Rennrad-News

Radon Spire Disc 8.0 im Test
Preisverdächtiger Allrounder

Das Radon Spire Disc 8.0 im Test. Ein Disc-Rennrad mit Carbonrahmen und Ultegra für 1.549 € ist auch für einen Direktanbieter wie Radon aus Bonn ein Kalkulationskunststück. Wir haben dem Spire 8.0 Disc ausgiebig auf den Zahn gefühlt und konnten trotz Preisbremse kaum Spaßbremsen finden.

Steckbrief: Radon Spire Disc 8.0

EinsatzbereichTour, Rennen
RahmenmaterialCarbon
GabelCarbon
Gewicht (o. Pedale)8,8 kg
Stack559 mm
Websitewww.radon-bikes.de
Preis: 1.549 Euro
Das Radon Spire 8.0 ist bei Direktanbieter Radon das Einstiegsmodell unter den Rennrädern mit Carbonrahmen und Disc-Bremse. Anders als der Aero-Allrounder Vaillant ist es auf eine ausgewogene Ergonomie und entspannteres Fahren ausgelegt, will aber kein lupenreines Endurance-Rennrad sein. Neben dem Spire 8.0 mit Shimano Ultegra 2×11-Gruppe und Disc-Bremsen gibt es das (noch) besser ausgestattete Spire 9.0. Es wartet in erster Linie mit einem besseren Mavic Laufradsatz und höherwertigen Verschleißteilen auf. Bei einem Preis von 1.999 € (aktuell sogar im Sale nur 1.549 €) für ein Disc-Carbonrad mit Ultegra-Ausstattung wurden wir natürlich hellhörig und wollten das 8.0 einem umfangreichen Test unterziehen.

Diashow: Radon Spire Disc 8.0 im Test: Preisverdächtiger Allrounder
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# Das Radon Spire Disc 8.0 fuhr für 1.300 Testkilometer am Rhein und im Gebirge vor.

Ausstattung: so wertig, wie es aussieht

RahmenCarbon, 12 mm Steckachse, 2x Flaschenhalter-Ösen
GabelCarbon tapered, A-Head, 12 mm Steckachse
Gewicht8,76 kg (gewogen ohne Pedale), Rh 57
Entfaltung2,15 - 9,77 m pro Kurbelumdrehung
Zulässiges Gesamtgewicht 115 kg
SchalthebelShimano Ultegra R8000 2x11
Umwerfer / SchaltwerkShimano Ultegra
Kurbel / ZähneShimano Ultegra, 172,5 mm / 50-34 Z.
Ritzel / ZähneShimano 105 11-34 Z.
InnenlagerShimano
KetteShimano CN-HG601
Bremsen Ultegra R8070 Scheibenbremse, v./h.: 160 mm
LaufradsatzMavic Aksium Disc, Alu, 622x17c
Reifen / GrößeContinenral Grand Sport Race SL, 28-622, Faltreifen
LenkerNewmen Evolution Wing Bar, 31,8 mm Klemmung
VorbauNewmen Evolution 4s, 100 mm
SattelSelle Royal Asphalt
SattelstützeNewmen Evolution, 27,2 mm
Besonderheiten

Alle Radon Spire Disc-Modelle sind jeweils nur in einer Lackierung erhältlich – das senkt die Kosten. Das 8.0 gibt es in “grey whitesilver”, was einer matten graublauen Grundlackierung mit weißen Akzenten auf Unter- und Oberrohr entspricht und angenehm frisch, aber zurückhaltend daherkommt.

Das dezent lackierte Carbon-Rahmenset ist das Herzstück des Spire 8.0. Die Rahmenform besitzt optisch bekannte Elemente wie ein stark profiliertes, am Übergang zur Gabel abgeflachtes Steuerrohr, das an bekannte Aerorahmen erinnert, die Hinterbaustreben setzen auf Höhe des Oberrohrs an und sind ebenfalls profiliert, was für eine bessere Dämpfung sorgen soll, die Bremsleitung wird optisch sehr gefällig durch die Gabel geführt. All das wirkt sehr erwachsen.

# Noch maßvolle Überhöhung, kompakte Geometrie – das Spire trifft die Mitte zwischen Competition und Endurance.
# Der Carbonrahmen hat eigenständige Formen und wirkt gut verarbeitet.
# Das Oberrohr weitet sich zum Steuerrohr.
# Ungewöhnlich: seitliche Entlastung für das Sitzrohr, in dem eine Newmen Alu-Sattelstütze steckt.
# Abgeflachte Sitzstreben und 28 mm breite Continental Grandsport-Reifen sorgen für ordentliche Dämpfung.

