Kann Radsport eine Thrombose auslösen? Wie erkennt man die gefährlichen Gerinnsel und was ist mit dem Sport, wenn einmal eins aufgetreten ist? Das Thema Thrombose und Radfahren taucht auch im Rennrad-News Forum regelmäßig auf. Medizinjournalist Michael Brendler hat für uns den Experten Prof. Dr. med. Bernd Pötzsch, Facharzt für Transfusionsmedizin Hämostaseologie, um Antworten zu den wichtigsten Fragen gebeten.
Rennrad-News: Radrennfahrer und andere Ausdauersportler berichten immer wieder über Thrombosen. Was sagt der Fachmann, erhöhen intensive und lange körperliche Anstrengungen tatsächlich das Risiko einer Gefäßverstopfung?
Prof. Dr. Pötzsch: Grundsätzlich stimmt diese Beobachtung. Intensiver Ausdauersport und Schwitzen sind immer mit einem erheblichen Flüssigkeitsverlust verbunden. Wird der nicht rechtzeitig ausgeglichen, steigt der sogenannte Hämatokrit-Wert. Das bedeutet, das Blut ist stärker konzentriert. In jedem Liter schwimmen mehr rote Blutkörperchen und Blutplättchen. Und das ist immer ein Risikofaktor für eine Thrombose, (unter anderem weil sich dadurch die Fließeigenschaften des Blutes ändern). Noch größer wird die Gefahr, wenn zusätzlich noch Doping mit Epo betrieben wird, weil dies ebenfalls den Hämatokrit ansteigen lässt. Beim Radfahren kommt dazu, dass die Venen im Hüftbereich durch die permanente Bewegung sehr beansprucht werden. Das kann bei sehr intensivem Training zu einer Beschädigung der Gefäßwände führen. Deshalb beobachten wir bei diesen Sportlern in der Tat auffällig viele Thrombosen im Mündungsbereich der Bein- und den Hüftvenen. Auf den einzelnen Sportler bezogen ist die Wahrscheinlichkeit dennoch sehr niedrig, dass so etwas passiert.
Mindestens fünf Prozent der Deutschen haben ja schon aus genetischen Gründen eine Neigung zur Blutgerinnselbildung. Sollten die am besten gleich die Finger vom Rennrad-Lenker lassen?
Ich will es einmal so ausdrücken: Normalerweise sagen wir, Bewegung ist gut, und das gilt auch in solchen Fällen. Von Ausdauersportarten abgeraten wird in unserer Klinik nur bei einer ganz frischen Thrombose. Zum Problem wird der Sport allerdings, wenn er im Übermaß betrieben wird. Wobei ich sagen muss: Meines Wissens ist selbst bei extremen Athleten die Thrombose-Rate nicht viel größer als die der restlichen Bevölkerung. Der Sport ist nur ein zusätzlicher Risikofaktor
Aber macht es bei einem solchen Faktor-V-Leiden oder ähnlichen erblichen Vorbelastung vielleicht Sinn, zumindest ein besonderes Auge auf den eigenen Flüssigkeitshaushalt zu werfen – gerade bei körperlichen Belastungen?
Auf die Aufnahme ausreichender Flüssigkeitsmengen sollte jeder achten, der sich extrem anstrengt. Wenn sich der Hämatokrit-Wert mal eine halbe Stunde verändert, ist das höchstwahrscheinlich unproblematisch. Aber wenn er über Stunden nicht mehr unter 45 – 50 fällt, dann kann das in Hinblick auf das Thromboserisiko schon zum Problem werden.
Und wann kommt es dann zu der Gerinnselbildung. Während des Sports selbst?
Am größten ist die Gefahr nach der aktiven Belastung, also in der Ruhephase oder im Schlaf. Solange das Blut in den Venen durch die Muskeln in Bewegung gehalten wird, sind Thrombosen sehr selten zu beobachten.
Und gibt es irgendwelche Warnzeichen, bei denen man spätestens hellhörig werden sollte?
