Renner der Woche Portunus – das Gravelbike als Meisterstück

Ihr wolltet schon immer wissen, was Muffen wiegen? Wie ein roher Stahlrahmen aus Columbus Zona aussieht und wie er als vielfach bewundertes Disc-Gravelbike erstrahlt? Dann lest die Geschichte dieses Renners der Woche! Kenntnisse des Rahmenbaus gibt es gratis dazu.
Titelbild

Renner der Woche

Eigenbau, Columbus Zona, RAL7004 Signalgrau, Portunus

Rennrad-News.de: Hallo Portunus. Wie bist Du zu dem Rad gekommen, das wir heute als Renner der Woche vorstellen? Warum hast Du Dich für genau diesen Aufbau entschieden?

Tja, wie soll man es anders sagen, es war einfach mein Meisterprojekt und beinhaltete meine Meisterprüfung zum Zweiradmechatroniker Meister.

Beinhaltet die Meisterprüfung Rahmenbau?
Nein. Man muss ein komplettes Rad selbst aufbauen, aber man muss nicht zwangsläufig auch den Rahmen selber bauen. Ich habe meinen Meister an der Berufsfachschule für Zweiradmechatroniker in Frankfurt gemacht. Es ist ja weitläufig bekannt, dass dort auch Rahmenbau-Legende Dietmar Hertel unterrichtet. Er baut in seinem Alter zwar keine Rahmen mehr und hilft auch nicht handwerklich dabei, aber er gibt mit seiner Erfahrung viel nützliches Wissen darüber weiter, etwa über Materialeigenschaften und Formen. So bauen eigentlich 98 % der angehenden Meister dort auch ihre eigenen Rahmen. Es ist auch eine gute Gelegenheit nochmal auf Themen wie Geometrie, Fußfreiheit und DIN-Normen einzugehen.

Diashow: Renner der Woche: Portunus – das Gravelbike als Meisterstück
Der Steuersatz von Chris King aus den USA inklusive selbst gedrucktem Spacer, für den perfekten übergang
400 km wurden bis jetzt auf dem Portunus gefahren
Portunus führte über alle Teile genau Buch, so wissen wir jetzt, was ein Zona Steuerrohr wiegt...
Bevor der Rahmen so weit war, gab es viel zu tun
S-Works Carbon-Lenker und...
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Der Renner der Woche von Portunus aus dem Rennrad-News Forum hat bis jetzt 400 km "auf der Uhr"
# Der Renner der Woche von Portunus aus dem Rennrad-News Forum hat bis jetzt 400 km "auf der Uhr"
Viele Anbauteile stammen von Specialized wie die CoblWoblR Sattelstütze und der Power Arc-Sattel
# Viele Anbauteile stammen von Specialized wie die CoblWoblR Sattelstütze und der Power Arc-Sattel
Die Gabel von Cinq aus Freiburg ist ein Gravel-Leckerbissen aus Carbon, die Bremsscheiben kommen ebenfalls aus der Gegend: von Trickstuff
# Die Gabel von Cinq aus Freiburg ist ein Gravel-Leckerbissen aus Carbon, die Bremsscheiben kommen ebenfalls aus der Gegend: von Trickstuff
Die 4-Kolben Scheibenbremse dagegen kommt aus GB von Hope
# Die 4-Kolben Scheibenbremse dagegen kommt aus GB von Hope
Der Steuersatz von Chris King aus den USA inklusive selbst gedrucktem Spacer, für den perfekten übergang
# Der Steuersatz von Chris King aus den USA inklusive selbst gedrucktem Spacer, für den perfekten übergang

Stichwort „Geometrie“ – hast du die selber entworfen?
Sagen wir, einen kleinen Teil. Es wäre wenig sinnvoll über 100 Jahre Erfahrung mit Geometrien im Fahrradbau, die letztlich in aktuellen Fahrrädern stecken, nicht zu nutzen. Ich habe mich natürlich an einer Vorlage orientiert, die mir schon mal grundsätzlich gut geeignet für mich schien. Das war das alte Specialized Diverge. Daran habe ich dann geringe Modifikationen nach meinen eigenen Vorstellungen vorgenommen. Interessanterweise liegt mein Portunus ziemlich nah am neuen Diverge, obwohl ich noch gar nichts von dem wusste, als ich mein Gravelbike gelötet habe.

