Rennrad-News

Gravel Bike-Lenker und Rennrad-Lenker
Über Drop, Reach und die richtige Form

Ob Gravel Bike, Allroad Bike, Endurance- oder Racebike: Der Lenker am Rennrad bestimmt die Sitzposition ganz erheblich und entscheidet damit über Freude oder Leid im Sattel. Doch bevor ihr in den Unterlenker geht, solltet ihr ein paar Dinge darüber wissen.

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Ich persönlich sehe mich zu diesem Artikel motiviert, nachdem ich einfach glaubte, einen breiteren Lenker ans Gravel Bike bauen zu können und damit glücklich zu sein. Dann sah ich die vielen verschiedenen Maße, baute mir einen breiteren Lenker an und erhielt aus Versehen auch einen tieferen und schrägeren; musste mir dann einen anderen Vorbau montieren, und tüftelte eine ganze Weile herum, bis mir die Sitzposition gut gefiel – also Augen auf bei der Rennradlenker-Wahl!

Diashow: Gravel Bike-Lenker und Rennrad-Lenker: Alles über Drop, Reach und Co.
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# Die staubigen Tage mögen vorüber sein - doch gerade im Winter sind Cross- und Gravelbikes ein großer Spaß.

Rennradlenker-Maße

Kurz gesagt hat ein Rennradlenker, auch Dropbar oder Rennlenker genannt, einen noch stärkeren Einfluss auf die Sitzposition, als ein konventioneller, flacher Lenker am Mountain- oder Citybike. Denn der Rennlenker bietet nicht nur eine Griffposition, sondern bis zu fünf – und mit seinen vielen Krümmungen gibt es noch mehr Möglichkeiten für Variation.

Lenker Breite

Klar, auch ein Rennradlenker hat eine Breite. Die Hersteller geben die Breiten unterschiedlich an: von Horn zu Horn oder von Mitte zu Mitte an den Lenkerenden unten. Hier gilt es zweimal hinzuschauen, um Äpfel mit Äpfeln zu vergleichen.

Für die persönlich passende Breite galt früher als Faustregel: Die Lenkerhörner sollten etwa genauso breit wie die Schultern auseinander liegen. Denn die Handhaltung an den Bremshöckern ist gewöhnlich die meistgefahrene. Das hat sich mit Aufkommen der verschiedenen Rennradtypen wie Aero-Rennrad oder Gravel Bike etwas gewandelt.

Aero-Haltung – schmaler Lenker: Wer auf maximale Aerodynamik wert legt, greift etwa bevorzugt zu schmaleren Lenkern, als es die Faustregel vorsieht. So lassen sich bei hohen Geschwindigkeiten leicht ein paar Watt Kraft sparen.

Gravel Bike – breiterer Lenker: Wer dagegen mit dem Gravel Bike auf groben Pisten unterwegs ist, will meist lieber einen breiteren Lenker. Hintergrund: Man hat einen größeren Hebel, um bei Stößen vom Untergrund locker gegenzuhalten. Und gleichzeitig gibt es mehr Platz für Gepäcktaschen.

Übrigens: Die untere Breite wird auch durch den sogenannten „Flare“ beeinflusst. Dazu unten mehr.

# Ein Rennlenker hat eigentlich sogar zwei Breiten - standardmäßig wird die obere angegeben.
# Einfacher Anhaltspunkt - Der Lenker sollte am Bogen etwa so breit sein wie die Schultern – von hier aus kann man sich Richtung breiter fürs Gelände oder schmaler für bessere Aerodynamik vorarbeiten.
# Kein kleiner Unterschied - Der Gravel-Lenker vorne ist am Bogen rund 1 bis 2 cm breiter als der Rennlenker im Bild. Das wirkt sich in der Sitzhaltung und beim Lenkverhalten spürbar aus.

Reach

Ja, richtig gelesen: Ein Rennradlenker hat einen Reach! Das haben die wenigsten anderen Fahrradlenker explizit. Gemeint ist damit, wie weit das Horn von der Mitte des Oberlenkers nach vorne schwingt. In jedem Fall bestimmt die Länge der Vorbiegung die Position der Schalt- Bremshebeleinheit. Damit legt sie letztlich fest, wie gestreckt ihr in der meistgefahrenen Haltung auf dem Fahrrad sitzt. Der Reach verdient deshalb besondere Beachtung. Zwischen verschiedenen Lenkermodellen können schon einmal 2 cm liegen. Ausgleichen lässt sich der Reach aber durch die Vorbaulänge.

