Renner der Woche
Italienischer Alurahmen Anfang 2000. Vermutlich Cinelli Proxima (?), 1450 g, FlyingDutchman
Rennrad-News.de: Hallo FlyingDutchman. Wie bist Du zu dem Rad gekommen, das wir heute als Renner der Woche vorstellen? Warum hast Du Dich für genau diesen Aufbau entschieden?
Den Rahmen hatte ich vor knapp zwei Jahren zufällig bei Ebay gesehen. Er stammt aus einer italienischen Überproduktion, war unbehandelt, hochwertig gearbeitet, hatte meine Lieblingsmaße und kostete lediglich 50 €. Da konnte ich nicht dran vorbeigehen und habe ihn erst einmal zur Reserve in den Keller gelegt. Irgendwann hatte ich spray.bike gesehen. Ein als „Pulver aus der Dose“ angekündigter Lack, der ohne Vorarbeiten einfach zu lackieren sein soll. Das wollte ich gerne ausprobieren. Eigentlich habe ich mehr als genug Rennräder. Sagt meine Frau ;-). Aber in der Tat wäre ein „Bürorad“ noch eine schöne Gelegenheit, dachte ich. Mein Büro ist relativ weit vom Wohnort entfernt und eine spontane Feierabendrunde mit Kollegen funktioniert nicht.
Daher kam mir die Idee, ein einfaches Rad, das billig ist und trotzdem Fahrfreude bietet, einfach im Büro stehen zu lassen. Aufbau ist bei mir immer recht einfach. Ich fahre am liebsten Campa und hatte fast alle Teile in meinen Reste- und Vorratskisten. Hier ist es dann eine Mischung verschiedener Veloce-Jahrgänge geworden.
Was zeichnet das Rad für Dich besonders aus? Wenn es ein Selbstaufbau oder Tuning ist: Worauf hast Du besonders geachtet?
Ich mag die Alurahmen vom Anfang des Jahrtausends. Die sind relativ modern mit 1 1/8 Steuerrohr und integrierten Steuersätzen, 27er Sattelstützmaß, außenliegenden Zügen und geschraubten Tretlagern. Dieser hier ist mit 1450 g weder besonders leicht noch schwer, aber ausreichend robust und eben sehr preiswert. Die Schweißnähte waren sensationell sauber und gleichmäßig ausgeführt. Aber auch sehr deutlich sichtbar. Das mag ich an einem Rennrad nicht so gern wie an einem MTB. Ich habe die an den drei großen sichtbaren Knotenpunkten mit einem Dremel geglättet, gespachtelt und verschliffen. Auch das wollte ich einfach mal ausprobieren. Auffällige Elemente in der Formensprache wiederhole ich gerne. So passt die Gabel gut zum S-Bend-Hinterbau.
Wie hast Du das Rahmendesign und den Aufbau hinbekommen?
Der Arbeitsaufwand für die Vorbereitung ist relativ gering gewesen. Rund 2 Std. Dremeln, 1 Std. spachteln und schleifen, 2 Std. lackieren. Spray.bike Farbton ist Milan Celaton 2 aus der Historic Collection. Decals lagen dabei und sind nur geklebt. Aber das ist auch so eine „Grauzone“ bei dem Rahmen. Neben den Cinelli Decals lag auch ein Rohrsatzaufkleber „Deda T6 Energy“ bei. Einer von beiden Aufklebern lügt also. Cinelli nimmt ja ausschließlich Columbus, die gehören ja zum gleichen Konzern. Die Rohre sehen in der Tat eher nach Deda als nach Columbus aus. Aber egal. Der Aufbau selbst ging schnell. Alles in allem also gut ein Tag.
Es gefällt mir, wenn der Vorbau das Oberrohr „verlängert“. Bei einem horizontalen Oberrohr mit 17 Grad, hier bei dem leichten Sloping mit einem 10 Grad Vorbau. Und weil ich ohnehin selbst lackiert habe, gabe es den Vorbau „in Wagenfarbe“ ;-). Die Schaltzüge kreuze ich gerne unter dem Unterrohr. Damit laufen die Zugfüllen vor dem Steuerrohr in einem größeren Radius.
Bleibt jetzt alles so oder wird es weitere Ausbaustufen geben?
Das Rad sollte in erster Linie billig werden, sozusagen ein leidenschaftsloser Aufbau. Billig hat geklappt, leidenschaftslos nicht – das habe ich vergeigt ;-). Es passt hervorragend, ich mag die Fahreigenschaften, und der Farbton macht gute Laune. Aber ich ärgere mich über die schlechte Lack-Qualität – spray.bike erfüllt in meinen
Augen (oder Händen) die Versprechungen nicht. Und mich nerven die PowerShift Ergos. Für die Campa-Erfahrenen unter uns: Man kann (bei Powershift, Anm. d. Redaktion) im Gegensatz zu UltraShift nicht mehrere Ritzel in einem Zug herunterschalten. Ich ertappe mich dabei, dass ich nach anderen Ergos Ausschau halte ;-).
Was wiegt Dein Renner der Woche?
Gewicht ist ja bei so einem Projekt eher nebensächlich und es sind außer diesem Laufradsatz auch keine leichten Teile dran. Knapp über 8 Kilo, aber ich habe auch nur eine einfache Kofferwaage.
