per Auto und die eigenen Zeit- und Geldressourcen schont.
Gunnar Fehlau
Die geplante Route, Hintergründe und aktuelle Neuigkeiten findest du hier:
Ein Jahr Bikepacking – wär das was für dich?
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