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Rennbericht Cyclocross DM 2023 München
In die Top10 auf dem Gravel Bike

Bei der Deutschen Meisterschaft Cyclocross 2023 im Olympiapark München sorgte eine spannende Strecke im Paket mit schweren Wetter-Bedingungen für ein nicht ganz einfaches Rennen. Luis Neff vom neuen Team Rose Racing Circle nimmt uns in seinem Rennbericht mit auf die Rundenhatz zwischen dem Flatterband.

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Rennbericht: Cyclocross DM 2022/23 München

Der Kopf weiß genau, was gleich passiert, doch die Physik hat schon zugeschlagen und lässt sich auch nicht aufhalten. Eine gute Viertelstunde vor dem Start nehme ich beim Kurskennenlernen die erste Bodenprobe des Tages: beim Wenden um einen der mit Kopfsteinpflaster umringten Bäume im Olympiapark München, in dem an diesem Wochenende die Deutsche Meisterschaft Cyclocross 2022/23 zu Gast ist.

Merke: Kopfsteinpflaster ist und bleibt hart und das Schaltauge lässt sich damit perfekt verbiegen.

Es bleibt die einzige Bodenprobe an diesem Tag, doch sie ist nicht ohne Folgen. Merke: Kopfsteinpflaster ist und bleibt hart und das Schaltauge lässt sich damit perfekt verbiegen. Die restlichen 15 Minuten bis zum Startschuss bin ich also damit beschäftigt, meine Schaltung zu justieren. Aufwärmen erledigt.

Diashow: Rennbericht Cyclocross DM 2023 München: In die Top10 auf dem Gravel Bike
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# Luis Neff (Nummer 28) startete bei der Cyclocross DM 2023 aus einer hinteren Position und mit Schaltwerk-Handicap. - Foto: Fabian Frinzel

Immerhin werde ich mangels CX-Rennteilnahmen und dadurch fehlenden Punkten für die gute Startposition als Vorletzter der 41 Fahrer aufgerufen – das gibt mir ein wenig zusätzliche Zeit, um die Spannschraube am Schaltzug wild hin und her zu drehen. Immer in der Hoffnung, dass ich die Gänge doch noch wieder zum Laufen bekomme. Die typische Aufregung vor einem Rennstart hilft mal wieder nicht dabei, einen klaren Kopf zu behalten. Welche Richtung muss ich jetzt noch gleich drehen? Ein Hoch auf elektrische Rennrad-Schaltungen – da ist die Einstellung idiotensicher, wenn man einmal weiß, wo man drücken muss. Immerhin: Nach der ersten Runde ist ohnehin so viel Matsch im Ritzelpaket, dass bei niemandem mehr die Gänge einwandfrei stehen. Nachteil eliminiert.

Aber zurück zum Start. Die CX DM in München, mein erstes inoffizielle Rennen für den Rose Racing Circle. Mein neues Team. Das erste Crossrennen dieser Saison und das erste Rennen auf einem Rose Bike. Zum Setup später mehr. Der Start ist schnell, aber nicht überirdisch. Für mich als World Cup-erprobten MTB Cross Country-Fahrer ist das alles nichts Ungewöhnliches. Durch die Startposition weit hinten im Feld habe ich einen super Überblick über das Peloton und es gelingt mir direkt, einige Lücken zu nutzen und Plätze gutzumachen. In der ersten hängenden Wiesenkurve nach dem Mini-Startanstieg kommt direkt Fortuna zu Hilfe: Bestimmt acht Fahrer rutschen vor mir wie auf Schmierseife weg. Mein Gehirn ist jetzt, im Rennen, schneller als noch beim Baum-Umrunden: Schnell vom Rad runter und wieder rauf – zack bin ich schon ins Mittelfeld vorgerückt. Oder besser gesagt, gelaufen.

Voll starten, schnellstmöglich so weit es geht nach vorne aufschließen und dann verwalten. Nicht.