Und die Materialwahl, Columbus Zona, wie kam die zustande?
Ganz simpel, weil das Material an der Berufsfachschule zu guten Konditionen bestellt werden. Zona ist ja sozusagen ein Brot-und-Butter-Rohr, nicht zu leicht und dadurch schwer zu verarbeiten, aber auch nicht zu schwer. Es sollte haltbar sein, man sieht ja, was der Rahmen wiegt. Und es ging bei dem Aufbau auch nicht darum, den leichtesten Rahmen zu erhalten, sondern die Kenntnisse im Löten zu vertiefen.

Bevor der Rahmen so weit war, gab es viel zu tun
# Bevor der Rahmen so weit war, gab es viel zu tun
Portunus führte über alle Teile genau Buch, so wissen wir jetzt, was ein Zona Steuerrohr wiegt...
# Portunus führte über alle Teile genau Buch, so wissen wir jetzt, was ein Zona Steuerrohr wiegt...
...und ein Satz Gewinde-Ösen samt Verstärkungsblechen
# ...und ein Satz Gewinde-Ösen samt Verstärkungsblechen

Du hast jede Muffe einzeln dokumentiert – müssen die Muffen eigentlich speziell zur Geometrie bestellt werden?
Jein, es gibt Freiheitsgrade. Man kann die Muffen noch “beilegen”, wie man sagt und so in einem Winkel von etwa 1 bis 3 Grad noch verändern. Man hätte auch andere, exotischere Muffen bestellen können, aber es gab in unserem Jahrgang keinen, der den Ehrgeiz entwickelt hätte, sich da einzuarbeiten.

Was zeichnet das Rad für Dich besonders aus? Wenn es ein Selbstaufbau oder Tuning ist: Worauf hast Du besonders geachtet?

Ganz klar der Rahmen (Selbstbau), dieser wurde genau auf meinen Körper angepasst mit den Geometriedaten, die ich für mein Vorhaben als sinnig und nun auch für gut beziehungsweise passend befunden habe.

Bleibt jetzt alles so oder wird es weitere Ausbaustufen geben?

Es bleibt so. Da ich mir immer viel Kopf um die Aufbauten mache, aber bei dem Meisterstück nun natürlich nochmal mehr Zeit eingeflossen ist, derzeit habe ich nichts, was ich direkt ändern wollen würde. Wobei eine AXS Dropper noch schön wäre, aber leider lässt es sich mit meinem Sitzrohr-Durchmesser nicht umsetzen.

Was wiegt Dein Renner der Woche?

9.314 g, wobei der Rahmen mit 2,4 kg zu Buche schlägt.

Wo fährst Du mit diesem Rennrad? Welche Rennen, RTF oder andere Veranstaltungen hat es schon bestritten?

Derzeit noch meine Hausrunden um mich vom Corona Alltag etwas abzulenken. Ich hoffe, im Winter kommen ein paar Crossrennen dazu, allerdings auch mehr aus dem Spaß als aus dem Leistungsaspekt.

Wie würdest Du das Fahrverhalten des Rades charakterisieren?

Für das, was ich fahre, einfach super, ziemlich ausgewogen von Spurtreue zu Wendigkeit.

400 km wurden bis jetzt auf dem Portunus gefahren
# 400 km wurden bis jetzt auf dem Portunus gefahren

Wie und wann bist Du zum Rennradfahren gekommen?