Als Laufradsatz wird der in dieser Preisklasse gerne verwendete Mavic Aksium Disc mit Steckachsen eingebaut. Auf den Felgen sind Continental Grand Sport Race SL-Faltreifen in 28-mm-Breite aufgezogen. Schaltung und hydraulische Scheibenbremsen stammen aus Shimanos R8000 Ultegra-Gruppe. Die 2×11-Gruppe kommt vorne mit Kompaktkurbel (50/34) und hinten mit einer 11-34er Kassette. Geschaltet wird bei dem Preis natürlich manuell, gebremst vorne und hinten auf 160 mm Shimano SM-RT54-Scheiben.

Sattelstütze und Vorbau sind aus Aluminium von Newmen und passen optisch gut zur Formensprache des Rahmens. Der Lenker wird ebenfalls von Newmen beigesteuert und hat 80 mm Reach sowie 125 mm Drop, die Lenkerenden sind leicht ausgestellt. Eine aufwendige Komponenten-Prüfung spricht für die Teile der Marke aus Bayern, die auch an Cube-Rennrädern zu finden sind.

# Das Shimano Ultegra-Schaltwerk...
# ...bedient eine hochgebirgstaugliche Kassette mit 11-34 Zähnen.
# Eine Ultegra-Kurbel gibt es für das Geld sehr selten – die Kompakt-Abstufung bringt einen 1:1-Gang.
# Die Mavic Aksium Laufräder sind solide und haltbar gebaut, aber auch recht schwer.

Platz nehmen darf man auf einem Selle Royal Asphalt, der relativ weich gepolstert ist. Angesichts der Ausstattung des Rades muss man sich zwangsläufig fragen, wie Radon das Spire kalkuliert. Neben den Aksiums wurde vor allem an kleinen Details gespart. Bei genauerem Hinsehen findet man: die gruppenfremden Bremsscheiben, eine Kette und eine Kassette aus der 105er Gruppe, den erwähnten einfachen Sattel und die günstigen Faltreifen – alles nichts, was einem den Spaß am Radfahren verderben kann.

# Der Selle Royal Asphalt Sattel ist zwar komfortabler als der Preis nahelegt, wurde aber im Test getauscht.
# Der Newmen Alu-Lenker bringt einen guten Übergang zu den Shimano Schalt-/Bremshebeln. Er besitzt einen großen Drop.

Geometrie: kurz und kompakt

Rahmengröße 485154576063
Sitzrohrlänge mm440470500530560590
Oberrohrlänge mm505515530545565585
Lenkwinkel Grad727272.372.87373,3
Sitzwinkel Grad75,675,174,2573,873,372,8
Steuerrohrlänge mm100120140160180200
Kettenstreben mm408408408408408408
Radstand mm9639719769839951008
Tretlagerabsenkung mm8080808080
Stack mm503520540545579597
Reach376377378382391400
STR-Wert1,341,381,431,431,481,49

Radon bietet das Spire in 5 Größen an (48/51/54/57/60). Die Sprünge in der Geometrie hat Radon relativ gleichmäßig gehalten. Das Steuerrohr wird jeweils 20 mm länger pro Rahmenhöhe. Das Sitzrohr wächst um 30 mm, der Rest ergibt sich. Kleine Fahrer und Fahrerinnen werden tendenziell sportlich auf das Rad gesetzt. Denn zwischen 54 und 48 cm nimmt der Reach nur in Ein-Millimeter-Schritten ab, während der Stack stark schrumpft. Das Testrad in Größe 57 hat mit 545 mm ein relativ kurzes Oberrohr, man sitzt entsprechend kompakt und relativ aufrecht.

# Etwas Fußüberlappung beim starken Einlenken ist auch ein Tribut an den recht kurzen Radstand.

Sehr große Fahrer werden vermutlich nicht fündig werden beim Spire. Bei Körpergröße 1,83 m und Schrittlänge 88 war das 57er Modell schon grenzwertig. Darüber kommen nur noch das 60er Spire mit einem 180er Steuerrohr und 565er Oberrohr und das 63er mit 585 mm Oberrohr. Da die Räder bei diesem Kampfpreis nicht konfigurierbar angeboten werden, muss man im Zweifel selber Hand anlegen, um Feinheiten wie Vorbaulänge und Lenkerbreite im Bedarfsfall anzupassen.

# In Rahmenhöhe 57 hat das Spire mit 545 mm ein vergleichsweise kurzes Oberrohr.
# Die Sitzposition ist dadurch gemäßigt sportlich – für den Test wurde die Gabel natürlich nicht gekürzt.
# An der Gabel wäre noch Luft für etwas breitere Reifen...
# ...am Hinterbau eher nicht.