Meine Strategie ist klar: Voll starten, schnellstmöglich so weit es geht nach vorne aufschließen und dann verwalten. Die Realität sieht aber etwas anders aus, denn ganz vorne geht direkt die Post ab. Schnell reißt das Feld auseinander und die Abstände innerhalb der Top10 werden sehr schnell sehr groß. In der dritten Runde fahre ich in die Gruppe der ersten zehn nach vorne und mir ist direkt klar: Aus dem Verwalten wird nichts. Vollgas ist und bleibt die einzige Option. Frei nach dem Motto „schneller oder raus“ habe ich beim Überholen keine Zeit verschwendet. Mein Blick: immer nach vorn.

Immerhin: Durch die Aufholjagd bin ich kaum in Zweikämpfe und zeitineffizienten Ping-Pong-Überholmanövern gefangen und weitestgehend allein unterwegs. So kann ich fast immer meine Linien frei wählen und werde nicht durch am Hinterrad klebende Verfolger unter Druck gesetzt. Wobei – freie Linienwahl ist bei den Bedingungen so eine Sache: Durch das nasskalte Wetter das ganze Wochenende und den pünktlich zum Rennstart einsetzenden Regen ist die Strecke von Runde zu Runde mehr aufgeweicht. Es haben sich tiefe Furchen gebildet – sie liegen seltenst auf der Ideallinie. (Bild Carlita Monn Furchen)

# Fuß raus – eine zentrale Fahrtechnik auf dem matschigen und rutschigen Kurs. - Foto: Moritz Sauer
# Bergab gilt: Rillen anvisieren und Bremse in Ruhe lassen. - Foto: Carlita Monn.

Bergab heißt es also Bremse auf, eine Rille anvisieren und schauen, wo man rauskommt. Bremsen hat sowieso nicht mehr viel Wirkung. Nur der Gedanke, den Bremshebel zu berühren, resultiert unmittelbar in blockierenden Rädern und damit einhergehendem Kontrollverlust. Deutlich besser funktioniert: Fuß raus, Schwerpunkt tief und im Motocross-Style um die Kurven.

Das Thema mit den Füßen ist ohnehin der Knackpunkt – und so ganz anders als auf dem Renner oder dem Mountainbike.

Das Thema mit den Füßen ist ohnehin der Knackpunkt – und so ganz anders als auf dem Renner oder dem Mountainbike. Im Laufe des Rennens finde ich immer mehr Spaß daran, in voller Geschwindigkeit vor der Kurve abzuspringen und mit beiden Füßen parallel am Boden auf die Kurze zuzuschlittern. Dann am Scheitelpunkt das Rad um 180° herumwirbeln. So viel lerne ich an dieser deutschen Meisterschaft: Im Cross fährst du nur so gut, wie du laufen kannst – gerade bei nassen Bedingungen.

# Rund 10x pro Runde muss Luis in München vom Rad. - Foto: Moritz Sauer
# Das schult die Übergangs- und Tragetechnik auf dem Kurs. - Foto: Moritz Sauer

Und hier habe ich den Dreh am Sonntag glaube ich wirklich raus. Denn zum Auf- und Absteigen-Üben gibt es mehr als genug Möglichkeiten. Fast alle Anstiege sind durch den tiefen Boden und die ausgefahrene Strecke (das Rennen der Herren Elite ist das letzte in einem vollen Rennprogramm über zwei Tage) auch mit den besten Beinen nicht mehr fahrbar und entsprechend nur noch zu Fuß zu bewältigen. Rund 10x muss ich pro Runde vom Rad. Besonders schmerzhaft sind die beiden Anstiege vom See nach oben, bei denen jeweils 30 bis 60 Sekunden mit geschultertem Rad zu bewältigen sind. Kreuzblick und Blutgeschmack im Mund garantiert. Einer von fünf Sternen, not recommended.