Rennrad nicht direkt, Gravel bzw. Cross ist mehr mein Thema. Gekommen ist es an sich durch die Arbeit und des Wissbegierigen Kopf auf meinem Hals ;).

Wie würdest Du Dich jetzt selbst als Rennradfahrer charakterisieren?

Rücksichtsvoll, hilfsbereit & abenteuerlustig.

Wie bist Du zum Forum von Rennrad-News gekommen?

Da ich schon lange bei MTB-News dabei bin, ist hier der passende Bereich für schmalere Reifen.

Was macht für Dich den Reiz des Rennradfahrens aus?

Ein Wort. ++ Geschwindigkeit ++

Dein Verhältnis zur Radbranche – immer das Neuste oder am liebsten noch mit Rahmenschalthebel?

Ich habe gerne Technik am Rad, wenn sie funktioniert und ich nicht vor jeder Fahrt etwas einstellen oder anschalten muss usw. Ich möchte unkompliziert fahren ohne viel Klimbim vor der Fahrt. Allerdings reizt mich die Technik schon, und ich fahre viel lieber den neuen „Shit“, muss ich zugeben.

Was ist deine persönliche Lieblings-Trainingsrunde?

Ich fahre lieber frei ohne jegliche Tourenvorschläge ;).

Für die Fertigung sind mehr Maße erforderlich, als man sie aus klassichen Geometrie-Tabellen kennt
# Für die Fertigung sind mehr Maße erforderlich, als man sie aus klassichen Geometrie-Tabellen kennt

Technische Daten: Eigenbau, Geometriedaten sind im Bild zu erkennen. Rahmenrohrsatz ist von Columbus (Zona) Rahmenfarbe: RAL7004 Signalgrau

Rahmen: Eigenbau, Columbus Zona Rahmenfarbe: RAL7004 Signalgrau
Gabel: CINQ Starrgabel Touring Fork Carbon 1 1/8″ | 15 mm x 100 mm Steckachse, 47mm Offset
Schalthebel: SRAM Force eTap AXS HRD
Umwerfer: Bewusst keinen 😉
Ritzelkassette / Abstufung: SRAM XX1 | X01 Eagle Kassette 12-fach X-Dome XG-1295 10-50 Zähne schwarz | polar-grau
Tretkurbel / Abstufung / Innenlager: Easton Cinch BSA 30 mm Innenlager 68 (Ceramicspeed) Kurbel RaceFace Next SL 175mm BB30 Chinc mit EASTON Kurbelwelle EC129 für EC90 SL Kurbel & Garbaruk Easton Cinch Road/CX 42T Round Black
Pedale: HT LEOPARD M1 Klickpedale
Kette: SRAM XX1 | X01 Eagle Kette 12-fach PC 1290 126 Glieder schwarz
Bremsen: HOPE Bremssattel RX4 Postmount (Bremsbeläge Organisch)
Laufräder: DT Swiss 240S Straightpull 6loch XD 54t Ratched mit Pillar PSR TB2015/2016 und Nippelshop Schotter 35 mit angepasstem Speichenwinkel & Lochanzahl
Reifen: Specialized Pathfinder Pro 2Bliss Ready 38-622
Sattel / Sattelstütze: Specialized CoblGoblR 27,2x400mm Setback 25mm mit S-Works Power Arc 143mm
Vorbau / Lenker: S-Works Carbon Shallow RD BAR 420×31,8mm & NEWMEN Evolution SL 318.4 Vorbau 90mm 6°
Lenkerband: guee SL Geo Lenkerband Schwarz/Rot
Sonstiges (Licht, Gepäckträger, Dynamo, integrierte Funktionen): Unterrohr für Specialized SWAT vorbereitet

Das Portunus Gravelbike – mit 9,3 kg ist es trotz schweren Rahmens am Ende gar nicht schwerer als viele Serien-Gravelbikes
# Das Portunus Gravelbike – mit 9,3 kg ist es trotz schweren Rahmens am Ende gar nicht schwerer als viele Serien-Gravelbikes

Über den Renner der Woche

Die letzten Renner der Woche findet ihr hier:

Wie gefällt euch der Renner der Woche?

