Der neue Zipp 303 S Carbon Aero-Laufradsatz im ersten Test: Zipp 303 S für 1.100 Euro? Die brandneue Variante des Aero-Allround-Klassikers mit dem Kürzel „S“ ist nicht nur günstig, sie kann neben Speed auch Gravel richtig gut und wartet mit vielen Innovationen auf. Wir konnten den noch vielseitigeren Allrounder-Laufradsatz bereits einigen angemessenen All-Road-Testfahrten unterziehen. Hier die Infos und unser Eindruck.
Zipp 303 S Infos und Preise
- Neue Tubeless Disc-Variante des Zipp Aero-Allround Klassikers
- Komplett überarbeitetes Felgendesign und Carbonlayup
- Felgenbett 7 mm breiter als bei Zipp 302 Disc
- Aero optimiert für 28 mm-Reifen
- Für breite Gravelreifen bis 50 mm und niedrige Drücke geeignet
- Gewicht 1.564 g (gewogen inkl. Tubeless-Tape und Ventilen)
- Gewichtszulassung Fahrer max. 115 kg
- ETRTO-Maß 622 x 23
- Speichenzahl VR/HR 24
- Naben Zipp 76 / 176 DB
- Achstyp v. 12×100 mm / h. 12×142 mm Steckachse
- Bremstyp Disc (Centerlock)
- Infos: https://www.zipp.com/
Preis VR: 525 €
Preis HR: 575 € Bikemarkt: Zipp 303 kaufen
Was ist neu?
Das erste, was uns am neuen Zipp 303 S Carbon-Laufradsatz ins Auge sprang, war der Preis. Mit einer Preisempfehlung von rund 1.100 Euro liegt der Einstieg in die neue Carbon-Aero-Allrounder-Welt bei Zipp jetzt deutlich unter dem Vorgänger Zipp 302 und auf Augenhöhe mit vielen Direktanbietern. Die eigentliche Überraschung ist aber, dass Zipp – neben einer ganz neuen Optik ohne weißes Logo – ein ganzes Paket echter Innovationen in die günstige Variante des Aero-Klassikers gepackt hat. Das fängt bei dem rund 150 g geringeren Gewicht an. Bei der Entwicklung hatte Zipp außerdem klar den All-Road-Einsatz im Visier, den Kern des Aero-Allrounders also konsequent erweiternd. Schließlich vertragen die meisten neuen Rennräder inzwischen Reifen bis 30 mm Breite, und auch bei den Gravelbikes geht der Trend klar zu breiteren Reifen.
„Schneller machen“ will uns Zipp mit dem neuen 303 S also zusätzlich auf unebenen Wegen. Und der Weg dahin führte über ein neues Felgendesign in Kombination mit Tubeless-Technik. Die wichtigsten Fakten dazu: Eine stark gewachsene Maulweite auf 23 mm sorgt für zwei Vorteile. Erstens bessere Abstützung breiterer Reifen und geringere Pannenanfälligkeit, ergo die Möglichkeit mit geringerem Druck zu fahren. Zweitens: einen aerodynamisch vorteilhaften Übergang zu breiteren Reifen. Zipp gibt an, dass mit 28-mm-Pneus die besten aerodynamischen Verhältnisse herrschen. Zudem unterstützt das neue hakenlose Felgenbett (hookless) den glatten Übergang von der Felgen- zur Reifenflanke. Es soll außerdem für einfachere Montage der Reifen sorgen.
Ob das geänderte Design die Erwartungen erfüllt, hat Zipp sowohl im Labor als auch in der Praxis mit Fahrern untersucht. Dafür gibt es am Fertigungsstandort in Indianapolis einen Prüfstand, der Fahrten über verschiedene Arten unebener Oberflächen simulieren kann. Die Ergebnisse aus den Tests flossen dabei – neben der Entwicklung – auch in einen neuen Online-Rechner für den optimalen Luftdruck ein. Denn so konnte man messen, mit welchem Druck welche Reifenbreite am effizientesten rollt. Außerdem ermittelte man den Rollwiderstand bei Standard-Testrunden auf ebenen Straßen. Die Summe der Verbesserungen soll zu einer Leistungs-Ersparnis von rund 10 Watt gegenüber vergleichbaren High-End-Laufradsätzen mit 28 mm breiten Reifen bei 40 km/h geführt haben.
Nicht zuletzt wurde die Faserqualität und die Belegung den neuen Einsatzbedingungen angepasst. Der neue Carbon-Verbund soll deutlich stoßresistenter sein. Zipp sagt, die 45 mm hohe Felge soll auch bei sehr harten Stößen noch nicht delaminieren. Man gewährt dem Erstbesitzer ein sehr großzügiges Crash-Replacement, bei dem das Laufrad sogar ersetzt werden soll, wenn aus Versehen die Bordsteinkante in voller Fahrt erwischt wurde. Handelt es sich nicht um mutwillige Zerstörung, verspricht Zipp lebenslangen Ersatz.
