Renner der Woche
Selbstbau aus Columbus Life und Zona Rohr, Paramount Ausfallenden, etwa Rh 55, bob600
Rennrad-News.de: Hallo bob600. Wie bist Du zu dem Rad gekommen, das wir heute als Renner der Woche vorstellen? Warum hast Du Dich für genau diesen Aufbau entschieden?
Nach dem letztjährigen Rahmenbaukurs bei Christian Pyttel hat mich das Rahmenbauthema nicht mehr wirklich losgelassen. Nach langem Hin und Her bestellte ich dann eine Rahmenbaulehre von The Bicycle Academy und fand auch eine räumliche Möglichkeit in Form einer kleinen Werkstatt, in der ich nun werken kann. Theoeretisch kann man den Rahmen auch ohne Rahmenlehre bauen, aber dann wird es eben immer komplizierter und zeitaufwendiger. Bei solchen Projekten ist es immer eine Frage, wieviel Zeit man hineinstecken will. Verarbeitungstechnisch ist an dem Gravelbike zum Beispiel sicher noch etwas herauszuholen. Am Ende geht es darum, wann man aufhört zu schleifen.
Das gezeigte Rad ist für einen guten Freund. Mein eigenes Gravelbike ist gerade noch in der Mache. Es ist daher gewissermaßen ein Übungsstück für mich, mit dem Vorteil dass ich das Material nicht zahlen musste.
Das Lastenheft ist schnell umrissen: Gravelbike mit Disc und Flatmount-Steckachse (Da gab es dieses Jahr auch noch nicht garnicht so viele aus Stahl von der Stange), Custom-Geo (Sitzriese) und feste Lichtanlage mit Nabendynamo und Farbe „Gelb“ (Porsche Racing-Gelb) und das natürlich innerhalb eines (mehrfach ausgeweiteten) Budgets. Für die Schutzbleche haben wir auf den Einsatz von Raceblades geeinigt. Gewinde-Ösen für die Gepäckträgermontage sollten dabei sein. Unter 2000 € ist sowas selbst im Eigenbau und „nur“ mit Shimano 105 nicht machbar…
Was zeichnet das Rad für Dich besonders aus? Wenn es ein Selbstaufbau oder Tuning ist: Worauf hast Du besonders geachtet?
Zunächst die Rohrauswahl (Columbus Life und Zona) mit gebogenen Sitzstreben ohne Bremssteg und dann auch die halb-gemuffte Bauweise mit Muffen (silbergelötet) an Sitzrohrknoten und Tretlager und
fillet-brazed Steuerrohr (Fillet-Brazing ist ein Verfahren, bei die Rohre auf Passung gefräst werden und eine Lotschicht in und um die Fügung aufgetragen wird; es gilt als deutlich anspruchsvoller als das Verlöten in Muffen, da die Rohre besser gepasst sein müssen und die Toleranzen geringer sind. Anm. der Redaktion) Insgesamt galt „keep it simple stupid“. Um den Wartungsaufwand gering zu halten und die Rohre nicht zu schwächen, wurden alle Züge außen verlegt, einzig das Rücklicht hat von Tretlager bis zum Ausgang am Sitzrohr eine interne Kabelverlegung.
Der Rahmen ist uni-farben lackiert und das Decal nur geplottet und aufgeklebt. Das macht es einfach, Lackschäden auszubessern und auch das Design etwas zu ändern, sollte man mal gelangweilt sein. (Außerdem erleichtert es die Kommunikation mit dem Lackierer enorm :-)). Erwähnenswert ist auch der (ausgesprochen gut rollende) selbstgebaute Laufradsatz mit Shimano Naben und Mavic Open Pro UST Felgen und schlauchlosen Panaracer Gravelking-Reifen.
Dein Foto-Album „Basteleien“ im Rennrad-News Forum ist eine wahre Fundgrube für Rennrad-Equipment: selbstgenähte Jacken aus Gore Pac-Lite, Handschuhe, LED-Scheinwerfer, auch Bikepacking-Taschen kann man in Deinen Fotos finden – es scheint, als ob Dir keine Herausforderung zu groß ist…
Ich bastel an allem gerne. In dieser Woche habe ich schon einen Riss in einer Carbon-Kettenstrebe für einen Freund repariert. Ich nähe auch sehr gerne.
Geht das – sind bei solchen Arbeiten wie an der Kettenstrebe nicht die Grenzen des „Learning by Doing“ erreicht?
Als Maschinenbau-Ingenieur und Klebe-Fachingenieur habe ich schon Vorkenntnisse über Faserverbundstoffe und deren Verarbeitung. Richtig gemacht kann die Festigkeit nach der Reparatur vielleicht sogar besser als vorher sein. Für die Basteleien, die man in dem Foto-Album sieht, benötigt man eigentlich aber keine besonderen Vorkenntnisse.
Bleibt am Gravelbike jetzt alles so oder wird es weitere Ausbaustufen geben?
Das bleibt so als Dauerläufer und Komponententest. Der besagte Kollege ist bekannt dafür, alles klein zu kriegen, daher bin ich schon gespannt… :-).