Der Radstand und die mit 408 mm durchgehend relativ kurzen Kettenstreben würden eher zu einem klassischen Rennrad passen, trotzdem lassen sowohl die Produktbeschreibung im Internet als auch die montierten 28-mm-Pneus die Vermutung aufkommen, dass Radon gleichzeitig flotte Touristik- und Marathonfahrer ansprechen will und das Rad nicht wie andere Hersteller klar als Komfort-, Endurance- oder Performance-Bike positionieren möchte.

Auf dem Kurs

Racer oder Langstreckler? Ich war gespannt, als was sich das Spire auf der Straße entpuppen würde, und hatte auf über 1.300 Testkilometern ausreichend Gelegenheit, es herausfinden. Mit dem Radon war ich bei allen Witterungsbedingungen (außer Schnee und Eis) unter anderem in den Vogesen und in den Dolomiten unterwegs. Da das Rad direkt in der Zentrale abgeholt wurde, konnte die Verpackung und Vormontage durch den Versender in diesem Vergleich nicht bewertet werden.

# Unterwegs in den Alpen...
# ...und am Rhein

Das neue Rad kam sauber montiert, nichts klapperte, die Schaltung lief sauber und die Bremsen packten nach kurzer Einbremszeit zuverlässig. Als einzige Modifikation gegenüber der Serienausstattung montierte ich einen anderen Sattel. Auch wenn der sehr günstige Selle Royal auf den ersten Kilometern beim Pendeln und auf kürzeren Runden einen überaus bequemen Eindruck machte, wollte ich auf langen Touren zumindest unterm Hintern nicht auf gewohntes Material verzichten.

Im Flachen: Auf den ersten Kilometern im Flachen machte das Spire einen entspannten, aber durchaus flotten Eindruck. Der groß dimensionierte Tretlagerbereich ist steif, das Heck eher nachgiebig und komfortabel. Geradeaus läuft es trotz kurzem Radstand gutmütig und sicher, in Kurven lenkt es willig ein und bleibt jederzeit gut kontrollierbar. Man sitzt durch das ausgewogene Verhältnis von Stack und Reach bequem auf dem Rad, die Ultegra-Hebel liegen in jeder Position gut in der Hand, und auch der NewmenLenker greift sich sehr angenehm mit dem Radon-Lenkerband.

# Auf Touren macht das Spire eine gute Figur.
# Man sitzt bequem auf dem Rad.

Am Berg: Der Großteil der Testkilometer wurde im Hochgebirge abgespult. Bergauf ist das Spire 8.0 mit knapp 9 kg (inklusive Pedale) keine Rakete, woran die einfachen und trägen Mavic Aksium-Laufräder einen maßgeblichen Anteil haben. Aber der Rahmen ist ausgesprochen steif und man spürt, dass die aufgewendete Leistung auch tatsächlich am Hinterrad ankommt. Im Wiegetritt stellt sich allerdings schnell ein leichtes Schleifen der Bremsscheiben ein.

Das Rad verleitet insgesamt eher zum gemütlichen bis zügigen Bergauffahren statt zur Attacke, wozu auch die bergtaugliche 1:1-Übersetzung beiträgt. Mit vorne und hinten 34 Zähnen sollten auch Einsteiger gut für Alpen und Co. gerüstet sein. Auf dem Weg zu den “Drei Zinnen” war ich froh, dass ich locker an so manchem leidenden Rennradfahrer mit dickerer Übersetzung vorbeipedalieren konnte. Nebenwirkungen des großen Übersetzungsspektrums sind natürlich relativ große Gangsprünge. Vor allem in flachem und welligem Gelände fehlt dadurch manchmal der richtige Gang.

Bremsen: Weniger hochgebirgstauglich ist die Bremsanlage. Limitierender Faktor in schnellen Abfahrten sind dabei die verbauten, sehr einfachen Bremsscheiben vom Typ Shimano SM-RT54, die die Vorderradbremse bei einem Systemgewicht von über 90 kg dann doch schnell an ihre Grenzen bringt, was die Bremszangen mit einem genervten Röcheln und zunehmendem Fading quittieren. Vor dem Radurlaub in den Bergen sollte man höherwertige Scheiben mit besserer Wärmeableitung montieren.

# Die Reifen überzeugten durch Pannenfreiheit, in Sachen Leichtlauf besteht aber Tuningpotential.
# Die Ultegra Disc-Bremse hat einen festen Druckpunkt und packt kräftig zu. Nur an den gruppenfremden Bremsscheiben fiel im Hochgebirge Fading-Neigung auf.