Als Mountainbiker muss ich mich an das viele Laufen immer erst gewöhnen.

Als Mountainbiker muss ich mich an das viele Laufen immer erst gewöhnen. Genauso an den im Cross erlaubten Radwechsel. Die ersten 3 Runden fahre ich mit meinem Startrad – nicht, weil das noch gut funktioniert hat, sondern eher, weil ich so mit Überholen beschäftigt bin, dass ich mehrmals die Einfahrt zur Wechselzone verpasse. Mangels professioneller Vorbereitung und last-minute Streckentraining mit Kopflampe Samstagnacht wusste ich einfach nicht so genau, wo denn der Abzweig zur Wechselzone ist. Im Rennen bin ich dann nicht geistesgegenwärtig genug, rechtzeitig einzubiegen.

Irgendwann schaffe ich es dann doch noch, nutze für die folgenden vier Runden jeweils abwechselnd das Zweitrad und das Startrad. Im Nachhinein ein klarer Vorteil, immer wieder mit sauberen Reifen und freier Kette durchzustarten, vermutlich aber nicht mat(s)ch-entscheidend. Da meine Räder jedoch kaum rechtzeitig für das erste Rennen fertig geworden sind, sind Setup und Ausstattung noch optimierungsfähig. Gleich sind die beiden Räder jedenfalls definitiv nicht.

# Als 7. fährt Luis Neff über die Ziellinie. - Foto: Moritz Sauer
# Das gibt unter den Umständen Grund zur Freude. - Foto: Moritz Sauer

Nachdem ich diese cross-spezifische Fertigkeit also auch erlernt habe, geht es die weiteren Runden stetig, aber zunehmend langsamer nach vorne. Am Ende überquere ich die Ziellinie sehr zufrieden als 7. schnellster Deutscher Cyclocrosser 2023 in der Elite-Klasse.

Nächstes Jahr werden die Medaillen erneut im Olympiapark ausgefahren. Zumindest weiß ich dann gleich, wo die Wechselzone ist, dass ich meine Trockenreifen zu Hause lassen kann und Laufschuhe vielleicht mit ins Gepäck sollten. Wir sehen uns in zwölf Monaten.

# Der Schlamm egalisierte das Material, Setup und Ausstattung sind aber für Luis noch optimierungsfähig. - Foto: Fabian Frinzel
# Das Rose Backroad lässt sich für gelegentliche CX-Rennen einsetzen, so das vorläufige Fazit. - Foto: Moritz Sauer.

Setup: Backraod Gravelbike im Cylcocross-Rennen?

Funktioniert ein Gravel Bike im Cyclcross-Rennen? Kurze Antwort: Ja, aber 😉. Das Rose Backroad ist leicht, sehr laufruhig und easy zu handeln, wenn es schnell wird. Obwohl ich vor dem Rennen nur knappe zwei Wochen auf dem Rad sitzen konnte, habe ich mich direkt wohl gefühlt und nichts vermisst. Das hohe Oberrohr und große vordere Rahmendreieck helfen zudem beim Radschultern und das Bike ließ mich keine spezielle Cyclocross-Geometrie vermissen.

Was für einen Cross-typischen Kurs mit vielen engen Kehren nicht optimal ist, ist das tiefe Tretlager. Zwar gibt das enorm viel Sicherheit bei schnellen Abfahrten und lässt einen gefühlt „im Rad“ sitzen, jedoch setzt das Pedal schnell auf beim Wiederantreten noch in Schräglage nach der Kurve. 
Gepaart mit dem schnellen Newmen Laufradsatz und Schwalbe’s CX Schlammreifen meiner Meinung nach aber eine gute Wahl für jeden Gelegenheits-Crosser.


Zu den Ergebnissen der Deutschen Meisterschaft Cyclocross 2023

Seid ihr beim Munich Super Cross gestartet? Was ist eure Erfahrung mit CX-Rennen?

Text: Luis Neff

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