# Reach ist Reach - und betrifft eure Sitzposition direkt.

Drop

Wie viel tiefer liegt der Unterlenker, als der Oberlenker? Das gibt der Drop an. Der Drop betrifft somit nur die Unterlenkerhaltung. Je mehr Drop, desto tiefer sitzt ihr auf dem Fahrrad. Sogenannte „Compact“ Lenker haben einen geringeren Drop und lassen euch etwas, ja, kompakter auf dem Bike sitzen. Derzeit haben sich 120 bis 125 mm Drop als übliches Maß herauskristallisiert. Gut zu wissen: Wer gerne gelegentlich richtig Tempo machen will, wählt einen Lenker mit viel Drop. Dann spart der Griff mehr Kraft im Wind. Dagegen kann zum Beispiel ein betont geringer Drop eine sinnvolle Option für die Langstrecke sein. Denn diese Position fordert den Rücken weniger. Sie ist damit länger fahrbar.

# Drop ist negativer Stack - um es mal mit den Worten eines Mountainbikers zu sagen.

# Auch der Oberlenker kann viele Formen annehmen - Hier am 3T Ergonova ist er leicht oval und minimal nach hinten gebogen (Back Sweep), was für geringere Druckspitzen auf die Hand sorgt
# Montagehilfe - In diesem Bereich können die Brems-Schalthebel angebracht werden. Die Linien erleichtern das parallele Ausrichten auf beiden Seiten – wichtig, da sonst verschieden hohe Bremsgriffhaltungen resultieren

Und nicht zuletzt kann der Unterlenker auch unterschiedlich weit Richtung Fahrer*in gezogen sein. Der Effekt eines längeren Unterlenkers ist eine zusätzliche, weniger gestreckte Sitzhaltung. Auch davon profitieren vor allem Langstrecken-Fahrer. Auf engen Kursen oder in der Stadt kann das längere Ende aber auch den Knien im Weg sein.

Rise

Einige wenige Lenker heben den Oberlenker links und rechts der Lenkerklemmung an. Ein Beispiel dafür ist etwas Specialized’s Hoverbar. Das sorgt für eine aufrechtere Sitzposition in der Haltung am Oberlenker. Vorteil: Der Positionswechsel bringt mehr Entspannung. Nachteil: Die Oberlenkerposition wird weniger windschnittig. Diese Lenkerform polarisiert stark.

# Die wenigsten Rennlenker haben Rise - aber es gibt eben auch Ausnahmen.

Backsweep

Die meisten Rennradlenker haben keinen Backsweep, der Winkel im Oberlenker ist also 0°. Einige Modelle neigen hier aber die Lenkerhälften leicht nach vorn, um in der schmalen Griffposition der natürlichen Handgelenkstellung Rechnung zu tragen.

Drop Flare

Der Unterlenker muss nicht senkrecht nach unten stehen, er kann auch leicht nach außen zeigen. Das dreht die Bremshebel in eine etwas nach innen rotierte Position. Manche empfinden diese Haltung als ergonomischer, aber die Bremshebel-Betätigung verlangt mehr Umgreifen. Der Drop Flare macht zudem den Unterlenker breiter, gibt hier nochmal mehr Kontrolle, steigert aber auch den Luftwiderstand.

# Drop Flare beeinflusst die Position der Schalt-Bremshebel - und gibt mehr Breite im Unterlenker.

Flare Out

Den Unterlenker selbst kann man natürlich auch noch neigen, nämlich in die Breite – ein wenig wie der Backsweep am Mountainbike. Auch das kann eine natürlichere Handgelenkstellung unterstützen.

# In welchem Winkel stehen die Lenkerenden aus der Draufsicht zueinander?

Die Bedeutung des Vorbaus

Bis hierhin dürfte klar sein: Jedes einzelne Maß am Rennradlenker hat einen Einfluss auf die Sitzposition und Körperhaltung sowie natürlich auch die Lenkgeometrie, Stichwort „Hebelwirkung“. Da liegt es nahe, den Vorbau in die Überlegungen zur Lenkerwahl mit einzubeziehen.

