Ski-Urlaub geplatzt, also ab in die Wüste, dachte sich Nathalie Schneitter und machte sich spontan zu einer Gravel Tour auf den Spuren des Badlands Gravel Ultracycling Events auf. Auf 6 Tage verteilt, blieb mehr Zeit, die unglaubliche Schönheit der Landschaft zu genießen. Aber mit mehr als 100 km und meist über 2.000 Hm pro Tag blieb auch noch genug Herausforderung übrig. Hier lest ihr ihren Bericht von Badlands Gravel als 6-Tage-Reise.
Schneenot macht erfinderisch
Eigentlich mögen wir den Winter und eigentlich dient er uns für gemeinsame Skitouren. Doch Schnee war für einen Ski-Weihnachtsurlaub weit und breit nicht in Sicht und so entschieden wir uns ultra-spontan, den Winterurlaub auf dem Rad zu verbringen. Ideen haben wir immer (zu) viele, für eine entscheiden können wir uns nur schlecht und so kommt es bei uns öfter vor, dass das Bauchgefühl den Ausschlag gibt und das Hirn erst danach in die Planung involviert wird.
Der Flug Basel–Malaga ist in wenigen Minuten gebucht, der Bus nach Granada auch und dass wir die Runde des «Badlands Gravel-Ultracycling Rennen» fahren wollen, innerhalb weniger Sekunden entschieden. Da Ende Dezember auch in der spanischen Wüste nicht gerade die gemütlichsten Camping-Bedingungen herrschen, packen wir leicht und vertrauen darauf, dass uns die Beine immer bis zu einer passenden Unterkunft pedalieren werden. Also, los geht’s!
6 Tage-Rennen statt Nonstop – aber reicht das?
Nach dem Check-In setzten wir uns erstmals richtig mit der Strecke auseinander. Wie lange ist die Runde eigentlich? Oh nein, Start- und Endpunkt sind ja gar nicht am selben Ort! Reichen die zur Verfügung stehenden sechs Tage überhaupt, beziehungsweise wie viele Kilometer und Höhenmeter sind das im Schnitt? Wir lachen über uns selbst und denken, dass das schon irgendwie funktionieren wird.
Bisher hat uns selten etwas aus den Socken gehauen und die krassen Jungs und Mädels fuhren die Strecke im Rennen ja nonstop durch.
Bisher hat uns selten etwas aus den Socken gehauen und die krassen Jungs und Mädels fuhren die Strecke im Rennen ja nonstop durch. 133 Kilometer sind es pro Tag im Schnitt, inklusive der Strecke zurück zum Startpunkt in Granada, rund 2.600 Höhenmeter kommen pro Tag noch dazu. Das scheint uns machbar. Die Unterkunftsplanung stellt uns dann vor ein größeres Problem. Die Badlands Runde führt einmal rund um das Sierra Nevada Bergmassiv und durchquert mehr als eine Wüste. Restaurants, Hotels oder Ferienwohnungen sind da dünn gesät. Wir entscheiden uns dafür, die erste Nacht in Guadix zu buchen, einer größeren Stadt, die wir nach 104 Kilometer und 2.800 Höhenmeter erreichen werden. Das scheint vernünftig zu sein für den Einstieg, obwohl wir wissen, dass wir damit schon am ersten Tag 30 Kilometer hinter Plan sind.
Die Reise nach Granada verläuft problemlos, der Bus fährt pünktlich am Flughafen ab und das Hotel ist fahrradfreundlich, sodass wir die Radkoffer bis zu unserer Rückkehr dort deponieren können. Am nächsten Tag suchen wir noch vor 8 Uhr Frühstück. Fündig werden wir mit Take-Away-Kaffee und Bananenbrot. Bereits bei der Planung wurde uns bewusst, dass die kurzen Tage im Dezember gegen uns sind. Früh aus den Federn und die Pausen kurz halten, heißt die Devise und: Wir haben zum Glück gutes Licht dabei.