Wo fährst Du mit diesem Rennrad? Welche Rennen, RTF oder andere Veranstaltungen hat es schon bestritten?
Ich wohne im Ruhrgebiet, bin beruflich viel unterwegs und mein Büro ist in Ostwestfalen. Aber als „Bürorad“ wird das Rad dann in Bielefeld wohnen. RTF fahre ich gerne, wenn sie in der Nähe sind. Rennen nur ein-, zwei- oder dreimal im Jahr.
Wie würdest Du das Fahrverhalten des Rades charakterisieren?
Klassisch italienisch: kurvenfreundlich durch die kompakten Winkel und durch die etwas geringere Tretlagerabsenkung eher ein Coffee-Racer als Langstreckenrenner.
Wie und wann bist Du zum Rennradfahren gekommen?
Ich bin immer viel Rad gefahren, allerdings erst mit 40 zum Rennnrad gekommen. Am Col de la Schlucht habe ich ein Versehrten-Sport-Rennen erlebt und im Kärnten-Urlaub fuhr ein Miturlauber abends nach dem Abendessen regelmäßig noch schnell über den Pass nach Italien auf einen Espresso. Diese beiden Begegnungen hatten mich sehr beeindruckt, und als ich dann einen Scott Renner preiswert gefunden hatte, war die Zeit reif ;-). Seit mehr als 15 Jahren sind die Rennräder (suchen, betrachten, aufbauen und natürlich fahren) mein fast exklusives Hobby.
Wie würdest Du Dich jetzt selbst als Rennradfahrer charakterisieren?
Mit Mitte 50 als „ambitionierten Genussfahrer“.
Wie bist Du zum Forum von Rennrad-News gekommen?
Rennrad-News ist doch eines der sympathischsten Foren überhaupt, oder? Daran kommt man doch gar nicht vorbei ;-).
Was macht für Dich den Reiz des Rennradfahrens aus?
Gleiten, quälen, Wind, Sonne, Regen, Abschalten, Gemeinschaft und Austausch mit anderen, Espresso…
Dein Verhältnis zur Radbranche – immer das neuste oder am liebsten noch mit Rahmenschalthebel?
Ich freue mich immer über Neuerungen und Innovationen, aber ich muss das nicht alles haben. Ich brauche an meinen Rennern keine Elektrik und auch keine Scheibenbremse. Fahre allerdings auch nur 8 bis 10-fach. 11-fach habe ich irgendwie verpeilt. Vielleicht steige ich bei 12-fach wieder ein. Optisch gefallen mir moderne Rahmen aktuell eher
weniger – von Ausnahmen abgesehen. Aero ist schon „irgendwie“ cool, finde ich aber für meine Leistungsklasse eher lächerlich.
Technische Daten: Italienischer Alurahmen Anfang 2000. Vermutlich Cinelli Proxima? 1450 gr
Rahmen: Italienischer Alurahmen Anfang 2000, vermutlich Cinelli Proxima? 1450 g
Gabel: Noname Fernost-Ware, Carbon 340 gr
Schalthebel: Campa Veloce 10-fach Powershift
Umwerfer: Campa Veloce 10-fach, Schaltwerk Campa Centaur Carbon 10f
Ritzelkassette / Abstufung: Campa 10f 12-27
Tretkurbel / Abstufung / Innenlager: Campa Veloce Compact 34/50 UltraTorque
Pedale: Shimano Ultegra PDR 6600
Kette: KMC 11f
Bremsen: Campa Veloce D-Skeleton
Laufräder: Bitex RAF9/RAR10 in Farsport 38mm Carbon mit 20/24 Sapim CX-Ray von Slowbuild
Reifen: aktuell Conti GP4000S, aber lieber Vittoria oder Veloflex
Sattel / Sattelstütze: Selle Italia SLR, Noname Fernost Carbon Stütze 27,2
Vorbau / Lenker: Selcof 10 Grad 120 mm, 3T Ergosum
Lenkerband: Deda
Sonstiges (Licht, Gepäckträger, Dynamo, integrierte Funktionen): k.A.
Über den Renner der Woche
Die letzten Renner der Woche findet ihr hier:
3 Kommentare
» Alle Kommentare im ForumGute Idee: Einen 50-Euro-Alurahmen mit der Teilekiste schnell aufbauen als einfaches Rennrad, das immer im Büro parkt. Aber wie das so ist: Aus dem Vernunftprojekt wurde eine Herzensangelegenheit. Und so ist das Rad, das FlyingDutchman aus dem Rennrad-News-Forum auf Basis eines eBay-Fundes aufbaute und lackierte ein würdiger Renner der Woche. Da spielt es eigentlich keine Rolle mehr, ob es wirklich ein Cinelli Proxima ist.
→ Den vollständigen Artikel „Renner der Woche: Vermutlich ein Cinelli Proxima – auf jeden Fall italophil“ ansehen
Herzlichen Glückwunsch zu diesem gelungenen Projekt - das hat wirklich Charme - und ganz besonders dann, wenn man die Idee dahinter vermittelt bekommt!
Selbst gemacht ist halt immer noch etwas besonderes. Da sieht mancher 5x so teure Hobel alt gegen aus.
Tolles Rad und schöner Bericht!
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