In unserer Artikelserie „Ausprobiert“ findet ihr regelmäßig kurze Vorstellungen von spannenden Produkten, die wir für euch in der Praxis einem ersten Check unterzogen haben. Heute: der Livall BH62 Helm mit einer Unmenge smarter Funktionen.
Ausprobiert! Livall BH62 Helm
„Power on“, so begrüßt der Livall BH62 Rennrad-Helm mit Roboter-Frauenstimme seine Besitzer, wenn man ihn anschaltet. Kurz danach tönt es (wenn man will): „Connected“. Und nun steht dem nach EN1078 geschützten Livall-Träger die ganze vernetzte Welt der Funktionen offen: von einfach nur Leuchten, über Blinken bis Musikhören und Walkie-Talkie-Sprechen oder Notfall-Nachrichten-Senden. Wie fährt es sich mit einem sprechenden Smarthelm im Rennradalltag? Das haben wir ausprobiert. Und – soviel vorweg – für uns herausgefunden, dass das auffällige Licht der Hauptgrund war, den Livall anderen Helmen vorzuziehen. Aber nicht der einzige.
Livall BH62 kurz und knapp
- Smarter Rennradhelm mit Bluetooth 4.1
- Größen 55-61 cm
- Schutznormen EN1078, CPSC1203
- Gewicht 298 g (gewogen)
- Integrierte FunktionenFernbedienung über Satellit am Lenker, rotes LED-Rücklicht, gelbe LED-Fahrtrichtungsanzeige links oder rechts, Sturzerkennung über Sensor, Sprach-Statusmeldungen, Lautstärkeregelung
- Funktionen mit Livall-App Kopplung an Smartphone, Sturzerkennung und Notruf-Meldung an Kontakte, Musikhören, Walkie-Talkie-Funktion mit anderen Livall-Trägern, Navigationshinweise, Kopplung an Sensoren wie Tempo, Kadenz, Herzfrequenz mit Aufzeichnung und Auswertung von Daten in der Livall-Umgebung
- Akku 3,7 V, 600 mAh, über Micro USB ladbar
- Preis 159,99 € UVP
- Info www.livall.de
Anschauen
Der BH62 ist eines der besser ausgestatteten Modelle aus der Livall Helmfamilie. Er richtet sich mit einer laut Hersteller „optimalen“ Belüftung an Rennradfahrer. Wir zählten 26 Ein- und Auslasskanäle für den Luftstrom. Die markante Optik der In-Mould-Helmschale erinnert etwas an Commander Warf (Enterprise) und ist eher breit. Der Helm wirkt wertig verarbeitet, nirgends scharfe Kanten oder unsaubere Übergänge zwischen Schale und dem EPS Schutz-Schaum. Im ausgeschalteten Zustand sind auch keine LED auszumachen. Sie sitzen „am Heck“unter der glatten, semitransparenten Oberfläche. Selbstverständlich erfüllt der BH62 die europäische Schutznorm. Positive Überraschung: Der Livall BH62 wiegt mit 298 g weniger als angegeben und ist gemessen am Funktionsumfang damit leicht.
Anziehen
Ein Helm muss sitzen. Sonst trägt man ihn nicht gern, schlimmstenfalls leidet der Schutz. Insofern ist es theoretisch ein Handicap des Livall BH62, dass er nur in einer Größe zu haben ist. Für „M bis L-Köpfe“ passte bei uns die Helmschale gut. Letzte Korrekturren lassen sich mit dem Drehrad am Hinterkopf leicht vornehmen. Der Sitz ist dann sicher und bequem. Auch die seitlichen Riemen sind einfach einzustellen. Das Gurt-Dreieck verschob sich jedoch beim Tragen selbständig – hier sollte Livall nachbessern. Dafür sind die Gurte bequem und bieten eine gute Belüftung der darunter liegenden Haut. Komfortabler als die Gurtschließe des Livall ist im Alltag ein Ratschenverschluss, der eine einfache Anpassung unter dem Kinn ermöglicht. Aber der Sitz des Kinnriemens ist angenehmm.
Klima und Komfort
Auf Rennradtouren im Sommer wurde der Livall BH62 als normal bis gut belüfteter Helm empfunden. Für richtig heiße Tage gibt es spürbar besser kühlende Modelle, aber man fühlt sich auch dann noch wohl unter dem BH62. Da die Polster relativ großflächig sind, bleibt dort etwas Hitze gespeichert. Insgesamt lag der Griff zum BH62 besonders bei mittleren bis kühlen Temperaturen immer besonders nahe. Das leichte Mehrgewicht gegenüber Top-Helmen war auf dem Kopf nicht zu spüren.
Die smarte Seite
Der Livall BH62 bietet so viele Funktionen, dass man schon fast von einem Kennenlern-Prozess sprechen kann – ein wenig wie bei einem GPS-Gerät. Das Rendezvous – technisch: Set-up – beginnt am einfachsten mit dem Einschalten. Danach ist das Licht automatisch an. Es wurde von Mitfahrern als „abgefahren“ oder „spacig“ beschrieben. Drei Leuchtmodi stehen zur Wahl. Eine abstandsvergrößernde Wirkung auf Autofahrer meinten wir bei Fahrten im Dunkeln wahrzunehmen.