Wir lassen Granada schnell hinter uns und schon nach wenigen Kilometern sind wir in unsere eigene Welt eingetaucht. Die schneebedeckte Sierra Nevada liegt südlich von uns und vor uns Olivenbäume, soweit das Auge reicht. Wir werden in regelmäßigen Abständen überrascht mit Brunnen, bei denen wir die Flaschen füllen können. So erreichen wir nach 55 Kilometern ein Dorf, in dem wir sogar eine Bar finden, die uns ein «Bocadillo» serviert, ein Sandwich, das uns wieder zu Kräften kommen lässt. Der Mix von Asphalt und Kies ist für uns angenehm und wir schlagen ein gutes Reisetempo an, denn wir wissen, das strategisch schlechteste, das wir machen könnten, ist uns am ersten Tag schon zu verheizen. Bei Sonnenuntergang kurz nach 17:00 Uhr erreichen wir Guadix. In spanischer Manier gibt es Abendessen im Hotel erst ab 20.30 Uhr und wir nutzen die Zeit dazwischen für Routenplanung und Bier.
6-Tage-Badlands: Gorafe Wüsten Querung
Dass der zweite Tag knackig werden wird, ist schnell klar. Über 150 Kilometer, extrem viel Gravel, Durchquerung der Gorafe-Wüste und ab Kilometer 75 absolut nichts mehr, um Essen oder Wasser nachzuladen. Wir finden im Dorf Gorafe noch eine Ferienwohnung, die vier Schlafzimmer erscheinen uns für uns zwei etwas übertrieben, doch eine Alternative gibt es schlicht und einfach nicht. Der Tag beginnt mit einem unsäglich mühsamen Abschnitt auf einer ehemaligen Bahnstrecke. Wir kommen gefühlt in Zeitlupe vorwärts und bereits frühmorgens an unsere nervlichen Grenzen.
Wir juchzen vor Glück, beide sicher, dass das der schönste Radtag unseres Lebens ist.
Doch nach einem Kaffee bei Kilometer 40 lachen wir wieder und die darauffolgende Fahrt durch die Gorafe Wüste entschädigt einfach für alles. Steinformationen, die wir so in Europa nie erwartet hätten, lassen uns staunen – hier kommen wir nur langsam vorwärts, weil wir eigentlich an jeder Ecke ein Foto machen möchten. Wir juchzen vor Glück, beide sicher, dass das der schönste Radtag unseres Lebens ist. Kilometer 75 beschert uns dann tatsächlich noch ein Sandwich in einer Bar und die Möglichkeit, unsere Flaschen zu füllen. Danach sind wir auf uns selbst gestellt.
Happy New Year denken wir uns und gehen noch vor Mitternacht schlafen.
Bei Kilometer 100 starten wir um 16 Uhr mit Haribo – wohl etwas zu früh, doch irgendwie brauchen wir das heute. Zum Glück wissen wir nicht, dass der Tag noch richtig lang werden soll. Die letzten 30 Kilometer saugen uns aus: Der Untergrund ist entweder schlammig, oder einfach extrem ruppig und das Tageslicht geht uns früher aus als uns lieb ist. Irgendwie schaffen wir es dann doch noch nach Gorafe, nach rund 9 Stunden Fahrzeit. Es ist Silvester und kein Restaurant ist geöffnet. Unsere Vermieterin offeriert uns eine Packung Pasta, eine Dose Thunfisch und eine Flasche Tomatensosse. Happy New Year denken wir uns und gehen noch vor Mitternacht schlafen.
Auf Vuelta Terrain in der Sierra de Baza
Tag drei meint es dann gut mit uns. Nach 40 Kilometer finden wir eine Bar, in der wir nicht nur Kaffee kriegen, sondern auch ein Sandwich zum Einpacken und später am Berg nochmals einen Brunnen. Die Route steigt und steigt durch den Nationalpark der Sierra de Baza und wie bereits am ersten Tag, klettern wir bis über 2.000 Meter. Ein wunderbares Hochplateau bringt uns bis zum Calar Alto, einem bekannten Straßenpass in Andalusien, wo 2017 letztmals die Vuelta drüber führte. Von hier heißt es für einmal genießen: Rund 1500 Tiefenmeter auf Asphaltstraße – wie genießen jeden Meter dieser geschenkten Kilometer.
In Gérgal kehren wir nochmals in eine Bar ein und ein herumstreunender Hund entschließt sich dazu, während wir eine Tortilla mampfen, mein Rad anzuscheißen. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, wie sehr ich mich über das Geschenk freue! Das Highlight des Tages steht uns aber noch bevor: Die Fahrt durch die Wüste von Tabernas. Was auf der Karte als kurzer Abschnitt von 30 Kilometer aussieht, entpuppt sich als Singletrail-lastig und daher langsam, doch das Panorama ist überwältigend und das Glück strömt uns durch die Adern. Natürlich schaffen wir es auch heute nicht bei Tageslicht ins Hotel und entscheiden uns daher, die letzten 6 Kilometer abzukürzen und auf der Hauptstraße zum Hotel in Tabernas zu rollen.