Was wiegt Dein Renner der Woche?
Irgendwas um die 9 bis 10 kg. Habe es ehrlicherweise vergessen. Der Rahmen hat knapp über 2000 g.
Wo wird mit diesem Rennrad gefahren?
Hobby und zeitweise auch Alltag bzw. Arbeitsweg.
Wie würdest Du das Fahrverhalten des Rades charakterisieren?
Ich habe es natürlich schon für meinen Freund getestet :-). Es ist wirklich erstaunlich vielseitig und die Reifen schlucken extrem viele Unebenheiten, dadurch extrem komfortabel. Man fühlt sich trotzdem nie wirklich langsamer als mit dem normalen Rennrad.
Technische Daten: Selbstbau aus Columbus Life- und Zona-Rohr, Paramount Ausfallenden, etwa Rh 55
Rahmen: Selbstbau aus Columbus Life- und Zona-Rohr, Paramount Ausfallenden, etwa Rh 55
Gabel: Ritchey Carbon Cross Disk
Schalthebel: Shimano 105
Umwerfer: Shimano 105, Schaltwerk Shimano Ultegra RX
Ritzelkassette / Abstufung: 11-32
Tretkurbel / Abstufung / Innenlager: Shimano 105
Pedale: Werden noch auf SPD getauscht
Kette: Shimano 105
Bremsen: Shimano 105 flatmount
Laufräder: Shimano 105 HR Nabe / XT Nabendynamo, DT Swiss Comp Speichen, Mavic Open Pro UST Felgen (32 Loch)
Reifen: Panaracer Gravelking Tubeless
Sattel / Sattelstütze: Thomson Elite + Rapha Sattel
Vorbau / Lenker: Ritchey Vorbau / XLC Lenker
Lenkerband:
Sonstiges (Licht, Gepäckträger, Dynamo, integrierte Funktionen): XT Naben-Dynamo, B+M Frontlicht, SON Rücklicht
Über den Renner der Woche
Die letzten Renner der Woche findet ihr hier:
10 Kommentare
» Alle Kommentare im ForumDanke für die Blumen!!
Speichen sind DT Competition mit entsprechenden Alu-Nippeln.
Zur Muffen/Muffenlos Mischung: Die Tretlagermuffe macht das bauen ein wenig einfacher, da man da schonmal einen Fixpunkt hat der einiges vorgibt. Für das gesetzte 44er Steuerrohr gibt's leider keine Muffen und die Sitzrohrmuffe fand ich einfach geil und wollte sie mal verbaut haben....
Interessant. Darf ich da mal eine Laienfrage nachschieben?
Könnte man das Oberrohr auch leicht abfallend (geslopt) bauen, oder gibt's dafür keine passenden Muffen?
Und, was kostet eigentlich so ein nackter Rohrsatz und wo kauft man den überhaupt...? 😛
Schau mal hier.
Momentan stockt das Projekt aber, da wir die nächsten zwei Wochen in Quarantäne sind.
Eine gute Übersicht aktueller und neuer Materialien, nicht immer komplett lieferbar, findest Du hier:
https://www.framebuilding.com/
Wenn Dir der Versand aus England zu teuer sein sollte oder Du in Eile bist, kannst Du z.B. auch bei diesen beiden einkaufen, aber manchmal mit etwas weniger Auswahl:
http://reset-racing.de/rahmenbauteile/https://www.custom-academy.de/shop-rahmenbauteile/rohre-1/
Wenn Du Reynolds-Rohre haben willst, was bei einigen rostfreien Qualitäten, Sonderformen und vor allem Preisen durchaus Sinn ergibt, wende Dich direkt an deren Vertrieb:
https://www.reynoldstechnology.biz/contact-us/united-kingdom/
Alle der genannten helfen gern, auch bei vermeintlich einfachen Fragen und der Suche nach Alternativen.
Weitere, manchmal fast endlose Möglichkeiten bei Rohren, Verbindungselementen und Anbauteilen findest Du in den USA, aber da musst Du natürlich die Versandkosten im Blick behalten.
Muffen für Sloping gibt es z.B. von Llewellyn, aber wenn es nicht allzu deutlich sein muss, reichen auch ganz normale mit entsprechend anderen Winkeln: Eine 74°-Steuerrohrmuffe lässt z.B. das Oberrohr um 2° abfallen, wenn der echte Lenkwinkel lediglich bei 72° liegen soll. Dazu kommt ca. 1° Spiel der Rohre in vielen Muffen, plus ein weiteres Grad durch Ausschleifen und Zurechtbiegen.
Wenn das alles nicht reicht, kannst Du z.B. an einem der beiden Knotenpunkte muffenlos arbeiten, oder an beiden, oder "bilaminate" mit teilamputierten Muffen, oder Dir ganz eigene Muffen aus passenden Rohren bauen. Machbar ist da eigentlich so ziemlich alles, und auch gewagte Experimente am allerersten selbstgebauten Rahmen führen nicht unbedingt zum Scheitern.
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