In Kurvenlage: Was das Fahrverhalten angeht, macht sich in schnellen Abfahrten sowohl die kompakte Sitzposition als auch die steife Rahmenkonstruktion positiv bemerkbar. Das Spire vermittelt in jeder Situation Vertrauen. Selbst bei Geschwindigkeiten jenseits der 80 km/h wird es nicht nervös. Auch in Kurven macht das Radon Spaß. Das auszuprobieren hatte ich in den Dolomiten und am Stelvio ausgiebig Gelegenheit. Egal ob lang und schnell oder enge Serpentine, es geht willig um die Ecke und bleibt sauber auf der Linie. Die recht voluminösen 28er Conti Grand Sport sind vom Einlenkverhalten etwas behäbig, aber vom Durchschnittsfahrer nicht an ihre Grenzen zu bringen. Sie sind mit wenig Druck komfortabel, rollen aber im Vergleich zu Contis Topmodell GP 5000 gefühlt ziemlich zäh – ein Punkt, an dem sehr leicht zu tunen ist. Am Rande sei noch erwähnt, dass ich mit dem Grand Sport in der gesamten Testphase keinen Platten hatte.

# Wie auf Schienen? Ja, die Lenkpräzision zeigte sich auch in Abfahrten jedem Tempo und jeder Kurve gewachsen.
# Radon Spyre 2019 jg-35
# Radon Spyre 2019 jg-41

Die eingangs gestellte Frage zum Charakter des Rades findet allerdings keine eindeutige, abschließende Antwort. Um es positiv zu formulieren: Radon hat insgesamt einen guten Kompromiss zwischen Laufruhe und agilem Handling gefunden. Man kann es mit dem Spire im Rennen oder beim Ortsschildsprint mal krachen lassen. Man kann aber auch ausdauernd und stressfrei die Marathonrunde angehen.

Fazit @Rennrad-News

Radon macht beim Spire 8.0 bis auf Kleinigkeiten alles richtig. Letztere sind dem Kampfpreis geschuldet und gehen daher unterm Strich in Ordnung. Für aktuell 1.549 € – regulär 1.999 € – erhält man einen optisch eigenständigen, sehr gut verarbeiteten und bestens ausgestatteten UItegra-Renner, der gleichermaßen den langen Marathon wie auch mal eine schnellere Gangart mitmacht. Nirgendwo bekommt man momentan mehr Ultegra-Disc-Rennrad fürs Geld. Allerdings gibt es andererseits auch 105-Rennräder mit vergleichbaren und in Sachen Gewicht sogar besseren Werten.

Pro / Contra

Pro

  • Sehr gutes Preis/Leistungsverhältnis
  • Wertige Ausstattung ohne Achillesferse
  • Ausgewogene Fahreigenschaften
  • Verwindungssteifes Rahmen- und Gabelset
  • Mit Laufrad-Tuning Performance einfach weiter zu verbessern

Contra

  • Etwas schwer
  • Größen und Gewichtszulassung nichts für ganz große Fahrer
  • Einfacher Sattel
# Ultegra-Klasse für kleines Geld

Was sind eure Erfahrungen mit dem Radon Spire 8.0? Schreibt eure Antworten in die Kommentare!


Testablauf

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Testräder werden bei den Herstellern für den Test in der beschriebenen Kategorie angefragt. Die Hersteller stellen das Rad kostenlos in der Art und Weise zur Verfügung, wie es der Fachhandel erhält; bei Testrädern von Direktanbietern, wie sie der Endkunde erhält, d.h. vormontiert. Testräder wurden in der Redaktions-Werkstatt endmontiert. Für den Test werden die Räder gewogen, die Sitzposition bei identischer Sattelhöhe (bezogen auf die Tretlagermitte) vermessen und der Reifen auf den mittleren empfohlenen Reifendruck befüllt. Für eventuelle Geländefahrten wird der Reifendruck auf den unteren empfohlenen Wert gesenkt. Nach Testende erhalten die Hersteller die Testräder zurück.

Tester-Profil: Michael Hokkeler
Körpergröße 183 cm
Schrittlänge 88 cm
Oberkörperlänge 65 cm
Armlänge 59 cm
Gewicht 83 kg
Michael fährt überwiegend auf Asphalt, aber auch auf Gravel, dem Holzoval und im Matsch. Neben langen Wochenend- und Mehrtagestouren holt er sich seine Grundlage beim täglichen Pendeln am Rhein entlang zwischen Köln und Bonn. Er liebt das Hochgebirge und schnelle Abfahrten genauso wie lange knackige Touren in Mittelgebirgen wie dem Bergischen Land oder der Eifel, z.B. im Grenzgebiet von Luxemburg/Belgien. Seine rund 24.000 Jahreskilometer bei allen Bedingungen prädestinieren ihn als Dauertester für Rennrad-News.
Fahrvorlieben
Gerne lang, aber auch gerne kurz und schnell
Bevorzugtes Terrain
Hochgebirge und Mittelgebirge
Vorlieben bei der Sitzposition
Ausgewogen mit einer Tendenz zu „Race“
Sprinter, Rouleur oder Kletterer?
Rouleur!

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