Highlight des Tages: Cabo de Gato Nationalpark
Hotels mit Frühstück sind auf der Badlands-Runde rares Gut. Wir haben vorgesorgt und essen im Bett eine Orange und Karrottenkuchen aus dem Supermarkt zum Frühstück. Mit vollem Zuckerspeicher geht’s los in Tabernas, nach wenigen Kilometern glücklicherweise in die Steigung über die Sierra Alhamilla. Die Nächte in der Wüste sind kalt und das Thermometer zeigt knackige 2 Grad. Nach der Querung des Gebirgszuges sehen wir das Meer und rollen freudig darauf zu. Nach einem «Tostado» in Nijar sind wir dann auch gerüstet für das stetige Auf und Ab, welches uns die restlichen 100 Kilometer des Tages begleiten soll. Wir kommen zwar gut vorwärts, aber eine knackige Rampe jagt die andere.
Das heutige Highlight ist der Gabo de Gato Nationalpark. Wir werden empfangen mit einer traumhaften Küstenstraße, gönnen uns in San Jose nochmals eine Stärkung und genießen vor allem den Kiesabschnitte beim Vela Blanca Leuchtturm, da hier keine Autos fahren dürfen. Einmal mehr fällt auf, dass es unglaubliche viele Touristen dort hat, wo man mit dem Auto hinkommt und keine Menschenseele, wenn für die Autos Schluss ist.
Nach den vier Tagen, während denen wir kaum je Menschen getroffen haben, war der Touristenort San Jose ein ziemlicher Kulturschock. Kurz nach dem Dorf Gabo de Gata entscheiden wir uns, den letzten mühsamen Teil im tiefen Sand den Strand entlang auszulassen und auf direktem Weg nach Almeria zu fahren. Das Tageslicht geht langsam aber sicher dem Ende zu und auf Hike-a-Bike haben wir in der Dunkelheit keine Lust. An einer Tankstelle gibt’s Cola und wir kaufen 6 Snickers (man weiss ja nie!) und fahren im Gegenwind eine Ablösung nach der andern. Absolut verrückt, wie man nach einem langen Tag im Sattel plötzlich wieder Energie hat, um das Ding zu Ende zu bringen.
Solo Pasta
Beim Abendessen planen wir die letzten zwei Tage zurück nach Granada. Die Unterkunft-Suche stellt sich wiederum als problematisch raus, wir buchen eine Ferienwohnung irgendwo in der Pampa und zum Glück wissen wir, als wir zeitig um 8 Uhr morgens losradeln, noch nicht, dass wir zum Abendessen nur Pasta mit Olivenöl kriegen werden. 3800 Höhenmeter auf 130 Kilometer stehen auf dem Programm und obwohl wir denken, dass wir das Beste schon in den Beinen haben, erwartet uns nochmals ein Tag der Superlative.
Wir lassen uns nicht davon beirren, dass wir für die ersten 17 Kilometer 2 Stunden brauchen.
Wir lassen uns nicht davon beirren, dass wir für die ersten 17 Kilometer 2 Stunden brauchen und machen einfach einen Pedaltritt nach dem anderen. Natürlich ist uns bewusst, dass wir heute ein Wettrennen gegen das Tageslicht fahren und halten die Stopps auf einem Minimum. Nach 90 Kilometern legen wir in Berja bei einem Supermarkt die einzige größere Pause des Tages ein, um die Vorräte aufzufüllen… zum Glück kaufen wir vorsorglich auch eine Packung Pasta. In atemberaubender Abenddämmerung schaffen wir es zur Wohnung und als hätten wir es geahnt: Das einzige Restaurant in der Nähe hat genau heute geschlossen.
Der letzte Tag beginnt mit einer 10 Kilometer Abfahrt nach Cadiar, wo wir das größte Schokobrötchen essen, das wir je gesehen haben. Südlich entlang der Sierra Nevada fahren wir in Richtung Capileira, wo die Badlands-Runde ihr Ziel findet und dann auf der Straße zurück in Richtung Granada.