Die wichtigsten Symptome sind die Schwellung und der Schmerz. Hier gilt die Regel: Wenn ein Bein nicht nur weh tut, sondern auch geschwollen und womöglich sogar gerötet ist, dann ist ein Muskelkater oder Muskelfaser-Riss als Ursache eher unwahrscheinlich. Dann sollte man an die Möglichkeit einer Thrombose denken. Ein weiteres typisches Zeichen ist eine Abnahme der Schmerzen, wenn das Bein hochlegt wird. Das ist bei einem Muskelfaser-Riss in der Regel nicht der Fall.
Ein weiteres typisches Zeichen ist eine Abnahme der Schmerzen, wenn das Bein hochlegt wird.
Und dann sollte man nicht mehr viel Zeit verschwenden und einen Arzt aufsuchen?
Auf jeden Fall. Denn eine solche Beinvenen-Thrombose bringt immer die Gefahr mit sich, dass sich ein Gerinnsel löst und in die Lunge ausgeschwemmt wird. Und eine solche Embolie kann tödlich sein.
Und wie gestaltet sich danach das Sportlerleben mit Thrombose. Ab wann darf man wieder ins Training einsteigen?
In den ersten zehn bis vierzehn Tagen sollte sich der Betroffene besser noch nicht zu stark belasten. Das ist die akute Phase, in der sich der Thrombus verfestigt oder konsolidiert, wie wir es nennen. Leichte Bewegungen wie Walken haben aber wahrscheinlich auch in dieser Zeit eine positive Wirkung. Allerdings sollte dabei immer ein Kompressionsstrumpf getragen werden.
Weil die Gefahr besteht, dass sich ein Thrombus löst und doch noch eine Lungenembolie entsteht?
Ehrlicherweise muss man sagen, dass können sie auch mit einem Kompressionsstrumpf nicht verhindern. Aber wogegen er sehr gut helfen kann, ist die Entstehung eines postthrombotischen Syndroms mit Krampfadern und Flüssigkeitseinlagerung ins Gewebe.
Müssen auch Medikamente genommen werden?
Ja, Gerinnungshemmer. Aber die können in der Regel nach einem halben, manchmal schon nach einem Vierteljahr abgesetzt werden. Wir machen nur in wenigen Ausnahmefällen eine dauerhafte Antikoagulation. Dann zum Beispiel wenn im engeren Familienkreis viele ähnliche Fälle darauf hindeuten, dass ein hohes genetisches Risiko besteht, erneut eine Thrombose zu erleiden. Oder wenn ein Gentest das belegt. Aber ein Gerinnsel, das sich nach einer typischen Risikosituation gebildet hat, zum Beispiel nach Sport mit deutlichem Flüssigkeitsverlust, wäre in der Regel kein Grund, die übliche Verschreibungsdauer zu überschreiten.
Beim Radfahren wiederum spricht wenig dagegen, bald wieder ins Training einzusteigen.
Und ein solches Arzneimittel ist beim Sport ebenfalls kein Problem?
Das hängt davon ab, wie hoch das Verletzungsrisiko ist. Beim Fußball würden wir beispielsweise eher einen verzögerten Einstieg empfehlen – wegen der erhöhten Blutungsneigung. Im Laufe der Zeit beginnt sich der Körper dann aber, besser auf die Medikamente einzustellen. Beim Radfahren wiederum spricht wenig dagegen, bald wieder ins Training einzusteigen.
Manche Gerinnungsmedikamente, wurde bislang gewarnt, ließen sich nicht antagonisieren, also durch ein Gegenmittel ausschalten. Für den Chirurg heißt das in der Regel, dass er bei einem Unfall erst nach Abklingen der Wirkung, also nur mit großer Verzögerung operieren kann. Würde sich da bei verletzungsintensiven Sportarten nicht auch empfehlen, sich für ein anderes Mittel zu entscheiden.
Inzwischen kann die gerinnungshemmende Wirkung von allen oralen Antikoagulanzien kurzfristig aufgehoben werden.
Wir danken ihnen für das Gespräch!
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