Ohne Smartphone App
Nächster Schritt: Fernbedienung. Sie ist leicht am Lenker zu montieren und auch problemlos mit dem Helm zu Koppeln. Dazu muss zunächst der Helm, dann die Bedienung eingeschaltet werden. Der Rest geht nach Bedienungsanleitung leicht. Zusätzlich lohnt es sich das Smartphone per Bluetooth zu koppeln. Dann dient der Helm quasi als Headset. Die Kombi ist dabei vor allem für drei Dinge sehr nützlich:
- Blinken
- Musiktitel spielen, Lautstärke regeln (mit Smartphone-Kopplung)
- Anrufe annehmen (mit Smartphone-Kopplung)
- Navigation (Sprachansage, mit Smartphone-Kopplung)
Blinken: Dabei signalisiert der Helm je nach Wunsch links oder rechts blinkende LED-Abbiegepfeile. Das Blinken wurde von Mitfahrern auch aus der Distanz als sehr deutlich wahrnehmbar beschrieben. Wenn der Satellit am Lenker war, wurde die Funktion auch im Verkehr genutzt. Mit dem Smartphone, das auch zur Bedienung dienen kann, nie.
Telefonieren: Praktisch! Sprachqualität und Wahrnehmung der eigenen Sprache auf der anderen Seite waren überzeugend. Für Trainingstelefonierer ergibt sich damit eine komfortable Freisprech-Funktion.
Musik: Die beiden Lautsprecher über den Ohren erzeugen tatsächlich annehmbaren Stereo-Sound. Gegenüber In-Ear-Kopfhörern lassen sie deutlich Bässe vermissen, aber der Klang ist klar und die Musik zur Untermalung der Fahrten durchaus geeignet. Sie übertönt auch Windgeräusche bei normalen Tempi auf der Gerade. Aber man hört trotzdem den Verkehr, etwa herannahende Autos. Einziges Manko am Testhelm: Der linke Lautsprecher hatte nach kurzer Zeit einen Wackelkontakt, sodass meistens nur Mono-Klang ankam. Das wäre im Rahmen der Gewährleistung zu beheben gewesen. Musik lässt sich dabei auch ohne Verwendung der Livall App auf dem Helm hören
Navigation: Sehr komfortabel. Statt des Telefon-Lautsprechers macht der Helm die Abbiege-Ansagen. So sind sie auch im dichten Verkehr gut zu hören.
Mit Smartphone und App
Einige Funktionen eröffnen sich dem Livall-Träger erst über die Verbindung mit der Livall App auf dem Smartphone. Wir haben es nur mit iOS-System gecheckt. Die wichtigsten Funktionen: Eigene Kontakte zum Walkie-Talkie-Sprechen nutzen oder die Notfall-Anruffunktion zu aktivieren, ist eine Registrierung bei Livall mit entsprechender Datenweitergabe nötig. Auch bestehende Konten wie Strava, facebook oder twitter können genutzt werden. Die App ist gleichzeitig eine Art soziales Netzwerk. Beim Start erscheinen immer zunächst Nachrichten aus dem Netz, die nicht jeder lesen will, wenn er einfach nur einen Helm aufsetzt.
Getestet haben wir mangels Partner-Helmen nur die Notfallanruf-Funktion. Dazu wurde ein Sturz simuliert, in dem wir den Helm bei schlechtem GPS einfach auf den Steinboden geworfen haben bei mitlaufender App. Die Notfallfunktion wurde ausgelöst. Danach begann der Livall BH62 zu piepen und das Blinken veränderte sich. Es blieben noch 90 Sekunden, um die Signalisierung per Wischen auf dem Smartphone-Bildschirm zu stoppen. Danach wurde der Alarm ausgelöst. Da der Helm ohnehin nicht mehr funktionsfähig war, konnten wir den Test mehrfach wiederholen. Und der Sturz wurde immer erkannt.
Um die Energiereserven des Helms musste man sich in der Praxis keine Sorgen machen. Ob, die versprochenen 30 Std. Laufzeit erreicht werden, haben wir nicht überprüft. Der Helm kam einfach 1x in der Woche ans Ladegerät, was sich als praktikabel erwies, auch wenn das Licht immer und Musik gelegentlich mitlief. Allerdings zieht die Dauerkopplung auch am Smartphone einige Energie aus den Akkus, so dass ein iPhone SE im Winter nach einer vierstündigen Fahrt nachladen musste.
Fazit von Rennrad-News.de
Der Livall BH62 war ein gefragter Helm während des Tests. Vor allem an dunklen, kühleren Tagen fiel die Wahl wegen der Lichtfunktion oft auf den smarten Kopfschutz. Die einfach zu bedienenden smarten Funktionen wie Musikhören und Freisprechen sind ein deutliches Sicherheitsplus - ob man sie nutzt, ist Geschmacks-Sache. Auch der Sturzsensor ist ein großes Plus und kostet anderswo mehr. Der Tragekomfort ist gut, aber Livall sollte die rutschenden seitlichen Gurtschnallen nachbessern. In der Summe: sehr viel smarter Zusatznutzen zum Preis eines Rennrad-Mittelklassehelms ohne bedeutende Einschränkungen.
Pro / Contra
Pro
- gut tragbarer Helm mit guter Belüftug
- Zusatzsicherheit durch Richtungsanzeige und auffälliges Rücklicht
- einfache Bedienung und schnelles Einrichten der smarten Funktionen
- sicheres Telefonieren während der Fahrt
- sicheres Musikhören während der Fahrt mit annehmbarem Sound
- Sturzsensor als Sicherheitsplus
- sehr viel Zusatznutzen bei normalem Preis
Contra
- Wackelkontakt an einem Lautsprecher während Testphase
- seitliche Gurt-Einstellung neigt zum Verrutschen
- etwas schwerer
- Soziale Funktionen der Ride App drängen sich stark auf
- nur eine Größe
Was haltet ihr von smarten Helmen wie dem Livall?
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