Keine bahnbrechenden Neuerungen gibt es bei Naben und Speichen. Nach wie vor sollen 24 Sapim CX-Sprint-Speichen mit gebogenen Speichenköpfen vorne wie hinten für die nötige Stabilität sorgen. Die Kombi aus 76D-Nabe vorne und 176D hinten ist ebenfalls geblieben. [Update 5. Mai 20:00] Wer einen Campagnolo-Freilauf benötigt, kann den Laufradsatz nach dem Kauf umrüsten lassen, ab Werk ist die Option aber nicht verfügbar [Update Ende].
In der Hand
Die neuen Zipp 303 S erhielten wir zum Test an einem individuellen Trek Domane SLR-Aufbau. Im Unterschied zu den Vorgängern spielt sich das neue Logo-Design in Grau auf Schwarz weniger in den Vordergrund. Schlicht, wie es ist, dürfte es sich an mehr Rahmendesigns in den Gesamtauftritt fügen. Durch die mattschwarze Oberfläche schimmern vereinzelt Carbon-Strukturen hindurch. Alle Nippelsitze, Bohrungen und Flächen wirken sehr sauber verarbeitet. Ein paar schnelle Drehungen an der Kurbel lassen ein eher dezentes Freilaufgeräusch erklingen.
An der Redaktions-Waage zeigt sich, dass die Tipp 303 S mit 1.564 g für den Satz (VR. 728 g / HR. 836 g) ziemlich exakt die Gewichtsangabe des Herstellers treffen. Damit gehört der 303 S eindeutig zu den Leichten unter den Carbon-Laufradsätzen mit einem vergleichbar hohem Felgenprofil und Preis. Nimmt man neben dem Gewicht die große Maulweite als Kaufkriterium hinzu, finden sich nur noch vereinzelte Carbon Aero-Allrounder der 40- bis 50 mm-Klasse, bei denen man an beiden Stellen einen Haken setzen kann.
Montage
Apropos Haken: Das hakenlose Felgenbett (englisch: hookless) soll nicht nur Aero-Vorteile bringen, sondern auch die Montage von Tubeless-Reifen erleichtern. Unser Testrad kam mit 30 mm breiten WTB Exposure-Reifen. Sie messen auf der Felge beinahe 34,6 mm. Die große Maulweite führt also zu einer deutlich verbreiterten Auflagefläche. Der Reifen ließ sich nach der Demontage mit einer gewöhnlichen Standpumpe wieder ins Felgenbett setzen. Weder waren ein Kompressor noch andere Hilfsmittel nötig. Testweise haben wir außerdem einen Schwalbe Pro One Tubeless Ready-Rennradreifen in 28-622 montiert. Dank der starken Vertiefung in der Mitte des Felgenbetts ließ sich auch dieser eher eng sitzende Reifentyp mit (großen) Handkräften aufziehen, wie es für Tubeless-Reifen angebracht ist. Das erste Setzen verlangte allerdings einen Kompressor-Einsatz. Ein weiterer Test mit einem für Hookless-Felgen optimierten Gavia AC0-Reifen von Giant verlief genauso unkompliziert wie beim WTB Exposure. Einziger Nachteil der Hookless-Bauweise: Reifen für den Betrieb mit Schlauch dürfen nicht montiert werden. Die Luftverluste des Tubeless-Systems halten sich in Grenzen. Nach einer Woche Standzeit reduzierte sich der Druck in den WTB Exposure Reifen um rund 0,8 bar.
Auf dem Kurs
Vor der ersten Fahrt stand zunächst die Annäherung an den passenden Luftdruck auf dem Programm. Auf der Felge am Ventilloch ist deutlich der Warnhinweis zu lesen, dass 5 bar die Obergrenze ist. Aber was passt? Erfahrungen mit Road-Reifen, die faktisch beinahe 35 mm messen, gab es in der Redaktion noch nicht. Luftdruckempfehlungen gibt auch SRAM. Pünktlich zur Premiere der Laufräder haben die Amerikaner eine Web-App gestartet. Sie berücksichtigt alle relevanten Faktoren, um einen guten Ausgangsluftdruck zu empfehlen. Ein Beispiel: Für einen 75-kg-Testfahrer mit den 30 mm breiten WTB Exposure-Reifen ermittelten wir 3,79 bar vorne und 3,95 bar hinten – ein Wert, der für die meisten Rennradfahrer wohl Welten hinter dem Gewohnten liegt.