Ein Beispiel: Du willst einen breiteren Lenker, weil du mehr Kontrolle im Gelände brauchst oder schlicht sehr breit gebaut bist. Das Modell hat aber möglicherweise auch mehr Reach – dann gleichst du am besten beides mit dem Vorbau aus, wenn du sitzen willst wie gewohnt. Denn ansonsten passiert etwas ganz anderes als geplant. Fakt ist, dass sich im Endeffekt bereits 10 mm Länge (Reach) am Lenker deutlich auswirken, und es durchaus ein wenig Probieren braucht, bis die Sitzposition stimmt. Grob gesagt sollte man einen 20 mm breiteren Lenker mit einem 10 mm kürzeren Vorbau paaren, beim Reach lässt sich Lenker-Reach zu Vorbau Reach eins zu eins verrechnen.

Länge

Der Abstand zwischen den beiden Achsen von Steuerrohr und Lenker. Man beachte: Wer Lenkerreach mit Vorbaulänge kompensiert, der behält zwar die normale Position an den Bremsgriffen bei – der Griff an den Oberlenker fällt aber kürzer aus. Der Effekt ist ähnlich wie bei einem erhöhten Oberlenker, plus eine direktere Lenkung in Oberlenkerhaltung.

# Mit Vorbaulänge lässt sich Lenkerreach ausgleichen.

Winkel

Der Winkel zur Orthogonalen auf dem Steuerrohr. Weniger kryptisch gesagt kann der Vorbau eben den Lenker noch höher oder niedriger positionieren. Optisch sehen negative Winkel am Renner eindeutig besser aus. Vorbauwinkel und Lenkerdrop bewirken am Ende das Gleiche.

# Mit negativem Vorbauwinkel lässt sich Lenkerhöhe reduzieren - alles andere sieht am Gravel oder Allroadbike seltsam aus.

Bleibt nur noch zu sagen: Die Steifigkeit des Vorbaus ist am Rennrad entscheidend, denn bei harten Sprints will man ja vorwärts kommen und nicht das Cockpit verdrehen. Also gönnt euch einen Vorbau mit großem Querschnitt und vernünftiger Klemmung. Vernünftig bedeutet dabei auch mit einem möglichst geschlossenen Klemmbereich am Carbonschaft. Gewicht sparen kann man mit Hohlschmieden und Titanschrauben, wie der auf unseren Bildern verwendete Newmen Evolution es vormacht.

Kauftipps

Aus eigener Erfahrung noch der eine oder andere Kauftipp: Mit den häufig standardmäßig verbauten, eher schmalen und tiefen Rennradlenkern kam ich am Gravel- und Allroadbike nur bedingt zurecht. Der Gedanke, einfach den Acros Gravellenker zu montieren, und damit glücklich zu sein, führte am Ende zu diesem Artikel: Er hatte so viel Reach, dass der Vorbau kürzer werden musste – und auch dann war mir der Drop Flare noch viel zu extrem. Das ist vielleicht etwas für jemand mit 1,95 m – für mich bei 1,76 m einfach zu viel von Allem. Am Ende bin ich mit dem Newman Advanced 318 glücklich geworden; die Evolution Vorbauten sind ohnehin über jeden Zweifel erhaben. Wer denkt, am Vorbau könne man nichts falsch machen: Der Ritchey WCS in Kombination mit dem Acros Gravelbar hat mich eines Besseren belehrt – die Kombination wollte schlicht nicht verdrehsicher sitzen, die Schraubenköpfe nudelten schneller aus als Ghnocci. Lenker mit rauerer Oberfläche und Montagepaste wirken hier Wunder!

Fazit:

Dropbars und ihre vielfältige Biegung sorgen dafür, dass es hier viel einzustellen und individuell anzupassen gibt. Die gute Nachricht: Es lassen sich wirklich gute Sitzpositionen finden. Die schlechte: Ohne ausprobieren wird es vermutlich nichts…

Welche ergonomischen Kriterien zählen für euch bei der Wahl des Rennlenkers?

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