Glücklich und stolz gehen wir in Granada direkt zu Pommes und Bier über. Wir klopfen uns auf die Schultern und machen Statistik: 800 Kilometer und 15’300 Höhenmeter sind wir gefahren in den 6 Tagen und dies innerhalb von 46 Stunden Bewegungszeit. Wir haben unsere Kräfte gut eingeteilt, sind ohne technische Defekte durchgekommen und wir sind uns einig, dass wir wieder Mal zusammen in Urlaub fahren. Eigentlich ist Radfahren im Winter doch ganz cool!
Infos Gravel Tour Badlands in 6 Tagen
Strecke und GPS-Daten
Etappen und Wegpunkte
- Tag Granada – Guadix | 106 km, 2.550 Hm
- Tag Guadix – Gorafe | 153 km, 2.400 Hm
- Tag Gorafe – Tabernas | 136 km, 2.440 Hm
- Tag Tabernas – Almeria | 151 km. 1.790 Hm
- Tag Almeria – Càdiar | 131 km, 3.660 Hm
- Tag Lobras – Granada | 123 km, 2.000 Hm
Unterkünfte
- Hotel Las Nievas, Granada – ohne Frühstück
- Hotel YIT Abentofail, Guadix – inkl. Frühstück
- Cueva Navarro, Gorafe – Ferienwohnung
- Hotel Avenida, Tabernas – ohne Frühstück
- Hotel Catedral, Almería – inkl. Frühstück
- Hotel El Montoro, Cadiar
Anreise, Abreise und Logistik
Granada hat einen eigenen Flughafen. Für internationale Flühe ist es aber einfacher nach Malaga zu fliegen und dann mit dem Bus nach Granada weiter. Info: www.alsa.com
Beste Reisezeit
Die Badlands Route ist ganzjährig befahrbar (je nach Schneelage, die Route geht bis über 2000 m Höhe), die Sommermonate sind wegen der Hitze nicht zu empfehlen.
Ausrüstung
Beim Bikepacking gilt der Leitsatz „so wenig wie möglich, so viel wie nötig“, denn jedes Gramm mehr muss man auch den Berg hinauf schleppen. Dicke Handschuhe, ein Stirnband und eine Regenjacke gehören zu jeder Jahreszeit ins Gepäck, ein Satz Radklamotten muss jedoch reichen. Achtung: In der Wüste gibt es große Temperaturschwankungen. Hitze tagsüber und Kälte in der Nacht sind zu erwarten. Fahrradkleider trocknen schnell und können am Abend im Hotel ausgewaschen werden. Ein Satz Freizeitkleider empfehlen wir, um trocken und gut riechend im Restaurant essen gehen zu können.
Bikepacking-Taschen
Fürs Gepäck während der Reise empfehlen wir den Ortlieb Seatpack 11L. Wichtig ist, dass die Satteltasche so fest wie möglich festgezerrt wird, sodass sie nicht wippt. Unserer Meinung nach reicht für einen Trip im Sommer-Halbjahr ohne Camping eine Satteltasche fürs Gepäck. Eine kleine Tasche am Lenker empfehlen wir aber trotzdem für Handy, Sonnencreme und Brieftasche. Auch die Windjacke in der Lenkertasche hat sich als praktisch erwiesen. Die Rad-Tasche kann mit einem Gummizug an die Satteltasche gebunden werden.
Über Nathalie Schneitter
Nathalie Schneitter startete ihre internationale Mountainbike-Karriere im Jahr 2004 mit dem Gewinn des Cross-Country-Weltmeistertitels bei den Juniorinnen. Seither ist sie Vollgas auf den Rennstrecken dieser Welt unterwegs. In Jahr 2008 qualifizierte sie sich für die Olympischen Spiele in Peking und 2010 sicherte sie sich den Heimsieg beim Cross-Country-Weltcup in Champéry und 2019 wurde sie erste E-MTB Weltmeisterin der Geschichte. Vollgas gibt Nathalie auch neben der Rennstrecke: Sie lacht viel, ist bisschen verrückt und tanzt in jeder möglichen Situation. Auf Red Bull TV spricht sie den deutschen Co-Kommentar der MTB XC Weltcups und im Organisationsteam der Cycle Week in Zürich hat sie die Messeleitung.
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