Auch für uns. Tatsächlich starteten wir mit 4,5 bar hinten und 4,3 bar vorne die erste Fahrt. Sie führte über 110 Kilometer, die tatsächlich alles vereinten, was an Wegbelägen noch als „befestigt“ zu bezeichnen ist. Große Teilstücke auf Asphalt wechselten sich mit längeren Strecken über fein geschotterte und feste Waldwege, aber auch grober Schotter und die eine oder andere Wurzel mischten sich darunter. Alles All-Road also. Im Antritt wirkte das Setup mit den 30-mm-Reifen nicht herausragend dynamisch, was angesichts der Reifenmasse trotz der leichten Felgen nicht verwundert. Gleichwohl präsentierten sich die Räder sehr seitensteif, auch in Kurven mit unebenem Belag ist die Rückmeldung präzise.
Überhaupt die Kurven: Wie viel mehr Sicherheit die breiten Reifen beim schnellen Kurvenfahren auf Asphalt geben, ist einer der bestechendsten Befunde aus den Testfahrten. Auch mit 4 bar wirken sie keineswegs schwammig dank der breiten Reifen. Gleichzeitig wecken unvermittelt am Kurvenausgang auftauchende Asphaltflicken weniger Unsicherheit.
Auf der Geraden auf Asphalt im Unterlenker lässt sich die Leistung der Laufräder kaum von der üblichen Aero-Performance bei dieser Felgenhöhe unterscheiden. Jedenfalls solange wenig Wind weht. Greift der Wind böig von Seite an, zeigen sich die Zipp 303 S von ihrer ausgesprochenen Schokoladenseite: Die Lenkeinflüsse waren – trotz höher bauender Reifen-Felge-Kombi – spürbar weniger ausgeprägt als bei einigen anderen Carbon-Laufradsätzen der 40er bis 45er Höhe, die schon im Praxistest waren. Dabei boten die Testfahrten auf den ausgesetzten Kuppen des Bergischen bei böigem bis mäßigen Wind mehr als genug Möglichkeiten, den Windeinfluss zu testen.
Die Stunde der Zipp 303 S schlägt auf feinen, befestigten Schotterwegen.
Jan Gathmann
Die Stunde der Zipp 303 S (mit den breiteren) schlägt auf feinen, befestigten Schotterwegen, etwa den typischen Belägen nicht asphaltierter Bahntrassen, wo die weniger prall aufgepumpten gefühlt deutlich leichter und bei Richtungswechseln vorhersehbarer abrollen als die klassischen 25er und sogar 28er Rennradreifen mit Schlauch und ein wahrnehmbares Komfortplus geben. Und die Sternstunde ist der klassische Gravel, der bisweilen mit gröberen Brocken gespickt ist. Wo man sich sonst sehr unwohl fühlt, kann man jetzt auch mit Slicks noch gut und weitgehend ohne Defektangst fahren. Ab und an knallt mal ein Stein unter dem Reifen hervor und fliegt zur Seite, aber Platten blieben im Test auf insgesamt 300 km über gemischte Beläge aus. Selbst auf grobem Schotter mit scharfen Kanten bekamen die Felgen keine Blessuren. Solche Teilstücke sind allerdings endgültig keine Domäne der 30er Slicks mehr.
Die Perspektive? Vergleichende Fahrten mit Leistungsmessung bei verschiedenen Luftdrücken stehen noch aus. Sobald sie stattgefunden haben, gibt es hier ein Update im Artikel.
Fazit – Zipp 303 S
Mit dem neuen Zipp 303 S gelingt der Marke aus Indianapolis eine echte Überraschung im Segment der Aero-Allrounder aus Carbon. Der neue Laufradsatz aus Indianapolis ist leichter, breiter und dadurch vielseitiger als die allermeisten Carbon-Laufradsätze der Preisklasse und Felgenhöhe. Dazu bietet er ein im Windkanal optimiertes Felgenprofil mit nachgewiesener Aero-Performance und untermauert vielversprechende Robustheit mit einer großzügigen Garantie. Die Naben sind zwar nicht Oberklasse, aber solide. Unser erster Eindruck von den Fahreigenschaften ist hervorragend: Vor allem die geringe Seitenwindanfälligkeit beeindruckte, obgleich man die gewohnte Aero-Beschleunigung spürt. Auch beherzte Ausflüge über groben Schotter konnten den Felgenflanken nichts anhaben. Dabei erleichtert die Möglichkeit, den Druck mit nominell 28 mm breiten Rennradreifen auf deutlich unter 4 bar abzusenken, das Fahren auf festen Waldwegen spürbar. In der Summe der Qualitäten dürfte das zur Zeit ein hochattraktives Angebot für viele sein, solange man bereit ist, sich zu 100 Prozent auf Tubeless einzulassen.
Pro / Contra
Pro
- Zipp Speed Aero-Kompetenz
- Vielseitige Maulweite der Felge
- Sehr geringe Seitenwindanfälligkeit
- Robustes Felgendesign
- Großzügige Garantie
- Einfache Montage
- Preis/Leistung
Contra
- Hookless-Felgendesign nur für Tubeless- und Tubeless-Ready-Reifen geeignet
Wie findet ihr den neuen Zipp 303 S?
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