Fragen: Jan Gathmann / Fotos: privat

27 Kommentare

» Alle Kommentare im Forum
  1. Der 90er Vorbau kommt mir auch sehr kurz vor. Der kurze Sattel und die Stütze irritieren, auch bei der Einschätzung der Geometrie.

    Es ist natürlich schade, dass Aufgrund von Zeit und Verfügbarkeit keine gängigen Standards genutzt werden konnten. Das Ergebnis ist jedoch ansprechend!

  2. Ich hatte Seminare bei ihr und musste mir sehr auf die Zunge beißen.
    Allerdings entspricht die Knielot- und -Winkelgeschichte dem Lehrbuch (Europa - Fachkunde Fahrradtechnik).
    Ging mir vor ein paar Wochen genauso.
    Als wir die Geo nach ihren Angaben auf dem Velochecker eingestellt haben ist mir dann aber die Hutschnur geplatzt. Das ging garnicht. Und das habe ich ihr dann auch unmißverständlich mitgeteilt.
    Übrigens sollte man die anderen Dozenten möglichst nicht auf sie ansprechen 😉

    Ich war aber sowieso schon bei ihr unten durch, nachdem ich auf ihre Frage ob wir deutsche Hersteller wüßten, die gemuffte Alurahmen hergestellt hätten mit "Kettler" geantwortet habe. Sie bestand vehement darauf, dass nur Patria derartige Rahmen hergestellt hätte.
  3. Habe gerade besagten Namen recherchiert. Kann es sein, dass besagte Person sehr von sich eingenommen ist und für sich in Anspruch nimmt, den heiligen Gral der Ergonomie gefunden zu haben? Zudem scheint sie ziemlich alternativ angehaucht zu sein aber gleichzeitig auch recht dogmatisch und verallgemeinernd - kommt das in etwa hin?

  4. Sehr gut recherchiert

  5. Habe gerade besagten Namen recherchiert. Kann es sein, dass besagte Person sehr von sich eingenommen ist und für sich in Anspruch nimmt, den heiligen Gral der Ergonomie gefunden zu haben? Zudem scheint sie ziemlich alternativ angehaucht zu sein aber gleichzeitig auch recht dogmatisch und verallgemeinernd - kommt das in etwa hin?
    Juliane Neuss ist in der Tat genau so, wie Du die beschrieben hast.
    Vor einigen Jahren kam eine gute Freundin mit einer Vorschädigung im rechten Unterarm mit dem Wunsch nach einem Randonneur auf mich zu.
    In dem Moment hätte ich einfach eine Ergonomieberatung auf dem Velochecker machen sollen, habe sie jedoch zur Hexe geschickt.
    Das Ergebnis war teuer, aber leider auch katastrophal: zu lang, zu viel Sattelüberhöhung, falsche Lebkerbreite und falsches Knielot.
    Als ich dann, nach mehrfacher Aufforderung, das Ergonomieprotokoll bekam, haben wir die Einstellungen noch mal geprüft und es kam am Ende, Gott sei Dank, das richtige Rad für sie heraus - nachdem wir bei null begonnen hatten: 75° Sitzwinkel, verkürztes Oberrohr, verlängertes Steuerrohr und ein etwas tieferes Innenlager.
    Durch Zona war es echt ein saftiger Preis, doch fährt sie nun jeden Tag 30km und sitzt, wie im Lehrbuch - ohne jegliche Schmerzen.
    Also sollte man lieber die Geometrie und Ergonomie verstehen, anstatt sich von lauten Kaspern was vom Pferd erzählen zu lassen.
    Außerdem ist gute Fachliteratur wichtig: Hans-Christian Smoliks Rahmenbaubuch und die Europa-Lehrbücher für den Meisterkurs.
Was meinst du?

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